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Abseitig der Augen Aller

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03.11.2008
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Abseitig der Augen Aller

Abseitig der Augen Aller


Aus dem Kühlregal nahm er eine Limonade und stellte sich an der Kassenschlange an. Hinter ihm zappelte eine uralte kleine Frau. Sie schien die geringe, ihr noch verbleibende, Lebenszeit wohl nicht wartend an der Kasse eines Supermarktes verbringen zu wollen. Als er an der Reihe war seinen Neuerwerb zu bezahlen ließ er sich äußerst viel Zeit und kramte ausgiebig nach passenden Münzen. Nach einiger Zeit streckte er der Kassiererin einen Schein entgegen. Beim Verlassen des Supermarktes öffnete er die Flasche und trank hastig. Unbeabsichtigt stolperte er über einen Bettler. Die Sonne stand mittlerweile im Zenit und brannte auf das Dorf herab. Es gab nicht viel das man in diesem hässlichen kleinen Nest an einem Samstag tun konnte.

Er setzte sich auf eine Parkbank, die inmitten des belebten Marktplatzes unter einer Linde stand. Einige Stände waren bereits wieder abgebaut. Er packte seine Pfeife aus und stopfte sie. Seine Hände zitternden und Schweiß ran seine Stirn herunter. Er stopfte sie wie er es immer tat. Der Kopf wird bis zur Oberkante mit Tabak aufgefüllt. Danach wird er Tabak behutsam zusammengedrückt. Er wusste nicht wieso er es getan hatte. Er holte ein Hölzchen aus der Streichholzschachtel, welche sich in der Tasche seiner Wildlederjacke befand und entzündete es. „Sie hatte es nicht anders gewollt“, dachte er. Behutsam zog er am Mundstück während die Flamme des Streichholzes über den Tabak wanderte.

Ein alter Mann kaufte Avocados und Bananen. „Biologischer Anbau“ stand über dem Verkaufsstand in großen Lettern geschrieben. Hinter dem Mann wartete eine junge Frau mit Kind darauf bedient zu werden. Das Kind war in mehrere Lagen Designerklamotten eingepackt. Es konnte sich zwar kaum bewegen aber zumindest war somit die Gefahr einer Erkältung gebannt. Seine Mutter hatte langes blondes Haar, grüne kraftvolle Augen und eine schwere Einkaufstüte neben sich stehen die sie dort abgestellt hatte. Schweiß zeichnete ein Muster auf ihr knappes Oberteil. „Ein Kilo Äpfel bitte“, sagte sie. Ihr Sprößling zupfte unentwegt an ihrer Jeans und hüpfte auf und ab. Unvermittelt schenkte sie dem Winzling eine Backpfeife. Plötzlich waren alle Augen auf die Beiden gerichtet. Vorwurfsvolle Blicke prasselten auf die junge Mutter ein. Die Wange des Jungen wurde tomatenrot. Erst jetzt wurde sie sich der ungewollten Aufmerksamkeit bewusst. Keiner hatte gesehen, dass das Kind ihr kräftig ins Bein gezwickt hatte. Der Junge weinte. Sie drückte dem Verkäufer einen Schein in die Hand und sagte, dass er das Rückgeld behalten könne. Die zuvor friedlichen Menschen hatten sich zu einem Mob formiert der einen Kreis um die Blonde und ihr Junges bildete. Geifernd forderte er Tribut für die Untat ein. Die Frau erkannte ihre Situation und versuchte sich einen Weg durch die Monster zu Bahnen. Sie hatte das Kind an der einen und die viel zu schwere Tasche in der anderen Hand. Zwei kräftige Männer, mit dichtbehaarten Armen, hielten sie jedoch fest und zerrten sie in die Mitte des Kreises zurück. Der unhörbare Ruf nach Bestrafung wurde lauter und hallte über den Marktplatz. Grawp reihte sich in den Kreis ein und zog an seiner Pfeife.

