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Abend

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09.09.2010
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Abend

Das bin ich also: Ein fetter Typ in einer oberflächlichen Welt.
Zum Glück habe ich meine Stereoanlage, meinen Computer und meine Bong. Die stören sich nicht an meiner monströsen Fettwampe.
Klar liebe ich auch mich, mein Internetprofil und morbiRicky. Sie behauptet zwar immer, sie würde mich auch lieben, wenn sie mich nicht nur als ein Internetprofil kennen würde, aber ich bin da skeptisch.
Fettleibigkeit ist das Eine, ein verpickeltes, hässliches Gesicht ertragen aber nur die Wenigsten, schon gar keine Mädchen. Das weiß ich, sie können da nichts dafür, sie sind geboren, um für ihre Nachwuchsproduktion die Hässlichen auszusortieren.

Ich schreib ihr, ich der Baphomet: Ich bin gestraft. Ein Gestrafter Gottes.
morbiRicky: Es gibt keinen Gott.
Eine typische Ricky-Antwort, denk ich mir.
Baphomet: Ich will mich trotzdem nicht mit dir treffen.
morbiRicky: Hab keine Angst.
Baphomet: Gott gibt es. Er ist Unendlichkeit, Ewigkeit und Heiliger Geist.
morbiRicky: Glaube ich nicht.
Baphomet: Doch: Die Menschen begreifen nur den Heiligen Geist. Sie finden ihn in sich selbst, in ihrer Seele, haben aber Angst in sich danach zu suchen.
morbiRicky: Das ist schon klar: Sie würden erschrecken vor ihrer Triebhaftigkeit, ihrem Hass, ihrem Schlechtsein. Außerdem haben sie sich zu viele Alteregos erschaffen, um im Leben besser klar zu kommen. Sie würden sich selbst sowieso nicht wieder finden.
Baphomet: Genau, deshalb schaffen sie sich lieber Götzenbilder, die sie anbeten können, anstatt sich auf die Suche nach sich selbst zu begeben.
morbiRicky: Du siehst selbst: Kein Gott. Weit und breit. Ich bin äußerlich übrigens extrem hässlich.
Baphomet: Das glaube ich nicht. Du hast einmal für einen Tag ein Bild von dir als dein Profilfoto gepostet. Das ist mir nicht entgangen.
morbiRicky: Ja. War ein Versehen.
Baphomet: Die Menschen glauben an Raum und Zeit, weil sie das zwar nicht recht verstehen, aber wenigstens messen können. Gott ist aber Unendlichkeit und Ewigkeit, wollte ich noch sagen.
morbiRicky: Wie auch immer. Ich liebe dich so oder so.

Mein Herz schlägt wie wild. Ich glaub ich muss mir jetzt erst einmal einen Topf stopfen. Ich brösel mir was von dem Dope auf, mische es mit wenig Tabak. Ein paar kräftige Züge von der Bong, dazu Musik von „The Notwist“ – herrlich, wie entspannend.

Mist, ich hasse mich. Ich bin fett und feige. Und vom vielen Kiffen verpeile ich den ganzen Tag. Ich hab so tierischen Hunger, hab aber meine ganze Studentenbude leer gefressen. Nicht mal Chips sind mehr da. Ich muss los. Da hilft nichts.

Baphomet: Tschö, Ricky. Ich geh mal zum Mäcky was futtern.
morbiRicky: Dein Gott sei mit dir, alter Spinner.

Die Scheiße ist, dass ich jetzt mit dem Auto völlig bekifft zum Mäcky muss. Ich habe solche Angst vor den Bullen, aber auch solchen Appetit auf ein paar Burger.
Es hilft nichts, ich muss es so durchziehen.

