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„Der vonne Pommeshütte bei der Edith ihrem Frisör anne Tanke umme Ecke?"
23. Dezember 2007
„Waren Sie nicht bis vor kurzem noch tot?“
„Hell yeah!“
Es war mitten in der Nacht und arschkalt. Manfred Mescha, Polizist aus Leidenschaft fummelte seinen Holster zurecht und verfluchte mal wieder den Teufel, der den Schichtplan gemacht haben muss. Unfreundlicher Frost kroch stechend, den Handschuhen trotzend, durch seine Finger. Eigentlich hatte er ja nix gegen Nachtschichten, aber diese Dunkelheit machte ihn jedes Mal fertig. Schon als Kind hatte er Schiss im dunkeln - vor Monstern. Gierige unheilbringende Gremlins, die womöglich unter seinem Bett, in seinem Schrank oder am Boden seines Zahnputzbechers hockten und nur darauf warteten einen Schreck nach dem anderen loszulassen. Buh! Na ja. Einmal, da wollte er den Zahnpastaschaum weggurgeln, als er sich verschluckte. Monster - ganz klar. Seit diesem Tag schwor er sich etwas gegen diese verfluchten eingebildeten Geister zu unternehmen. Nachdem er abgewägt und entschieden hatte, dass weder Lokomotivführer, Pilot, Feuerwehrmann oder Tante-Emma-Laden-Führer in irgendeiner Art und Weise adäquate Monsterbekämpferberufe sein können, meldete er sich bei der Polizei in Recklinghausen. Aber erst mal bei seiner Mutter.
„Mama, ich will Pozilist werden“, versprach er sich und produzierte dabei diese typischen Kinderspuckeblasen.
Es wurde Zeit, die Schippe selbst in die Hand zu nehmen. Für diese Entscheidung wurde er im Sandkasten hoch angesehen.
„Ich muss mal kurz die Daten überprüfen. Bitte bleiben Sie sitzen.“
„Alright.“
Langsam stapfte er zu seinem Wagen und gab die Daten in den Computer ein. Im Autoradio dudelte Christmas in Hollis von Run DMC. Einen kurzen Moment grübelte er über die Titelauswahl seines Lieblingssenders nach, zuckte dann aber mit den Schultern und nahm sich für die Feiertage vor, seinen Musikgeschmack einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen. Er schnappte sich das Mikrofon des Funkgerätes und rief bei der Zentrale an. Rauschend setzten sich seine Worte in Bewegung.
„Du Horst …“
SCHRRRRR schrrrrrte es zurück.
„Mensch Mescha, du musst schon die Funkregeln einhalten.“
KRRRZZZ
„Oh, klar, ‘tschuldige“
ZZZZIPP
„Nullneunachtdrei an Zentrale. Kommen.“
KRIBUTTZ
„Hier Zentrale. Was gibbet Nullneunachtdrei?“
FZZT … PUTT
„Sag mal Horst, kennst du noch Elvis?“
„Der vonne Pommeshütte bei der Edith ihrem Frisör anne Tanke umme Ecke neben Michas Matratzenmarkt?“
„Nee, dem Typen, der immer mit die Gitarre am Singen und datt mit dem seine Hüften am Machen war. Rockinroll.“
„Nee, sacht mich jetz nix du.“
„Määäänsch Horst, der mit die Koteletten anne Backe am dran sein.“
„Also doch der vonne Grillbude bei der Edith ihre Frisöse … Liegt der nich schon längst im Grab und is am Tot sein?“
„Boah, nee, nich der ... der mit die Priscilla Presley am verheiratet gewesen sein war … ist.“
„Ach so, der. Nee, den kenn ich jetzt nich.“
„Ich könnte schwören, datt ich den Typen grad am Überprüfen bin, glaubste?“
„Nee.“
„Aber is schon watt komisch.“
„Nee.“
„Nee?“
„Nee du. Is bloß, weil Weihnachten is.“
„Meinste? Na gut. Ende.“
SCHRRRRZIBUPP
Langsam aber stetig zuckelten Personendaten über den Monitor.
Manfred stutzte.
„Hm, seit dem sechzehnten August 1977 nicht einmal zu schnell gefahren oder falsch geparkt.“
Manfreds Zweifelabteilung im Hypothalamus stieß ein paar Impulse an sein Bewusstsein um ein wesentlich überzeugenderes Stutzen zu generieren.
