Was ist neu

Adrenalin

Mitglied
Beitritt
03.07.2006
Beiträge
7
Zuletzt bearbeitet:

Adrenalin

K. sitzt vor seinem Bildschirm. TFT, 19“, Design by FA Porsche. Eigentlich, wenn man es genau nimmt, ist es gar nicht sein Bildschirm. Der wird ihm von der Werbeagentur W-AG, wo er als freier Mitarbeiter tätig ist, zur Verfügung gestellt.
Das Büro ist ganz modern. Edelstahl, Glas, helle Möbel. Die Schreibtische sind nicht fix zugeteilt, sondern jeder hat einen Rollcontainer mit seinen persönlichen Sachen. Freien Schreibtisch suchen, Container andocken, Telefon mit Voice over IP.
Wie sagt doch der junge Firmenchef: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Wir sind alle technischen Pioniere. K. sieht sich in der staubigen Prärie auf einem Pferd gegen die Abendsonne reiten. Als Pionier, der Neues entdeckt. Aber die Pioniere von heute schauen anders aus. Sie kaufen immer die neueste Technik, und helfen den Herstellern, die Kinderkrankheiten zu beseitigen, Das kann ganz schön hart sein. Wenn alles funktioniert, wird wieder alles erneuert, und das Spiel beginnt von vorne.
K loggt sich in sein Telefon ein. Neueste Technik VOIP. Er nimmt sein Telefonbuch und seine Nummer immer mit, egal wo er sitzt. Manchmal pfeift es in der Leitung, oder das Telefon verweigert seinen Dienst. Error 545, Absturz, nur mehr lautes Tuten. Mit einer lässigen Bewegung zieht K. den Stromstecker aus dem Apparat. Reset und Cold-Start wie der Fachmann sagen würde. Pionier sein ist nicht leicht, weder damals noch heute.

K. öffnet seine Aktentasche und legt 5 Bleistifte auf den Schreibtisch. Faber-Castell Nr. 9000, HB. Der Computer fährt leise summend hoch. Das beste Windows aller Zeiten. Einloggen, Word aufrufen. Ein lieber kleiner Hund wedelt mit dem Schwanz, Wenn K. nur wüsste, wie er den Quälgeist abschalten könnte – er hat schon alles versucht, aber der kommt immer wieder. Das leere Dokument ist am Bildschirm, der Cursor blinkt. Der Computer ist im Leerlauf. Systemauslastung 2%. Der Hund zwinkert K. höhnisch zu. Fang mich doch, wenn du kannst. Im Outlook quillt die Mailbox über. Sie haben 20 neue Nachrichten. Alles da. Vom Sonderangebot in Sachen V*i*a*g*r*a bis zum sensationellen Training für Führungskräfte oder dem Universitätsdiplom der University of Ireland. Find girls in your neighbourhood - da müsste man in Amerika sein – lauter hübsche Mädels, die nur auf einen Mann wie K. warten. Und mit vierzig ist man doch noch nicht alt, oder?
Unauffällig schaut er in seinen kleinen Taschespiegel. Ein paar graue Haare – da gibt’s doch so ein Mittel: „Sie erhalten garantiert ihre alte Haarfarbe zurück“ Ja, Amerika - Das Land der Freiheit. Die vielen unbegrenzten Möglichkeiten. Eine green-card wäre schon nett, da war doch einmal diese Seite mit der Lotterie.

Aber K. hat einen Auftrag. Bis heute Abend soll er ein Plakat entwerfen. Zuerst der Text, dann das Bild. In seiner Studienzeit hat sein Professor immer gesagt: Wir verkaufen nicht das Produkt, sondern den Zusatznutzen. Nicht die Zahnpasta, sondern das verführerische Lächeln. Nicht das Parfum, sondern die magisch-anziehende Wirkung auf das andere Geschlecht. Die Zeit vergeht. An der Wand hängt noch eine alte Uhr mit Klappziffern. Ein Relikt aus der alten Zeit, vor dem Juniorchef. Früher war alles ganz anders. K. war fest angestellt, hatte sein eigenes Zimmer. Die Möbel waren etwas altmodisch, aber solide. Eiche. Wertarbeit, für die Ewigkeit. So etwas kann man heute nicht mehr kaufen, alles Vollholz, keine billigen Spanplatten oder Plastik. Matt glänzende Messingbeschläge. Eine Lampe mit grünem Glasschirm. Eine Schreibtischunterlage aus schwarzem Kalbsleder. Hinten, am Ende des Ganges, war ein kleines Zimmer. Dort stand ein grauer Riese. Eigentlich war es nur ein großer dunkelgrauer Xerox-914 Kopierer, der sich mit lautem Knarren in Gang setzte. Alles Mechanisch, Drucktasten, kein Display, keine LED-Anzeige. Kapazität 100.000 Kopien pro Monat. Für 1959 eine kleine technische Revolution.

