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Am Rand
Wat für'n Sauwetter. Schneematsch auffe Straßen und Weje, da kannsse alles verjessen, sach ich dir. Ich sitz jetz schon zwei Stunden hier und frier mir'n Arsch ab auffem kalten Boden. Drei Mark fuffzich hab ich zusammen, dat reicht ja nichma fürne Schachtel Kippen. Die Leute habens eilich, keine Zeit, wollen alle heim inne warme Stube. Kann ich verstehn, verflucht kalt, der Wind.
Sollte mich wohl besser ma vorstelln, jehört sich wohl so. Also, ich bin der ehrnwerte Walter Kolterbach, von Beruf Penner. Oder Obdachloser, wie se dat so vornehm nennen. Ich bin fümmenvierzich Jahre alt, wenn ich richtich jezählt hab. In letzter Zeit läßt mich mein Jedächtnis nämlich schomma im Stich, und ich pass da auch nich mehr so jenau auf.
Nen Ausweis hab ich nich, den hab ich wechjeworfen. Ich versteh die Jungs vonner Wache nich, die kommen immer irjendwann an und wollen mein Ausweis sehn. Ich sach denen dann, jeht nich, Herr Wachmeister, den hab ich verlorn. Und dann muß ich immer mit, damit se meine Personaljen feststelln können, wie se dat immer so vornehm nennen. Dabei kennen se mich da alle, ich bin sozusachn Stammjast auffe Wache inner Wacholderstrasse.
Verflucht nocheins, die Kälte bringt mich um! Auffe Straße kansse auch noch nichma'n Schlückchen zum Aufwärmen nehmen, is schlecht fürt Jeschäft. Die Leute jeben nix, wenn se meinen, da wird Schnaps oder Wein für jekauft. Lachhaft, sach ich da nur. Wat soll ich mir denn sons für kaufen? 'n Auto vielleicht? Haha.
Nene, lass ma, dat is schon janz jut so. Ich kenn hier'n paar Typen, wenn die maln Tach kein Schnaps kriegn, dann werden se seltsam. Is dann nich so ratsam, die nache Uhrzeit zu frachn. Ich denke, wennse den Alkohol abschaffn würdn, dann hätten die Jungs vonner Wache wirklich ne Menge zu tun. Kann sein, ich würd auch ausflippn. Is nich so leicht zu ertrachn, dat alles hier.
Ich muß bald los zum Asyl, sons häng ich heute Nacht im Freien rum, und dat wär nich so jut. Is schwierich, 'n warmes Plätzchen zum Schlafen zu finden. Im Winter sterben se immer wech wie die Fliegn, vor allem die älteren.
So wie der Richard. War'n Kumpel von mir, sozusachn. Wir hingen öfters zusammen und ham jeredet, von früher und so. Prima Kerl, der Richard. Hat auch schomma ne Kippe rüberwachsn lassen oder 'n Fläschken Bier, wennde ma'n schlechten Tach hattes. War immer nett, auch wenner nich viel auf'm Kasten hatte. Anner Bude hammsen immer mitm Wechseljeld beschissen, wenner alleine jekauft hat. Saubande. Ich bin dann oft mit ihm mit und hab aufjepasst, da hammse dann richtich abjerechnet. Bisser dann jestorben is. Hat sich nachts auf ne Bank am Flußufer jesetzt und is erfrorn. Wär vielleicht nich passiert, wenner seine Klamotten anbehalten hätte. Hatter aber nich. Nackt und steifjefroren hammsen jefunden, konnten ihm wohl kaum vonner Bank abkriegn. Is schade ummen Richard, habn irjendwie jemocht.
