Was ist neu

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11.09.2003
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Auf die eine oder andere Weise wird es enden, hier und heute.
Nach langem Ringen mit mir selbst, habe ich mich dazu entschlossen, den Schlussstrich zu ziehen, denn ich habe das Ende gesehen. Das Ende der Kette vieler miteinander verwobener Missverständnisse und Gewissheiten, die mich stetig nach unten gezerrt hat, in die Tiefe, aus welcher es kein Entrinnen gibt. Merkwürdig, dass gerade diese Kette mich seit je her fasziniert und zum Nachsinnen angeregt hat, obgleich sie die zerstörerischste Untiefe menschlichen Ermessens ist, chronisch um sich greifend wie eine unheilbare Krankheit, deutlich spürbar, jedoch gleichzeitig unfassbar und folglich zwingend existent, wie die Seele eines jeden vergebens hoffenden Menschen. Doch ich schweife ab.
Es ist nicht meine Absicht, mich in unbedeutende Details zu verlieren...

+

„Was hältst du von...Vivian?“
„Mhhh“, meinte er schmunzelnd und ließ den Namen durch seine grauen Zellen wandern. „Klingt nicht schlecht.“
„Klingt nicht schlecht?“, rief sie empört belustigt, „das klingt großartig.“
„Wir haben doch noch Zeit, mehr als genug.“ Er streichelte ihre Stirn, spielte mit ihrem Pony und küsste sie.
„Ja, wir haben noch...Zeit, aber...wer weiß, was morgen ist? Vielleicht...“
„Nein, nein, nein, keine Schwarzmalerei. Lass uns weiß sehen, ja?“
Sie schien es sich kurz zu überlegen und nickte dann lächelnd.

+

„Kommen sie nicht näher. Ich schwöre bei Gott, ich werde springen. Ich meine es ernst.“
„Ich bleibe hier stehen, OK? Ich will nur mit ihnen reden.“
„Wenn sie näher kommen, machen sie alles nur noch schlimmer. Ich...“
„Wie ist ihr Name?“
Der Angesprochene stutzte, dachte kurz nach und sagte stockend und widerwillig: „Montgomery. Meine Freunde...haben mich Monty genannt.“
„Haben sie so genannt?“
„Sie...sind tot.“ Ein gequältes Grinsen, das in dieser Situation abstoßend und unpassend wirkte. „So tot, wie ich bald sein werde.“
Dieses Grinsen brachte Jerry fast aus der Fassung. So was hatte er noch nicht erlebt.
Der Mann, Monty, der in verzweifelter Haltung gekrümmt vor ihm stand, kam ihm nicht unbedingt wie jemand vor, der sich freiwillig dazu entschlossen hatte auf den Sims des Daches zu steigen. Vielmehr schien er gefangen zu sein in einer Abfolge aus Bewegungen und Emotionen, fast wie eine Marionette, die sich ihrer Fäden halb bewusst war und die Hoffnung aufgegeben hatte, jemals eine Schere zu finden um sich ihrer zu entledigen.
In der Ferne braute sich ein Gewitter zusammen. Die Luft war erfüllt von Elektrizität und es schien beinahe so, als hätte die Welt den Atem angehalten um dem Schauspiel folgen zu können, das sich auf dem Dach des Peoria-Buildings abspielte, das dreiundzwanzig Stockwerke der Wolken zerkratzte.
„Ich will nur reden.“
Jerry tastete sich langsam vor. Jedes Wort musste gut überlegt sein.
Die Luft war Gemisch aus Feuchtigkeit und Hitze. Sommerwind.
„Ich habe gesagt, dass sie bleiben sollen, wo sie sind. Es ist...ich glaube ich bin ansteckend.“ Seine Augen schimmerten vor Tränen. Er sah aus, wie jemand, der etwas wusste, das ihm das Weiterleben unmöglich machte, ohne jedoch den Willen leben zu wollen verloren zu haben, als müsste jeden Moment die Welt untergehen und als wäre der Tod die einzige Möglichkeit einem noch grausameren Schicksal zu entgehen.
Blitze durchzuckten den fernen, sich nähernden Horizont. Dumpfes Wetterleuchten, das auf sie zu trieb, sich vorwärts schob und die Luft auflud.

