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Acryl auf Pizzakarton

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01.09.2004
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Acryl auf Pizzakarton

Wir hatten dieses feine Gespür, uns jedes mal eine der heruntergekommensten Spelunken als Stammkneipe auszusuchen. Und das war so ungefähr jeden zweiten, oder dritten Monat der Fall, wenn der Wirt unsere Drinks nicht mehr anschreiben wollte und uns achtkantig rausschmiss. Der Vorteil bei diesen Rattenlöchern war allerdings, dass sich nicht allzu viele Menschen dorthin verirrten. Man konnte also seelenruhig sein Bier trinken.

Wo steckt dieser verdammte Kerl. Wenn es eins ist, was ich auf den Tod nicht ausstehen kann, dann ist es warten. Das macht mich immer ganz kirre und ich könnte der nächst besten Person gleich an die Gurgel gehen.
Daniel trudelte mit einem kräftigen Windstoß und ´ner Menge nasser Klamotten herein. Schon zwischen Tür und Angel machte er mit einer umständlichen Handbewegung dem Wirt deutlich, dass er ´n Bier brauchte. Ich bestellte auch noch eins, wohl wissend, dass ich keine Kohle mehr für so was übrig hatte.

„Kommen die Ladys noch?“
„Weiß nicht. Aber keine Ahnung, ob ich überhaupt ´n Nerv drauf hab`. Ich kann´s nicht haben, wenn sich jemand für was Besseres hält.“
„Also wenn du mich fragst, sind die beiden das Beste, was uns passieren konnte.“
„Alles Blödsinn. Pass mal auf, willst du meine neuste Arbeit sehen,“ versuchte Daniel abzulenken. Ohne eine Antwort abzuwarten, zuckte er aus seiner Jackentasche ein Stück ausgeschnittene, bemalte Pappe und zum Vorschein kam eine überaus hässliche Fratze, die ein wenig Donald Duck glich.
„Was zum Teufel ist das?“
„Ach, du hast doch keine Ahnung. Das ist Acryl auf Pizzakarton. Außerdem habe ich ihm mit einem Papiermesser vorsichtig die Augen ausgekratzt. Das macht ihn so wunderbar seelenlos. Ach und noch was. Du glaubst ja gar nicht, wie lange ich gebraucht habe, bis ich das passende Material für meine Werke gefunden habe.“
„Nee, tu ich auch wirklich nicht,“ schob ich ein.
„Pizzakarton ist für mich die ideale Lösung. Ich mein die liefern diese Pappschachteln gratis mit jeder Pizza. Ich muss mich jetzt nur noch ausschließlich von diesem Zeug ernähren. Das ist doch ´ne riesen Sache. Ich kann dann so richtig durchstarten und in Serie gehen.“

Ich wusste darauf nicht so richtig, ob ich mir jetzt als dämlicher Geschichtenschreiber ein wenig mickrig vorkommen sollte. Ich mein „Durchstarten“, das ist schon ein gewaltiges Wort. Da sitzt ordentlich Wumms hinter.
Wir schnippten beide nach ´nem neuen Bier.
„Weißt du und gestern habe ich den Entschluss gefasst Experimentalfilm zu studieren. Das ist sozusagen ´n Freifahrtsschein zum Scheiße bauen.“
„Wie jetzt, du baust doch schon genug Mist, da musst du doch nicht für studieren,“ hielt ich dagegen.
„Ja, aber das ist diese Art von Mist, wo die Leute auch noch Beifall klatschen und dir in den Arsch kriechen.“
„Ach so, das ist natürlich was anderes.“