Und dann übernahm der Juniorchef das Unternehmen. Frisch von der Uni. Mit neuen Ideen. Lean Management. Flache Hierarchien. Die Zeit ist reif für eine Erneuerung. Sie sind alle Führungspersönlichkeiten, hat er den Mitarbeitern am ersten Tag gesagt. Gründen sie alle Ihr eigenes Unternehmen, die ICH-AG wie’ s bei den Deutschen so schön heisst- oder ganz modern: YOU, Inc. Nach dem Motto die Arbeitslosenzahl hat sich um 423.300 Personen verringert. Im letzten Monat wurden 423.300 ICH-AG’s gegründet. Besser für die Statistik. Ein Boom an neuen Selbstständigen. Sie können dann Ihre Zeit viel besser einteilen, und erhalten von uns lukrative Aufträge. Nicht gesagt hat er, das dadurch alle quasi auf Abruf bereitstehen. Wenn wenig zu tun ist, gibt’s kein Geld. Urlaub? Nur unbezahlt. Krank? Bad luck. Die alte Einrichtung wurde komplett erneuert. Großraumbüro. Ein paar Pflanzcontainer. An der Wand Reproduktion moderner Künstler. Fast wie echt. Neueste Computertechnik – vom Marktführer. Dem Blauen, mit den drei Buchstaben. Serverblades im 19“ Rack. Modulares System mit hoher Verarbeitungsleistung, zwei Mittelplatinenverbindungen für hohe Verfügbarkeit. Farblaserdrucker.

K. schaut auf den Bildschirm Der kleine Hund ist eingeschlafen. Chr, Chr, Chr.
Die Klappzifferuhr zeigt 12:00. Mittagspause. Die hat er sich verdient. Er nimmt die blaue Tupperdose aus seiner Aktentasche. Seine Frau hat ihm eine Semmel mit magerem Käse (10%), Salatblatt, einen Apfel und ein Magerjoghurt eingepackt. Er soll abnehmen. Sagt der Arzt. Und vor allem seine Frau. Die Cholesterinwerte sind zu hoch. Bier formte diesen schönen Körper. Die Semmel ist zäh. Vom Aldi, 10 Stück um 59 cent. Es ist sicher schwierig so ein Gebäck herzustellen, das schon im frischen Zustand so gummiartig schmeckt. Das Joghurt. Fasten Joghurt steht drauf, 0,1 % Fett. Schmeckt auch dementsprechend. Fast-ein-Joghurt. Der Apfel ist ein bisschen hart. K. öffnet das Geheimfach seines Rollcontainers. Dort ist sie, seine Überlebensausrüstung. Eine Schachtel Memphis und eine Riesentafel Schokolade, die aus der Fernsehwerbung, wo die lila Kuh auf der Weide steht, und so ausschaut, als wäre ihr der ganze Zirkus irgendwie peinlich. Mit Genuss reißt er die Verpackung auf. Aus Alpenvollmilch, mit ganzen Haselnüssen. Er bricht eine Rippe ab. Knack.
Das hat er jetzt gebraucht. Und jetzt ein Kaffee und eine Zigarette. Im Büro ist Rauchverbot. Die Vorschriften, der Umweltschutz, Schutz der Nichtraucher etc. Und wer schützt die Raucher? Wann gründet endlich jemand eine Raucherlobby, die sich um die Interessen der Raucher kümmert?