+

„Hey, Süße.“
„Was denn...ist was...“. Sie gähnte lange und ausgiebig und sah aus wie ein Engel, der sich in der Bettdecke verfangen hatte. „...ist was passiert?“ Sie konnte kaum die Augen offen halten, als er sich über sie beugte und sie küsste. „Unfall auf der Interstate. Vaughan hat mich angepiept. Sie brauchen jeden Mann.“ „Nein, nein...“, gähnte sie ihm schlaftrunken entgegen. „Ich brauche...meinen Mann...hier.“ Sie klopfte halbherzig auf seine Bettseite, die noch ganz warm war. Er lächelte. „Schlaf wieder ein, Süße. Zum Frühstück bin ich wieder da.“ Er küsste sie auf die Stirn. „Versprochen.“ Ohne die Augen zu öffnen, wälzte sie ihren auf dem Kissen ruhenden Kopf benommen hin und her. Ein deutliches Zeichen dafür, dass Madame ganz und gar nicht einverstanden war, mit dem was vor sich ging. Ihre Stirn lag in Falten. „Du kannst nicht Jeden retten...du kannst nicht...“ und da schlief sie auch schon wieder. Er fragte sich, ob das Kind, das sie in gut fünf Monaten zur Welt bringen würde, ebenfalls schlief und träumte. Zärtlich strich er ihr über die Stirn. Dann verließ er die Wohnung.

+

Jerry kannte die Prozedur, die sich hier abspielte.
Alles was er jetzt brauchte war Zeit.
Er hatte mehrere Verhaltensstrategien in der Hinterhand, die er an den richtigen Stellen auszuspielen gedachte, doch auch wenn er auf dem Gebiet der Notfallseelsorge ein Spezialist war, so war er sich dennoch bewusst einen Eiertanz vor sich zu haben, einen Drahtseilakt, bei dem es kein Netz und keinen doppelten Boden gab.
Nichts war so unumkehrbar und endgültig, wie der Entschluss eines Menschen sich das Leben zu nehmen.
In der Theorie nannte man den Weg zu dieser Entscheidung das präsuizidale Syndrom, das sich in drei Phasen abspielte. In der ersten Phase spukte einem der Gedanke sich töten zu können, für den Fall in einem Konflikt unterlegen zu sein, als eine Art Notausgang im Kopf herum. Die zweite Phase verfestigte die Todessehnsucht, bis sie den Überlebenstrieb niedergerungen hatte. Zu guter Letzt blieb schließlich nur noch die Frage, wann es geschah.
Jerry war diesem Syndrom selbst beinahe unterlegen, doch es war eigentlich, bis auf dieses eine Mal, immer eine Frage der Antriebslosigkeit geblieben. Seitdem hatte er jedem potentiellen Selbstmörder ansehen können, wie weit dieser innerhalb der präsuizidalen Verhaltenskette vorangeschritten war, hatte ein Bauchgefühl, doch in diesem Fall war er ratlos. Der Mann, der vor ihm auf dem Sims stand, hatte mit Jerrys Bauch nichts zu schaffen. Er schien sich keinesfalls sicher zu sein, dass das was er tat richtig oder notwendig war, vielmehr spiegelte sich in seiner Mimik und Gestik ein Zwiespalt zwischen dem was geschah und dem was möglicherweise in ihm vorging. Dieser Mann wollte leben, doch nicht um jeden Preis.
„Es pflanzt sich fort...in den Köpfen der Menschen...“, sagte er mit abwesender Stimme.
Und dann kippte er einfach nach vorne.
Er fiel sehr lange.