Da wir die einzigen Besucher waren, blieb unser Gespräch vom Wirt nicht unbelauscht und er gesellte sich kurzerhand dazu.
„Künstler was,“ raunte er und nickte mit dem Kopf, als wenn er uns bemitleiden wollte.
„Nee, nicht wirklich. Aber lass gut sein.“
„Hey, ich versteh´ nicht viel von dem ganzen Kram, aber die Fratze auf dem Karton gefällt mir. Hat was gefährliches. Als wenn sie dir gleich ins Gesicht springt. Was willst du dafür haben?“
„Lass einfach für mich und meinem Kumpel hier ´n paar Drinks springen.
Der Wirt verzog seine Miene und lachte:
„Netter Versuch, aber so läuft das bei mir nicht, was meint ihr wohl, womit ich mein Geld verdiene? Sicherlich nicht durch spendieren von dämlichen Drinks. Aber schon ok, ich mag Kerle die nicht auf den Mund gefallen sind.“
Wir grinsten und Daniel überließ dem Wirt gönnerhaft das Stück Pappe.
„Ich will mal nicht so sein, kostet mich ja nichts. Essen muss ich sowieso.“

An diesem Abend bezahlten wir unser Bier. Und wenn man ehrlich ist, hätte es auch nicht besser laufen können. Der Wirt schien in Ordnung zu sein und man kam ins Gespräch. Nur wer allzu leichtgläubig ist, denkt, er könne gleich am ersten Abend seine Drinks anschreiben lassen.

 

Hallo flip,

zwei Looser, die Acry auf Pizza Karton für ein paar Bier verhökern, die sich gleichzeitig über die Vernissageschickeria lustig machen, aber gleichzeitig nciht an sich glauben, weder an sich selber, noch an den anderen.
En Wirt, der etwas in dieser Pizzapappe erkennt, vielleicht etwas, was der Künstler selber nicht gesehen hat, eine Tiefe im Ausdruck, trotz der spärlichen Mittel.
Genau da liegt natürlich das Problem vieler Kunst und auch vieler experimenteller Filme. Die Mittel sind spärlich, der erste Eindruck ist deshalb, jeder könnte so etwas produzieren und die tiefe ist immer auch eine Frage des Empfängers. Insofern habe ich immer ein bisschen Probleme mit dieser Art Auslassung über experimentelle Kunst. Es mag viel Müll dabei sein und mit dieser Form von Verarschung ist man immer auf der populären Seite, aber ich kenne einige dieser verspotteten Werke, die ich persönlich trotzdem schätze.
So etwas verläuft sich deine Geschichte dann auch für meinen Eindruck.

Noch einige Details:

„Kommen die Ladys noch?“ „Weiß nicht. Aber keine Ahnung, ob ich überhaupt ´n Nerv drauf hab`. Ich kann´s nicht haben, wenn sich jemand für was besseres hält.“ „Also wenn du mich fragst, sind die beiden das beste, was uns passieren konnte.“ „Alles Blödsinn. Pass mal auf, willst du meine neuste Arbeit sehen,“ versuchte Daniel abzulenken.
- Oh, diese Passage ist on des fließenen Wechsels der wörtlichen Rede recht unübersichtlich. Ein Zeilenumbruch vor dem Wechsel der sprechenden Person wäre schön.
- was Besseres, das Beste (du gebrauchst beides als Substantiv)

Einen lieben Gruß, sim

 

hallo sim

danke für deine kritik und den verbesserungsvorschlägen.

hmm also eigentlich glauben die beiden schon an sich selbst, oder es wird nicht zumindest nicht gesagt, dass sie es nicht tun. die gegenseitige wertschätzung ist allerdings fragwürdig, da hast du recht. wied der acrylmaler doch ein wenig ins abgedrehte gedrückt. das problem stellt sich aber doch ein wenig anders. die beiden ziehen die szene nicht in den dreck oder machen sich lächerlich darüber, gehören sie doch jener an. er findet es ja großartig, dass es die gelegenheit gibt experimentalfilm zu studieren. er hat ja spass daran. seine aussagen über das "scheiße baun" ist natürlich flappsig. weil das nunmal zwei versoffene säcke sind. und es ist fragwürdig ob es überhaupt jemals zum studium kommt. geht es ihn doch im grunde nur darum, den wirt auf kurz oder lang übers ohr zu hauen, weil sie kein geld haben.

wenn das so nicht rüber gekommen ist, sind verbesserungsvorschläge willkommen.

gruß
flip

 

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