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Als Herr Kawitz einmal den kurzen Hauch des Lebens spürte

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01.09.2003
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Als Herr Kawitz einmal den kurzen Hauch des Lebens spürte

6 Uhr 27 Uhr, der Wecker von Herrn Kawitz klingelte. Nun hatte er drei Minuten, um munter zu werden. Dann würde er zwölf Minuten im Bad verbringen, sieben Minuten für die Auswahl seiner Kleider benötigen und sich die restlichen 21 Minuten ein bescheidenes Frühstück und den Blick in die Morgenzeitung gönnen.
Vor dem Verlassen seiner Wohnung rückte er seine Krawatte im Spiegel des Vorsaals zurecht, kämmte sich nochmals über die Haare und ließ einen wohlwollenden Blick über seine Erscheinung streifen. Um 7 Uhr verließ er seine Wohnung und machte sich auf den Weg zur Straßenbahn, um seiner rechtmäßigen Arbeit nachzugehen.
Die Wochenenden verliefen ebenso nach Plan. Herr Kawitz wußte immer, was er zu tun hatte. Er würde nie einen Tag verschlafen. Er besuchte seine Mutter, er mähte den Rasen für Frau Meyer im Haus neben ihm und er holte sich ein Stück Erdbeer-Sahne-Torte für den Sonntagskaffee aus der Konditorei nebenan.
Nichts würde sein Leben so schnell aus der Fassung bringen können.
Herr Kawitz mochte es.
Es war schon immer so gewesen.

Bis zu diesem Montag im Mai.
Herr Kawitz bestieg nicht wie üblich nach getaner Arbeit die Straßenbahn, um zu seiner Wohnung zu fahren, um beim Supermarkt noch Brot und Käse zu kaufen und um danach bei den Sportnachrichten zu entspannen.
An diesem Montag ging er die lange bunte Einkaufsstraße entlang; er suchte ein Geburtstagsgeschenk für seine Mutter am Sonntag. Sie hatte einen für ihn eher ungewöhnlichen Geschmack und er war nicht sicher, ob er etwas passendes finden würde.
Es regnete ohne Unterbrechung schon den ganzen Tag.
Bis jetzt.
Mit jedem Schritt, den Herr Kawitz die Einkaufsstraße entlang ging, wurde es heller um ihn. Bis er es bemerkte, war es schon fast zu spät. Die Wolken brachen auf und die Sonnenstrahlen lugten erst sanft und dann immer stärker hervor. Herr Kawitz mußte die Augen schließen, der schon tiefe Stand der Sonne blendete ihn. Als er sie langsam wieder öffnete, um sich an die Umgebung zu gewöhnen, sah er sie.
Ein Engel, ein Zauberwesen - zu schön, um wahr zu sein.

An diesem Abend kam Herr Kawitz spät nach Hause. Ihm war es egal, dass seine Sachen nicht ordentlich über dem Stuhl lagen, als er sie auszog, es war auch egal, daß seine Wohnung nun den Geruch der Bierkneipe annahm, in der er mit Sarah gesessen hatte.
Sarah- so wohlklingend, so überirdisch schön.
Das weiche lange Haar, die warmen Augen, ihre Grübchen um die Mundwinkel.
Und der sanfte Kuss zum Abschied.
Immer wieder wanderten seine Gedanken zu dieser Frau - ihr Duft, ihre Haltung, der graziöse Gang - einfach nur Sarah!

Von nun an blieb für´s Frühstück nicht viel Zeit. Herrn Kawitz sah man mit zerzausten Haaren und schiefsitzender Krawatte häufig viel zu spät zur Arbeit hasten. Der Wecker stand am Wochenende nutzlos in der Ecke, der Rasen von Frau Meyer wuchs bedenklich hoch und dann dieses neue süsse Parfum im Treppenhaus.
Die Besuche bei seiner Mutter fielen kürzer aus, manchmal kam er gar nicht oder überfiel sie zu unmöglichsten Zeiten. Oft vergaß er sogar die Blumen oder Pralinen, saß mit geröteten Wangen unruhig auf ihrer Couch, schien fast abwesend, um sich danach leidenschaftlich auf sein Fahrrad zu schwingen und pfeifend davon zu fahren.
Seine Mutter sah ihm am Fenster hinterher und rang sich ein Lächeln ab.