+

„Dr. Collier auf Station vier. Dr. Collier...“
Er beschleunigte seinen Schritt. Vaughan, der Assistenzarzt, kam ihm bereits entgegen. „Da sind sie ja. Tut mir leid, dass ich sie aus dem Bett holen musste, aber Stuart ist in Montreal und Fester...“ „Schon gut. Wie sieht´s aus?“ „Vier Schwerverletzte. Eine Frau, ihr Mann und die Kinder. Mehrere Frakturen, eine Gehirnerschütterung. Das ging alles so verdammt schnell, ich...ist alles noch ziemlich chaotisch hier, hat uns voll überrumpelt.“ Er räusperte sich und suchte nach seiner Fassung, die er anscheinend irgendwo in der Nähe des Kaffeeautomaten verloren hatte, bei dem Versuch die Müdigkeit mit Hilfe von Koffein zu vertreiben. Bereitschaftsdienst konnte eine richtige Tortur sein. Erst geschah gar nichts und dann alles auf einmal, als würden sich die Unfallopfer absprechen, mit Uhrenvergleich und allem Drum und Dran. „Also...auf der Fünf liegt die Mutter. Sie hat innere Blutungen, sieht echt nich gut aus. Außerdem ne Schnittwunde am rechten Oberschenkel. Die Jungs von der Feuerwehr haben sie verletzt, als sie sie aus dem Fahrzeug schneiden wollten. Sie liegt im Koma. Die anderen...“, er machte eine ausladende Handbewegung. „Wir haben sie auf der ganzen Etage verteilt. Wir...“ Er fuhr sich durch die Haare und machte einen sichtlich gestressten Eindruck. Collier nickte einfach. „Auf.“ Sein Blick war ernst und gefasst. „Gehen wir´s an.“

+

„Wie wär’s mit...Lucy?“
Mina schmunzelte, wie über einen gelungenen Scherz.
„Schatz...wir haben...“
„Schhh“, legte sich ihr Finger auf seine Lippen und ließen ihn schweigen, „...ich weiß!“

+

Es dauerte ganze zwei Stunden um die Situation in den Griff zu bekommen und Collier war einigermaßen zufrieden mit seiner Arbeit. Der Frau, die im Koma lag, hätten sie wegen eines Blutstaus fast das Bein amputieren müssen, was sich jedoch glücklicherweise verhindern ließ.
Bei den Kindern, zwei Jungs im Vorschulalter, war die Sache besonders heikel gewesen, aber das hatte weniger etwas mit ihren Verletzungen als vielmehr mit dem behandelnden Arzt zu tun. Bei einem Notruf, tat man sein Bestes, sein Menschenmöglichstes, um zu retten, was zu retten war, doch wenn es sich auch noch um ein Kind handelte, dann waren alle Beteiligten ganz besonders engagiert. Patienten starben, das war in manchen Fällen unabwendbar und wie Mina ihm immer wieder predigte: er konnte nicht jeden retten, doch der Tod eines Kindes hatte für Collier und die meisten anderen Betroffenen eine ganz eigene, grausame Dimension. Mit einem Kind starb eine ganze Welt, die es nie würde erbauen und die niemals jemand würde sehen oder erleben können. Diesmal war noch einmal alles soweit gut gegangen, alle Herzen schlugen noch und der Doc und der Kerl von der Bereitschaft, Ted war sein Name, trafen sich am Kaffeeautomat wieder, als die Hektik der lautlosen Panik gewichen war, oder wie Mina es nannte, das „Gefühl des Wartens auf die Genesung“.
Gerade als sich die Situation wieder beruhigt hatte, brach der zweite Sturm los und diesmal drohte er die Nervenschiffe kentern zu lassen. Die Nachricht einer Massenkarambolage rauschte durch den Äther des Krankenhausfunks. Als Dr. Collier die notdürftigen, hektischen Beschreibungen des Unfallszenarios vernahm, wähnte er sich in einer Kriegsreportage und das Irrsingerweise direkt vor seiner Haustür, in der Nähe der Prosperity, dem Einkaufscenter von Harmsville.
Über zwanzig Personenkraftwagen, ein vollbesetzter Doppeldeckerbus, zwei Motorradfahrer, ein Geisterfahrer. Ein buntes Gemisch verbogenen Stahls und gebrochener Knochen. Von mehreren Toten war die Rede. Die Stationstüren flogen auf und Bahre für Bahre wurde hineingerollt. Hartgesottene Notarztaugen blickten verstört und entsetzt umher.
Die Realität übertraf die Schrecken des Funkspruches bei Weitem.

