Anders
Herbst.
Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür geht auf. Sie quietscht nicht, sie wurde sorgfältig geölt. Der Schlüsselbund wird an den Haken gehängt, der Mantel weggehängt, der Spiegel gemieden.
Das Fenster ist jetzt offen, die Wohnung darf wieder atmen. Die Gardinen bleiben zu, die Heizung wird höher gestellt. Der Duft von frischgebrühtem Kaffee strömt durch den Raum, dringt jedoch nicht in jede Ecke. Der Anrufbeantworter zeigt eine rote 0 an, der Fernseher ist auf stumm geschaltet.
Mit Erleichterung setzt er sich hin, trinkt seinen Kaffee, von dem er später einschlafen wird. Die Katze kommt verschlafen aus dem Nebenzimmer, streckt sich, springt ihm auf den Schoß. Beide schauen sich eine Fernsehsendung an - vielleicht eine Dokumentarsendung, vielleicht auch nicht - und verfallen in den Halbschlaf.
Die Katze springt dann runter, geht in die Küche, um etwas Milch zu trinken.
Er macht widerwillig die Augen auf, schaut auf die Uhr, und entscheidet, dass es jetzt vernünftig wäre, ins Bett zu gehen. Er muss morgen früh raus. Er kämpft noch ein paar Minuten mit sich, erwägt die Vor- und Nachteile. Dann geht er.
Das Licht geht aus, die Geräusche der Straße können jetzt deutlicher vernommen werden. Er hört sie jedoch nicht, er achtet nicht auf sowas. Bald muss er wieder ein neues Projekt präsentieren. Er fragt sich, warum.
Die Katze tapst nachts auf dem Holzboden auf sein Bett zu; das Sofa ist ohne seine Wärme weniger ansprechend. Er hört sie; er hat einen leichten Schlaf und ihre Krallen sind zu lang.
Er dreht sich im Bett um und bleibt so, bis der Wecker viel zu schnell wieder klingelt. Er hasst das Geräusch.
Frühling.
Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür geht mit einem leichten Quietschen auf. Die hebt den Kopf, sieht ihn, und kommt angerannt. Er tut den Schlüsselbund achtlos auf die Kommode und streichelt die Katze, krault die hinter den Ohren. Ein Sonnenstrahl fällt durch das Fenster auf die Holzdielen und beleuchtet den sanft wirbelnden Staub in der Luft. Die Wohnung riecht nach blühenden Gräsern. Er zieht sich um, gießt die Pflanzen, die tagsüber viel Licht abbekommen. Man hört leise Musik duch das Fenster hineinschweben, klassische vielleicht.
Er summt vor sich hin, nicht auf die andere Melodie achtend. Er sieht, dass das Obst schon reif ist, und beschließt, einen Obstsalat zu machen. Er hat sowas noch nie gemacht, schaut nach und findet ein Rezept. Die Katze umstreicht seine Beine, bis er ihr eine neue Portion Milch hinstellt. Man hört das leise Schlappern einer zufriedenen Katze.
Der Obstsalat ist jetzt fertig, die Obststücke konkav und nicht proportional, ein wenig zu viel Rosinen. Er sieht ihn zweifelnd an, stellt ihn dann in den Kühlschrank.
Dann setzt er sich auf das Sofa, schaut sich einen Bildband über ein fernes Land an. Alle paar Minuten schaut er aus dem Fenster. Er freut sich, dass die Sonne jetzt länger scheint. Er wartet.
Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Er tut den Bildband schnell zurück unter den Glastisch, ein wenig schief, so dass er auf den Teppich rutscht. Er merkt es nicht, ist im Geiste bereits woanders.
Sie ist jetzt da.