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Als sich die Liebe dem Lachen versprach

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20.12.2001
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Als sich die Liebe dem Lachen versprach

Schwaches Blinzeln meiner Augen hält mich wach und klar, verdeckt das leere Flüstern, das sich einst hinter den Pupillen verbarg. Stimmen in meinem Kopf, jenseits des Augenlichts – leise schleichend durchs Gemüt. Flüstern will mich rufen, lauthals mir befehlen gar, doch ist es uneins im Gedankenfluß. Es ist früher Morgen, entsetzlich still dazu und starr, doch ich bin dankbar dafür; lassen sich doch so die Schönheiten des Stumpfsinns erst richtig auskosten, fast schon wie ein ehernes Gebrechen erleben, ins Reich der vernebelten, bei jedem unangenehmen Aufstoßen wiederkehrenden Erinnerungen verdammen, sie so jeden Tag aufs neue hervor speiend, um sie mahnend vorgeworfen zu bekommen und sie wie leiernde Tonbänder im Vollrausch abzuspielen. Leider war ich nicht berauscht, bestenfalls von der Situation und die Tonbänder erklangen in klarster Reinheit, daß der Schuldigkeit doch allzu schwere Last die jämmerliche Situation, nicht meine – die gesamte – trug, und nur die jämmerliche Situation. Mein Kopf war schwer und frei, konnte nicht davon. Ein Vogel kann nicht zwangsläufig fliegen, tosende Schwingen machen noch keinen Flug. Mir fehlte schlichtweg das Können. Schwer und frei. Minuten der Apathie heute doch schon hinter mir - ferner mir gelegen...
Kälte kriecht an mir herauf, durchströmt das leidige Schuhwerk, klettert in den Mantel, beißt sich durch das wehrlose Futter in die Brust und macht das Herz mir kühl, fast schwer – fern jeder Freiheit.
Schwere ist Wärme - Geborgenheit kein Frost, doch Leichtigkeit uns immerhin. Flügel machen noch keinen Flug. Ich blicke sehnsüchtig nach oben – es ist bewölkt, die Luft doch klar, greift unangenehm um sich und furchtbar ins Gesicht. Sie zieht mir die Nase lang. Hebt die Wangenknochen.

Mein Fahrrad schiebe ich lieblos über den dunklen engen Hof, vorsichtig an den klammen Fassaden entlang, als sich mir am schmutzig-rauhen Mauerwerk ein schwarzes Gesicht zu erkennen gibt – erst lacht es laut, dann weint es stumm und wendet sich ab. War nur ein Schatten. „Schatten, Schatten an der Wand – sie ist die schönste...“ da brach ich ab und war bekümmert.
Befremdet sah ich es jeden Morgen, das unsicher vertraute Gesicht; als fortan wohl ewig während Lichterreigen Formenspiel der lieben Grausamkeit. Das wäre gar nicht paradox.
Ein kurzer Blick durch das verwaschene Uhrenglas stieß trübe auf das gebleichte Ziffernblatt und ließ mich weiterhin auf Liebe warten. Mein Zeitgefühl ist gestört. Kann in zehn Minuten schlafen gehen. Oder die Sandkörner im Winde suchen. Weile kurz und weile lang, „liebe Weile“, welch ein Klang. Heute Morgen riß sie mich aus dem Bett, nicht aus dem Schlaf; denn der schien mir in den letzten Tagen wenig bedeutend. Die Nacht über lag ich wach, so wachte ich nicht auf – lange nicht davor. Ach wäre ich doch nie erwacht!
Tagsüber ertrug ich meine eigene Müdigkeit, sie, gleich mit, die Liebe,
versuchte zu ertragen. Wartend sah ich mich abends, wartend am nächsten Morgen, direkt danach, dazwischen: Tagesablauf für fünfzehn Minuten Zweisamkeit, meisten dann zu dritt – einfach schlecht geplant!
Vor weniger als einer Stunde öffnete ich die Augen, die mir vorher nur ein Bild schenken wollten, mir jedoch das sinnliche Träumen verwehrten; und nun stand ich draußen, seicht wehenden Mantels - draußen vor der Tür. Ich war ein lächerlicher Dieb der Herzen und der Worte, eine Elbe, die hatten wir nicht, dafür einen See.
War ja von heute auf morgen verarmt, da wird man kriminell und der Tag zeigt so wenig an Verständnis.
Der Tag findet seinen Beginn im stetig selben Fluch, meist regungslos, geistleer und ohne Gefühl.
Manche mögen Süßes zum Frühstück – ich esse morgens eigentlich nichts.
Habe ich mir vor langer Zeit schon angewöhnt, war auch ewig besser so.
Einsamkeit als Erlebnis ein Genuß für mich, besonders im Winter, wenn der kalt gehauchte Nebel über unsere Straße kraucht und meine Sicht dann nur wenige Zentimeter – und nur mit Hilfe des führenden Lichtes meiner Lampe – reicht, so daß ich immer nur tastend kurze unentschlossene Strecken erschleiche und in herrlichster Ungewißheit untertauche. „Schatten, Schatten, an der Weile, welch ein und so weiter.“ Ich konnte nichts erkennen und wartete ab.