+

„Also...da war dieser Kerl...“
„Welcher Kerl?“
„Na, der den sie aus dem Fluss gezogen haben, letzten Sommer.“
„Mhhh...welcher von denen?“
„Der mit der Kojakfrisur.“
„Ach, den.“
„Also, da war halt dieser Kerl.“
Harp schüttelte den Kopf. „Mann, der sah schlimm aus.“
„Ja, das ist wahr, echt schlimm. Schlimmer als der, der von der Brücke gesprungen ist.“
„Ja, eben so aufgequollen und die Fische hatten ihm ein Auge rausgelutschtundso.“
Jerry schüttelte sich angewidert. „Ist ja eklig.“
„Mann...“, Kopfschütteln, „...der wollte auf Nummer sicher gehen. Hatte so einen Overall an, mit vielen Taschen und so. Die hat er dann gefüllt. Mit Bleikugeln. Ich weiß nicht wie viele es waren, aber es muss mehr als gereicht haben.“ Hier baute er immer eine bedeutungsvolle Pause ein.
„Er ist an der Brücke ins Wasser gesprungen, wo der Fluss die Grenze von Chester und Harmsville ist und er ist genau da gefunden worden, auf dem Grund des Flusses. Sechzehn Tage später. Die Strömung hat ihn nicht weitergetrieben.“
„Woher weiß man, wo er reingesprungen ist?“
„Tja, also...man weiß es nicht, aber es ist eine beliebte Stelle und diese...Dinge...Sie sind ansteckend.“
Wieder eine Pause, diesmal eine längere.
„Der Gedanke daran, dass der Suizid eine Art von Notbremse sein könnte, ohne ihn ernsthaft in Erwägung zu ziehen, ist der tückischste den es gibt. Er beißt sich fest und...wächst weiter.“
Harp blickte verdrossen und setzte hinzu:„Überwiegend montags.“
Auch er hatte seine Erfahrungen gemacht, hatte gegen einen Baum fahren wollen um sich das Leben zu nehmen, sich selbst totzuschlagen. Das war es auch, was Harp und Jerry eigentlich verband: sie waren beide Opfer, die zu Rettern werden wollten. Heute noch in der Notaufnahme von Santa Fey, doch innerhalb der nächsten vier oder fünf Jahre in einem Krankenhaus als leitender Arzt einer Notfallstation. Drei Jahre später lernte er seine zukünftige Frau Mina kennen.
Seitdem war alles gut.

+

Auf die eine oder andere Weise wird es enden, heute noch, so schnell wie nur irgend möglich. Das Wetterleuchten ist wieder da und ich habe das merkwürdige Gefühl, dass es mich gewittert hat und nun knisternd nach mir und den anderen 80%igen sucht, wie ich mich und meine Leidensgenossen der Einfachheit wegen mal so nennen, diejenigen, die es nicht geschafft und eine ungelöste Aufgabe hinterlassen hatten.
So etwas ließ einen nicht los, in hundert Jahren nicht, nie.
Natürlich konnte man das Ganze psychopathologisch untersuchen und wahrscheinlich feststellen, dass die durchschnittliche Suizidrate einer Gesellschaft mit dem Wohlstand wächst, und irgendwie war hier ja nahezu jeder mehr oder weniger wohlhabend. Es ging einem so verdammt gut, dass man kotzen konnte.

+

„Dr Collier? Ihre Frau hat angerufen und auf den AB gesprochen...soll...ich...“
Angesichts des Tohuwabohus dutzender Bahren, kam sie doch ziemlich außer Puste. Das Blut überall.
„Jetzt...nicht!...“ und dann ging nichts mehr. Er setzte seine Scheuklappen auf und tat, was zu tun war.
Es war eine Menge zu tun.
Dr. Jerry Collier stellte sich der Situation und seiner Verantwortung als leitender Oberarzt und fing an die Verletzten zu selektieren.
Er unterteilte in Schwerverletzte, die sofort versorgt werden mussten, Leichtverletzte, die warten konnten und die, bei denen Alles vergebens gewesen wäre, die Verbrannten und Verstümmelten. Es waren so viele.
Kinder wurden bevorzugt behandelt, trotzdem starb eines von den fünf, die eingeliefert worden waren. Zwei andere waren auf dem Weg hierher verblutet, im Rettungswagen auf der Bahre liegend, mit Sirene und Blaulicht durch die Schattengeladene Nacht donnernd.
Dafür waren sechs andere Menschen gestorben, die niemand behandeln konnte, weil wirklich jeder auf den Beinen war und half wo er nur konnte. Man hatte schlicht keine Zeit um sich um sie zu kümmern und gab ihnen Morphium gegen die Schmerzen.