In der kleinen Kaffeeküche gibt es keine Tische, keine Sessel. Die Angestellten sollen sich hier nicht allzu lange aufhalten, Zeit ist Geld. Die Luft ist schlecht. Lauter Zigarettenqualm. Sozusagen die einzige Enklave, wo Rauchen noch geduldet wird. Ein winziger Ventilator kämpft vergeblich. Der Architekt hat ja damals nicht wissen können, dass so viele Raucher auf einmal ihrem Laster frönen. Die Kaffeemaschine – ganz modern. Vollautomat mit Touch-Display. Da hat jeder Angst, die falsche Taste zu drücken, Ein Espresso zischt gurgelnd aus dem Auslauf. Milch, viel Zucker. Im Hintergrund sieht K. die Empfangsdame, ein hübsches Mädchen, jetzt auch schon um die dreißig. Minirock, sehr kurz, bauchfreie Bluse, Solariumsbräune, grellrot lackierte Fingernägel. Früher hat sie K. immer so überschwänglich begrüßt, ihm geheimnisvoll zugelächelt. Bei einer Firmenfeier hat er sie sogar auf den Mund geküsst – nach einer gehörigen Menge an Wein und Bier. Bier und Wein, das lasse sein. Das Kopfweh am nächsten Tag – da helfen nur Migrill. Starke Migränetabletten. Über Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Arzt oder Apotheker. Sie lächelt K. zu. Automatisch zieht er seinen Bauch ein. Hallo! Peinlich. Ihren Namen hat er vergessen. Na Süße, wie geht’s? Sie klimpert mit ihren langen Wimpern. Sie riecht gut. Wahrscheinlich Saint Laurent Opium. Sie tauschen Handynummern aus. Heute hätte sie zufällig am Abend Zeit. Date ausgemacht. 20 Uhr, Sirk-Ecke. In der Kärtnerstrasse. Sie lächelt ihm zum Abschied noch einmal zu. Ganz wie früher. Tschau Karin, sagt K. Ganz lässig. Wie ein Tiger, der gerade seine Beute gewittert hat. Also, bis am Abend, meine Süße. Sie dreht sich lächelnd um. Das es so etwas heute noch gibt. Ein Kavalier der alten Schule. Seine Frau hat sie bei der letzten Firmenfeier auch kennen gelernt. Eine richtige….Walküre. Das ist eine gute Beschreibung. Sie ist für ihr Gewicht untergroß, die schrille Stimme. Das hässlich geblümte Kleid. Das vom Kaffeeröster. Sonderangebot, € 19,90. Könnte auch aus der Altkleidersammlung sein. Natürlich aus Kunstfaser. Und ihren Mann hat sie voll unter Kontrolle. Dabei ist er ja ganz ein netter. Bei der Firmenfeier damals hat er sie geküsst, aber dann hat ihn der Mut verlassen. Schade. Aber was ja nicht ist, kann ja noch werden. Die emanzipierten Frauen von heute nehmen auch selbst einmal die Zügel in die Hand. Die Männer sind doch so was von ungeschickt und tölpelhaft, die wissen ja gar nicht was die Frauen wollen.

Die Mittagspause ist zu Ende. Die Uhr klackt. 14:00. Der Hund auf dem Bildschirm ist wieder aufgewacht. Er macht Männchen und wedelt mit dem Schwanz. Schreib doch, schreib doch, scheint er zu rufen. Auf K’ s Stirn beginnen die Schweißtropfen zu rinnen. Panik kommt auf. Abgabetermin um 17 Uhr. Noch keine Idee für eine zündende Werbung. Im Geiste sieht er schon das Gesicht des Juniorchefs. Danke für Ihre Mitarbeit, wir kommen auf sie zurück. Irgendwann einmal. Jetzt noch mal die Bleistifte spitzen. Er kritzelt Sprüche auf Papier. Der Mistkübel füllt sich. Das ist das papierlose Büro von heute. In einer Lade seines Rollcontainers liegt ein Zettel. Mit schnörkeligen Buchstaben steht darauf:

Ich bin von lauter Idioten umgeben

Die Lade zieht er immer dann auf, wenn der lästige Kollege kommt. Der begreift aber auch gar nichts. Vergebliche Liebesmüh.
Die Schokoladentafel knackt. Nur mehr eine Rippe über. Ein Kaffee und eine Zigarette. Das regt ja bekanntlich die grauen Zellen an. Die Uhr zeigt 16:30. Noch eine halbe Stunde Zeit. Der Hund auf dem Bildschirm lacht ihn aus. Du hast heute keine Einfälle, Du nicht. Seine Frau fällt ihm ein. Eine richtige Nervensäge. Total eifersüchtig. Dabei hat er keine Freundin. Zumindest keine fixe. Da waren nur ein paar – sagen wir salopp Gedankenaustausche mit ein paar Bürokolleginnen, nur ganz freundschaftlich. Er verträgt halt keinen Alkohol, da wird er lustig, enthemmt. Ein kleines Küsschen in Ehren, kann niemand verwehren. Und am nächsten Tag der Kater und das Migrill. Rezeptpflichtig. Noch 10 Minuten bis zur deadline. Wie sich dieses Wort schon anhört. Klingt nach Tod und Hinrichtung, zumindest symbolisch. K. fängt an, hektisch auf der Tastatur zu tippen.