Naja, irjendwann erwischtet wohl jeden, sach ich immer. Unsereins meistens nbissken früher, liecht am unjesunden Lebenswandel, haha. Hier ham npaar Engelchen vor kurzem nen neuen Futterplatz für uns aufjemacht. Die jondeln abends durche Stadt und klappern Restorangs und Pommesbuden un sowat ab, ob die irjendwat übrich ham, wat se nich mehr brauchen und eijentlich wechschmeissen würden. Dat sammeln die Engelchen, für uns. Kochen wat Leckeres zusammen daraus, un wennet fertich is, kann man sich anstelln und kricht ne Portion. Dat heißt, wenn man früh jenuch da is, sons is alles wech.
Ich hab auch mal innem piekfeinen Restorang jejessen. Is schon lang her, aber ich habs nich verjessen. Dat war damals mitte Jutta zusammen, als se Jeburtstach hatte. Zu der Zeit war noch alles in Ordnung, dat Jeld stimmte so halbwechs, wir sind über de Runden jekommen. War'n schöner Abend, auch wemmer uns nich so janz wohl jefühlt hatten am Anfang. Jutta wollte sich nurn Salat nehmen, als se die Preise jesehn hat, aber ich hab se dann doch noch überredn können, wat vernünftiges zu bestelln. War ja nur dat eine Mal, öfter konnten wir uns dat auch damals, alset uns noch jut jing, nich erlauben.
Tja, die Jutta. Ich habse jeliebt, auch wenn dat zum Schluss nich mehr danach ausehn mochte. Wir ham uns da viel jestritten, da flogn oft die Fetzen. Aber am Anfang, da wars schön mit uns beiden.
Ich hab se inner Firma kennenjelernt, da wo ich malocht hab. War'n Scheißjob, den janzen Tach die Schleifmaschine inner Hand und Rohre jeschliffen. Da kriegste einen inne Birne vonnem Lärm, auch wenne dir die Stöpsel inne Ohren knallst. Und der Staub - da konnste dir abends zichmal die Nase putzen, bis dat nich mehr schwarz war. Naja, wat solls, dachte ich mir, Hauptsache, die Knete stimmt.
Jutta hat da im Büro jearbeitet, inne Personalabteilung. Ich hatte da mal wat nich verstandn mitte Abrechnung und bin da hin. Sie hat mir alles erklärt, richtich freundlich und lieb und so. Von da an hab ich öfters mal wat nich verstanden, weil ich se sehen wollte un mit ihr reden. Der Vorarbeiter hat zwar schonmal schief jekuckt, aber dat hat mich nich so jekratzt.
Irjendwann hab ich die Jutta dann mal jefracht, ob se am Wochenende schon wat vorhat, sonst könnten wer ja vielleicht mal was zusammen unternehmen, ins Kino oder so. Dat Herz hat janz schön jewummert, sach ich dir. Und als se dann ja sachte, hätt ich se beinahe jleich innen Arm jenommen. Ich hab mich dann aber zusammenjenommen.
Naja, so fing dat also an mitter Jutta. Ein Jahr drauf sind wer zusammenjezogen, in ne nette kleine Wohnung. Die Möbel un den Fernseher hamwer uns auf Kredit jekauft, jeden Monat konnten wer fünfhundert Märker abdrücken. Dat tat zwar nbissken weh, aber sie is ja auch arbeiten jejangen, da jing dat schon. Sojar nAuto hatten wer damals, ne alte klapprige Ente zwar nur, aber immerhin.
Mist, ich muß jetzt los, bis zum Asyl brauch ich ne Viertelstunde.
Heute wird dat sowieso nix mehr mittem Jeschäft. Kannst mich ja noch ein Stück bejleiten, wenn dir mein Jeschwätz nich schon auffe Nerven jeht. Mußte entschuldjen, ich red jerne, und wenn ich dann noch jemand finde, der mir zuhört, dann find ich kein Ende mehr. Wie jesacht, wir warn zwar immer janz schön knapp mittem Jeld damals, vor allem am Monatsende, aber dat hat uns nich kaputtjemacht. Wir kamen prima mittenander aus, ham viel jeredet und jelacht. Mitter Jutta konnt man richtich jut reden, die hatte sone Art, da wußteste, die hört dir wirklich zu un denkt drüber nach, watte jesacht hast.