+

„Wie heißt die Kleine?“ fragte Dr. Collier den anwesenden AiPler.
„Ähm“, blättern, „...Rebecca Joy. Ein Wunder, dass sie es geschafft...“
„Kein Wunder. Eine Frau ist gestorben, damit wir ihr das Leben retten konnten. Sie war verbrannt, am ganzen Körper, bis zur Unkenntlichkeit. Wir gaben ihr Morphium und haben sie ihrem Schicksal überlassen um diesen kleinen Engel vor dem Tod zu bewahren.“
Kurzes Schweigen. Der Pietät wegen.

+

„Kommen sie nicht näher...“
Jerry drückte sich an die Hauswand, hielt sich mit einer Hand am Sims fest.
„Okay, ich will nur mit ihnen reden.“
“Ja klar, das hätte ich jetzt auch gesagt, Klugscheißer! Was würden sie tun, wenn...?“
...du kannst nicht jeden retten...
Der Kerl, der Jerrys Platz auf der Retterseite eingenommen hatte, wirkte sichtlich verwirrt, jung und unerfahren, doch er fing sich.
„Er...erzählen sie es mir!“
Wolken formierten sich in der Ferne zu einer statischen Angriffsfront, die knisternd vorwärts stob und die Welt in Zwielicht tauchte.
„Haben sie schon mal von präsuizidalen Verhaltensweisen gehört? Da ist nirgends die Rede von Kooperationsbereitschaft oder Kommunikation. Also Klappe halten!“
„Ich will doch nur...“
„Ach“, spie Jerry verächtlich aus.
„Gehen sie weg, es ist...anders als sie glauben!“
Sein Blick verlor sich in der näher kommenden Brandung des Sturmes.
Statisches Knistern.
„Haben sie schon von der Rückfallquote für die Loser gehört, für die, die es versucht und nicht geschafft haben? 20% schaffen es und versuchen es nie wieder, aber die anderen...die anderen...“
Er seufzte schwer.
„Es pflanzt sich fort.“

+

Wie gesagt: Auf die eine oder andere Weise wird es enden.
Alles was bleiben wird sind unsere Zeilen. Meine, die ich gerade niederschreibe und der eine Satz, den Mina mir hinterlassen hatte. „Wie wär’s mit Rebecca?“
Sie hatte sich so sehr auf die Geburt ihrer Tochter gefreut. Freut sie sich noch?
Das Knistern im Haus ist unerträglich aufdringlich, seit ich hier sitze und darauf warte, dass sie zurückkommt, doch meine Glaube daran wird mit jedem Augenblick der verstreicht schwächer, so wie der Wind stürmiger weht.
Sie war noch mal losgefahren um Gurken zu kaufen, steht im PS. Ausgerechnet Gurken. Ich überlege wo sie einkaufen würde und denke immer wieder: bloß nicht die Prosperity, bloß nicht da. Ich weiß nicht, was ich tun würde.

 

Hallo Alexander,

vorweg, rein sprachlich einer der besseren 10 % auf dieser Seite.

alexander boehm schrieb:
Vielmehr schien er gefangen zu sein in einer Abfolge aus Bewegungen und Emotionen, fast wie eine Marionette, die sich ihrer Fäden halb bewusst war und die Hoffnung aufgegeben hatte, jemals eine Schere zu finden um sich ihrer zu entledigen.

Dazu braucht man nichts mehr sagen. :thumbsup:

Was mir nicht 100%ig zugesagt hat, sind so ellenlange Sätze wie dieser:

alexander boehm schrieb:
Die Luft war erfüllt von Elektrizität und es schien beinahe so, als hätte die Welt den Atem angehalten um dem Schauspiel folgen zu können, das sich auf dem Dach des Peoria-Buildings abspielte, das dreiundzwanzig Stockwerke der Wolken zerkratzte.

Nach dem ´können´ ein Punkt, der nächste Satz, wenn Deiner Meinung nach nötig, anders begonnen; zweimal ´das´ als Bindewort gefällt mir nicht. (mag keine Wortwiederholungen)

oder dieser

alexander boehm schrieb:
Er sah aus, wie jemand, der etwas wusste, das ihm das Weiterleben unmöglich machte, ohne jedoch den Willen leben zu wollen verloren zu haben, als müsste jeden Moment die Welt untergehen und als wäre der Tod die einzige Möglichkeit einem noch grausameren Schicksal zu entgehen.

