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Über die Lebensweise Grand ouvert, wie sie Mr. Bleck pflegte

tfa

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21.04.2003
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Über die Lebensweise Grand ouvert, wie sie Mr. Bleck pflegte

Mr. Bleck war ein sehr beliebter Mensch unter seinen Mitspielern. Er war ein reservierter und tugendhafter Mann, den jede Mutter gerne im Umgang mit ihrem Sohn oder ihrer Tochter sah. Mr. Bleck bekleidete sich mit schwarzen Hosen und Schuhen; einem dazu passenden edlen Jackett und manchmal auch mit einem Hut auf dem Kopf. Ob seines königlichen Auftretens verkehrte er nur mit den Buben unter den Menschen. Ein Unbekannter behauptete dann oft er sei ein Snob, doch Mr. Bleck, der eine ungeheure Menschenkenntnis besaß, erkannte die Persönlichkeit des Betreffenden und offenbarte ihm suggestiv Schwächen, die der Unbekannte bei Mr. Bleck vermuten könnte. So wurde er berechenbar und beherrschbar, was ihm das Vertrauen der Anderen einspielte. Mr. Bleck blieb jedoch in jeder Situation der edle Gastgeber der Lage und hatte somit keine Feinde oder Meinungsverschiedenheiten. Er selber lachte in gleichem Maße bei rassistischen Witzen, wie bei Witzen über Rassisten, denn eine persönliche Auffassung dazu hatte er nicht. Er hätte sich wohl selbst als Schauspieler bezeichnet, der die Stücke spielte, die seine Rezipienten forderten.

Mr. Bleck hatte sehr viel Geld. Es war allgemein bekannt, dass er ein Freund von Spielen und Wetten war. Er war ein guter Spieler, der jedes Risiko durch Kalkül ermittelte und somit nur Nicht-Nullsummenspiele bestritt. Mr. Bleck war so oder so immer ein Gewinner. Seine Glanzleistung war das Ausrichten der Wette um den Mathematik Lehrer aus dem Sauerland, der in seinem Wortschatz ziemlich häufig die Wendungen „mal“ und „woll“ gebrauchte und nach Zählungen im Durchschnitt auf fünfunddreißig bis fünfzig Insertionen pro Stunde kam. Am Ende war der Jackpot bei zweihundertundfünfzig Euro, aus dem sich Mr. Bleck nach jeder Stunde zehn Prozent Bearbeitungsgebühr nahm. Der glückliche Gewinner hatte vierzig Mal geschätzt und die zweihundertundfünfzig Euro gewonnen, als Mr. Bleck schon über vierhundert Euro Gewinn verbuchen konnte.

Er wohnte in seinen Schuljahren zusammen mit einem Freund in einer Gemeinschaft. Zwischen ihm und seinem Freund existierte eine Verbindung, die einer Symbiose der Pflanzen und der Menschen glich und die nur Mr. Bleck geistig nachvollziehen konnte. Sein Freund, ein zwei Meter groß gewachsener gebürtiger Franzose litt unter schwersten emotionalen Schwankungen. Er traf Entscheidungen fast immer vorschnell und aus dem Bauch heraus, prügelte sich oft (bevor er Mr. Bleck kennen lernte) und verstand sich schlecht im Umgang mit Menschen, die einen gegenteiligen Lebensweg als seinen bestritten. Er lebte von der Reserviertheit und Tugendhaftigkeit des Mr. Bleck und schaffte es schließlich, durch den häufigen Umgang mit ihm, seine Gefühlswelt in einen Käfig zu sperren, dessen Herr er sein würde. Mr. Bleck, der seinen französischen Freund den Spitznamen Conseil gegeben hatte, verstand sich mit ihm immer und konnte erst durch ihn seinen Lebensstil ausleben. Manche mögen jetzt denken, dass er im Gegenzug von der Gefühlsmäßigkeit des Anderen profitierte, doch der wirkliche Zusammenhang hatte einen noch abyssaleren Ursprung:

Mr. Bleck war nicht immer so reserviert wie jetzt. Tatsächlich hatte er heute in der WG noch ein Zimmer, das ausschließlich von ihm betreten werden durfte und das Conseils Neugierde für eine lange Weile auf sich gezogen hatte. Denn wenn sich Mr. Bleck in diesem Zimmer aufhielt, hörte man Geräusche von Flaschen oder Möbelstücken aus dem Sperrmüll, die zerschlagen wurden. Oft kam Conseil dann zur Tür, klopfte und Mr. Bleck öffnete ihm nach einer Weile mit bandagierten Händen, verschwitztem Gesicht und einer brennenden Wut in den Augen. Nie konnte Conseil in dieses Zimmer blicken, es war immer verschlossen und Mr. Bleck erzählte ihm, das er dort nur trainieren würde.

