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Als ich starb
Die Strahlen der grellen Mittags-Sonnen krallen sich kreischend in meine Augen. Die Luft wabbert in der Hitze. Der weiße Sand in der großen Arena von Kathay ist zerwühlt, ist durchzogen von Blutflecken und Körperflüssigkeiten. Fliegen brummen hektisch in der Windstille, setzen sich auf mein Gesicht, der Verwesungsgestank ist allgegenwärtig.
Atmen, ich kann nicht atmen, mein Brustkorb schmerzt. Meine Beine zittern, meinen Urin kann ich nur mit Mühe halten.
Schweiß rinnt mir in die Augen, brennt, meine Sicht verschwimmt. Ich wische mit der Hand darüber, es hilft nicht viel, ich mache es nur schlimmer.
Das Kreischen vieler Stimmen, dröhnt in meinen Ohren. Ich drehe mich langsam, sehe volle Ränge, erkenne die Menschen im Schatten auf den Tribünen nicht, sehe keine Gesichter nur eine gierige, hungrige Masse, nur Schatten. Sie brüllt, kreischt nach Blut, erwartet Verstümmelung und Tod. Meinen Tod!
Ein Fanfarenstoß, laut. Ich drehe mich um, mein Herz schlägt dumpf und hektisch in meiner Brust. Angst, ich habe Angst, mir ist schwindlig. Sauer läuft mir die Magensäure aus dem Mund, ich spucke aus.
Am Ende der Arena öffnet sich langsam ächzend das große Gatter. Schwärze dahinter, ich kann nichts erkennen. Da, langsam nähert sich eine Gestalt. Wartet, spielt mit mir, weidet sich an meiner Angst.
Die Menge schreit ihm zu, huldigt ihm. Weiße Rosen, ein Meer von Rosen regnen von den Rängen. Sie huldigen ihrem grausamen Helden, Ihr Werkzeug der blutigen Belustigung. Er tritt achtlos auf die Blumen, verbeugt sich grinsend. Keine Beachtung für mich, ich bin nicht wichtig. Nur einer von vielen die heute die Masse belustigt.
Der Gladiator dreht sich um, sieht mich an. Kein ehrenvoller Gruß für mich. Verachtungsvoller Blick, ein hämisches Grinsen, fast schon Langeweile. Kommt nun langsam auf mich zu, hebt beiläufig sein Schwert.
Die Sonne glänzt weisgolden auf seiner polierten Rüstung, es sieht fast schön aus. Ruhe überkommt mich. Frieden. Warmer Urin rinnt meinen Schenkel hinab, ich bemerke es nicht. Das Zittern hat aufgehört, ich spüre keine Schmerzen mehr. Keine Angst, ich sehe ihm in die Augen, sehe keinen Hass, nur Gleichgültigkeit.
Das Geschrei der Menge steigert sich in ein hysterisches Kreischen. Jetzt, Sie wollen den Kampf jetzt. Nur…
Will ich ihn? Der Ausgang steht fest, ich sterbe, wir alle sterben, es steht fest. Unbeugsam. Ein letzter Protest. Ich werde nicht das blutende, zuckende Spielzeug eurer Grausamkeit sein. Ich betrüge die Masse, betrüge den Imperator, bringe die Inquisitoren um ihr hämisches Vergnügen. Der Entschluss ist getroffen.
Mein Dreizack. Fällt mir aus den tauben, nassen Händen in den Sand. Es ist mir gleich. Ich will nicht mehr kämpfen. So viele Tode, so viele Geister wandeln in meinem Schatten. Erwarten Sie mich? Ich sehe auf, sehe meinem Gegner in die Augen. Verständnis? Versteht er mich etwa? Sehe ich stille Zustimmung in seinen Augen?
Ich strecke die Arme seitlich aus, gehe langsam auf ihn zu. Hoffe, er macht es schnell und sauber.
Die Menge brüllt vor Enttäuschung, protestiert. Gegenstände werden nach mir geworfen. Ich gehe weiter auf ihn zu.
Da! Flirrend, wie ein Zucken schießt sein Kurzschwert auf mich zu. Ein dumpfer Schlag. Etwas fliegt hoch, hinterlässt einen Regen aus Blut. Kleine Tröpfchen bilden einen roten Regenbogen. Mein linker Arm landet klatschend im Sand. Die Hand, sie zuckt noch, aber ich habe keine Schmerzen. Noch keine Schmerzen.
Ein weiterer Schlag, diesmal sehe ich ihn kommen. Über meiner Brust öffnet sich ein breiter, roter Halbmond, grinst mich an, bespuckt mich. Die Welt dreht sich, ich bleibe standhaft. Jetzt kommt der Schmerz. Brüllend, wie eine gigantische Woge überzieht er mich. Ich krümme mich zusammen. Da! Erneut ein Schlag, direkt von hinten in die Kniekehle. Was ist das auf seiner Schwertspitze? Mein Fleisch? Meine Knorpel? Meine Gedanken werden trübe, kann nicht mehr stehen, sinke langsam in den Sand. Spüre schon fast nichts mehr, als er mir langsam den rechten Arm abschneidet. Das bin nicht ich, ich träume jemanden Anderen.
Ich sehe zu Seite, während er mir den Bauch aufschneidet. Die Menge scheint ja doch noch Vergnügen an mir gefunden zu haben, mir ist´s egal. Soll er doch meine Innereien herauszerren. Gefällt euch das? Bereitet Euch der Anblick der Verstümmelung Vergüngen?
Mein Augenlicht wird schwächer. Dunkel? Ist es schon Nacht? Ein letztes Mal sehe ich ihm in die Augen. Jetzt! Er nickt mir zu, jetzt grüßt er mich. Blickt auf!
Ich folge seinem Blick!
Über mir auf der kaiserlichen Tribüne eine Gestalt in weißer Robe. Die Sonne scheint gnädig auf unseren Kaiser. Streckt den Arm aus und bildet eine Faust. Hat er Mittleid mit dem Verräter?
Der Daumen geht nach unten…
ave atque vale