Alkohol & Blei
Hallo,
Die Geschichte hab' ich vor ca. einem Jahr geschrieben, und da ich seither ausschliesslich längere Texte geschrieben habe, (zu lange, um als Kurzgeschichten durchzugehen ), stell' ich die hier mal rein.
Sie ist mein erster Text hier
Mir ist langweilig, denn ich bin ich und niemand anderes.
Wäre ich jemand anderes, hätte ich vielleicht auch mehr aus mir gemacht.
Wäre ja wohl auch nicht wirklich schwer gewesen?
Angeheitert schmunzelnd nehme ich einen Weiteren Schluck Schnaps.
Er brennt mir im Hals, aber irgendetwas muss ich ja tun… Etwas, um zu überdecken, wie wertlos ich eigentlich bin.
Mir ist aber trotzdem langweilig, weswegen ich mich von meiner Matzratze erhebe und zum Schreibtisch gehe. Die ganze Wohnung – Oder eher - Das ganze Zimmer stinkt nach Alkohol.
Zu viel Schnaps ist bereits vergossen worden, und es wird trotzdem immer mehr werden.
Während ich ein wenig betrunken amüsiert gluckse, öffne ich die Schublade an dem Eichenholztisch.
In ihm befinden sich weisse A4-Papierbögen, einige HB-Bleistifte, eine billige Füllfeder und einige Tintenpatronen. Und eine Magnum 9mm.
Letztere nehme ich heraus, dann schliesse ich die Schublade und kehre auf die Matzratze zurück, auf der kleine Pfützen aus hochprozentigem, übel schmeckendem Gesöff aus der Tankstelle sich ansammeln.
Je mehr man trinkt, desto weniger kommt dann schlussendlich in den Mund.
Erneut glucksend setze ich mich wieder im Schneidersitz hin, lehne mich mit dem Rücken an die Wand und nehme einen weiteren Schluck aus der noch halbvollen – Oder auch halbleeren – Flasche.
Dann betrachte ich die Waffe in meiner Hand, wie sich das Metall im Licht meiner Neonlampe spiegelt und glitzert, als wäre sie heilig.
Glucks.
Sie ist bereits geladen, es reicht also, dass ich sie mir an die Schläfe halte.
Nun trennt mich also nur noch ein Fingerzucken.
Ich grinse und nehme schon wieder einen Schluck Schnaps.
Langsam fängt das Zeug an, mir zu schmecken.
Ob mich wohl jemand vermissen wird?
Bekannte habe ich nicht viele, meine Familie meldet sich nicht mehr bei mir und ich selber halte auch nicht allzu viel von ihnen.
Ob ich wohl morgen in der Zeitung kommen werde?
„25jähriger Arbeitsloser erschoss sich in seiner Wohnung mit einer 9mm-Waffe“
Oder
„Kopflose Leiche in Wohnung gefunden“
Oder in den Anzeigen:
„1-Zimmer-Wohnung zu vermieten. Blut und Gehirnmasse an der Wand, ansonsten in gutem Zustand.“
Glucks. Glucks. Glucks.
Neuer Schluck.
Seltsam, wenn ich bedenke dass ein sozial wertloser Selbstmörder hier in den Schlagzeilen kommen kann, während in Afrika tausende von Kindern krepieren.
Spendet, Leute, spendet… Macht die Militärdiktatoren reicher, damit die armen Afrikaner im Krieg schnell sterben dürfen anstatt verhungern zu müssen!
Mein Zeigefinger zittert verheissungsvoll.
Das kalte Metall in Kombination mit verschwitzten, von alkoholisiertem Blut durchströmten Fingern erregt mich irgendwie.
Vielleicht ist es aber auch nur die Nähe zum Tod, zu dem alle sagen werden „Oh wie schrecklich“, und dann ein paar Tage später ihr vom Konsum geprägtes Leben weiterführen.
Wie schrecklich einfach wir doch sind…
„Mach dein eigenes Ding“, hiess es heute auf MTV… Oder so ähnlich.
Nur seltsam, dass die Kids in schon fast militaristischem Einheitslook rumlaufen.
Hier Fubu, dort Adidas, in der rechten Ecke Lonsdale und in der anderen alles mögliche, Hauptsache es ist namenlos.
Und da redet man von Individualität.
Lasst euch nicht manipulieren, kämpft gegen den Konsum und ladet euch täglich eure scheiss Klingeltöne bei Jamba, damit ihr cool seid, und ihr macht alles richtig.
Und auf alle Fälle nieder mit dem Gesetz, denn das ist böse, oh ja.
Glucksen macht mir keinen Spass mehr, also fange ich an zu lachen, während mir einige schnapsversetzte Tränen über die Wange kullern.
Früher kamen Arbeitskräfte nach links und nutzlose nach rechts.
Heute sind alle nutzlos, aber trotzdem alle Arbeitskräfte.
Mein lachen wir mit jedem Schluck lauter, und ich hätte schon fast abgedrückt.
Ich stehe auf, gehe zum Pult, noch immer die Waffe am Kopf.
Dann öffne ich die Schublade und lege die 9mm zurück.
Vielleicht wird ja morgen ein schönerer tag… und sonst betrinke ich mich eben wieder und bringe mich dann wirklich um.
Habe ich gestern zwar auch schon gesagt, aber was soll’s?
Man darf ja nicht immer so pessimistisch sein.