Hallo Heidrun,
auch von mir ein Herzliches Willkommen auf KG.de
Ich weiß nicht, ob ich dir Hinweise geben kann, wie du genau diese Geschichte verbessern könntest, aber ich will es mal versuchen.
Vielleicht mit ein paar allgemeinen Anmerkungen zur Gattung "Kurzgeschichte":
1. Anfang und Ende einer Kurzgeschichte sind offen. Sie beginnt unvermittelt, sofort, hereinbrechend. Am Ende sind keine Entscheidungen gefällt worden, Lösungen bleiben unentdeckt, Bewertungen unausgesprochen.
2. Die Kurzgeschichte beleuchtet blitzlichtartig einen besonderen Moment im Leben eines Menschen. Ein einziges Geschehnis wird in einem kurzen Zeitraum beschrieben, wobei die Einheit von Zeit, Ort und Geschehen nicht preisgegeben wird.
3. Der Erzählstil einer Kurzgeschichte ist sehr knapp gehalten, der Stoff wird auf das Wesentliche verdichtet. Dies führt zu Leerstellen; der Leser / die Leserin muss sich die Aussage selbst erschliessen.
4. In einer Kurzgeschichte wird so wenig wie möglich beschrieben; alles wird in Handlung aufgelöst. Dialoge sind ein beliebtes Mittel, um den Charakter einer Person zu zeichnen, aber auch um die Geschichte voranzutreiben.
5. Personen werden in der Kurzgeschichte durch Andeutung (z.B. Kleidung, Sprache o.ä.) typisiert.
Wichtig: Auch die Hauptperson wird nur mit einem einzigen Charakterzug ausgestattet. Dieser darf sich im Verlauf der Geschichte nicht ändern. Im Gegensatz zum Roman ist der Charakterzug Thema der Kurzgeschichte, nicht seine Wandlung.
Diese Liste, die ich vor langer Zeit einmal mit einer Freundin für eine andere Werkstatt erarbeitet habe, ist unvollständig, zeigt aber einige der wichtigsten Punkte auf, die eine KG ausmachen.
Ich habe deine Geschichte anhand dieser fünf Punkte überprüft
1. Anfang und Ende deiner Geschichte sind offen. Sie beginnt unvermittelt und am Ende sind keine Entscheidungen gefallen. Zumindest sehe ich keine. Allerdings steckt die gesamte Geschichte voller Bewertungen. Die Protagonistin bewertet das Verhalten ihres Mannes, seiner Freunde und am Ende ihr eigenes Verhalten. Der Leser hat keine Chance, eigene Schlussfolgerungen zu ziehen.
2. Die Geschichte, die du erzählen wolltest, könnte man auf einen blitzlichtartigen Moment, nämlich den des Unfalls, konzentrieren. Das hast du jedoch nicht getan, statt dessen reflektiert deine Protagonistin mehrere Geschehnisse. Den Unfall, sein Verhalten, seit er mit seinen neuen Kumpels zusammen ist, seine Brutalität ihr gegenüber, die sich auch "nur" Donnerstags zeigt und so weiter..
3. Du hast zwar eine kurze Geschichte geschrieben, aber Leerstellen kann ich keine entdecken. Du lässt dem Leser keine Chance, sich die Aussage der Geschichte selbst zu erschließen. Wen du willst, kannst du ja mal versuchen, mit Andeutungen zu arbeiten, mit Hinweisen, die nicht ausformuliert werden.
4. Tja, und das ist das größte Manko der Geschichte. Nichts wird in Handlung aufgelöst, alles wird erzählt. Ich bin ein großer Verfechter dieser "Show, don't tell"-Theorie, ganz einfach, weil Handlung eine Geschichte vorantreibt, ihr Tempo gibt, den Leser mitzieht.
Wenn du die Geschichte umschreibst, sie in Handlung auflöst, könntest du natürlich auch Dialoge einarbeiten. Diese Dialoge könnten, wie weiter oben bereits beschrieben, z.B. helfen, die Protagonistin und ihren Gegenpart (den sog. Antagonisten), ihren Mann also, zu skizzieren. Wie redet sie? Kurze, klare Sätze oder ausufernd, mit vielen Einschüben? Beendet sie ihre Sätze – oder lässt sie das Ende schweigend in der Luft hängen? Redet sie auf Hochdeutsch oder benutzt sie einen Dialekt? Alles Punkte, die eine fiktive Figur lebendig werden lassen.