Es ist später Abend, der Tag war schwül, ein wenig davon ist noch übrig, auch wenn die Luftfeuchtigkeit jetzt, weil kühler, angenehmer erscheint.
Ich schwitze nicht mehr wie ein Schwein.
Im Westen verglimmt der letzte Rest orange-gelben Tageslichts, südlich ist das Licht von einem hoch ziehenden schwarzblauen Wolkenteppich verschluckt. Sieht so aus, als kommen die Gewitter, die sie für den Tag angekündigt hatten erst in der Nacht.
Ich sperr meinen blauen Toyota Corolla 2.0 auf und stelle mir vor, wie sie mich erwischen: Ein humorloser, schnauzbärtiger Nazi, auf nichts anderes aus, als Typen wie mich aus dem Verkehr zu ziehen. Lässt mich aussteigen, weil er schnell bemerkt, dass ich vor lauter Angst nur noch stammeln kann. Nicht mal meinen eigenen Namen kann ich mehr aussprechen.
Thomas Klein, Thomas Klein, Thomas Klein.
Hallo, ich bin Thomas Klein, was liegt an?
Nein, nein, um Gottes willen. Das kann man doch zu keinem Bullen sagen, der einen zur Verkehrskontrolle angehalten hat. Schon gar nicht wenn eine gigantisch fette Sau am Steuer sitzt.
Ganz ruhig, Tommy. Noch bist du nicht los gefahren. Du kannst immer noch aussteigen und die zwei Kilometer zu Fuß gehen.
Ich dreh den Zündschlüssel wie ferngesteuert und fahr los.

Friedrich Doll ist Polizist. Nun schon seit einundzwanzig Jahren. Er war eigentlich schon immer ein recht freundlicher und umgänglicher Mensch, manchmal mit viel zu viel Verständnis und Kulanz seinen „Klienten“ gegenüber ausgestattet, wie er über sich selbst annimmt. Aber so etwas wie diesen Herrn hat er in seiner ganzen Karriere, die ihn in all den Jahren an Schnurrbart und Lockenhaaren ergrauen ließ, noch nicht erlebt.
Schon hat Oberwachtmeister Doll sein Dienstfahrzeug in dieser kleinen Nebenstrasse – dem Rosengässchen, im idyllischen Neubaugebiet Bayreuth Mosing gelegen abgestellt und schreitet schnellen Schrittes auf den bei frischer Tat Ertappten zu:
„Sagen sie, sind sie noch bei Trost? Warum um Himmels willen pinkeln sie hier in aller Öffentlichkeit in ihren Wagen?“
„Woher wollen sie wissen, dass das mein Wagen ist?“, erwidert der Andere, dabei frech sein Ding wieder verpackend.
„Soll das etwa heißen? Also…ich bin sprachlos.“
Nachdem er indessen ohne den Blick vom Polizisten abzulassen sein Hosentürchen geschlossen hat, tritt der Typ lässig einen Schritt auf den uniformierten Herrn Doll zu.
„Ne, ne. War nur ein Witz. Ist mein Wagen. Ich schütze ihn so vor Marderverbiss“, führt er keck aus.
„Wie? Was? Also hören sie mal, sie können das nicht, hier am hellen Tag in aller Öffentlichkeit…“
„Also erstens mal ist es fast dunkel, und zweitens: Ich wollte ja bis zur Nacht warten, aber die Marder warten ja schließlich auch nicht ab, bis ich mit meinem Ding hier draußen niemanden mehr störe.“
„Das tut nichts zur Sache. Sie werden von mir verwarnt, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.“
„Bei allem Respekt, Herr Wachtmeister. Wären sie nicht vorbei gekommen, ich hätte niemanden verärgert. Mein Nachbar macht das auch so.“
„Ihr wer? Äh, keine weitere Diskussion mehr. Ihren Namen und Ausweis bitte.“
„Herbert Mölz. Sie müssen entschuldigen, mein Ausweis ist im Haus.“
„Dann gehen sie ihn bitte holen.“
„Herr Wachtmeister, bitte. Belassen sie es bei doch einer Verwarnung. Ich werde es auch nie wieder tun. In Zukunft pinkel ich eben in eine Schüssel. Das wollte ich sowieso machen. Aber meine Frau…wissen sie. Die sagt: Du bekommst keine meiner kostbaren Schüsseln, pinkel in dein Auto wie du willst, aber Schüsseln bekommst du von mir dafür nicht.“
„Mir ist das egal, sie…Moment, was sagst du Klaus? Der Funk? Warten sie hier einen Moment, oder besser, gehen sie schnell ins Haus und holen ihren Ausweis, ich bin gleich wieder für sie da.“
Eigentlich ist Friedrich Doll ganz froh um die Unterbrechung, er hat keine Lust mehr mit dem unsympathisch selbstbewussten Blödmann zu diskutieren.

Der macht sich also auf den Weg in sein Haus, während der Polizist in seinen Wagen steigt.