Heute kam die Liebe nicht. Schade drum. Dachte, wir wären verabredet gewesen. Hatte mir was davon versprochen.
Wind, verfolgt von der weiten Flucht unserer Straße, an der ich wartend stand, fliegt durch mein Haar, zerstreut es wie den ganzen Kopf. Ich zittere etwas. Immer wenn ich irgendwo auf Liebe wartete, fror ich furchtbar – sehnte ich nach ihr, war es meistens wärmer. Bosheit war das nicht, viel mehr der Hang zum intensiven Gefühl. Aus der Ferne tönt ein Lachen – klingt mächtig weit weg, doch meine verdorbenen Augen können nichts sehen.
In unserer Straße herrscht kaum Dunkelheit, trotzdem ist alles wenig offensichtlich und einige Laternen erhellen uns die Luft, stehen alle dreißig Meter wie Erdenarme, die mit geballten Fäusten nach dem Mond zu greifen versuchen, sich jedoch nur bedrohlich in die Höhe recken, weil ihre Hände nichts fassen können und schließlich finst´re Schatten werfen.
Leider regnet es nicht. Ich mochte morgendlich starre Fäden, die im Licht der Lampen schal vom Himmel fallen. Viel zu hell ist es auch und so vermag ich dem Lachen nicht zu folgen. Das Licht zerstört mir die Stimmung, starre Fäuste sprechen gewaltiges Wort.
Welch eine Zeit? Niemand ist wach, das tröstet mich kaum.
Da lacht es schon wieder.
Höre sonst nur mein leises Atmen.
Ein Weinen, das sich kläglich heran jammert, wäre mir lieber gewesen, denn Trost war meine Stärke in der Liebe – doch die kam ja nicht. Ich folgte gedanklich der Gefühlsregung; denn gerade die schätzte ich an der Liebe, wenn ich auch sonst eher für Stille Gefühle war. Schätzend stiller Trost zu warten schien, so dacht ich.
Was dacht ich? Dachte nicht. Wer hätte das gedacht?
Laut, erschütternd und dramatisch gewalttätig – war immer so fanatisch, wie viele sagten. Im selben Moment dachte ich daran mit meinem Fahrrad einfach loszufahren, in eine falsche Richtung, selbstverständlich.
Leider fand ich ja nicht einmal die Richtige. So blieb ich weiter stehen, der Unentschlossenheit halber, sah die Stunden an mir vorbei ziehen und lauschte dem Tag wie er sich in seinem gängigen Ablauf vollzog und irgendwann gegen Mittag auf der halben Strecke liegen blieb. Es half kein Fluchen und so sprach ich mit mir selbst. Beklagte mich ein wenig. Doch hatte ich mich gerade erst in den graubeschleierten, sumpfigen Gewässern der Vorwürfe mir gegenüber eingefunden - da wurde es auch schon wieder dunkel und neigte sich dem Ende alles. Vielleicht ganz lustig von oben...
Wieder tönt ein Lachen, wenig kraftvoll dieses Mal, wohl zittert es vor Kälte da und ist geblendet noch vom Tageslicht. Prüfend sehe ich zum Himmel, am Licht einer Laterne vorbei, den Lenker meines treuen Rades haltend, und erblickte das kleine Lachen. Verkümmert sitzt es auf dem Mast hoch über mir.
Ich zeige Mitleid.
Ich mag es nicht weinen sehen – mag kein tränendes Lachen, lediglich ein Lächeln dazu.
Wir tauschen die Plätze. Das Lachen und ich.
Unverhofft bin ich dort aufgeflogen, „War wohl meine Schuld...“ kommt mir noch in den Sinn, und so hänge ich nun oben, direkt unter dem Licht, das grell mahnend und bedrohlich über mir schwebt, während sich das Lachen auf dem Lenker meines Rades stützt und witzig ist. So muß ich plötzlich lachen.
Finde alles furchtbar lustig!
Gern führe ich nun dorthin, wo die Straßen keine Namen haben, der Wind die Sonne fühlt und Licht nur wärmt, nicht blendet; dort fühle ich mich schlecht, ausgehangen und das Herz geknebelt, bis es nichts mehr rief. Nur noch leises Flüstern.
Ganz anders geht´s dem Lachen.
Es erholt sich schnell – wie das eben so ist mit den Lachenden!
Die folgende Nacht war weniger aufregend als vermutet. Nicht anders als im Bett zu wachen, wobei ich nun in der Höhe klammere, ganz geschwächt, als wäre ich aufwärts gefallen. Sehe vieles nüchterner, so von Oben.
So blieb ich nun einfach, kletterte nicht hinunter, um auf jemanden zu warten, der fühlend tauschen und erlösen würde. Es ging ja nur noch aufwärts und dann auch noch hinab.
Dummheit kam mir dabei eigentlich nie in den Sinn, sah da keine Verbindung.

