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Alte Gedanken

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14.08.2001
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Alte Gedanken

Kurze Vorbemerkung: Eine etwas ältere Geschichte, also bitte nicht zu hart mit den Kritiken...
Der alte Mann saß in seinem Zimmer und dachte. Heute, nach all den Jahren dachte er, dass er ein schlechtes Leben gehabt hatte. Nicht immer, aber insgesamt. Er hatte eigentlich immer versucht, sein Leben schön zu machen. Meistens war es sogar schön. Die ganzen Jahre über.

Er war ein netter Mensch gewesen und ein einfacher Mensch. Sicher, sein Leben hatte auch Turbulenzen gehabt, aber welches hatte das nicht? Die Jahre gingen, er machte seine Arbeit und lebte sein Leben. Eigentlich schön. Doch da war ja dieser kurze Augenblick, dieser verfluchte Moment. Der hatte alles geändert.

Er schaute aus dem Fenster. Die Blätter an den Bäumen begannen sich zu färben, und über dem Wasser konnte er Vögel sehen. Was für Vögel wusste er nicht, damit hatte er sich nie ausgekannt. Wichtig war nur, dass es Vögel gab. Er liebte es, sie fliegen zu sehen. Jetzt würden sie sicher bald wieder verschwinden, es wurde ja schon kalt. Leider würde er sie nicht mehr wiederkommen sehen, das wusste er.

Warum konnte sie auch keine Ruhe geben damals? Er hatte so oft mit ihr geredet, er hatte geweint, gewütet, gefleht und gedroht, aber vor allem hatte er sie geliebt. So sehr, dass es ihn fast zerrissen hätte. Jetzt, am Ende, schien es ihn doch zu zerreißen. Oh Gott, er hatte so etwas nie gewollt, aber befürchtet hatte er es.

Danach war die Zeit gut gewesen. Er kam aus dem Gefängnis und fing woanders wieder an zu arbeiten. Dort kannte ihn niemand, und wieder begannen die Jahre, an ihm vorbei zu ziehen. Irgendwann heiratete er sogar. Sie war eine lebhafte Frau, und sie liebte ihn. Leider starb sie sehr früh. Doch so war das Leben.

Jeder hatte ihn gemocht in dem kleinen Dorf. Manchmal waren sogar die Kinder zu ihm in die Werkstatt gekommen. Dann hatte er ihnen ein Stück Holz und ein Messer gegeben, und sie hatten versucht, Figuren zu schnitzen. Er zeigte ihnen, wie sie das Messer richtig hielten und welches Holz welche Beschaffenheit hatte. Manchmal saßen sie aber auch nur zusammen, tranken Kakao und aßen den Kuchen, den eines der Kinder von seiner Mutter mitgebracht hatte. Das war eine schöne Zeit.

Die Uhr im Gang schlug. Hier im Heim hatten sie im Flur eine große alte Standuhr stehen. Die hatte das Heim nämlich geerbt. Er mochte die Uhr, für ihn war sie ein Ruhepol, obwohl sie immer weiter ging. Aber trotzdem hatte sie etwas Ruhiges; manchmal stand er ein oder zwei Stunden vor der Uhr, bis einer der Pfleger ihn in sein Zimmer brachte oder in den Fernsehraum. Er wollte zwar meist einfach weiter bei der Uhr bleiben, aber fernsehen war ja auch ganz gut.

In den ganzen Jahren nach dem Unglück hatte er nur einmal an sie gedacht. Das war, als er seine spätere Frau heiratete. Das hatten sie damals nämlich auch geplant. Sie wurde immer ganz froh und sinnlich, wenn sie sich zusammen die Hochzeit vorstellten. Sie wollten nur noch warten, bis sie genug Geld hatten. Er verdiente zwar nicht schlecht als Tischlergeselle, aber eine Familie gründen konnte man damit nicht. Er wollte erst seinen Meister machen, das hätte ja nicht so lange gedauert. Sie waren sich einig, dass es so das Beste wäre.

Doch dann hatte es langsam angefangen. Eines Abends, nach dem Essen, hatten sie sich gestritten. Sie wollte neue Gardinen kaufen, aber er hatte gesagt, dass sie nicht genug Geld hätten und die alten doch noch gut genug wären. Plötzlich fing sie an, gehässig zu ihm zu werden, sie nannte ihn einen Versager und sagte, dass es ein Fehler gewesen sei, mit ihm zu gehen. Später hatte sie sich eng an ihn geschmiegt und sich entschuldigt. Sie liebte ihn ja.