„Ja. Polizeioberwachtmeister Doll hier“, dröhnt er mit seiner sonoren Stimme ins Funkgerät.
„Großfahndung im Stadtgebiet Bayreuth in Folge eines Banküberfalls. Gesucht wird nach zwei flüchtigen Tätern in einem blauen Toyota Corolla 2.0. Achtung, einer der Täter ist vermutlich bewaffnet“, schrillt es ihm nervös aus dem Funkgerät entgegen.
Ohne eine Sekunde zu zögern schließt Doll die Tür, stellt das Martinshorn ein und rast los.
Gott sei dank muss ich mich nicht mehr mit diesem Typen herumärgern, denkt der Wachtmeister. Trotzdem es gibt nichts Gescheites heute. Nur Verrückte und Höllenhitze. Wahrscheinlich hängt das eben doch irgendwie miteinander zusammen. Auch noch Bewaffnete, so ein Mist.

Merkwürdig. Warum die beiden es dermaßen eilig haben davonzukommen, so urplötzlich?
Na ja, was soll‘s.
Ich muss los. Bald wirst du wieder zurück sein.
Ich weiß gar nicht – jetzt, da ich zu dir losziehe – wie seltsam erregt ich da doch bin.
Ja. Heute ist gerade der rechte Zeitpunkt gekommen. Alles stimmt. Ein herrlicher Abend.
Wie ich die Haustür hinter mir schließe, da erfüllt es mich mit Bestimmtheit, dass für uns bald alles anders werden wird.
Du hast ja keine Ahnung, Thomas.
Was für ein glücklicher Zufall doch, der mir gestern alles in Hände gespielt hat. Alles, was für mich von Bedeutung ist.
Du hast vielleicht ein Bild von mir, Thomas Klein. Dafür weiß ich nun alles über dich.

„Hey Ricky! Weißt du, wo der Polizist hin ist? Ich hab hier meinen Ausweis.“
„Nö, keine Ahnung. Aber behalten sie nur ihren Wisch.“
„Tja. Da kann man wohl nix machen. Gut, dass er weg ist. Ciao, Ricky.“
„Tschüß Herr Mölz.“

Mit jedem Schritt steigt mir das Kribbeln deutlicher bis in meine Fingerspitzen empor.
Mein Herz steht in Flammen. Mein Blut durchströmt mich mit reiner Glut.
Und wenn du auch der Meinung bist, es sollte nicht passieren. Das Schicksal will es anders, das spüre ich genau.
Wie sonst wäre es zu erklären, dass wir all die Zeit nicht einmal zwei Kilometer voneinander entfernt waren? Dass unsere Herzen nicht, wie man hätte annehmen können, sich hunderte von Kilometern getrennt voneinander befanden?
Wir sind füreinander bestimmt, Baphomet. Und dies wird der Abend unseres Zusammentreffens sein.
Mir ist, als wandle ich in einem Traum.

Scheiße, die Bullen, ich hab‘s gewusst. Warum gleich mit Blaulicht?
Das gibt’s doch nicht!
Wie haben die das gemacht? Wie haben die mich so schnell gefunden?
Die müssen mein Internet angezapft und mich mit Kameras ausspioniert haben!
Schön langsam.
Blinker setzen, seitlich an der Bushaltestelle raus fahren.
Die können dir gar nichts, Tommy. Den Ausweis hast du ja schon vorhin griffbereit gelegt.
Boa, Wahnsinn. Mit der Waffe im Anschlag kommt der Typ daher.
Ich kann mein eigenes Herz pochen hören. Mund und Rachen sind so trocken, dass der Gaumen kurz kleben bleibt, als ich schlucke, jetzt löst er sich schmerzhaft.
Wahnsinn, solche Faschos!
Mann, warum brüllt mich der Typ an? Ich hab auch meine Rechte.
Irgendwer klatscht mich mit Gewalt an meine Fahrertür. Scheinbar bin ich ausgestiegen. Meinen Arm hat er mir verdreht, die Sau.
Was für ein scheiß Film ist das denn nur, verdammt?
Ich hab solche Angst, dass ich mich gar nicht rühren kann.
Genau so hatte ich mir das schon gedacht.
Aber wie krass sind die drauf.
Das gibt’s auch nur hier in Bayern, definitiv.
Jetzt horcht der Andere seinen Funk ab, ob ich der gesuchte Kiffer bin, jede Wette.
Der brutale Nazi kommt zurück. Scheiße, ich mach mir in die Hose.