„Hm … äh.“
Noch interessanter als das ordnungsgemäße Benehmen im Straßenverkehr war jedoch die Information, dass dieser Elvis seit dem sechzehnten August 1977 so ziemlich tot war. Jetzt pochte Mannes Polizistenherz schneller.
„Irgendwas muss da faul sein“, grübelte Manfred und zwirbelte sich den Oberlippenbart. Er stieg aus und bewegte sich vorsichtig auf Elvis‘ Auto zu. Er hätte eigentlich sofort merken müssen, dass ein pinkfarbener Cadillac Fleetwood nicht zum üblichen Erscheinungsbild von Recklinghausen gehört. Vorsichtig klopfte er mit dem Schlagstock an die Scheibe. Surrend setzte sie sich nach unten in Bewegung.
„Ähm“, er schaute auf den Führerschein. „Herr Presley?“
„Yeah?“
„Sie wissen, warum ich Sie angehalten habe?“
„Nope.“
Manfred räusperte sich und straffte seine Uniform. Kurz zögerte er, ob er den Schlagstock zurückstecken sollte, umklammerte ihn aber fester.
„Sie sind nicht im Besitz eines gültigen Führerscheins und ich schätze, Sie sind noch nicht mal im Besitz einer äh, gültigen Geburtsurkunde oder so was.“
„Don't criticize what you don't understand, son. You never walked in that man's shoes.“ Eine Partygirlande erleuchtete plötzlich den Fußraum des geräumigen Cadillac. Manfred erblickte Plateauschuhe, die ihresgleichen suchten.
„Nun, ich fürchte, Sie können nicht ohne gültigen Lebensnachweis die Fahrt fortsetzen. Tote haben im Straßenverkehr nichts zu suchen.“ Es funkelte. Manfred sah auf einen dicken Mann in einem elektrischen Glitzeranzug und fragte sich gerade, was er da eben gesagt hatte. DingDingDing. Ein grün, gelb und rosa blinkendes Herz flackerte Aufmerksamkeit erheischend auf Elvis' gewaltiger Fettbrust.
„Sie sind doch tot, oder?“ vergewisserte sich Manfred unsicher.
„You only pass through this life once, you don't come back for an encore. Understand?“
„Äh …“
„If life was fair, I would be alive and all the impersonators would be dead.“
Rumpelnd stotterte sich der Motor des Cadillac ins Leben zurück und ließ die unmittelbare Umgebung vibrieren. Ein infernales Kreischen breitete sich rauchend aus, als die Räder des Fleetwood durchdrehten, um kurz darauf Traktion zu erhalten.
„It‘s only Rock 'n' Roll!“ schepperte es zum Polizisten.
„Das glaubt mir doch kein Mensch. Oder ist er vielleicht doch der vonne Pommesbu...? Wenn ich das der Edith ihre Frisöse erzähle ...“
Einen kurzen, fast schon peinlichen Moment stand Manfred Mescha, Polizist aus Leidenschaft vornübergebeugt auf der Straße und starrte Elvis Presley hinterher, der winkend und blinkend davonbrauste. Mitten in Recklinghausen. Er erinnerte sich an den Boden seines Zahnputzbechers. Kurz darauf durchzuckte ihn ein ruppiges Gefühl, das er als Ehrgeiz identifizieren konnte. Hastig steckte er den Schlagstock in das Halfter und lief zu seinem Einsatzwagen. Mit gekonntem Schwung ließ er sich auf den Sitz fallen, schloss die Tür, warf irgendwie seine Mütze auf den Beifahrersitz und startete gleichzeitig den Motor. Manfred der Krake. Seine Augenbrauen schoben sich über die Lider und zwängten die Augen zu grimmigen Schlitzen zusammen. Entschlossenheit quoll aus jeder Pore.
"So, toter Elvis. Niemand is mir hier tot durch die Nacht am Fahren. Nicht in meiner Stadt."
Heilig Abend
New York Times: „He is alive! Policeman stops the "King of Rock" after a hot pursuit. Elvis Presley owns a diner near a barber shop near a gas station near Michas Matratzenmarkt in Recklinghausen, Germany.“