Die Erklärung dieses Geheimnisses lag in Blecks frühster Kindheit. Seine Eltern waren damals genötigt gewesen die Stadt zu verlassen und einen Neuanfang zu probieren. Als die Polizei Bleck damals nach seinem Motiv für sein Handeln fragte, sagte er nur, dass der Junge, den er attackiert hatte beim Spiel einen Würfel benutzt hätte, der anstelle einer fünf eine weitere sechs zeigte und somit eine Fälschung war. Als Bleck diesen Betrug erkannt hatte, griff er den Schuldigen in den Nacken und prügelte ihn weich. Als er am Boden lag drückte Bleck ihn solange in das Wasser eines Ententeiches, bis ihn die Lehrer wegzerrten und den Ertrinkenden retteten. In Blecks Verstand residierte ein Insekt, das immer wieder die Kontrolle ergriff. Ein fürchterliches Monster, das ihn am Rande eines bodenlosen Abgrundes ohne Licht und Wasser wandeln lässt direkt über ein dünn gespanntes Seil, das unglaublich schwer zu Begehen erscheint. Man gab Bleck in Behandlung und dort schaffte er es, das Wesen in einen Käfig zu sperren und seinen Verstand in zwei Hälften aufzuteilen, ähnlich wie der Weltgeist Korea trennte. So wurde aus Bleck Mr. Bleck.

Zeit seines Lebens war Mr. Bleck ein gern gesehener Mann unter den Buben. Sie wussten von ihm, als einen offenen und vertrauenswürdigen Mann, der über Menschen gerecht und gerade urteilte, so wie Menschen es verdienten. Als Mr. Bleck vor seiner Haustür lag und seine Schädeldecke auf derselben Höhe wie sein Unterkiefer war, konnte man am Rücken seines Jacketts noch immer keine Bügelfalten erkennen. Damals wurde auch kein Krankenwagen mehr gerufen, denn der Tod dieses verrenkt auf dem Bürgersteig liegenden Menschen war beschlossene Sache. Die Spielkarten, die Mr. Bleck wohl noch in der Hand gehabt hatte, hatte der Wind wie einen Kreis aus Salz, der das Böse abwehren sollte, um ihn zu Boden wehen lassen. Es war kein Bube dabei, denn Bleck hatte all seine Trümpfe verspielt und die restlichen Karten zeigten alle au pair. Ein groß gewachsener Mann kniete zu seiner Seite, hielt seine Hand und beweinte seinen Tod, der seiner Aussage nach spontan geschehen war. Doch in seinem Inneren fühlte Conseil, das Bleck von einem Wesen getötet wurde, dessen Präsenz er noch immer fühlte aber dessen Umklammerung er ebenso ohnmächtig ergeben wäre, wie sein treuer Freund es war. Seine salzigen Tränen tropften auf den Boden, doch sein Kummer verriegelte auf ewig die Türe zu seinem eigenen Käfig um auf immer das Andenken an die Lehren seines besungenen Partners zu bewahren.

„An jenem folgeschweren Nachmittag hatten Conseil und ich einen Freund zu einer Skat Runde eingeladen und wir bereiteten nach dessen Zusage einen gemütlichen Abend mit Steinoffenpizza und Bier vor. Als der Freund jedoch eintraf, hatte er noch einen weiteren Gesellen mitgebracht, der allen unbekannt war. Dieser trat mit ernster Miene vor Conseil und mich. Er hatte eine hässlich verwachsene Narbe an seiner linken Wange, tiefe blaue Augen und pechschwarzes Haar. Conseil gab ihm skeptisch die schwere Hand und ich war ein weiteres Mal dankbar für sein Gefolge; als der Unbekannte mir die Hand gab und plötzlich ein solch aufmunterndes Gesicht aufsetzte, das es alle im Raum betraf und erheiterte. Zu meiner Verwunderung drang dieses Gesicht des Fremden direkt in meine Seele und erheiterte ebenso mein Gemüt. Da ich diesen Mann kaum einzuschätzen wusste, zu diesem Zeitpunkt, beschloss ich als Gastgeber zunächst das Essen aufzutischen, um dann prall gefüllt die Skat Runde aufzunehmen. Conseil und unser gemeinsamer Freund zeigten sich sehr redseelig, doch der Unbekannte ergriff niemals das Wort. Sprach man ihn jedoch an, antwortete er sachlich und formal. Das Wundersame, das jegliche Begeisterung in mir ergriff, war das man hinter seinen Wortformulierungen keine Gedanken vermuten konnte, seine Worte waren vielmehr seine Gedanken. Diese Tatsache lies in mir die Hoffnung erklimmen, das er schlecht beim Reizen und bei der Kalkulation von Risiken wäre, was mir wiederum einen Vorteil im Spiel verschaffe könnte.