So vergingen mehrere Minuten. Keiner bewegte sich. Weder die Mutter mit ihrem Kind, noch die Menschen die im Kreis um sie herum standen. Aus der Ferne waren näherkommende Sirenen zu hören. Heulend hielt ein grün-weißes Automobil am Rande des Marktplatzes. Zwei Polizisten stiegen aus. Mit einem Notizblock in der Hand ließen sie sich von den Umstehenden über die Situation unterrichten, während die Mutter schwieg. Danach legten sie kurzerhand der Schuldigen Handschellen an. Langsam lichtete sich der Kreis und die Menschen wendeten sich wieder ihren gewöhnlichen Verrichtungen zu. Lange Zeit nachdem die Polizisten seine Mutter abgeführt hatten stand das Kind noch alleine auf dem Marktplatz. Es war gerettet.

Als die Dunkelheit den Tag verdrängte schlich Grawp zum Engelshorst zurück. Dunkle Wolken hingen über dem Dorf und es wurde kühler. Je näher er kam desto kürzer wurden seine Schritte. Im Flur zog er die Schuhe aus und schlüpfte in seine Pantoffeln. Ohne anzuklopfen betrat er das Kinderzimmer seiner Tochter in dem kein Licht brannte. Sie saß immer noch auf ihrem Bett doch weinte nicht mehr. Wenn sie nackt gewesen wäre hätte er Hämatome bewundern können, die ohne ihn nie geboren worden wären. „Es tut mir Leid“, sagte sie. Ihre Augen waren wagten es nicht den Vater zu fixieren, sondern starrten auf eine Puppe die teilnahmslos auf einem Bücherregal thronte. Sie bemühte sich es der Puppe gleichzutun. Urplötzlich explodierte er. „Es tut dir Leid? Du willst mich wohl zum Narren halten! Heute gibt es kein Abendessen für dich!“, brach es aus ihm heraus. Er drehte sich um, verließ das Zimmer und schlug die Tür zu, so dass diese fast aus den Angeln gefallen wäre. Das Mädchen zog die Bettdecke über den Kopf und zwang sich nicht zu weinen. Dazu trieb sie ihre Eckzähne tief in das Backenfleisch, welches anfing ein wenig zu bluten. Als sie sich wieder halbwegs gefasst hatte spähte sie auf ihre Zimmertüre. Am Licht das an der Seite der Türe durchschien konnte sie sehen, dass das Licht im Flur noch an war. Nach einigen Minuten erlosch es. Sie ertastete eine Taschenlampe die neben ihrem Bett lag, schaltete sie ein und klemmte sie zwischen ihre Zähne. Vorsichtig zog sie eine, mit Blut verklebte, Rasierklinge aus ihrer Nachttischschublade hervor. Langsam gleitete die scharfe Klinge über die Innenseite ihres Unterarms. Sukzessiv bildeten sich, beinahe parallele, rote Striche auf dem blassen Ärmchen und ihr Gesicht entspannte sich. Die Wolken entleerten sich über dem Dorf in einem Sommergewitter und das Kind spürte wie es die Macht über seine Gefühle und seinen Körper wiedererlangte. Zufrieden legte sie die Rasierklinge wieder in die Nachttischschublade zurück und die Taschenlampe daneben. Das Mädchen schlief ein. Sie träumte wie sie ihren Vater gefesselt in einem Sessel fand. Unbeweglich musste er über sich ergehen lassen wie sie mit einem Messer Teile seines Körpers entfernte. Schritt für Schritt wurde er seziert bis er schlussendlich für immer schwieg.

Am nächsten Morgen saß die kleine Familie gemeinsam am Frühstückstisch. Alle drei wussten, dass nichts passiert war. Abseitig der Augen Aller, im Schutz der Kleinfamilie, herrscht Glückseligkeit.

 

Vielen Dank für deine Bewertung. Falls du mir einen Tipp zur Punktation geben könntest würde ich gerne die Fehler ausbessern.

Den Hinweis auf Überspitzung muss ich noch ernster nehmen. Du bist nicht der Erste der mich darauf hinweist. Wie könnte man, den Inhalt beibehaltend, das Geschehen auf dem Maktplatz glaubwürdiger machen. Also mit welchen Methoden?

