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Über den Wolken ...
Über den Wolken ...
„Wozu ist das, Papa?“ Maakus zeigte auf eine gewaltige Maschine, die erstaunlich leise verschiedene gewaltige Stangen schob und weitere Mechanismen auslöste. Irgendwo ertönte das dumpfe Signal einer Dampfpfeife, überall zischte es, wenn Dampf austrat. Pekka verflucht sich insgeheim selbst, dass er seinen Sohn mitgenommen hatte. Maakus konnte eine echte Nervensäge sein, außerdem hatte er schon mitbekommen, dass der werte Nachwuchs die wesentlichen Dinge der Mechanik entweder nicht verstehen wollte oder allen Ernstes nicht verstand. Für einen Meistermechaniker brach damit eine Welt zusammen, schließlich war Maakus der einzige Nachwuchs und Pekka wollte diesen nicht auf irgendeinem Feld ackern sehen.
Es würde nicht viel ändern, schließlich war seine Familie schon seit Generationen Rhûnappa, also den einheimischen Rhûna gleichgestellt, aber seine Position als Meistermechaniker erlaubte ihm sogar die Zentrale der schwebenden Inseln Rhûnas, die Innere Insel, zu betreten, um dort Wartungsarbeiten vorzunehmen. Nicht einmal alle Rhûna durften hierher.
Er war sich nicht einmal sicher, ob er ungefragt seinen Sohn hatte mitbringen dürfen, aber seit gut einem Jahr wurde er nicht einmal mehr von einem Schlüsselmeister begleitet. Einige der Türen und Tore, Gitter und Sperrvorrichtungen ließen sich mit bizarren Schlüsseln, andere durch bestimmte Kommandos und wieder andere durch Auflegen der Handfläche auf einen grell leuchtenden Stein öffnen. Ja, und dann waren da noch die Türen, die scheinbar über gar keine Vorrichtungen zum Öffnen oder Schließen verfügten, sich aber dennoch wie von Geisterhand öffneten und schlossen. Manche von ihnen öffneten sich allerdings auch für Pekka nicht ...
Die Innere Insel beherbergte die mechanischen wie magischen Steuerungseinrichtungen für die schwebenden Inseln der Rhûna. Der brillante Erzmagier Anukhffarr hatte seinem Feenvolk vor Tausenden von Jahren eine Zuflucht vor Verfolgung und Ausrottung bieten wollen. Als bislang einziger Magier hatte er alle Wege der magischen Künste beschritten und gemeistert. Als die Zeit gekommen war, riss er mit seinen Fähigkeiten riesige Stücke aus dem Boden Rakirrs und erhob diese mitsamt seinem Volk hoch in die Lüfte. Es heißt, eine der sechsundzwanzig Inseln sei nicht aus dem Boden Rakirrs, sondern aus dem Mond Lûn gebrochen ... Aber genau weis das heute niemand mehr. Auf den Inseln, die durch Stege und Brücken miteinander verbunden sind, lebt das Feenvolk der Rhûna, sowie deren menschliche Bedienstete, die im Laufe der Jahrhunderte zu Rhûnappa erhoben und damit den feeischen Bewohnern gleichgestellt wurden. Anukhffarr hat uns schon vor einer Ewigkeit verlassen und viele Geheimnisse mit sich ins Grab genommen. Doch die Inseln schweben noch immer hoch über Rakirr und sie sind mit rein mechanischen Stegen über kleine Zwischenstationen verbunden, über die man jeweils zur anderen Insel gelangen kann. Selbstverständlich steht es jedermann frei, eines der schwebenden Schiffe oder einen Gleiter benutzen, sofern man sich die Passage leisten kann und will. Anukkhffarr war weise genug, in allen möglichen Belangen auf Magie zu verzichten, sondern sich mechanischer Hilfsmittel zu bedienen. Diese konnten auch von Personen bedient und gewartet werden, die sich nicht der magischen Fähigkeiten bedienen konnten. Und alles in allem gab es auf ganz Rakirr nur sehr wenige fähige Magierinnen und Magier.
„Rühr hier bitte nichts an. Hörst du, Maakus?“ Pekkas Stimme klang schon beinahe flehentlich.
„Nein, nein ...“ Väter können so langweilig sein. Maakus betrachtete die glänzenden Maschinen und die sich hin- und herschiebenden Teile. Kleine Lichter in verschiedenen Farben leuchteten auf großen blanken Metalltafeln und daneben waren Hebel in den unterschiedlichsten Stellungen. Hier und dort bewegten sich silbern glänzende Zeiger auf schwarzen Flächen und zeigten auf Symbole oder Zahlen, die Maakus nicht kannte und die ihm doch irgendwie vertraut schienen.