Wir spielten die ersten Runden ohne den Unbekannten. Für Conseil und mich lief es so gut, dass unser Freund bald in weiser Einsicht aufgab und wir dem Unbekannten seinen Platz anboten. Als dieser seine ihm gegeben Karten aufnahm, entspannten sich seine Armmuskeln und er hielt die Karten mit seinem unveränderten Lächeln in der Hand, während meine Haltung gespannt war und die Karten sich knapp unter meiner Nase befanden. Der Unbekannte gewann das Reizen, was mich in der Vermutung versicherte, dass er ein gutes Blatt haben musste, aufgrund seiner Täuschungsunfähigkeit. Da meine Spielkarten frei von Buben waren, beschloss ich eine dezidiert reservierte Runde zu spielen. Conseil würde das ebenso verstehen. Doch zu unser aller Verwunderung blickte der Unbekannte plötzlich in meine Augen und legte sein Blatt verdeckt auf den Tisch. Er griff in seine Taschen und legte einen abgenutzten Gegenstand auf den Tisch. Als ob unsere Verwunderung nicht schon groß genug war, ergriff er nun auch noch das Wort zum ersten Mal an diesem Abend. Er sagte, dass er kein Betrüger sei, sondern, dass er mir zeigen wollte, wie es ist, wenn man ein Spiel spielt, das offensichtlich jedem der Beteiligten die Wahrscheinlichkeit von einem Sechstel zum Gewinn stellt aber in Wirklichkeit mit einem Würfel ausgetragen wird, den der Gastgeber gestellt hatte und dessen Augensumme nur er ablesen würde. Dann drehte er seine Karten um und zeigte sie uns. Er sagte Grand ouvert. Der Gegenstand, der neben den Karten lag, der alte Würfel, zeigte eine sechs und zu der in meine Richtung weisenden Seite eine weitere. Der Unbekannte sprach weiter: deinen Grand ouvert des Lebens spielst du mit Leuten, die dir vertrauen und denen du deine wahre Spielweise verheimlichst. Dein wahres Prinzip spielt mit den Menschen, die dich lieben und die das Leben als todernst ansehen. Deine Verklärung deiner eigenen Persönlichkeit ist eine Lüge, die dich heimsuchen wird im Alter, plagen und treten wird, dann wenn das Wesen in deinem Kopf schon lange tot ist. Für dich ist kein Platz auf dieser Welt, das musst du verstehen und deinem Schicksal anhängen.

Eine Verriegelung brach und eine Kiste öffnete sich. Heraus kam ein Wesen, das sich mir gegenüber an den Tisch setzte und mich anlächelte. Es lächelte freundlich und bat mir seine Hand an. Die packende Wut übernahm meinen Verstand und drang bis in meine Fußspitzen vor. Die Adern in meinen Augen färbten sie rot und der Schweiß sprang mir auf die Stirn. Ein Seil riss und ich stürzte ins Abyss. Ergriffen von dem Zucken, das den Körper eines Geköpften noch bewegen lässt, gepackt vom Zorn und dem Rachgesuch einer unterdrückten Nation, angetrieben von der Konsequenz und Entschlossenheit eines Forschers, den die Menschheit verachtet, zertrümmerte ich dem Wesen, das mir gegenüber saß mit der Bierflasche die Schädeldecke. Als es blutend auf dem Tisch lag, regungslos und mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht war ich für immer befreit. Ich hatte meine wahre Persönlichkeit endgültig getötet und müsste nie wieder unter ihr Leiden. Nun war ich frei wie ein Vogel im Wind und würde über lange verlassene Strände und Klippen auf unentdeckten Inseln fliegen und den Bäumen zuwinken, immer im Kreis rundherum solange bis ich verendete. Nun war ich frei vom Gemüt und musste nur noch die Befreiung des Verstandes tätigen. Ich musste in zerquetschen, so gut es ginge, denn jetzt hatten mich alle erkannt und meine Buben waren verspielt. Conseil und unser ehemaliger gemeinsamer Freund schauten noch auf den toten Unbekannten, der große Glassplitter in seinem Kopf stecken hatte, als ich durch das geschlossene Fenster sprang und auf immer verschwand.“

Mr. Bleck landete vor seiner Haustür und nur das Namensschild verwies auf seine Existenz: „BLECK“ – Rien ne va plus.