5. Auch hier ist noch ein deutlicher Spielraum. Ich für meinen Teil habe noch kein konkretes Bild der Erzählerin. Ein kurzer Hinweis auf ihre Kleidung, ihre Frisur oder irgendetwas in der Art. Trägt sie eine Brille? Läuft sie frühmorgens im Bademantel durch die Wohnung oder ist sie bereits kurz nach dem Aufstehen so geschminkt, als würde sie für ein Hochglanzmagazin posieren? Wie sieht es mit Schmuck aus? Trägt sie Ringe? Eine Kette? Und wenn ja, was für eine? Perlen?
Aber Achtung: Du musst zwar ein konkretes Bild deiner Protagonistin vor Augen haben, aber ich als Leser will keine Fahndungsbeschreibung. In der Geschichte solltest du dich auf ein, zwei für diese Person wesentliche Punkte konzentrieren. Und selbst diese Utensilien müssen nicht unbedingt in einer Beschreibung enden, auch das Aussehen einer Person kann man in Handlung packen. Also statt "Sie hatte lange rote Haare. An jedem ihrer Finger trug sie einen Ring" könnte man schreiben "Sie fuhr sich mit gespreizten Fingern durch ihre rotlodernde Mähne, wobei die Ringe an ihren Fingern im Spotlight der Scheinwerfer mit den gierigen Blicken der Zuschauer um die Wette funkelten"
Also: Wenn ich deine Geschichte umschreiben wollte, würde ich sie in Handlung packen, die beiden Hauptpersonen skizzieren (Kleidung, Dialoge), den von dir bereits genannten Konflikt deutlicher herausarbeiten und die Schlussfolgerungen, Wertungen rausnehmen und sie dem Leser überlassen.
Vielleicht könntest du versuchen, die Geschichte so aufzuziehen:
Es ist Donnerstag, er will gehen, sie will nicht, dass er geht. Sie streiten mal wieder. Sie überhäuft ihn mit Vorwürfen, er verteidigt sich (je nachdem, wie du ihn schildern willst, kann der Leser jetzt schon herauslesen, ob er sich wider besseren Wissens verteidigt oder ob er sich vehement verteidigt, weil er sich im Recht glaubt oder... – das musst du wissen, schließlich ist es dein Protagonist) Sie streite also. Schließlich geht er. Oder verlässt er fluchtartig das Haus? Das ist ein Unterschied. Oder geht er wirklich so, wie du es geschrieben hast. Schon längst resignierend, ohne ein Wort zu sagen? Dann wäre der Streit allerdings sehr kurz ausgefallen. Und wie fährt er los? Steigt er einfach so in den Wagen, schnallt er sich an, startet dann den Wagen und fährt los? Oder springt er mit zornesrotem Kopf in den Wagen und fährt mit Vollgas aus der Einfahrt? Lässt er die Reifen quietschen? Verstehst du, was ich meine? Du musst mir nicht sagen, dass er sauer ist (bzw. resigniert, abgestumpft etc.). Du kannst es mir durch sein Verhalten zeigen. Dann der Unfall. Sie wird zum Unfallort gerufen. Oder zum Krankenhaus. Und siehe da: Sie hat Recht behalten mit all ihren Vorwürfen. Seine sogenannten Freunde, seine Sauferei – das haben sie ihm eingebrockt. Gebrochene Knochen, ein Auto, das nur noch ein Schrotthaufen ist und der Führerschein ist auch noch weg. Triumph auf ganzer Linie (für sie).
Eine andere Version: Sie wird zum Krankenhaus gerufen und macht sich Vorwürfe: Hätte sie doch noch mehr auf ihn eingewirkt. Hätte sie ihn nicht doch irgendwie daran hindern können, Donnerstags mit diesen Typen rumzuziehen?
Das sind nur Beispiele, die mir auf die Schnelle eingefallen sind. Aber es ist ja auch deine Geschichte, du musst wissen, worauf du hinauswillst. Meiner Meinung nach solltest du dich allerdings auf einen Punkt konzentrieren. Aber jetzt fange ich an, mich zu wiederholen – und das ist etwas, das man auch vermeiden sollte 
Ich hoffe, ich konnte dir einige Punkte aufzeigen, wie du diese (und alle folgenden) Geschichte etwas aufpeppen kannst. Und nicht vergessen: All dies ist nur meine persönliche Meinung, auch wenn ich sicherlich das ein oder andere Mal etwas verallgemeinert habe 
Gruß
George