Ein Mann ohne, dahinter eine griesgrämige Frau mit Hosen.

Er sagt zu Ihr: In 24 Stunden habe ICH die Hosen an.

Quelle. Mein Versandhaus.


Geschafft. Der Chef klopft ihm auf die Schulter. Wo sie immer die Ideen herhaben, fabelhaft. K. sagt: war nur eine Kleinigkeit. Kein Problem. Der nächst Auftrag ist sicher. Er denkt dankbar an seine Frau. Seine Quelle der Inspiration. Das Handy klingelt. Die Empfangsdame. Bist du soweit? Kannst du mich abholen?
Sicher, meine Süße. Kein Problem. Er fährt den Pc herunter. Der Hund verschwindet knurrend in einer Staubwolke. Unlogischerweise muss er den Start-Knopf anklicken, um den Computer herunterzufahren. Der Rollcontainer verschwindet hinter einer Schranktüre. Feierabend.

Und jetzt noch ein Bier. Ein großes. Pfeifend verlässt K. das Büro. Er fühlt sich großartig. Den Adrenalinstoss hat er wieder gebraucht. Ums Eck wartet schon die Solariumsschönheit auf ihn. Hallo, Süße….

 

Hallo Markhor!

"K. sitzt vor seinem Bildschirm." => Es ist nie eine gute Idee, Namen abzukürzen. Dem Leser wird so keine Gelegenheit gegeben, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren. (Warum sollte mich jemand interessieren, der nicht mal einen Namen hat?)

"Reset und Cold-Start wie der Fachmann sagen würde." => Ende des ersten Absatzes. Bisher hast du noch nichts erzählt, außer, dass der Typ einen langweiligen Job hat. Warum soll ich weiterlesen?

"legt 5 Bleistifte" => Zahlen bitte ausschreiben. Und warum sollte den Leser die genaue Artikelnummer interessieren?

"mit dem Schwanz, Wenn K." => Solche Fehler in der Zeichensetzung hast du öfter.

"Vom Sonderangebot in Sachen V*i*a*g*r*a" => Warum diese Schreibweise?

Ende des zweiten Absatzes. Noch immer hast du nichts erzählt. Warum sollte irgendjemand weiterlesen?

"Aber K. hat einen Auftrag. Bis heute Abend soll er ein Plakat entwerfen." => Na endlich etwas Handlung. Ich hoffe, das entwickelt sich.

"Für 1959 eine kleine technische Revolution." => Ende des dritten Absatzes. Leider ist meine Hoffnung dahin. Die angedeutete Handlung hat sich tatsächlich nur auf den zitierten Satz reduziert.

Vierter Absatz: Rückblick. Blabla. Keine Handlung in Sicht.

Fünfte Absatz: "Seine Frau hat ihm eine Semmel mit magerem Käse (10%), Salatblatt, einen Apfel und ein Magerjoghurt eingepackt." => Wow! Der Typ ist verheiratet. Die Ehe scheint genauso langweilig zu sein wie sein Job.
Ansonsten: Keine Handlung. Aber wer sollte das von einer Kurzgeschichte auch erwarten?

Sechster Absatz: Der Typ hat Pause. Ansonsten keine Handlung.

Siebter Absatz: Nach weiterer Langeweile wieder eine vage Hoffnung auf Handlung: "In einer Lade seines Rollcontainers liegt ein Zettel. Mit schnörkeligen Buchstaben steht darauf:
Ich bin von lauter Idioten umgeben" => Sollte der Autor es noch schaffen, irgendetwas Interessantes in den Text zu bringen?

Achter Absatz: "K. fängt an, hektisch auf der Tastatur zu tippen." => Nein, sieht nicht so aus.

Ende des Textes: Hurra! Endlich muss ich mich nicht mehr weiter damit quälen.
1778 Wörter Langeweile. Es wundert mich nicht, dass das noch nicht kommentiert wurde.

Sorry
Chris

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom