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Abschied und Hoffnung
Abschied
Langsam neigt sich der Tag dem Ende zu. An den Apfelbäumen wachsen schon hübsche Blüten. Ich liebe den Frühling, gerade dann, wenn alles schön grün ist. Träumen tue ich davon, wie wir über die Wiese rennen. Hand in Hand. Um uns herum die hohen, weißen Berge, Frische Landluft , die uns umgibt. Plötzlich fallen wir lachend ins Gras und kullern eng umschlungen den Hügel wieder hinab, den wir gerade hinauf gerannt sind.
Eines Tages wird mein Traum in Erfüllung gehen. Weißt du noch, die wunderschöne Nacht im Wald? Wir übernachteten in einer kleinen Hütte, weil wir uns verlaufen hatten. Um uns herum waren tausend Kerzen. Den Kamin hatten wir angemacht. Dabei hattest du dich fast verbrannt. In einer Decke eingewickelt, lagen wir auf einem winzigen Bett und schauten dem lodernden Feuer zu.
Langsam gehe ich durch den Flur. An den Wänden hängen Poster von fröhlichen Kindern. Wie sehr wünsche ich mir, dass ich ein Lächeln seit langem wieder auf deinem Gesicht sehe. Man sagte mir heute, wie schlecht es um dich steht. Nun stehe ich vor deiner Tür und traue mich nicht rein.
Sonst kam ich so gern zu dir, doch heute ist es irgendwie anders.
Ich habe Angst, dich zu sehen. Als ob es ein letztes Mal wäre. Die Tür geht auf, ganz plötzlich. Eine Frau im weißen Kittel geht an mir vorbei, sie schenkt mir keine Beachtung. In den Raum gehe ich, ohne zu wissen, ob du da bist.
Alles kommt mir so vertraut vor und doch irgendwie fremd. Ich gehe ans Fenster und öffne es. Die kühle Abendluft strömt herein und durchfließt mein Haar. Das Fenster mache ich wieder zu, denn es ist kalt. Hinter mir steht ein Bett, dein Bett. Ich drehe mich zu dir um. Ruhig liegst du da und schläfst. Ganz blass siehst du aus. Auf dem Tisch, in der Mitte des Zimmers steht eine Schüssel mit Obst. Ein knallroter Apfel sieht mich an. Ich gehe hin und nehme ihn mir. Meine Hände zittern, mein Herz klopft. Jetzt erst bemerke ich, wie groß mein Hunger ist. Seit Tagen habe ich nichts richtiges mehr gegessen. Aus Kummer zu dir.
Ein leises Stöhnen dringt an mein Ohr. Ich drehe mich zu dir um und sehe, dass du deinen Arm nach mir ausstreckst. Doch du bist zu schwach, um nach mir zu greifen. Er fällt herunter. Ich gehe zu dir und setze mich auf das Bett.
Deine Hand greift nach meiner. Ganz kalt ist sie. Jetzt erst bemerke ich, dass du nun gar keine Haare mehr hast. Ich versuche sie mir vorzustellen, dein kurzes blondes Haar. Wie ich es liebte, sie zur durchwühlen und wie du dich dann immer aufgeregt hast. Deine strahlend blauen Augen sind auch ganz schwarz geworden. Vorsichtig nehme ich dich in meine Arme, drücke dich ganz fest. Auch du legst deine Arme um mich und versuchst mich zu drücken, doch es fällt dir schwer. Plötzlich spüre ich, wie eine Träne von dir über meinen Nacken läuft. Das erschrickt mich. Dein Gesicht wandert über mein Ohr. Du flüsterst: ,, Ich liebe dich, vergiss das nicht!“
Jetzt drückst du mich noch fester. Ich sage dir: „Ich liebe dich auch und vergessen werde ich dich niemals!“. Mein Herz tut weh, als ob es gleich zerbricht, ganz schwer und warm.
Den Apfel habe ich immer noch unangebissen in der Hand, als du sagst:
„Ich kann nicht mehr.“ Er fällt mir aus der Hand. Etwas Schale fällt ab.
Er rollt zum Tisch wo ich ihn hergeholt habe und schließlich bleibt er liegen.
„Nein, sag das nicht, du hast doch sonst immer alles geschafft, nein!“
Ich ziehe dich vor mein Gesicht, das nun inzwischen kreidebleich geworden ist und schüttele dich. ,,Es ist vorbei, ich kann nicht mehr. Du musst für mich weiterleben!“ Deine kalten Hände fassen an meine Wangen.
Sanft gibst du mir einen zarten Kuss. Ich erwidere ihn und drücke dich ganz fest, doch du lässt nach. „Was ist los? Sag bitte etwas!“ Deine Augen sehen mich starr an, dann fallen sie zu. Ich beginne zu begreifen.
Meine Augen werden nass, füllen sich mit Wasser. Es rollt über meine Wangen. Der Geschmack ist salzig und tropft auf dein Gesicht. Ich wische sie weg.
Ich rücke den roten Knopf neben deinem Bett.
Ein leises Summen ertönt. Vorsichtig lege ich deinen Kopf auf das Kissen.
Ein letzter Kuss auf deine Wangen, dann gehe ich aus dem Zimmer, vorbei an dem Apfel, der noch immer am Tisch liegt.
Männer und Frauen rennen an mir vorbei.
Sie wollen dir helfen, doch ich weiß, dass es nichts mehr nützt…