Pekka machte sich an die Arbeit und packte zunächst einmal die sorgfältig verstauten Werkzeuge aus. Wie bei einem Ritual betrachtete er sie, begann dann damit, die Mechanik zu reinigen und erneut zu ölen. Hin und wieder warf er einen Blick zu seinem Sohn hinüber, der scheinbar in Gedanken versunken die Schalttafel anstarrte, mit der selbst Pekka nicht viel anfangen konnte. Also grinste er innerlich über die Ernsthaftigkeit, mit der Maakus die Tafel bestaunte.
„Papa!?“
„Ja?“ Pekka stöhnte vernehmlich. „Was ist?“
„Wieso verändert sich der Höhendrift der einzelnen Inseln unterschiedlich, während die Richtung beibehalten wird?“
„Was?“ Pekka entglitt die Ölkanne, die mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden landete. Der Verschluss verhinderte allerdings, dass er sich über die Säuberung der in einem matten Graut schimmernden Fliesen Gedanken machen musste.
„Wie meinst du das, Sohn?“
Pekka schritt schnell zu Maakus hinüber, der auf die gewaltige Tafel mit den vielen Lichtern, Hebeln und Anzeigen wies. Pekka stierte die Tafel kurz an, wusste aber, dass dies müßig war. Er hatte schon mehrfach in jungen Jahren versucht, aus den Anzeigen schlau zu werden.
„Die blauen Lampen leuchten, wenn die Energieversorgung eingeschaltet ist, die oberen Anzeigen weisen auf den Wind, seine Stärke und Richtung hin. Darunter befinden sich die Anzeigen für die aktuellen Wasserreserven und dann folgt eine Anzeige der Höhe über Rakirr, daneben die Driftrichtung. Und siehst du? Die Höhenanzeigen verändern sich ständig, während die Richtung beibehalten wird. Die einzelnen Inseln sind also in unterschiedlicher Höhe!? Das ist doch Unsinn!“
Pekka starrte seinen Sohn entgeistert an, dann klärte sich aber sein Gesicht auf und er lachte laut los. „Das hast du gut gemacht, Maakus! Beinahe wäre ich drauf reingefallen!“
Der konsternierte Blick Maakus‘ sagte ihm aber nur zu deutlich, dass dies kein Scherz gewesen war. „Bei allen Winden, Maakus, woher weißt du das? Kannst du die Zeichen lesen?“
Der Jugendliche zog die Schultern hoch.
„Ich denke ich habe diese Zeichen noch nie gesehen. Es war mir irgendwie einfach klar.“
„Du fasst nichts an! Verstanden?“ Pekka war noch immer bleich.
„Natürlich nicht. Ich bin doch nicht verrückt!“, Maakus warf seinem Vater einen vorwurfsvollen Blick zu. „Darf ich mich umsehen?“
„Aber nur hier und in den Räumen nebenan ... Und fass nichts an!“
„Ich habe dich verstanden, Vater.“ Maakus klang jetzt genervt.
Er drehte sich um und schritt langsam durch die Halle auf einen der Ausgänge zu. Dabei betrachtete er aufmerksam alle Einzelheiten. Insbesondere die Beleuchtung erweckte seine Neugier. Sie schien weder magisch noch mechanisch zu sein. Fingerdicke Leitungen liefen an den Wänden und Decken entlang und hin zu den Leuchten, die ein konstant helles Licht verbreiteten. Im nächsten Raum lief ein gewaltiges Rad und ein hoher Summton drang bis in jeden Winkel des Körpers, erfasste ihn und versetzte ihn in eine unangenehme Schwingung. Also ging Maakus schnell weiter, da sich außer dieser gewaltigen Maschine und einiger Schalttafeln nichts weiter hier zu befinden schien. Den Hinweis seines Vaters missachtend trat er auf einen breiten Flur hinaus und folgte den Wegweisern, ohne dass er hätte sagen können, welchem genau er folgte.
Endlich stand er vor einer gewaltigen Türe, deren Mitte ein goldener Kopf eines edlen Feen mit fein geschnittenem Gesicht verzierte. Maakus betrachtete die feine Arbeit und strich liebevoll mit den Fingern die Konturen nach. Mit einem Ruck öffneten sich die Augen und gaben grell blau leuchtende Pupillen frei. Maakus sprang vor Schreck einen Schritt zurück und verschluckte sich so heftig, dass er husten musste. Der Mund des goldenen Feen öffnete sich und sprach etwas in einer Sprache, die Maakus nicht verstand.