„Entschuldigung Herr Klein, es war ein Missverständnis. Wir verfolgen gerade Bankräuber, die zufällig im selben Fahrzeug geflohen sind, wie das ihre“, sagt Herr Doll.
„Warum haben sie meine Wohnung verwanzt und mein Internet angezapft? Das dürfen sie nicht, ich weiß, dass das illegal ist!“, protestiere ich mit zitternder Stimme. Das Sprechen tut ganz weh, weil mein Mund immer noch so trocken ist.
„Wie bitte?“, räuspert sich der Oberwachtmeister kurz mit etwas irritiertem Gesichtsausdruck, dann fängt er nochmals an sich zu erklären:
„Ich sagte ihnen schon, es tut mir sehr leid. Sie müssen freilich einen ganz komischen Eindruck von unserer Polizeiarbeit haben. Aber wie eben schon gesagt: Ich muss schnell weiter. Wir fahnden nämlich nach Bankräubern in einem blauen Corolla. So einer, wie ihrer.
Die Räuber sind bewaffnet, deshalb musste ich so vorgehen, verstehen sie?“, erklärt Herr Doll mit der ausgesprochenen Freundlichkeit, die er sonst nur Grundschülern bei der Abnahme ihrer Fahrradführerscheine entgegenbringt.
Sein Instinkt jahrelangen Polizeidienstes sagt ihm jedoch gleichzeitig: „Komischer Typ. Irgendwas stimmt mit dem auch nicht. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich ihn mir mal genauer ansehen.“
Er betatscht meine Schulter, ich kapier gar nichts. Er verabschiedet sich und haut ab wie der Blitz.
„Blö, blöde Scheißbullen“, stammle ich flüsternd in mich hinein, als er davonbraust.

Was war nur mit dem Kerl?
Ein ausgedrucktes Bild von einem Mädchen auf seinem Beifahrersitz.
Ja, schon. Das war es aber nicht.
Ja, genau.
Sein T-Shirt hatte er auch noch verkehrt herum angezogen. Irgendein komischer Spruch war auf seinem Rücken zu lesen.
Dazu türkise Bermuda Shorts. Unmöglich.
Ach, egal.
Schon wieder der Funk? Hoffentlich haben sie die Räuber geschnappt.

