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Am Ende bleibt ein Schweigen
Schweißgebadet schrecke ich aus meinem Schlaf auf, atme schwer.
Mittlerweile sind schon einige Tage vergangen, seit er mir das Herz gebrochen hat, doch diese Träume verfolgen mich. Immer wieder suchen sie mich heim und zeigen mir, was ich mir am sehnlichsten wünsche. Ich liege mit geöffneten Augen in tiefster Finsternis und fühle mich dem Tod näher als dem Leben. Die Stille, die in meinem Zimmer herrscht, erdrückt mich fast. Es ist genauso still wie in meinem Herzen.
In der letzten Zeit muss ich mir oft ein Lächeln erzwingen und mich zusammenreißen, nicht ständig einfach so meinen Tränen freien Lauf zulassen. Muss die heile Welt vorspielen, obwohl sie für mich zusammengebrochen ist. Es ist wie ein großer Stein, der dich jede Sekunde zu erdrücken versucht. Irgendwann hat man einfach keine Kraft mehr, um sich dagegenzustemmen. Wenn ich gewusst hätte, wie schwer es ist seine Hand loszulassen, hätte ich sie niemals berührt.
Ich lege mich wieder in meine Kissen und versuche abermals einzuschlafen, doch ich kann nicht. Ich habe viel zu große Angst wieder von ihm zu träumen.
Plötzlich klingelt es an der Haustür. Erleichtert einen Grund gefunden zu haben an diesem, mir sinnlos vorkommenden Tag, überhaupt aufzustehen, schlage ich die Decke zurück und steige aus dem warmen Bett. Als meine nackten Füße den kalten Boden in meinem Schlafzimmer berühren, bekomme ich eine Gänsehaut. Ich tapse hinüber zu einem Stuhl in der Ecke des Zimmers, nehme meinen Morgenmantel von der Stuhllehne und ziehe ihn mir über. Leicht torkelnd laufe ich aus dem Schlafzimmer durch das kühle leere Wohnzimmer in den Hausflur. Noch einmal klingelt es. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und spähe durch den Türspion. Ich erstarre. Keuchend stelle ich meine Fersen wieder auf den kühlen Boden und starre auf die Tür. Nichts regt sich.
Mir kommt es so vor, als würde sich jeder einzelne meiner Muskeln verkrampfen, bin unfähig mich zu bewegen, geschweige denn einen klaren Gedanken zu fassen.
„Lena, mach bitte auf!“, höre ich eine Stimme von draußen. Eine Stimme, die mir so vertraut ist. Seine Stimme.
Ich rühre mich nicht.
„Es ist meine Schuld, meine verdammte Schuld.“, ruft er und hämmert gegen die Tür.
Ich reiße die Tür auf
„Was?“, frage ich entsetzt. Doch er antwortet nicht. Es gibt nichts mehr zu sagen. Er kommt langsam auf mich zu und legt eine Hand auf meine flammendrote Wange.
„Ja, es ist meine Schuld.“, flüstert er wieder. Ich mache den Mund auf um etwas zu erwidern.
„Schsch…“ Sanft beugt er sich zu mir hinunter und küsst mich zärtlich. Als er sich sachte von mir löst, gleichen seine Augen einem wolkenverhangenen Himmel.
„Ich hätte dich niemals verlassen sollen. Es ist meine Schuld, und nichts kann das je wieder gutmachen. Gar nichts!“
Er nimmt meine Hände in seine. Dann lächelt er mir noch einmal zu, lässt meine Hände langsam los und wispert: „Leb wohl“. Er dreht sich um.
„Warte…“, rufe ich verzweifelt, doch er schüttelt wortlos den Kopf und geht, ohne sich ein einziges Mal umzusehen.
Mein Herz hämmert wild gegen meine Brust. Mir ist schwindelig. Ich fühle seine Lippen noch immer auf meinen und spüre die Wärme seiner Hände. Doch ich weiß, dass ich all das nie wieder fühlen werde.
Ich stehe unbeweglich da und fühle, wie mir die Wärme seines Abschiedskusses langsam entgleitet, wie ein lebensrettendes Seil.
Ich beginne zu Schluchzen. Meine Knie knicken ein und ich sinke wie ein Sack Kartoffeln zu Boden. Ich weine und weine bis keine Tränen mehr da sind, die vergossen werden können.
Wenn ich könnte, würde ich schreien. Ich würde meinen Schmerz, meine Enttäuschung, meine Liebe, einfach alles aus mir herausschreien. Solange schreien bis nur noch ein heiseres Krächzen aus meinem Hals zu hören ist.
Doch ich schweige.