6 Uhr 27, wie vor einem Jahr klingelt der Wecker. Herr Kawitz hat drei Minuten, um aufzuwachen. Er lauscht auf das gleichmässige Atmen neben sich. Zwölf Minuten für´s Bad, sieben Minuten für die Kleider, 21 Minuten für´s Frühstück. Anschließend rückt sie ihm die Krawatte zurecht und fährt ihm durch die Haare. 7 Uhr, ein kurzer Kuss, die Arbeit ruft.
Frau Meyers Rasen sieht gepflegt aus, am Sonntag gibt es zwei Mal Erdbeer-Sahne-Torte. Auch die Besuche bei seiner Mutter erledigt Herr Kawitz regelmäßig.

Herr Kawitz mag sein Leben.
Es war doch schon immer so...

Und seine Mutter steht am Fenster, schaut ihm hinterher und schliesst kopfschüttelnd die Augen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Klein-Literat.
Netter Name, übrigens. Tja, eine alltägliche Geschichte, in gewisser Weise ebenso nett.
Herr K.´s Mutter erhoffte eine wilde Phase ihres Sohnes, weil sie ob seines Benehmen lächelte, dasnn aber, ob des wiedergewonnenen tagesablaufs, den Kopf schüttelt?
Etwas zweifeln musste ich daran, dass er so schnell auf die Frau zugeht. Die Beschreibung seines "Minutenablaufes" ließ ihn in meiner Phantasie als verklemmten Spießer erscheinen, da passte mir was nicht.
Insgesamt eine nette Geschichte für zwischendurch.
So genug "Nett"igkeiten. Detailkritik im Anhang.

...para


PS:
Die Unterbrechung von routinierten Tagesabläufen hat Süskind schön in Die Taube geschildert.

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++


Es war 6,27 Uhr.

Auf "Es war" besser verzichten, gerade am Anfang.
Anders schreiben, kein Komma.
Bsp: "Sechs Uhr siebenundzwanzig: Der Wecker..."

Dann würde er zwölf Minuten im Bad verbringen, benötigte sieben Minuten für die Auswahl seiner Kleider und die restlichen 21 Minuten gönnte er sich ein bescheidenes Frühstück und den Blick in die Morgenzeitung.
Konsequenter: "...sieben Minuten (...) benötigen und sich die (...) gönnen".

liess einen wohlwollenden Blick über seine Erscheinung streifen
"ließ"

Um 7,00 Uhr verliess er seine Wohnung und stürzte sich ins Grossstadtgetümmel, um seiner rechtmässigen Arbeit nachzugehen.
"verließ", "Großstadtgetümmel", "rechtmäßig"

Die Wochenenden verliefen ebenso nach Plan.

Eher "Auch die WE...", denn sie verlaufen eben nicht "ebenso" wie die Werktage, vom Ablauf her.

er holte sich ein Stück Erdbeer-Sahne für den Sonntags-Kaffee aus der Konditorei nebenan.

"Erdbeer-Sahne-Torte" o.ä.
ruhig: "Sonntagskaffee"

Nichts würde sein Leben so schnell aus der Fassung bringen können.
Herr Kawitz mochte sein Leben.
Wiederholung "Leben" möglichst vermeiden.

Herr Kawitz bestieg nicht wie üblich nach getaner Arbeit die Strassenbahn,

"Straßenbahn", u.s.w.

Am Morgen war es grau gewesen und es regnete schon fast den ganzen Tag.
Satzanfang enthält im Grunde überflüssige Information.

das Nass der Strasse und der schon tiefe Stand der SOnne blendeten ihn.
"das Nass" blendet ihn nicht, genauer.
"Sonne"

Als er sie langsam wieder öffnete, um sich an die Umgebung zu gewöhnen, sah er SIE.
Bitte keine durchgehende Großschreibung, das hat immer so was Amateurhaftes.
Besser kursiv, etc.

Ein Engel, ein Zauberwesen - zu schön, um wahr zu sein.
Dreimal abgedroschene Begriffe, Plattitüden.

dass seine Wohnung nunauch den Geruch der Bierkneipe annahm, in der er mit Sarah gesessen hatte.