„Tut mir Leid! Tut mir wirklich leid, ich wollte nur die Handwerksarbeit bewundern ... Ich wollte nicht stören.“ Maakus erwartete jeden Augenblick, dass ein Blitzgewitter auf ihn hernieder fuhr. Doch nichts dergleichen geschah.
„Sprich deinen Namen!“, forderte die Stimme des Feen nach einem Augenblick sehr nachdrücklich und versetzte Maakus damit erneut in Staunen.
„Maakus ... Sohn von Pekka, dem Meistermechaniker.“ Insgeheim hoffte er, dass diese offenkundig magische Kontrolleinrichtung zumindest Pekka kannte und ihn dann ziehen ließ. Schweißtropfen rannen ihm an allen erdenklichen Stellen herunter.
„So tritt denn ein, Maakus, Sohn von Pekka“, erwiderte die Stimme in einem milderen Ton. Zu Maakus erneutem Erstaunen öffneten sich die zwei Flügel des Portals völlig geräuschlos nach innen. Und er wäre noch viel erstaunter gewesen, wenn er erfahren hätte, dass sich dieses Portal schon seit Jahrhunderten nicht mehr geöffnet hatte.
Der folgende Raum wurde durch ein diffuses blaues Licht erhellt. Der milchig weiße Marmor reflektierte das Licht nicht, nur die Adern in dem edlen Gestein leuchteten ein wenig heller und machten den Raum irgendwie lebendig. Maakus erkannte, dass der tiefe Raum rund gebaut war und zur Mitte leicht anstieg, bis er an ein Podest gelangte. Dort glühten etwa zwei Kopf große Globen, in unterschiedlichen Farben, die sich dann und wann änderten. Im Leuchten der Globen sah Maakus Gestalten, die ihre Hände auf den Globen hielten und dabei dahinter in der Luft zu schweben schienen. Sehr langsam ging er auf das Zentrum des Raumes zu. Dabei lief ihm ein Schauder nach dem anderen den Rücken hinauf und wieder herunter. Irgendwie wusste er, dass er im Herzen der Inseln stand. Von hier wurde Rhûna gesteuert! Dies war das magische Zentrum der Inseln, vor Tausenden von Jahren von einem wirklichen Meister der Magie konstruiert. Und alles wirkte so, als wäre es erst gestern installiert worden. Keine Gebrauchsspuren waren zu sehen, ganz, als wäre die Zeit selbst in diesen Räumen nicht willkommen.
Die fünf Gestalten waren sicher zwei Kopf größer als der größte Fee, den Maakus je gesehen hatte. Spindeldürr und zerbrechlich wirkten sie, ihre langen viergliedrigen Finger ruhten gleich Beinen von Spinnen auf den Globen. Zwei von ihnen standen, die anderen saßen mit übergeschlagenen Beinen auf Höhe der Globen in der Luft. Ihr Gewand war aus schlichtem nachtblauem Stoff, der eng geschnitten an den dünnen Gliedern lag. Ihre Augen wirkten ausdruckslos und abwesend und starrten in die Unendlichkeit. Und auch Maakus staunte die Gestalten und die Globen an, die gelegentlich Geräusche von sich gaben. Mal ein Zischen, dann wieder ein Raunen; eine Sprache, die dem Jungen fremd war. Doch dann war seine Verwunderung um so größer, als er bemerkte, dass die entfernten Portale sich zu schließen begannen.
„Heh!“, rief er und rannte los. „Auflassen!“ Verzweiflung klang in der Stimme mit, denn irgendwie schien es ihm nur natürlich, dass er hier eigentlich nichts zu suchen hatte. Und so spannend das Ganze auch war, so fürchtete er sich doch vor den zu erwartenden Konsequenzen. Trotzdem kam er einige Schritte zu spät. Die Pforten schlossen sich lautlos und von dieser Seite aus waren keine Verzierungen angebracht. Schlichtes Metall, an dem jetzt nicht einmal mehr die Naht der Öffnung erkennbar war bildete die Tür mit der Wand eine Einheit und war lediglich deshalb auszumachen, weil sie aus anderem Material beschaffen war.
„Ohohh!“, entglitt es dem keuchenden Jungen. „Mach auf ... bitte!“
Der Wunsch blieb unerfüllt.