Er schaute wieder aus dem Fenster. Es wurde jetzt immer früher dunkel. Die Vögel konnte er nicht mehr sehen, sie hatten sich wahrscheinlich schon zur Ruhe begeben, in ihren Nestern. Vielleicht konnte er sie aber auch einfach in der Dämmerung nicht mehr sehen, seine Augen waren über die Zeit nicht besser geworden. Er fing an, die Bäume zu zählen. Sie hatten einen schönen Garten hier mit vielen Bäumen und einer großen Wiese. Wenn es schönes Wetter war und nicht zu kalt, dann saß er im Garten auf einer Bank und schaute auf das Wasser. Einmal war es ganz ruhig, und ein andermal war es aufgewühlt und stark. Das mochte er sehr, denn er konnte die Menschen darin erkennen. Er war meistens ruhig gewesen. Doch manchmal reicht ein Sturm, um alles zu zerstören.

Es wurde dann immer häufiger, dass sie ihn verletzte. Sie liebten sich immer noch wie am ersten Tag, aber sie hatte immer wieder diese Ausbrüche, während der er sie jedes Mal hasste. Danach entschuldigte sie sich wieder, und sie weinten beide, und sie beteuerten sich, wie sehr sie sich liebten. Dann war wieder alles gut. Bis zum nächsten Mal, nur das einmal dann nicht mehr alles gut war.

Er würde heute von dem Dach des Heimes springen. Das war auch nicht schlimm, es war nur die einzige Lösung. Noch war er zu benommen von dem Ereignis nach dem heutigen Frühstück, um traurig darüber zu sein, dass sein Leben gleich zu Ende sein würde. Nein, eigentlich freute er sich sogar ein bisschen, oder vielmehr war er erleichtert. Das würde ihm Ruhe verschaffen. Er hatte bisher Ruhe gehabt, aber jetzt würde er sie nicht wieder bekommen können, nicht in diesem Leben. Langsam hob er seinen alten Körper aus dem Lehnsessel und ging aus dem Zimmer. Zum Glück war er im Vergleich mit den anderen Heimbewohnern noch ziemlich beweglich, deshalb durfte er sich frei im Haus bewegen. Langsam schlurfte er den Gang entlang zu der Treppe, die auf das Dach des Heimes führte.

Es war ein Schock gewesen heute morgen. An Tagen, an denen er sich kräftig und wach fühlte, las er nach dem Frühstück die Zeitung. Eigentlich interessierte ihn nicht, was in der Welt da draußen vor sich ging, er las nur wegen der Wörter. Er fand es einfach faszinierend, dass die Wörter immer neue Sätze ergaben, obwohl es doch immer die gleichen Wörter waren. Manchmal waren sie gut zusammengefügt und manchmal nicht. Eigentlich mochte er sogar die schlecht zusammengefügten.

Doch heute hatte er diesen Artikel entdeckt, und hatte vor Schreck fast keine Luft mehr bekommen. Auf einem Foto, ganz klein am unteren Rand der Seite, sah er sie. Er kannte das Foto, es war ein altes Passbild von ihr. Wie schön sie war! Er war ganz außer sich, die alten Gefühle und Erinnerungen überfielen ihn. Warum hatte alles so kommen müssen? Was ergab das für einen Sinn?

Es war ein Bericht über das Archiv der Polizei. Die Archivbeamten wollten alte Akten vernichten, und ein Reporter hatte einen Artikel über vergessene Mordfälle geschrieben. Dabei war er wohl auch auf die Geschichte des alten Mannes gestoßen. Wahrscheinlich war ihm das Bild dieser schönen toten Frau in die Hände gefallen.

Es würde ihn wahrscheinlich immer verfolgen. Er hatte so lange nicht mehr daran gedacht, und jetzt war alles, als hätte er es nie vergessen. All die guten Jahre waren auf einmal aus seiner Erinnerung verschwunden, und er musste nur noch an sie denken. Nach einiger Zeit war er aufgestanden und hatte den Leseraum verlassen. Er hatte sich in sein Zimmer gesetzt und den ganzen Tag aus dem Fenster geschaut.

Auf dem Dach war es ganz schön windig. Es war zwar wärmer als normalerweise zu dieser Zeit, aber ohne seinen alten Mantel fror er. Von hier oben konnte er sogar das andere Ufer des Sees sehen. Und da waren auch wieder die Vögel. Hoch über dem Wasser konnte er sie in einem großen Schwarm fliegen sehen, in weiten Kreisen. Es war ein schöner Anblick, während er langsam an den Rand des Daches trat. Ja, vielleicht würde sein Leben doch noch gut werden.