 

So, als kleine Entschuldigung für meinen "besoffski-Text" ;).

Ich hoffe die Geschichte des Mr. Bleck gefällt euch :)

 

Hallo TFA!
Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich deine Geschichte gerne und vor allem auch intensiv gelesen habe. Trotzdem sind mir noch einige Dinge unklar:
Du schreibst z.B., dass Conseil vor seiner Bekanntschaft mit Mr. Bleck mehr oder weniger ein "Prügelknabe" war. Wie hat er sich dann geändert? Nur durch den Einfluß seines Freundes oder hat er sich - wie Mr Bleck es tat - auf andere Weise abreagiert. Hat Conseil durch seine Veränderung nicht auch seine eigene Persönlichkeit unterdrückt und damit ebenso ein Wesen in seinem Inneren eingesperrt, das seine wahre Identität darstellte. Wenn ja, dann verstehe ich das hier nicht:

Geschrieben von tfa
Doch in seinem Inneren fühlte Conseil, das Bleck von einem Wesen getötet wurde, dessen Präsenz er noch immer fühlte aber dessen Umklammerung er ebenso ohnmächtig ergeben wäre, wie sein treuer Freund es war.
( "..dass Bleck.." )
Hat Conseil nicht selbst solch ein Wesen in sich oder ist dieses nicht so mächtig wie das des Mr Bleck?
Kann Conseil seine eigene Identität besser unterdrücken oder habe ich das hier total falsch verstanden? :-)
Würde mich freuen, wenn du mir das näher erklären könntest.
Du solltest deinen Text mal nach Fehlern durchsuchen. Häufig schreibst du "dass" nur mit einem "s", was ich aber mal als Flüchtigkeitsfehler einschätzen würde.
Ich habe jetzt nicht so viel Zeit das alles zu zitieren und denke, dass du keine Probleme hast die Fehler selbst zu finden. Deine Sätze sind oft sehr lang. Versuche es da ab und zu mal mit einem Bindestrich.
Snowball

 

Hallo snowball,

danke für deine Lesemühen und deine Antwort :).

Die mißlungen Nebensätze werde ich bei Zeiten nocheinmal durchgehen. :)

Conseil ist ein emotionaler Mensch. Bleck hat nur ein hohes Aggressionspotential in sich. Bleck braucht viel Kraft, die er aus seinen Abreagierungen bezieht, um dieses Potential zu unterdrücken. Seine Reserviertheit, die sich auf Conseil überträgt, macht diesen fähig seine Gefühle, bei denen er von Allen etwas hat, besser zu unterdrücken. Sie unterdrücken beide also verschiedene Wesen, wobei Bleck eine größere Bürde zu tragen hat, deren Aufgabe sich Conseil nie gewachsen fühlen würde.

Meine Intention stellt also die Frage, ob es manchmal besser ist bestimmte Gefühle zu unterdrücken und mit verdeckten Karten zu spielen oder nicht. Und die Frage inwieweit man sie unterdrücken kann/sollte.

 

dämliche Geschichte, dämliche Intention.

Wenn ich das alte zeug lesen, kriech ich zuviel

 

21.8.2003
dämliche Geschichte, dämliche Intention.

Wenn ich das alte zeug lesen, kriech ich zuviel


Deine Geschichte hast Du am 12.5.2003 gepostet - so rasch wechselst Du Deine Meinung? Heißt das, Du willst keine Kritik mehr dazu? :shy:
Oder heißt das, daß sie, wie Unterm Rad vielleicht gar nicht von Dir ist?

 

Ich weiss nicht, was das heisst, egal... schon gut. Danke für deinen Concern.

 

"Conseil ist ein emotionaler Mensch. Bleck hat nur ein hohes Aggressionspotential in sich."

...

Der Text ist wunderschön. . . aber ich glaube, mir fehlte damals noch etwas an Lebenserfahrung. . ^^ :confused:

 

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