Wie romantisch :)

"nun auch"

Das weiche lange Haar, die warmen Augen, ihre Grübchen um die Munfwinkel.
Munf.

Seine Gedanken waren diese Frau - ihr Duft, ihre Haltung, der graziöse Gang - einfach nur Sarah!
"bei dieser"?

Von nun an blieb fürs Frühstück nicht viel Zeit.
besser: "für´s"

der Rasen von Frau Meyer wuchs bedenklich hoch und dann dieses neue süsse Parfum im Treppenhaus.
Ordentliche Stelle, aber der letzte Satzanhang gefällt mir nicht. Umformulieren, besser, z.B. mit Bindestrich und Ausrufezeichen.

Besuche bei seiner Mutter erledigt herr Kawitz regelmässig.

"Herr"


Und seine Mutter steht am Fenster, schaut ihm hinterher und schliesst kopfschüttelnd die Augen.
"schließt".

 

Vielen Dank für die konstruktive Kritik.
Einige Stellen habe ich schon ausgebessert und wollte noch etwas anmerken.

Ich möchte nur zeigen, daß es im Leben jedes Spießers einmal den Versuch eines Ausbruches gibt, ob gewollt oder ungewollt. Es ist nicht wichtig, wie er Sarah kennenlernt oder wer wen anspricht, sondern die Tatsache, daß es passiert! (Und letztlich ist sie ja auch eine Spießerin)
Bei seiner Mutter möchte ich zeigen, daß häufig die ältere Generation fortschrittlicher ist, als die vorangegeangene.

 

Hi

Mir geht´s genauso wie Paranova, auch mir kommt der plötzliche Übermut des ach-so-ordentlichen Herrn Kawitz etwas gekünstelt vor. Solche "Aus-dem-Alltag- ausbrechen"-Geschichten (Bin wieder in Bindestrich-Laune) leben davon, die Motive für diesen Ausbruch aufzuzeigen, also das Warum?
Die Mutterfigur hat mir ganz gut gefallen, das stimmt wohl, dass die Mütter oftmals "weitsichtiger" sind als ihre schon ergrauenden Söhne.

Ein paar Stilsachen sind mir noch aufgefallen.
"und machte sich auf den Weg zur Straßenbahn, um seiner rechtmäßigen Arbeit nachzugehen"
Rechtmäßige Arbeit? Versteh ich leider nicht.

"Nichts würde sein Leben so schnell aus der Fassung bringen können" Sein Leben kann schlecht die Fassung verlieren, höchstens er selber.

"ob er etwas passendes finden würde" etwas Passendes

"Die Wolken brachen auf und die Sonnenstrahlen lugten erst sanft und dann immer stärker hervor"
Stark hervorlugen? Sanft hervorlugen ist mMn schon an der Grenze.

Liebe Grüße
wolkenkind

 
Zuletzt bearbeitet:

Du beziehst dich auf das vorbehaltslos aus dem Englischen übernommene, besitzanzeigende Genitiv- "s".
Und auf das Mehrzahl "s" ("Euros"). welches fälschlicherweise nicht direkt angebunden wird.

Das ist etwas vollkommen anderes als in dem angesprochenen Fall, denn in der deutschen Sprache verwendet man den Apostroph hautsächlich, werden Worte gekürzt:
"Für´s": "für das"
"wen´s interessiert": "wen es interessiert"
"Ich glaub´, nicht...": "Ich glaube, nicht."

:teach:
...para

 

Du beziehst dich auf das vorbehaltslos aus dem Englischen übernommene, besitzanzeigende Genitiv- "s".

Die Seite war etwas unglücklich gewählt. Sie sollte nur witzig sein. Tatsächlich spricht sie den Fall, um den es hier geht, nicht an.

"Für´s": "für das"

Das stimmt so nicht. Es ist richtig, dass man ein Apostroph setzt, wenn man das Wort "es" abkürzt. Für "das" gilt's aber nicht. Richtig ist also: "fürs", nicht "für's". Du sagst ja auch nicht "an's" oder "um's".

 

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