 

Hallo Eierbein!
Als erstes möchte ich dir sagen, dass dein Vorwort,

Kurze Vorbemerkung: Eine etwas ältere Geschichte, also bitte nicht zu hart mit den Kritiken...
für mich keinen Sinn ergibt! Warum sollen wir mit alten Geschichten sanfter umgehen als mit Neuen? Was spielt das Alter für eine Rolle!
Wenn es darum geht, dass du in der Zwischenzeit dazugelernt hast und deshalb die Geschichte schlechter als die Neuen sind, hättest du die Möglichkeit gehabt sie auf den Neuesten Stand zu bringen und bräuchtest keine Angst zu haben, dass wir sie zu hart kritisieren!

Aber nun zur Kritik!
das Thema deiner Geschichte gefällt mir. Teilweise sozialkritisch. Schlieslich hat die Presse den mann in den Tod getrieben. Teilweise verwirrend, wegen den Zeitsprüngen. Und teilweise regt sie zum Nachdenken an!
Alles Dinge die eine Geschichte gut machen können!
Gewnau können!
Doch so gut auch dieses Thema auch sein kann, so wenig spricht mich dein Stil an!
Ich finde, er ist wie eine Bach, an einem Warmen Windstillen Sommertag!
Da plätschert es und plätschert es und plätschert es. man schmeisst einen stein hinein, dann macht es plopp und dan plätschert es wieder, und plätschert und plätschert.
Irgendwann geht es einem auf die nerven, man steht auf und geht! Oder man nimmt eine Schaufel und verbreiter den bach, dass er wenigstens für eine kurze Zeit einen anderen ton hervorbringt.

Um ehrlich zu sein, wäre das Thema nicht so gut, ich wäre gegangen. Denn selbst eine Verbreiterung hätte deiner Geschichte die Monotonität nicht genommen! ich hoffe du verstehst was ich meine!
Deine Geschichte liest sich irgendwie wie der Einkaufsbon vom Aldi!
Mehr abwechslung hätte nicht geschadet!

 

Hallo Eierbein :-)

Ähnlicher Kommentar von mir...mochte die Art, wie Du den Text gegliedert hast, fand die Zeitsprünge alles andere als verwirrend weil du sie jedesmal gut eingeleitet hast, das ganze gibt der story Abwechslung. Das mit den Vögeln als Rahmen ist auch ok, nicht unbedingt neu und spektakulär, aber gut.
Ich fand den Stil auch ein bißchen träge...an sich vielleicht gar nicht falsch wenn man sich den Protagonisten so ansieht, aber es wurd' mir dann nach einer Weile auch ein bißchen zu öde. Lag glaube ich auch daran, daß ich deine Verbwahl oft zu lasch fand, z.B.: "...Er hatte eigentlich immer versucht, sein Leben schön zu machen." LEBEN MACHEN? Geht irgendwie nicht...anderes Beispiel: "Danach war die Zeit gut gewesen." GUT SEIN, das sagt überhaupt nichts aus. Und solche Sachen führen schließlich dazu, daß am Ende die ganze Geschichte irgendwie nichts aussagt, obwohl das Thema gut ist. Du hast echt gute Ansätze, aber du darft nicht von dem alten Mann und seiner Geschichte erzählen, Du mußt sie ZEIGEN. Versuch doch mal an deiner Wortwahl und deinem Stil zu arbeiten, würde gerne ein re-write lesen :-)

San

 

@Hennaboindl
Ja, was die Vorbemerkung angeht hast Du Recht. Das Problem ist, ich habe mich nicht einmal weiterentwickelt, dachte, das merkt keiner. :D Aber einen Versuch war es wert, so ´ne Vorbemerkung ist halt weniger anstrengend als die Geschichte zu überarbeiten...

 

Hmmm, also danke erstmal für die fundierte (so wirkt sie) Kritik. Was den plätschernden, langsamen und eintönigen Stil betrifft, das war durchaus so gewollt (oder nicht zu vermeiden, so habe ich mich nämlich gefühlt). Was allerdings nicht gewollt war, ist, dass der Text langweilt! Blos nicht! Vielmehr habe ich versucht, dass der Leser sich beim Lesen so ähnlich fühlt wie ich beim Schreiben. Also wenigstens das ruhige hat ja geklappt. Mein Stil/Wortwahl ist auch bewusst so gewählt. "Leben machen", OK, das hinkt vielleicht ein wenig, aber "gut sein" geht meiner Meinung nach durchaus. Etwas ist gut. Ich glaube, das schreckt vielleicht eher ab, weil man sich selten traut zusagen, das etwas gut sei. Es muss dann "glücklich, ruhig, anstrengend, bewegt", weiß der Geier was sein, aber halt nicht nur gut. Der Mann hatte aber tatsächlich das Gefühl, sein Leben sei gut.

Aber genug geschwallt. Tja, re-write habe ich wohl keine Lust drauf, aber vielleicht hauen andere Geschichten ja besser hin.

 

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