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Am Stammtisch
In einer Gaststube. Hinter der Theke wird ein Bier gezapft, allgemeine Heiterkeit und Ausgelassenheit. Am Stammtisch in der Mitte des Lokals sitzen 5 Personen, im mittleren Alter mit durchschnittlichem Aussehen. Einer von ihnen beginnt laut zu parlieren: "Ausland...", sagt er, "es gibt viel zu viel davon auf der Erde!". Zustimmendes Gemurmel am Stammtisch. Irgendwo wird ein Bierhumpen auf den Tisch geknallt. Der Redner fährt trotz des Lärmes unbeirrt fort: "Wenn es mehr Schweiz auf diesem Planeten gäbe, hätten wir viel weniger Probleme!". Wieder Gemurmel. Der Wirt tritt aus der Küche, ein Glas polierend. Er schwitzt und blickt in die Runde. Aus einer kleinen Nische links neben dem Stammtisch ertönt eine Stimme. In der Küche wird etwas flambiert, während diese spricht: "Es gibt Leute, die sollen dieser Ansicht sein", sagt sie, "doch wie dem auch sei, mich würde interessieren, was sie den gegen Hunger in Afrika, Not in Asien und Armut in Südamerika zu tun gepflegen, wenn die ganze Welt schweizerisch wäre." Der Redner, etwas aus der Fassung gebracht über eine Frage, die dazu noch von einem Fremden in die Runde geworfen wurde, beginnt zu erläutern. Der Wirt ist wieder verschwunden. "Ich... Da wir Schweizer es ja gut haben", meint der Redner, "wäre dies kein Problem. Mit Spenden der Mitbevölkerung und mit Subventionen des Staates wären diese Dinge schnell geregelt!", trumpft er gegen Ende auf, sich seiner Sache sicher geworden. Lärm dringt von der Küche in die Gaststube. Etwas wird umgestossen, Teller zerbrechen. Die Stimme antwortet kühl: "Warum, mein lieber Freund, ist es denn nicht jetzt schon so, auch wenn die Welt nicht Schweiz heisst, sondern halt eben Welt?". Der Redner ist verunsichert, beginnt nach Argumenten zu suchen. "Weil es eben Ausland ist!", sagt er nun, "und weil ich nicht Geld für Jemanden oder Etwas spenden will, das mich nichts angeht!". Aus der Nische dringt ein leises Lachen durch den dicken Qualm, erzeugt von den vielen Zigaretten. Der Redner schaut sich um, sucht nach Hilfe, doch niemand will was sagen. Der Wirt springt aus der Küche, laut rufend: "Es brennt! Die Küche steht in Flammen! Ruft die Feuerwehr, es brennt!". Der Redner will sich aus dem Staub machen, doch die Stimme in der Nische ertönt wieder. "Wieso so eilig? Dein Haus ist es ja nicht, welches brennt." Verwirrt schaut der Redner zurück, hält ein paar Sekunden mit seiner Flucht inne, ehe er im Laufschritt das Lokal verlässt. Danach Ruhe. Man hört das Feuer prasseln, die sich ihren Weg durch die Gastwirtschaft bahnen, unaufhaltsam. Nach einer gewissen Zeit erklingt das Martinshorn in der Ferne, wird lauter, verstummt. Wasser wird gespritzt, immer mehr, immer stärker. Doch leider nützt dies nichts. Die Gastwirtschaft brennt bis auf die Grundmauern nieder.