Angst
Die Luft war dick und schier greifbar von der Spannung die in ihr lag. Die Tür öffnete sich und der Freiherr trat in den großen Saal ein in dem er von seinen Höflingen schon erwartet wurde.
Sein Gesichtsausdruck ließ von seiner Entscheidung nichts preisgeben, nur die faltige Stirn verriet das er lange über das was er entschieden hat nachdachte.
Ohne Umschweife lief er zu seinem Thron und setzte sich nieder. Die Nervosität unter den Anwesenden wurde immer unerträglicher, der Freiherr sah den Koch an und begann zu sprechen: „Zwei Möglichkeiten sollen dir gegeben werden,“ die Anwesenden hielten den Atem an, aus Angst ihren Herrn noch mehr zu verzürnen und aus Angst die Entscheidung könnte dadurch schlimmer ausfallen, „entweder du verlässt mein Schloss oder schickst deine Tochter zu den Nonnen“. Das blanke Entsetzen überzog die Gesichter der Anwesenden. Der Koch, der Vater der Angeklagten, spürte wie sein Herz zersprang, er sollte seine einzigste Tochter fort schicken oder mit seiner kompletten Familie das Schloss verlassen. Er fühlte sich hin und her gerissen, was sollte er tun? Hatte er doch noch drei Söhne und musste er sie doch ernähren... Hass baute sich in ihm auf, Hass gegen seine Tochter, dass sie eine solch unvernünftige Tat begann, aber auch Hass gegen seinen Herren, der ihm eine solch unmögliche Forderung stellte.
Nicht nur dieses Herz zersprang, auch das Herz des Jünglings Wilhelm. Fast schon hörbar war es zerfallen. Eines übertönte plötzlich auch dies noch, ein Aufschrei der Verzweiflung: „Wie Vater? Wie kannst du mir das antun? Hassen tu ich dich und Hassen werd ich dich bis ins Grab!“ Dann rannte er davon ohne seinem Vater auch nur die Chance zu geben, ihm zu kontern, zu recht zu weisen.
Er rannte. Er rannte wie er sein Leben lang noch nicht gerannt war, noch wusste er nicht wo hin, doch als er diese sanfte ihm so vertraute Stimme hinter sich rufen hörte, blieb er stehen und drehte sich um.
Ja sie war es. Elisabeth, sie war ihm als bald gefolgt als er aus dem großen Saal gerannt war, denn sie wusste das es das letzte mal sein würde das sie ihn in die ihre Arme schließen würde. Sie wusste auch dass ihr Vater sie in das Kloster schicken würde, denn er hatte nicht die Wahl wie der Freiherr gesagt hatte.
Angst krampfte sich in ihrem Magen zusammen bei dem Gedanken mit einem Schlag alle zu verlieren die ihr lieb und teuer waren und das Gefühl mit ihrem Liebsten nicht all die schönen Dinge der Welt teilen zu können, ohne ihn erleben zu müssen, erfüllte ihr Herz mit größter Traurigkeit.
Als sie ihn endlich erreicht hatte, schloss er sie kurz aber fest in seine Arme. Nun rannten sie gemeinsam, und sie wussten wohin sie rennen sollten, sie wollten zu ihrer Lichtung, dort wo sie sich immer heimlich getroffen hatten, fernab von allen denen die ihnen verboten hatten mehr als Freunde zu sein.
Als die zwei die Sicherheit spürten, dass ihnen niemand bis hier her gefolgt war, setzen sie ihre müden Körper unter der Trauerweide nieder. Mit Tränen getränkten Augen schauten sie sich an. Ein langer zärtlicher Kuss bestätigte wie so oft ihre Liebe zu einander und das Bewustsein, ohne einander nicht mehr leben zu können oder jemals jemand anderes so sehr zu lieben. Auf ihren letzten Kuss folgte der Schwur den sie sich vor langer Zeit gegeben hatten. Sie wollten lieber sterben als ohne einander leben zu müssen.
So nahm Wilhelm seinen Hass zu seinem Vater und seine liebe zu Elisabeth mit ins Grab und Elisabeth verlor mit einem Schlag all jene die sie liebte.