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Amy - depressiv?

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20.12.2004
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Amy - depressiv?

Sie blickt verwirrt auf. „Was?“
„Du hörst mir nicht zu.“ Sie starrt wie gebannt auf die Vorhänge. „Was beschäftigt dich so?“, will ich wissen, während ich mit den Augen den sanften Linien ihres Gesichts folge, wartend auf eine Antwort, obgleich ich doch weiß, dass sie mir keine geben wird. Ein Hauch von einem gequälten Lächeln huscht über ihren Mund. Doch sie bleibt stumm, starrt nur. Missmutig zwinge ich mich den Blick von ihr zu wenden, ins Zimmer hinein. Selbst in ihrem jetzigen Seelenzustand gelingt mir das kaum. Ich erinnere mich, dass meine Schwester in ihren depressiven Phasen immer ein Bild des Jammers war, sie schien an Masse zu verlieren während sie tiefer in jene Depressionen rutschte. Doch bei Amy ist das anders. Obwohl man ihr deutlich ansieht, welchen Kummer sie haben muss, tut das ihrer Schönheit keinen Abbruch. Ich frage mich des öfteren, ob ich der einzige Mensch bin, der so von ihr denkt. Müssten die Anderen nicht ein anderes Gesicht sehen als ich, um zu sagen, sie wäre nichts Besonderes?
Seufzend schaffe ich es, mich von ihr loszureißen, lehne mich zurück, lasse den Blick durch den Raum schweifen... Obwohl das Licht dieses Frühlings warm und lieb durch das Fenster hinter uns scheint, obwohl draußen alles blüht, die Vögel zwitschern – Idylle eigentlich – kommt mir die Stube trist vor. Meine Bilder an den Wänden wirken trotz ihrer kräftigen Farben (zu denen ich mich stets Bemühen muss, weil Pessimist) blass und grau. Der Wein in ihrem Glas – er müsste rot sein, doch mir erscheint er schwarz, wie getrocknetes altes Blut. Der Parkettboden, der Tisch, die Couchmöbel – alles farb- und lustlos.
Ich sehe sie wieder an, rücke ran, will sie küssen. Sie gewährt mir, doch der Kuss gefriert auf ihren Lippen angesichts ihrer Kälte. Ich hätte auch die raue Fasertapete im Flur küssen können, die hätte eher darauf reagiert als Amy. Entsetzt stehe ich auf, will gehen und streiche im vorbeiziehen nochmals über ihr Haar, fahre zurück, umarme sie – nichts. Sie scheint nicht einmal mehr zu atmen, so ruhig ist sie.
„Amy!“, sage ich.
Ich zähle die Sekunden, stehe still und warte.
Es sind dreizehn. „Hm?“, macht sie. Eigentlich kann sie so was. Ich gerate jedes mal in Verzückung, wenn sie mich anblickt und es macht. Doch der niedlich-neckische Unterton fehlt diesmal, sie klingt nur müde, abwesend.
„Was ist nur los mit dir?“ Dann gehe ich.

Auf dem Weg in die Küche begegne ich der Katze.
„Hallo, du.“
Augenblicklich geht sie mir schnurrend ums Bein und ich nehme sie, halte sie vor mich – unsere Blicke treffen sich. Ich drücke sie wieder an mich. „Du bist noch normal.“, wispere ich ihr zu, sie schnurrt zurück.
Den Weg in die Küche wird sie getragen, einer Königin gleich. Doch viel unköniglicher setzt sie sich hin und wartet, während ich die Dose öffne. Jules, unsere erste Katze (ein Kater), hätte jetzt schon vor Ungeduld in das sich öffnende Metall gebissen. Manchmal denke ich, dass diese Art der Ruhe daher kommt, dass wir ihr nie einen Namen gegeben haben, ich weiß auch nicht, wie ich darauf komme. „Here you go, sweetheart!“ Sie schlingt auch nicht, so wie die meisten Katzen. Sie ist ebenso etwas ganz Besonderes wie meine Amy, wobei sie nie Depressionen oder so was hat.
Ich überlege, was ich eigentlich machen wollte – Mittag, ja richtig! Tomatencremesuppe klingt wahrscheinlich ziemlich abgedroschen, so ein Standartgericht: Tüte raus, ab in den Topf, fertig. Aber Amy mag sie und sie schmeckt ja auch nicht schlecht. Ich bin heilfroh, dass Amy zumindest noch isst. – Nicht viel, aber das tut sie auch sonst nie.
Unter den kritischen Blicken der Katze füge ich noch etwas Creme Fraiche und Basilikum hinzu.
Ich spähe um die Ecke zum Wohnzimmer. „Hast du Hunger?“ Zum ersten mal seit Stunden schaut sie mich richtig an, lächelt schwach und nickt. „Ja“ Es ist nur ein Flüstern, aber sie scheint jetzt etwas gefasster. „Ja, klar.“ Ein Licht am Ende des Tunnels. Sie steht auf und schleicht auf mich zu. „C’mon, little girl.” Jetzt lächelt sie wirklich und ich atme innerlich auf. Sie ist vorerst drüber weg. „Halt mich fest...“, flüstert sie. Ich komme dem Wunsch nach und spüre, wie sich auch ihre Atmung normalisiert. Die Wärme kehrt zurück und eng umschlungen bewegen wir uns in Richtung Tisch, wo das Essen steht. „Hm, lecker...“ Da ist er wieder, dieser Ton...
Nur die Katze beobachtet uns argwöhnisch, als wir unsere Suppe schlürfen und aus dem
Uns-Gegenseitig-Angrinsen gar nicht mehr herauskommen.

