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All Hallow's Eve
All Hallow's Eve - Überarbeitet
All Hallow Eve
Er versuchte, beim Rennen nicht in die großen Pfützen zu treten, und entging auch einige Male durch mehr oder weniger geschicktes Schlittern dem Zusammenprall mit einer Hauswand.
Immer wieder sah er zurück, ob er sie abgehängt hatte, und jedes Mal wurde sein Hoffen enttäuscht.
Erneut rutschte er um eine Häuserecke und bewahrte sein Gleichgewicht nur, weil die Gravitation nicht schnell genug reagierte. Die platschenden Schritte hinter ihm kamen langsam näher. Er riskierte einen Blick auf seine Verfolger, und fragte sich einen kurzen Moment lang, wieso sie so schnell waren.
Als er sich wieder auf den Weg konzentrierte, weiteten sich seine Augen erschrocken. Auf dem Boden vor ihm lagen jede Menge glitschig glänzende Blätter. Die Gravitation versetzte dem Glück einen Stoß mit den Ellenbogen, um sich an dessen Stelle zu drängen. Sein Sehnerv schaffte es zwar noch rechtzeitig, dem Gehirn eine Warnung zu schicken, doch der Dunst aus Panik und Atemlosigkeit trennte Gehirn und Beine voneinander. Er spürte die Blätter unter den Sohlen, verlor das Gleichgewicht und krachte mit dem Kinn auf den Bordstein. Panisch versuchte er sich aufzurappeln, glitt jedoch wieder aus und beugte sich verzweifelt dem Mehrheitsbeschluss.
Die Schritte kamen schnell näher.
Kriechend ging er hinter einer großen Mülltonne in Deckung und schloss die Augen.
War da nicht ein Schlurfen?
Da! Er hatte es genau gehört.
Ängstlich drängten sich die Gedanken an die letzten Stunden hinter seiner Stirn zusammen.
Als er aufwachte, schien der Tag einfach nur phantastisch zu werden. Die Morgensonne lächelte ihn an und der Wasserboiler hatte scheinbar den Dienst wieder aufgenommen.
Nach dem üppigen Frühstück ging er dann, fröhlich pfeifend, zur Arbeit. Es war überhaupt nichts Ungewöhnliches passiert.
Und dann sah er die Zombies.
Die ganze Stadt war voll von ihnen. Überall, wo er hinsah schlurften lebende Leichen durch die Gegend, einige hatten sogar die Hände weit von sich gestreckt. Sie schenkten ihm keine Aufmerksamkeit, doch in seiner Angst hielt er es für ratsam sich in irgendeinem Gebäude zu verschanzen, so wie er es in einschlägigen Filmen gelernt hatte. Schnell sprintete er quer über die Straße, auf das städtische Krankenhaus zu.
Es musste noch andere normale Menschen geben. Sie konnten nicht alle Zombies sein. Im Krankenhaus würde er unter Garantie Rettung finden.
Sein Verstand klammerte sich krampfhaft an diesen Gedanken entging so den Klauen des Wahnsinns.
Er erreichte schnaufend den Eingang. Schiebetüren glitten leise zur Seite, erleichtert betrat er die Empfangshalle.
Einige Krankenschwestern sprachen miteinander und schoben dabei ihre Augäpfel wieder zurück. Er sah Ärzte, die Maden zur Seite wischten um etwas auf ihren Befundzetteln lesen zu können, und Patienten, die so aussahen, als wäre der Tod eine Verbesserung.
Sie alle drehten sich gleichzeitig zu ihm um, als sein Schrei sich einen Weg durch die Halle bahnte.
Ein tief verwurzelter Instinkt meldete sich und übernahm die Führung. Ohne zu wissen was er tat spurtete er los, direkt gegen die Schiebetüre, die sich nicht schnell genug öffnete.
Rückwärts taumelnd sah er aus dem Augenwinkel zwei Männer in weißer Kleidung auf sich zukommen und hastete zurück auf die Straße. Er fühlte sich wie ein gehetztes Tier, als er die Straßen entlang lief.
Hauptsache weg von diesem Ort. Er musste die anderen finden.
Der Irrsinn zerrte fester an seinem Verstand.
Er lief an einigen Schaufenstern vorbei, und während er Kürbisfratzen, Plastikfledermäuse, Geister und Spinnweben sah, versuchte ein Gedanke auf sich aufmerksam zu machen, indem er nach seinem Gehirn trat.
Was war hier nur los? Was sollte das alles? Hatte die Realität über Nacht beschlossen Urlaub zu machen und Wahnsinn als einzige Vertretung gefunden?
Bevor er sich weiter dem Tritt in seinem Kopf widmen konnte, hörte er ein Martinshorn hinter sich. Hoffnungsvoll lächelnd drehte er sich um, als ihm die Gesichtszüge einfroren.
In dem Polizeiwagen saßen auch Zombies. Er sah ihr graugrüne Haut, die sich stellenweise vom Knochen schälte. Das Gesicht des Fahrers wurde von einem dauerhaften Lächeln verunstaltet, da seine Lippen weggefault waren. Der Wagen bremste und die beiden Leichen stiegen langsam aus.
Erneut stülpte sich Panik über sein Bewusstsein und veranlasste ihn dazu, loszurennen, ohne die Richtung zu kennen.
Seine Füße trugen ihn immer weiter aus dem Stadtzentrum heraus, bis er schließlich auf die nassen Blätter traf und den Wettstreit gegen die Gravitation verlor.
Als er sich langsam wieder beruhigt hatte, und ängstlich auf die Geräusche in seiner Umgebung lauschte, spürte er wieder den Tritt gegen sein Gehirn. Schlürfende Schritte kamen näher, platschten durch die Pfützen und schmatzten über das nasse Laub. So leise wie möglich sah er sich nach einem anderen, besseren Versteck um. Er kroch langsam durch eine große Pfütze weiter in den Schatten der Mülltonne, und der Gedanke, der immer noch versuchte auf sich aufmerksam zu machen, sprang vor ihm auf und ab.
Die schlurfenden Schritte hatten ihn erreicht und verstummten. Er versuchte mit dem Schatten zu verschmelzen, und blickte dabei in die Pfütze, in der er halb lag.
Ungläubig schaute er zu dem Zombie auf, der vor ihm stand und eine Waffe gezogen hatte. Dann sah er wieder zurück auf den Boden, nur um sofort wieder nach oben zu schauen.
Er holte tief Luft und senkte die Augen langsam wieder. Als sein Blick ein letztes Mal die spiegelnde Oberfläche erreichte, zerrte der Wahnsinn mit aller Macht an seinem Verstand… und gewann.
Sein Spiegelbild schien ihn mit seinem lippenlosen Lächeln verhöhnen zu wollen. Einige Maden, die ihm aus dem linken Augapfel krochen, fielen mit einem leisen Platschen in die Pfütze und seine graue Haut schälte sich stellenweise von den Knochen.
Langsam schloss er die Augen und lauschte der Stimme, die in ein knackendes Funkegerät sprach.
„Hier spricht Willis. Wir haben den Irren, der sich für einen Lebenden hält, gestellt. Schickt mir die Jungs mit den „hab-mich-lieb“ Jacken. Ja… Danke.“