Der Hunger ist erstmal weg.
Aber bei allem, was ich dafür mitmachen musste, wäre es auch blöd, jetzt nicht weiter zum Mäcky zu fahren. Der Hunger wird schon wieder kommen, wenn ich das Essen erst habe. Ich warte lieber noch ein paar Minuten mit dem Weiterfahren, bis ich wieder runter bin.
Boa, hat der mich geflashed!
So ein elender Zufall.
Irgendwie muss ich jetzt auch lachen, spür dabei aber deutlich, dass es gequält ist und vom Flennen nicht allzu weit entfernt.
Ich fühl mich aber dennoch besser, seit mir klar ist, dass alles nur ein Missverständnis war. Ein Fake, quasi!
Wow, ja doch. Jetzt wird die wachsende Erleichterung mit jeder Sekunde deutlicher.
Boah, war das krass!
Und nichts ist mir im Grunde passiert, geil.
Also los. Auf zum Mäcky!
Ich fliege einen Kilometer über die Straße wie ein Engel. Mein Herz schüttet sich dabei aus vor Lachen. Manchmal muss ich mit lachen und schüttle dabei den Kopf.
Macdrive – Bestellung, was nehme ich?
„Einmal, nein zweimal das Big Mac Maximenu dazu drei Cheeseburger, haufenweise Ketchup und Mayo und dazu noch ne große Cola, bitte“
Ob wohl alles klar ist?
Scheinbar, „bitte Schalter zwei“, krächzt es mir entgegen.
Lässig fahr ich in die Kurve ein, zu lässig eindeutig.
Erst holpere ich über einen hohen Bordstein, dass es kracht, dann bremse ich zu spät, sodass man von Glück sprechen kann, dass ich praktisch Stoßstange an Stoßstange mit meinem Vordermann noch zum Stehen komme.
Alles klappt anschließend einwandfrei: Eine rot uniformierte Blondine lässt mir zwei Riesentüten Fraß rüberwachsen, ich drück ihr einen Zwanni in die Hand.
Weil ich schon Erfahrung darin hab, mich bekifft auf das Mac Donalds-Abenteuer einzulassen bin ich gewarnt und konzentriere mich genau darauf das Wechselgeld kontrolliert und vollständig zu übernehmen.
„Danke, tschö, bis demnächst“, und so weiter.
Normalerweise fahr ich ja erst nach Hause und esse daheim. Das heißt, ich widerstehe dem Duft des warmen Essens.
Aber heute ist ein besonderer Abend, also scheiß ich drauf. Ich verputz den ersten Burger gleich während der Fahrt im Auto.
Erst ertaste ich in der Tüte die Pommes, die ich dabei in ihrer Position so ungünstig verlagere, dass sie sich in die Tüte verstreuen.
War ja klar, ist aber egal. Ich schaufle mir eine Ladung voll rein.
Die Big Mac Kiste habe ich schon geortet. Ich greife sie mir also und schnapp mir den Riesenjoschi.
Auspacken, Achtung, rote Ampel.
Eigentlich ideal. Ich fahre mein Haltemanöver zu Ende, dann nehme ich mir genüsslich den Brocken vor.
Wollüstig beiß ich hinein, Soße fließt mir erst seitlich über den rechten Arm, dann tropft noch etwas auf meinen Schoß.
Elender Mist, das war so klar. Ich such die Servietten, sicher hat die dumme Tussi nicht daran gedacht mir welche einzupacken.
Ah, nein, doch, da sind sie.
Ich wisch an meinem Arm rum. Dann an meiner Hose.
Plötzlich hupt einer hinter mir und erschreckt mich dabei fast zu Tode. Hektisch leg ich die Serviette zur Seite und schmeiß dabei die zweite Riesentüte um. Ein paar Pommes und ein Cheeseburger fallen raus. Der Cheeseburger landet auf dem Boden und rollt unter den Beifahrersitz. Fast kommt es mir vor, als hätte er dabei noch ein kurzes, fieses Lachen von sich gegeben, es könnte aber auch ein Vogel oder sonst was draußen gewesen sein.
Scheiße, so eine Scheiße.
Ich fahr los und nehme rasch die eine Hand vom Steuer, da ich endlich in den zweiten Gang schalten muss, um den kreischenden Motor zu erlösen.
In der anderen Hand habe ich…was hab ich da eigentlich?
Ach ja, den Burger.
Ich drück ihn irgendwie, als ich ihn bemerke und der Rest seiner Gurkenscheiben und Zwiebeln ertränkenden Soße ergießt sich gehässig auf meinen anderen Arm.
Hupend wütet mein Hintermann in rasantem Überholvorgang an mir vorbei.
Ich beachte ihn nicht weiter und taste nach dem Haufen Servietten auf dem Beifahrersitz. Jetzt heult auch der zweite Gang, eine leichte Kurve zwingt mich, ans Steuer zu greifen. Beides zu bewältigen gelingt mir in rascher Abfolge mit meiner rechten Hand, nicht ohne die Servietten vorher wieder abzulegen. Jetzt lege ich auch den Burger auf den Beifahrersitz.
Ich bin total genervt und mir ist egal, dass ich seine Schachtel nicht finden kann. Gemein lässt der Big Mac noch ein bisschen Ketchup auf den Sitz triefen.
Mit den Servietten säubere ich so gut es geht meinen linken Arm, den Sitz und wieder meine Hose. Jetzt sind die Papiertücher alle endgültig versaut.
Egal, ich bin gleich daheim, da kümmere ich mich um den Rest. Ich kurble mein Fenster hoch, um die Tücher hinauszuwerfen, da sie triefen und ich nicht noch mehr Sauerei in meinem Auto haben möchte.
Also werfe ich. Der Fahrtwind bläst die Servietten aber sofort wieder zurück und sie landen verstreut auf meinem Rücksitz. Eine klebt flatternd an meinem Oberarm.
So eine verdammte Scheiße.
Jetzt muss ich mich umwenden, damit ich genauer sehen kann, wo sie überall hingeflogen sind.
Mist, es ist fast zu dunkel hinten.

Der Schlag, den der Aufprall eines menschlichen Körpers auf ein Fahrzeug erzeugt ist geradezu trocken dumpf und doch so erschreckend heftig – auch wenn man dabei nur den Körper einer zierlichen Siebzehnjährigen erwischt.