 

Verdammtnochmal wieso schreibt niemand was hierzu. Die Geschichte ist toll und klasse erzählt! Was will man mehr? ridcully, du weißt ja, dass mir dies gefiel.

 

Weiß garnicht, ob du mir zu der 'n Feedback gegeben hattest?
Die Tatsache, das keiner was schreibt könnte darin begründet sein,
dass die, die sie gerade lesen, krampfhaft nach Kritik suchen und deshalb
ein wenig Zeit brauchen...
Oder es liest keiner.
Oder es antwortet keiner.
Oder so.

Nebenbei... schleimst du etwa, Scharker?

 

WAS? Wier kommst denn da drauf. Ich und schleimen? Wir vertragen uns überhaupt nicht. Nee, geht nicht. Aber die geschichte ist doch gut. Oder siehst du das anders?

 

Öhm, für sowas gibts Chats bzw. PMs. Bitte konzentriert euch auf die Geschichte.

 

hallo !
ich überlege jetzt schon die ganze zeit.
deine geschichte hat was. eine richtige handlung kann ich nicht endecken. du zeichnest ein bild. vielleicht habe ich auch einige punkte nur nicht verstanden.
ich schildere dir mal meinen eindruck beim lesen, vielleicht kannst du mir dann weiterhelfen...
also erst dachte ich dieses schweigen von ihr...er dringt nicht zu ihr durch.. es ist das ende einer beziehung... dann schilderst du, also der prot (nicht amy) wie trostlos das zimmer ist...ich denke SIE ist depressiv? okay, ich denke mir, vielleicht ist ihm das zimmer ohne ihr lachen trostlos.
sein weg in die küche..hmm..okay.. spannung...
dann ihr erstes wort und minuten danach sofort lachen?
ich hatte schon depressionen. eigentlich lösen sie sich nicht so schnell.
was mich verwirrt ist, dass ER das zimmer grau in grau sieht... und ein bischen handlung. bisher ist es eine szene..eine filmsequenz, die ich sehe.
ich überlege nun die ganze zeit, ich kann dir nicht mal sagen, was ich anders machen würde. ich finde es ist ein schwieriges thema und du hast die hilflosigkeit eines menschen beschrieben, der nicht depressiv ist, daneben steht und nicht zu demjenigen durchkommt, seine worte nicht wahrgenommen werden, die hast du sehr gut gezeichnet. ratlosigkeit. nicht wissen, was in dem anderen gerade abgeht.
nur trostlosigkeit ist es meistens nicht, es ist vor allen dingen die sinnlosigkeit von allem, die in depressionen den gedanken raum geben. das leben ist sinnlos...ist typisch zum beispiel.
ja, ein bisschen wirr, mein kommentar, ein bisschen durcheinander, vielleicht kannst du trotzdem etwas für dich herausziehen, was dir weiter hilft.
trotzdem, wie ich eingangs sagte, sie hat was, diese szene. du verstehst es, den leser zu führen und in spannung zu versetzen.
kompliment!

liebe grüße
teccla

 

Hi Ridcully,

deine Geschichte hat mir sehr, sehr gefallen. Im Gegensatz zu Teccla bin ich der Meinung, dass es sich hier schon um eine Kurzgeschichte handelt.
Obwohl du die Gefühle für Amy so intensiv beschreibst, wirkte die Geschichte an keiner Stelle kitschig und das ist ja oft schwierig.
Dein Prot. scheint schon Erfahrungen mit Depressionen zu haben. Soweit ich es richtig verstanden habe, war ja auch seine Schwester davon betroffen.
Ich sehe darin so etwas wie ein Muster - dass es oft so ist, dass man Beziehungen und Partnerschaften eingeht, die etwas wiederholen, dass man bereits erlebt hat. Weißt du, was ich meine?
Ich kann mir vorstellen, dass es sehr schwierig ist, mit einem Menschen zu leben, der an Depressionen leidet. Dein Prot. scheint ja an mancher Stelle auch sehr verzweifelt zu sein. Schön, dass er Amy trotzdem nicht aufgibt und sich bemüht, sie aus der Dunkelheit heraus zu holen.
Am Ende war ich richtig froh, dass er es diesmal geschafft hat.

LG
Bella

 

Hallo ridcully!

Dein Protagonist scheint sich nicht gut auszukennen, drum tappt er so hilflos herum. - So, und nur so gelesen, gefällt mir Deine Geschichte.
Als Bild einer Depressiven ist es mir zu oberflächlich und nichtssagend.

„Was ist nur los mit dir?“ Dann gehe ich.
Wirkt irgendwie nicht so recht ehrlich interessiert. :susp: So wirkt er in der ganzen Geschichte auf mich.

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Danke, dass ihr euch für meine Geschichte Zeit genommen habt!

@teccla: im Prinzip ist die Frage, warum ER alles grau in grau sieht damit beantwortet, dass Amy ihn mit ihrer depressiven Art ein bisschen mit hinein zieht in jenes Graue....

teccla schrieb:
ich hatte schon depressionen. eigentlich lösen sie sich nicht so schnell.
Kenn ich. Okay mag sein, dass ich am Ende etwas schnell war. Vielleicht wäre es besser, es eher als so ein Auffackern zu umschreiben... (wie eine Kerze im Flur, die
kurz vom Windstoß der sich öffnenden Wohnungstür flackert...)

...ok. Dankeschön an alle :)

 

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