Wir ham natürlich nich nur jeredet, wenne verstehs, wat ich meine. Im Bett war se 'n Luder, ne richtje Katze. Wir ham nie jenuch voneinander kriejen können, manchmal kamen wer dat janze Wochenende nich ausser Koje raus.
Dat fehlt mir hier oft. Ich hab jetz schon seit unjefähr fuffzehn Jahrn keine Frau mehr jehabt. Wir ham hier Frauen, die Trudi oder die Elke beispielsweise, die kannste für ne Flasche Roten pimpern. Aber dat sind unjewaschne Schlampen, da krieg ich meinen kleinen Freund da unten einfach nich überredet, dasser Haltung annimmt. Is vielleicht nich fair von mir, bin ja auch nich besser. Hygjene, wie se dat so vornehm nennen, is hier Zeitverschwendung. Intressiert ja sowieso keinen, wie de aussiehst oder riechst.
Dann mußte ich an einem Tach mal zum Vorarbeiter ins Büro, nach Feierabend. Se müßten sich von mir trennen, wejen Ratsjonalisierungn, wie er dat so vornehm nannte. Jefeuert hammse mich, so sach ich dazu. Bis zum Monatsende noch, dann wollten se mich da nich mehr haben.
Von da an jings dann nur noch berchab. Ich hab nix mehr jefunden, nix jelernt, schwer vermittelbar, wie der Typ beim Arbeitsamt sachte. Also hing ich zu Hause rum, den janzen Tach vor der Glotze. Die Langeweile bringt dich um, wenne dat ne Weile machst, kann ich dir sachen.
Ich hab mich dann mehr ummen Haushalt jekümmert, abwaschen und Wäsche waschen un sowat. Jedenfalls am Anfang. Mitter Zeit bin ich dann immer träger und fauler jeworden, zu nix mehr hatte ich Lust. Da fingen dann auch die ersten Streits an, als Jutta vonne Arbeit kam un dat Jeschirr sich inner Spüle türmte.
Dann warn da noch unsre Probleme mittem Jeld. Ich hab erst Arbeitslosenjeld bekommen, dann -hilfe. Reichte vorne und hinten nich mehr. Dat Konto war überzogn, ich hab mich jarnich mehr jetraut, da nachzukucken. Die Bank hat dann die Raten nich mehr überwiesn, dat Telefon hammse uns abjeklemmt, und schließlich hatten wern Jerichtsvollzieher inner Bude. Der hat aber nix jefunden, wat von Wert wäre bei uns, also isser wieder abjezogn.
Irjendwann hatten wer dann den janz dicken Krach, die Jutta un ich. War nix mehr zu futtern im Kühlschrank, keine Knete mehr da. Liebe jeht durchn Magen, sacht man so. Dat stimmt, auch wenn dat keiner jlauben kann, der sowat nich erlebt hat. Zuers kommt der Bauch dran, und ers dann die Jefühle.
Ich habs dann nich mehr ausjehalten. Verdammt, ich hatte jenuch von dem Scheiß! Ich hab mir meine Jacke jeschnappt und bin raus. Kann sein, ich bin'n Feichling. Ich wollte nur noch wech, ejal wohin.
Hab mich ins Auto jesetzt und ab auffe Autobahn. Bin jefahrn, bis der Sprit alle war. Kein Bock mehr, wie man dat so heute sacht. ich war total am Ende, wollte Schluss machen. Vielleicht jejen ne Mauer fahrn oder sowat.
So, hier is dat Asylheim. Ich hoffe, die ham nochn Plätzchen frei für mich. Aber wenn nich - weißte, ich hab damals nich den Mut jehabt, mit dem Wagen und so. Aber in letzer Zeit denk ich oft an Richard. Manchmal glaub ich, der war garnich ma so blöd, wie wer immer alle dachten.