In der ersten Hälfte der Nacht, etwa zwei Stunden nach den beiden Unfällen, brach ein ungewöhnlich schweres Hagelgewitter über Bayreuth herein. Oft türmen sich vor der Stadt Gewitterfronten, erzeugen dabei beachtlichen Wind, als würden sie ihr Leben aus sich herauspusten, um dann zu verschwinden bevor auch nur ein Blitz niedergegangen ist. Hagel ist dabei so gut wie ausgeschlossen.
Nicht so in dieser Nacht, in der sich zeitweise Straßen in Flüsse verwandelten, die Hagelkörner wie Styroporkugeln auf sich dahinspülten und Keller überfluteten.

Frau Doll, eine sehr fromme Christin sollte diese Naturgewalt später als eine Sendung Gottes, um die Stadt vom Unheil des vorausgegangenen Abends rein zu waschen bezeichnen. Herr Doll würde es in diesem Zusammenhang mit der Bemerkung, dass nun wenigstens klare, frische Luft die unerträgliche Schwüle abgelöst habe belassen.
Doch er schätzte seine Frau für ihre oftmals so segensreichen Worte, die ihn nicht selten vor psychischen Krisen, welche ihm aus seinen beruflichen Erlebnissen hätten erwachsen können, bewahrt hatte. Noch am Morgen direkt nach seiner Nachtschicht führten sie über die Ereignisse folgendes Gespräch:
„Das musst du dir mal vorstellen: Nicht einmal eine Minute nachdem ich den Jungen aufgegriffen habe kam die Durchsage vom Unfall der beiden Bankräuber. Es ist so komisch, findest du nicht?
Da hetze ich wie ein Irrer diesen Banditen hinterher – völlig sinnlos. Die waren zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich schon beide verunglückt. Stattdessen lasse ich den Jungen weiterfahren, obwohl ich wusste, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung ist.“
„Aber du musstest doch den Räubern nachgehen.“
„Trotzdem ist es ein komisches Gefühl. Vielleicht habe ich ja irgendwie auch mit dazu beigetragen, dass es so gekommen ist.“
„Wieso? Du kannst doch nichts dafür, dass der das Mädchen überfährt, weil er bekifft beim Autofahren essen muss!“
„Ja, schon. Ich habe ihn zuvor aber auch extrem hart angepackt. Ich musste eben. Es ist doch manchmal richtig frustrierend: Man tut das, was man muss und nicht das Richtige.“
„Wie geht es dem Mädchen?“
„Sie war dem Anschein nach bewusstlos. Der Arzt war der Ansicht, sie habe wahrscheinlich Rippenbrüche und innere Blutungen. Keine Ahnung, wie ernst es wirklich um sie steht.“
„Die Ärmste. Der Herrgott sei mit ihr.“
„Ja. Das eigentlich Verrückte ist aber, dass sie scheinbar die Freundin des Jungen ist.“
„Wie kommst du darauf?“
„Na ja. Der Bursche war nicht gut beisammen, sag ich dir. Er stand total unter Schock und Drogen. Er war nicht einmal in der Lage irgendetwas zum Unfall zu sagen. Aber er hatte ein Bild in der Hand – ich meine von ihr. Dazu stammelte er dauernd nur tränenüberströmt: Ich hab Ricky überfahren. Ich hab Ricky überfahren.“
„Unglaublich, so ein Zufall.“
„Ja, schon. Er wird’s wohl schwer haben, damit fertig zu werden.“
„Mit Sicherheit. Aber Gott wird auch ihm beistehen. Ich werde für ihn beten.“

 

Hallo Homovulcanicus,

und Willkommen im Forum.

Liest Du keine PM? Na dann versuche ich es hier mal ;). Ich denke, dass die Geschichte sich in der Jugend nicht so recht zu Hause fühlen wird und schlage eine Verschiebung nach Alltag oder Sonstiges vor. Bitte gebe mir Bescheid, wohin Du sie gern hättest. Begründung kannst Du der PM entnehmen.

Aber nun zu Deiner Geschichte.

Diesen Gott-Dialog habe ich nur überflogen, ich gestehe. Aber mir ist ja zum Glück nichts Wesentliches entgangen, um dem Fortgang der Geschichte folgen zu können.

Mist, ich hasse mich. Ich bin fett und feige. Und vom vielen Kiffen verpeile ich den ganzen Tag. Ich hab so tierischen Hunger, hab aber meine ganze Studentenbude leer gefressen. Nicht mal Chips sind mehr da. Ich muss los. Da hilft nichts.