„Ohhhh ... Hier wird mich Vater nie suchen.“ Er schluckte, raffte sich dann aber auf und ging langsam wieder in die Mitte des Raumes zurück. Dann betrachtete er der Reihe nach die Gestalten aus der Nähe. Bei einem, der ihm am jüngsten von allen erschien blieb er stehen und musterte ihn genauer. Als er einen weiteren Schritt näher trat, summte eine der Kugeln so heftig, dass Maakus entsetzt einen Sprung nach hinten machte.
„Tish!“, fluchte er. „Ich tu ihm doch nichts.“
Dann sah er den Fee wieder an und trat mutig einen Schritt weiter vor.
„Kannst du mir helfen? Bitte, das ist echt schlecht, dass ich hier drin bin. Aber eigentlich hätte die Tür bestimmt gar nicht aufgehen dürfen. Vielleicht repariert ihr das Ding einfach und lasst mich wieder raus, ja?“
Außer den Geräuschen aus den Globen, dem Flirren der Lichter, gab es nicht den Hauch einer Reaktion.
‚Naja, irgendwann wird die Ablösung kommen. Schließlich müssen die ja was essen und trinken und woanders hin ...‘, dachte Maakus und setzte sich unterhalb des Podests auf den angenehm kühlen Boden. Dann kam ihm ein anderer Gedanke.
„Was, wenn nicht?“, fragte er sich laut und Entsetzen fraß sich langsam in ihm hoch. Er sprang auf und ergriff den Fee am Arm. Wieder erwartete er von irgendeinem Blitz getroffen zu werden, aber nichts dergleichen geschah.
„Bitte!“, flehte der Junge. „Hilf mir hier raus!“
„Nekaa hidh geladh!“ Die Stimme war mehr ein Wispern, aber der Fee hatte geantwortet! Der Blick ruhte mit einer sich deutlichen im Gesicht abzeichnenden Überraschung auf dem Jungen. Maakus war natürlich in der Sprache der Rhûna unterrichtet worden, aber dies schien eine ältere oder eine ganz andere Version der Feensprache zu sein.
„Ich versteh dich nicht ...“ Maakus sah dem Fee in die orangefarbenen Augen. In dem blauen Licht wirkte der Anblick geradezu gespenstisch. Der Blick des Fee glitt auf die Hand des Jungen, die den dünnen Arm fest umklammert hielt.
„Du tust mir weh, Maakus.“
Entsetzt zog Maakus seine Hand zurück und sperrte den Mund weit auf.
„Das wollte ich nicht! Wirklich ... ich ...“
„Schon gut ... Warte!“ Behutsam entfernte der Fee seine spindeldürre Hand von der einen Kugel. Entladungen in allen Farben zuckten zur Hand hoch, dann löste er die andere Hand ebenfalls von der Kugel und führte die Überschläge in der Luft zusammen. Das Blitzgewitter vereinte sich und sank langsam auf Höhe der Kugeln herunter. Die Kugeln waren jetzt miteinander verbunden. Nur einen Augenblick später schlug von einem der anderen Feen ein greller Blitz in die linke Kugel ein und stellte so eine Verbindung zur gegenüberliegenden Seite her.
„Lashar wird sich um diese hier kümmern“, sagte der Fee freundlich und erhob sich dann aus seiner Position. Das wirkte ein wenig seltsam, da er ja auf halber Höhe in der Luft gesessen hatte und sich nun mehr oder weniger entfaltete und auf dem Boden stand. „Nun, Maakus, was führt dich zu uns?“
„Ach, ich ging da so lang und da war die Türe und der Kopf sprach mit mir und dann ließ er mich einfach rein. Ich meine ich hab nichts gemacht oder angefasst oder so, wenn du das meinst.“
„Nein, das meine ich nicht. Warum bist du hier?“ Der Fee verzog keine Miene.
„Das verstehe ich nicht. Ich meine, ich habe nicht nach irgendwas gesucht. Mein Vater hat mich mitgenommen und ich bin ein wenig herumgelaufen und habe den Raum hier zufällig gefunden. Mein Vater wollte mir den ganzen mechanischen Kram noch mal zeigen, weil er doch unbedingt möchte, dass ich seinen Dienst irgendwann übernehme ... Er ist so verdammt stolz darauf.“
Maakus blickte zu Boden.
