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Acryl auf Pizzakarton
Wir hatten dieses feine Gespür, uns jedes mal eine der heruntergekommensten Spelunken als Stammkneipe auszusuchen. Und das war so ungefähr jeden zweiten, oder dritten Monat der Fall, wenn der Wirt unsere Drinks nicht mehr anschreiben wollte und uns achtkantig rausschmiss. Der Vorteil bei diesen Rattenlöchern war allerdings, dass sich nicht allzu viele Menschen dorthin verirrten. Man konnte also seelenruhig sein Bier trinken.
Wo steckt dieser verdammte Kerl. Wenn es eins ist, was ich auf den Tod nicht ausstehen kann, dann ist es warten. Das macht mich immer ganz kirre und ich könnte der nächst besten Person gleich an die Gurgel gehen.
Daniel trudelte mit einem kräftigen Windstoß und ´ner Menge nasser Klamotten herein. Schon zwischen Tür und Angel machte er mit einer umständlichen Handbewegung dem Wirt deutlich, dass er ´n Bier brauchte. Ich bestellte auch noch eins, wohl wissend, dass ich keine Kohle mehr für so was übrig hatte.
„Kommen die Ladys noch?“
„Weiß nicht. Aber keine Ahnung, ob ich überhaupt ´n Nerv drauf hab`. Ich kann´s nicht haben, wenn sich jemand für was Besseres hält.“
„Also wenn du mich fragst, sind die beiden das Beste, was uns passieren konnte.“
„Alles Blödsinn. Pass mal auf, willst du meine neuste Arbeit sehen,“ versuchte Daniel abzulenken. Ohne eine Antwort abzuwarten, zuckte er aus seiner Jackentasche ein Stück ausgeschnittene, bemalte Pappe und zum Vorschein kam eine überaus hässliche Fratze, die ein wenig Donald Duck glich.
„Was zum Teufel ist das?“
„Ach, du hast doch keine Ahnung. Das ist Acryl auf Pizzakarton. Außerdem habe ich ihm mit einem Papiermesser vorsichtig die Augen ausgekratzt. Das macht ihn so wunderbar seelenlos. Ach und noch was. Du glaubst ja gar nicht, wie lange ich gebraucht habe, bis ich das passende Material für meine Werke gefunden habe.“
„Nee, tu ich auch wirklich nicht,“ schob ich ein.
„Pizzakarton ist für mich die ideale Lösung. Ich mein die liefern diese Pappschachteln gratis mit jeder Pizza. Ich muss mich jetzt nur noch ausschließlich von diesem Zeug ernähren. Das ist doch ´ne riesen Sache. Ich kann dann so richtig durchstarten und in Serie gehen.“
Ich wusste darauf nicht so richtig, ob ich mir jetzt als dämlicher Geschichtenschreiber ein wenig mickrig vorkommen sollte. Ich mein „Durchstarten“, das ist schon ein gewaltiges Wort. Da sitzt ordentlich Wumms hinter.
Wir schnippten beide nach ´nem neuen Bier.
„Weißt du und gestern habe ich den Entschluss gefasst Experimentalfilm zu studieren. Das ist sozusagen ´n Freifahrtsschein zum Scheiße bauen.“
„Wie jetzt, du baust doch schon genug Mist, da musst du doch nicht für studieren,“ hielt ich dagegen.
„Ja, aber das ist diese Art von Mist, wo die Leute auch noch Beifall klatschen und dir in den Arsch kriechen.“
„Ach so, das ist natürlich was anderes.“
Da wir die einzigen Besucher waren, blieb unser Gespräch vom Wirt nicht unbelauscht und er gesellte sich kurzerhand dazu.
„Künstler was,“ raunte er und nickte mit dem Kopf, als wenn er uns bemitleiden wollte.
„Nee, nicht wirklich. Aber lass gut sein.“
„Hey, ich versteh´ nicht viel von dem ganzen Kram, aber die Fratze auf dem Karton gefällt mir. Hat was gefährliches. Als wenn sie dir gleich ins Gesicht springt. Was willst du dafür haben?“
„Lass einfach für mich und meinem Kumpel hier ´n paar Drinks springen.
Der Wirt verzog seine Miene und lachte:
„Netter Versuch, aber so läuft das bei mir nicht, was meint ihr wohl, womit ich mein Geld verdiene? Sicherlich nicht durch spendieren von dämlichen Drinks. Aber schon ok, ich mag Kerle die nicht auf den Mund gefallen sind.“
Wir grinsten und Daniel überließ dem Wirt gönnerhaft das Stück Pappe.
„Ich will mal nicht so sein, kostet mich ja nichts. Essen muss ich sowieso.“
An diesem Abend bezahlten wir unser Bier. Und wenn man ehrlich ist, hätte es auch nicht besser laufen können. Der Wirt schien in Ordnung zu sein und man kam ins Gespräch. Nur wer allzu leichtgläubig ist, denkt, er könne gleich am ersten Abend seine Drinks anschreiben lassen.