Drei mal "Ich" am Satzanfang - wirkt etwas monoton, finde ich. Das er fett und feige ist, wird bereits zuvor gesagt, würde ich rausnehmen; ist ja gut - hab ich so beim lesen gedacht.

„Soll das etwa heißen? Also…ich bin sprachlos.“

Leerzeichen vor und nach den drei Punkten - auch noch an anderen Stellen

Nachdem er indessen ohne den Blick vom Polizisten abzulassen sein Hosentürchen geschlossen hat, ...

"Indessen" verwirrt, macht den Satz noch komplizierter, als er ohnehin schon aufgebaut ist. Nachdem er(Komma) ohne den Blick vom Polizisten abzulassen(Komma) sein Hosentürchen geschlossen hat, ... Vorschlag - so liest es sich etwas folgsamer ;).
„Wie? Was? Also hören sie mal, sie können das nicht, hier am hellen Tag in aller Öffentlichkeit(Leerzeichen)…“

„Bei allem Respekt, Herr Wachtmeister. Wären sie nicht vorbei gekommen, ich hätte niemanden verärgert. Mein Nachbar macht das auch so.“

:)

Dafür, dass die Pinkellei ja eigentlich nur Einführung und Übergang ist und in der eigentlichen Geschichte nicht Handlungstragend, finde ich, hat sie hier eine Menge Raum erhalten.

Merkwürdig. Warum die beiden es dermaßen eilig haben davonzukommen, so urplötzlich?
Na ja, was soll‘s ...

Welche Erzählerstimme spricht in diesem Absatz? Erst im nächsten klärst Du auf, dass es Ricky ist. Über die ganzen Zeilen habe ich mich gefragt - Wer?
Und wieso hat ihr der Zufall gestern alles in die Hände gespielt, was war denn gestern?

Du erzählst die Geschichte aus drei Perspektiven. Ricky, Thomas und den Polizisten. Das ist ne Menge. Da solltest du dem Leser aber auch gut an die Hand nehmen, damit er weiß, mit wem er es gerade zu tun hat. Größtenteils empfand ich das als sehr gelungen, und meinen Respekt vor einer solchen Konstruktion. Hier allerdings empfinde ich als mißglückt. Vielleicht solltest Du den Dialog Ricky - Nachbar an den Anfang stellen. Dann wird es klarer.

Die Zeilenumbruchgestaltung hat mich auch verwirrt. Für jeden Gedanken eine neue Zeile. Ich denke immer, jetzt kommt irgendwas Neues, Anderes und dann geht es doch nur weiter mit Gedanken. Kann man machen, muss man aber nicht.

„Einmal, nein zweimal das Big Mac Maximenu dazu drei Cheeseburger, haufenweise Ketchup und Mayo und (dazu noch) ne große Cola, bitte(Punkt)“

Achtung: Füllwörterfalle hat zugeschnappt ;). Auch wenn wir tatsächlich so reden, in Schriftform wirkt es aufgesetzt, ungelenk, störend.

In der ersten Hälfte der Nacht, etwa zwei Stunden nach den beiden Unfällen,

beide Unfälle? Noch einer, oder Unfall für Thomas und Unfall für Ricky?

brach ein ungewöhnlich schweres Hagelgewitter über Bayreuth herein. Oft türmen sich vor der Stadt Gewitterfronten, erzeugen dabei beachtlichen Wind, als würden sie ihr Leben aus sich herauspusten, um dann zu verschwinden bevor auch nur ein Blitz niedergegangen ist. Hagel ist dabei so gut wie ausgeschlossen.

Zeitformen (Wechsel Präsens/Präteritum). Ich hätte es eleganter gefunden, die ganze Passage ins Präteritum zu setzen.

So, nun aber das Lob. Ich habe die Geschichte gern gelesen, den Aufbau, die Wahl der Figuren fand ich gelungen. Nur den anfänglichen Dialog und die Ausführungen über die Fahrt mit der MC Donald Tüte empfand ich als Längen. Da könnte man sicher straffer und prägnater erzählen. Auch sprachlich hat sie mich angesprochen. Doch, ist hübsch ;).

Viel Freude Dir hier beim Lesen, Kommentieren (Autoren freut und hilft es ungemein, wenn Leser sie an ihren Gedanken und Eindrücken teilhaben lassen) und natürlich an Deinen Geschichten.

Beste Grüße Fliege

 

Aus Jugend nach Sonstige verschoben

 

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