„Und du möchtest diesen Dienst nicht übernehmen, Maakus?“
„Ach was heißt möchte ... Ich kapiere Mechanik nun mal nicht. Ich habe wirklich versucht, mich damit auseinanderzusetzen, aber das führte zu nichts. Ich kann mich nun mal nicht dafür erwärmen. Auf der anderen Seite habe ich auch schon alles mögliche andere versucht und kann mich eigentlich für nichts begeistern ... Mutter sagt, das läge am Alter und mit der Zeit würde ich schon den ein oder anderen Beruf zu schätzen lernen. Vater wäre fürchterlich sauer, wenn ich nicht Mechaniker würde ... und ehrlich gesagt weiß ich sowieso nicht was ich machen will.“ Maakus sah den Fee direkt an. „Wie ist dein Name?“
„Lyzzar.“
„Und was machst du da?“ Maakus sah an dem dünnen Fee vorbei auf die Globen. „Ich meine, was genau macht ihr da?“
„Wonach sieht es für dich aus?“
„Ihr steuert die Inseln.“
„Genau. Sieh auf diesen Globus und konzentriere dich, Maakus. Was siehst du dort?“
Lyzzar ergriff eine Hand des Jungen und bevor er sich versah, ruhte sie auf dem warmen Gebilde, schien gar ein wenig darin zu versinken. Eine Flut von Eindrücken strömte auf den Jungen ein und das Gehirn versuchte eine logische Folge aufzubauen und die Bilder zu ordnen. Da waren Stege, Unterseiten der Inseln, diverse Instrumente, scheinbar auch aus dem Raum mit der großen Instrumententafel. Kniete da sein Vater auf dem Boden und reinigte irgendeine Mechanik? Er sah unverständliche Bilder von bunten Linien, die sich ineinander verschlangen, dann wieder entwirrten und in unterschiedliche Richtungen davon strebten. Langsam, ganz langsam entwirrten sich die Bilder und die durcheinander auf ihn einströmenden Fluten verdichteten sich und kamen in logischer Folge. Er konnte die Inseln überwachen, aber auch Personen auf den Inseln. Sicher konnte man das auch steuern, also suchte er in Gedanken nach seiner Mutter, indem er sich ihr Bild vorstellte. Und einen Augenblick später sah er sie, wie sie das Essen für seine kleinere Schwester, die Nervensäge, auf den Tisch stellte. Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Er registrierte einen Ruck und eine der Anzeigen über die Inseln erschien vor seinem Gesicht. Ohne es wirklich zu wissen nahm er wahr, dass durch eine starke Thermik die Insel in Auftrieb geraten war und sich deutlich über dem Niveau der anderen Inseln befand. Also aktivierte er, ebenfalls ohne wirklich zu wissen, wie dies funktionierte, einen tief im Inneren der Insel verborgenen Globus, der gewaltige Energien aus dem magischen Raum abzog und die Insel entgegen den Naturgesetzen wieder absenkte. Dies geschah allerdings etwas ruckartig, so dass es auf der Insel nicht ganz ohne Schrecken abging. Insgeheim entschuldigte sich Maakus für die sehr ruckartige Veränderung der Lage und löste dann vorsichtig die Verbindung.
Drei spindeldürre Feen starrten ihn an und mit einem Male wurde ihm klar, was er da gerade getan hatte.
„Ich ...“
„Ganz ruhig, Maakus“, sagte Lyzzar und hob abwehrend eine Hand. „Das war brillant. Du hast gleich sechs Globen auf einmal kontrolliert. Ungeübt!“ War da der Hauch eines Lächelns auf dem Gesicht des Fee zu erkennen.
„Kontrolliert würde ich das nicht nennen“, murrte einer der anderen Feen, der deutlich älter wirkte. Sein Blick schien den Jungen förmlich zu durchbohren und Maakus wusste, dass dieser Fee ihn ganz sicher nicht hier haben wollte.
„Ich bringe dich jetzt zurück zu deinem Vater, Maakus!“, sagte Lyzzar nachdrücklich und ergriff vorsichtig Maakus’ Arm. Dann ging er mit dem Jungen im Schlepptau auf eine andere, kleinere Tür zu, die sich lautlos öffnete. Ein letztes Mal zurückblickend, sah Maakus, dass sich die Feen wieder mit den Globen beschäftigten.
Die zwei beschritten schweigend einen anderen Weg, als Maakus ihn hin zur großen Halle genommen hatte. Vor Lyzzar öffneten sich alle Türen bereits auf Sichtweite, selbst die, welche scheinbar ausschließlich mit mechanischen Vorrichtungen versehen waren.