Die langen Sätze sind in diesem Fall kein Stilmittel, sondern stehen hier einfach, weil sie Dir gefallen. (ergeht mir bei meiner Schreiberei auch immer wieder mal so) Problem ist, dass sich der Leser mal gerne darin verirrt, und wenn das passiert, unweigerlich aus dem Lesefluss gerissen wird.

Also vom Schreiben her, werde ich mir auch Deine anderen Geschichten lesen, es ist großteils flüssig und in sehr schöne Worte gefaßt.
Das ein oder andere Mal schleuderst Du maßlos mit Adverben; ich bin kein Gegner des Löwenzahns (copyrigth King), doch an manchen Stellen wäre etwas weniger doch mehr.

Ob die Geschichte in Horror/Grusel richtig aufgehoben ist, mögen andere entscheiden, bei mir kam leider weder Horror oder Grusel auf.

Spannung war das ein oder andere Mal da, wurde aber von Dir selber ´entspannt´.

alexander boehm schrieb:
...alles noch ziemlich chaotisch hier, hat uns voll überrumpelt.“ Er räusperte sich und suchte nach seiner Fassung, die er anscheinend irgendwo in der Nähe des Kaffeeautomaten verloren hatte, bei dem Versuch die Müdigkeit mit Hilfe von Koffein zu vertreiben. Bereitschaftsdienst konnte eine richtige Tortur sein. Erst geschah gar nichts und dann alles auf einmal, als würden sich die Unfallopfer absprechen, mit Uhrenvergleich und allem Drum und Dran.
Wenn Du mich fragst, nach Fassung punkt und aus. Wieder so ein langer Satz, (ich weiß, sie gefallen Dir ;) ) der Rest hält die Geschichte unnötig auf und läßt dem Leser bereits auf den nächsten Absatz schielen.

Die Geschichte selber hat mich etwas verwirrt (vielleicht lese ich zuviel leicht verständlichen Mainstream), mußte mir nach dem ersten und zweiten Durchlesen die Fakten der einzelnen Absätze zusammen ziehen, um wirklich durchzublicken. (oder es liegt daran, dass ich über 30 bin)

Hat aber trotz dem ein oder anderen Kritikpunkt wirklichen Spaß gemacht Deine Geschichte zu lesen

Gruß
chronist

 

Hi Alex!

Wir hatten ja schon öfter das Vergnügen :cool:

Richtig verstanden habe ich deine Geschichte zwar nicht, aber ich habe soviel kapiert, daß es um Selbstmord geht und das sich der Wunsch sich umzubringen, anscheinend fortpflanzt. Was das Ganze jedoch mit dem Seelsorger und seiner Frau, sowie dem ungeborenen Kind zu tun hat... keine Ahnung. Der Schluss lässt mich auch verwirrt zurück. Was ich aber sagen kann, auch ohne alles verstanden zu haben: Spannung, Grusel, Horror ... all das fehlte mir. Natürlich gibt es jetzt wieder Leute, die sagen, daß die Realität der wahre Horror ist, aber so was seh ich in den Nachrichten und will es nicht in Geschichten lesen.

Sprachlich ist deine Story vollkommen okay, nur manchmal stockt es ein wenig, aber alles in allem merkt man, daß du doch schon länger schreibst. Auch die Dialoge sind (bis auf einige Aussetzer) okay.

Noch drei kleine Sachen:

das dreiundzwanzig Stockwerke der Wolken zerkratzte.
Das Dach zerkratzt 23 Stockwerke? Ne...

Nichts war so unumkehrbar und endgültig, wie der Entschluss eines Menschen sich das Leben zu nehmen.
Oh doch, ich denke schon, daß man Selbstmordgefährdete noch umstimmen kann. Sehr oft sogar. Denn ihre Selbstmordgedanken sind nur ein Hilfeschrei, wie es immer so schön heisst.