 

Hallo Trutzwehr,

muss mich groesstenteils Exisence anschliessen.
Den Anfang fand ich sehr gut, das hatte fast etwas von schwarzem Humor. Diesen Staz hier fand ich klasse:

Das Kind war in mehrere Lagen Designerklamotten eingepackt.

Doch was dann folgte, widersprach irgendwie jeder Logik. Erst dachte ich (ernsthaft) dass es eine Art Science Fiction Szenario sein soll, wo man dafuer, einem Kind eine Ohrfeige gegeben zu haben, polizeilich bestraft werden kann. Aber das war es ja auch nicht. Jedenfalls ist das total ueberzogen und dadurch komplett unlgaubwuerdig, besonders durch die Tatsache, dass anschliessend der Kinderwagen (alleine!) auf der Strasse stehen bleibt. Nee, so geht das nicht.

Zu der dann folgenden Missbrauch - Thematik kann ich auch nur sagen, es wirkt wie gewollt und nicht gekonnt. Wenn du wriklich so einen Vergleich ziehen willst und die Scheinheiligkeit der Gesellschaft anprangern willst, musss das viel subtiler gemacht werden. Denn sonst wirkt es fast albern und das ist ja wahrscheinlich die letzte Reaktion, die du damit hervorrufen moechtest.


gruss,
sammamish

 

Hallo trutzwehr,

das Meiste hat Existence schon richtig bemerkt, also konzentriere ich mich auf ein Geschehen, mit dem du auch einen Grund lieferst, aus dem Missbrauch so versteckt bleibt.
Die couragierte Gesellschaft hilft dem kleinen Jungen nicht oder nur schlecht, zwar "befreit" sie ihn von seiner Mutter, lässt ihn aber dann allein. Kinder fühlen sich auf ihre Eltern angewiesen und trotz Alternativen wie Erziehungsheimen und öffentlicher Fürsorge, sind sie es letztlich auch.
Was haben die Menschen, die sich der Mutter entgegenstellten also zum guten Ende erreicht? Auch das missbrauchte Mädchen könnte, wenn denn seine Lage bekannt würde, sicherlich vom Vater befreit werden und natürlich wäre jede Alternative besser als das, was sie erleiden muss. Und doch wird es neben der Hoffnung darauf auch die Angst davor kennen, selbst diesen Vater zu verlieren. Zeigte sie den Vater an, wartete in erster Linie das große Ungewisse. Von der Gesellschaft, die sie schützen sollte, würde sie letztlich allein gelassen. Wie der Junge auf dem Marktplatz. Was du als Kontrast siehst, schafft also in der Geschichte gesellschaftlich gesehen eine Verbindung. Ich weiß nicht, ob du das beabsichtigt hast.

Lieben Gruß
sim

 

Hallo trutzwehr,

für mich hat die Geschichte einige Passagen, die funktionieren, z.B. die Szene mit der Rasierklinge auf dem Bett. Deshalb rate ich Dir auch, an diesem Thema weiter zu arbeiten. Die Szenen auf dem Marktplatz mußt Du allerdings, wie die anderen schon kommentiert haben, völlig ändern oder ersetzen.
Ich vermute, es ist Teil Deiner Idee zu zeigen, daß alles Versuche des Einschreitens zugunsten des Kindes als erstes zu Lasten des Kindes gehen. Die Gesellschaft reagiert hier gegen die vermeintlichen oder wirklichen Täter und beruhigt damit ihr Gewissen; sie hat gar nicht den Impuls, für das Opfer zu handeln. Das ist ja schon besser als die vielen Fälle, wo der Instinkt der Gesellschaft sich unmittelbar gegen das Opfer richtet.
Daß das Kind verliert, ließe sich auch subtiler zeigen, dafür muß die Mutter nicht abgeführt werden. Was mir ein bißchen fehlt ist er Gedanke, daß auffälliges Verhalten mißhandelter Kinder in der Öffentlichkeit die Botschaft von Hilfeschreien haben kann.

Vielleicht kannst Du damit etwas anfangen.

Gruß Set

 

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