„Fantastisch“, entglitt es Maakus.
Lyzzar blieb stehen und drehte sich um.
„Was denn?“ Er keuchte ein wenig und wirkte entkräftet.
„Geht es dir nicht gut?“ Maakus war wirklich entsetzt.
„Mir geht es gut, Maakus. Ich bin es nur nicht gewohnt, durch die Gänge zu gehen. Eigentlich bin ich es nicht gewohnt, mich überhaupt zu bewegen ...“ Lyzzar seufzte vernehmlich.
„Ohhhh!“ Maakus wirkte überrascht. „Du meinst, du kommst da niemals raus?“
„Nicht in den letzten zweihundert Zyklen ... Aber ich habe ja sozusagen alles immer vor Augen.“
„Aber ... Aber das ist doch langweilig! Komm doch einfach mit zum Essen zu uns ... ach, falls du überhaupt etwas isst, meine ich.“
Lyzzar zog die Augenbrauen in die Höhe und verfiel in ein glucksendes Lachen.
„Ja, ich denke, ich kann auch etwas essen, Maakus.“ Er lachte weiter und drehte sich um. „Gehen wir, bevor dein Vater sich Sorgen macht.“
„Der macht sich eher Sorgen um die Maschinen als um mich ...“, murrte der Junge.
„Er ist der beste Mechaniker den wir jemals hatten, Maakus. Was denkst du, warum er sich hier frei bewegen darf? Meinst du, wir hätten dich mit ihm hereingelassen, wenn wir ihm nicht vertrauen würden? Außerdem haben wir dich ... nun ja, jemanden wie dich, bereits erwartet.“
„Ach ja?“ Maakus sah an dem hoch gewachsenen Fee hinauf. Sein Gang wirkte so überaus elegant, dass der Junge seufzte. „Es schienen mir aber nicht alle sonderlich begeistert.“
„Dir entgeht nichts. Das ist gut.“
Der Lärm der Maschinen klang jetzt sehr laut in Maakus’ Ohren und sie näherten sich seinem Vater, der halb unter einer laufenden Mechanik lag und dort offensichtlich mit etwas ausführlicheren Reparaturen beschäftigt war, da neben ihm das Werkzeug ausgebreitet lag.
„Vater!“
„Nicht jetzt. Gib mir bitte einmal die kleine gelbe Zange.“ Pekkas Stimme klang angespannt. „Und pass auf die Mechanik auf! Deine Haare sind zu lang, Junge, die könnten sich in der Schwungmechanik verfangen.“
„Jaja“, maulte Maakus und reichte seinem Vater die Zange über dessen Bauch bis unter die Maschine. „Wenn du so weit bist, komm bitte mal da heraus, ich möchte dir jemanden vorstellen.“
Pekka lachte.
„Ach, ist Irrgo auch hier? Das ist der Einzige, der hier sonst noch rein darf ...“
„Nein, nicht Irrgo.“
Mit verwirrtem Blick kam Pekka langsam unter den Geräten zum Vorschein. Hatte man noch einen weiteren Mechaniker hier zu gelassen? Oder war Maakus dem Schlüsselmeister über den Weg gelaufen? Das könnte unangenehm werden ...
„Hör mal ...“, begann Pekka, als er ölverschmiert hervorkam. Dann versagte ihm allerdings die Stimme und die Zange entglitt seiner Hand, während er den Fee anstarrte. Oh, er hatte Bilder auf Mosaiken von den Bewahrern gesehen, aber da stand einer in Fleisch und Blut neben seinem Sohn. Pekka schluckte schwer, raffte sich dann auf und kniete umständlich vor Lyzzar nieder.
„Mein Sohn kann nichts dafür, ich nehme die Schuld auf mich, o Bewahrer.“ Sein Blick haftete auf dem Boden vor dem Fee.
„Steh auf Vater, das ist Lyzzar. Er hat mich zurückgebracht. Stell dir vor, ich war in dem Kontrollraum, von wo aus die Inseln gesteuert werden! Lyzzar hat mich sogar diese Kugeln berühren lassen und damit konnte ich auch die Inseln für einen Augenblick steuern ... Und ich habe Mutter gesehen, wie sie Shani das Essen gab, und dich hier bei den Maschinen und so. Lyzzar ist nett ... ich hab ihn zum Essen eingeladen!“ Maakus sah seinen Vater fragend an. „Ich meine, ich hoffe ... das ist in Ordnung?“