Er räusperte sich und suchte nach seiner Fassung, die er anscheinend irgendwo in der Nähe des Kaffeeautomaten verloren hatte,
:thumbsup:

Tja, ansonsten hast du noch einige Rechtschreibfehler drin, bin aber nicht in der Stimmung um alle aufzuzählen *g*

Fazit: verwirrende Geschichte, die mich aber (trotz der Thematik) kalt gelassen hat. Zu eindimensional, zu oberflächlich sind die Charaktere und die Zeitsprünge tragen nicht gerade zum besseren Verständnis bei.

Gruß
Mike

 

Hi!

Woran erkennt man bei einer Kritik, dass dem Leser die Geschichte über die Maßen gut gefallen hat?

Die Zitate fehlen.

Ich war dermaßen gebannt, dass ich schlichtweg vergessen habe, einige Stellen hinauszukopieren.

"Du kannst nicht jeden retten" - Die falsche Entscheidung getroffen, und alles verloren.

Ich finde diese Geschichte machtvoll, sowohl stilistisch, als auch von ihrer Aussage her.
Der Drang, immer das Richtige zu tun, ist es, der einen am Ende selbst zerstört.

Da ich seit Mind Maps weiß, dass du ziemlich auf zeitliche Sprünge stehst, war ich relativ gut vorbereitet, und konnte die einzelnen Handlungsstränge miteinander in Verbindung bringen, dennoch sind sie stellenweise ein wenig verwirrend.

Trotzdem eine Geschichte, die mich beeindruckt hat.

Grüße

Cerberus

P.S. Die Kritik zum überarbeiteten Mind Maps folgt noch.

 

Hallo Alexander!

Tja, nun. Du bist den Klippen der Weinseligkeit gut entkommen, du hast dich nicht hinreißen lassen. Die Geschichte hat gewirkt, auch bei mir. Sie hat gefallen, also.

Ich glaube, dieses Stück um Stück enthüllen der wahren Verhältnisse, der Gegebenheiten, das magst du, was. Tja, ich auch, besonders, wenn es unaufgeregt und gekonnt getan wird. Wie hier. Nach und nach bekommt man mit, was gespielt wird, worum es geht, und wer verwickelt ist. Du erzählst ohne den erhobenen Finger - ich weiß was, ich muss dir was erzählen. Vielmehr streust du die Fakten eher wie nebenbei. Das ist gut, das kommt an und hebt die Stimmung.

Ich bin nicht der Fan solcher Einführungen. Früher stand ich auch mal drauf, aber das hat sich gewandelt. Wenn ich diesen Schluss allerdings lese, muss ich zugeben, dass er wohl, wenn schon nicht notwendig, dann zumindest verständlich wird.
Aber:

Doch ich schweife ab.

Stimmt, diese Allgemeinplätze, die tausendmal gehört wurden und nichts aussagen:

...obgleich sie die zerstörerischste Untiefe menschlichen Ermessens ist,

was willst du damit aussagen?

Rein sprachlich ist wenig auszusetzen, du kannst ein Wort ans andere reihen, und auch so, dass es flüssig zu lesen ist, dann und wann ein sehr schönes Bild:

...und diesmal drohte er die Nervenschiffe kentern zu lassen.

(Obwohl ein klitzekleines Komma fehlt :D )

Der einzige Vorwurf, der ein Vorwurf der entwickelteren Art ist, den ich dir mache, sind einige überflüssige Nebensätze, die eigentlich nur dein Können, nicht aber die Geschichte unterstreichen:

...wälzte sie ihren auf dem Kissen ruhenden Kopf

wo, sollte er sonst ruhen, da die Dame doch im Bett liegt?

Er hatte mehrere Verhaltensstrategien in der Hinterhand, die er an den richtigen Stellen auszuspielen gedachte,

das ist doch auch dann klar, wenn du es nicht erwähnst.

Und das Bild:

Er räusperte sich und suchte nach seiner Fassung, die er anscheinend irgendwo in der Nähe des Kaffeautomaten verloren hatte,

wäre toll, wäre da nicht dieser überflüssige Zusatz

bei dem Versuch die Müdigkeit mit Hilfe von Koffein zu vertreiben

Das von mir zu einer Geschichte, die mir gut gefallen hat, bei der ich aber (Gott sei Dank) einige Korinthen fand, die ich hier direkt her kackte.

Viele Grüße von hier!

 

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