Als ich nun beginne besonders wehleidig zu werden, triumphiert, fernab im Nebel unter mir, der sich vor Stunden aufgezogen hat, das fröhlich, tollkühn weise Lachen.
Es machte einfach Spaß.
Das reinste Vergnügen.
Selbst die Liebe versprach sich etwas von ihm.
Fing das Lachen ein und ließ mich dabei verletzt zusehen. Leises Flüster mir Befehlen gar –
Im Herzen ruhe ruhig sonderbar...
So führen sie gemeinsam davon, daß ich wieder lachen müßt, um endlich mit den verstreichenden Stunden und Tagen zu verstummen.
Mir kämen noch die Tränen.

 

*Seufz* So wunderschöne Worte und traurig poetische Gefühlsdarstellungen. Daß ich sowas noch lesen darf. Hebt sich so wunderbar von der allgemeinen dichterischen Einfallslosigkeit und Sterilität ab, die sich dann den Punkt treffend nennt, daß ich jubilieren möchte, hätte mich jene hintersinnig symbolische, melancholische Poesie nicht schon in Tiefen jenseits allen Jubilierens gestossen - zum Weinen schön. Möchte dieses Werk gar nicht eine Kurzgeschichte schimpfen. So scheint es mir zu sehr durchzogen von Lyrik und Symbolen, gar einige Reime tauchen auf, daß es sich mir als innovativ und mit den Konventionen der Kurzgeschichte brechend darstellt.

Voll Hochachtung

Endymion

 

"Als Stimmungsbild mag man es gelten lassen, aber es verpufft auch im Unscharfen, Diffusen. Man vermisst als Leser ein bisschen das Ergebnis des Ganzen. An sich ist die offene Form beim Schreiben nicht schlecht, aber vielleicht sollte man doch mehr nach einem Konzept schreiben."

Also Gerard - nur weil dir das ganze nicht liegt, heißt es noch lange nicht, daß es ohne Konzept geschrieben ist. Sicherlich ist es pathosbehaftet und recht lyrisch, aber wo kämen wir denn hin, wenn wir Kurzgeschichten klar zu definieren versuchten. Nenn es ein prosaisches Gedicht, eine Parabel oder eine Kurzgeschichte - die Bezeichnung ist im Endeffekt unerheblich, denn klare Definitionen zerstören die Kunst als solches. Ich versuche nicht einen bloßen Handlungsablauf zu beschreiben, sondern wahrhaft zu erzählen - weit über das Wiedergeben von Gedanken und Aktionen hinaus. Gerade das Ungewisse und Diffuse - so finde ich persönlich - läd dazu ein sich wirklich mit einer Sache auseinander zu setzen. Nenn es illusorisch, oder lächerlich - vielleicht auch vernarrt, aber ich versuceh eben Sprache nicht nur als Mittel zum Zweck zu nutzen, als Botschafter meiner Ideen und Gefühle, sondern ist für mich gleichermaßen wichtig wie die Handlung einer Geschichte selbst, so verspielt sie auch sein mag. Noch habe ich die Illusion etwas neues zu schaffen, ohne daß es banal ist wie die hauptströmige Literatur der Neuzeit.

Und übrigens...die Form ist weniger offen, als du glaubs *g*
sie entspricht teilweise schon im übermäßig klassichen Sinne dem Bild der Kurgeschichte.

Sebastian

 

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