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Animalisches für eine Neukölnerin

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23.09.2008
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Animalisches für eine Neukölnerin

Ich weiß ja nicht, wie Sie am Wochenende das Eintüten und Bezahlen Ihres Einkaufs an der Supermarktkasse erledigen, aber ich handhabe das immer so:

Nachdem ich mich schiebend Zentimeter für Zentimeter vorgearbeitet habe, quetsche ich mich in Höhe des Laufbands flugs am Einkaufswagen vorbei, um an dessen Kopfende die von mir favorisierte Ware aufs Band zu legen.
Schwere Teile zuerst, Getränke und Gefriergut, gefolgt von Lebensmitteln, die einen leichten Druck vertragen. Dazwischen stapele ich Reinigungs- und Pflegemittel und das Schlusslicht bildet meist das frische Gemüse mitsamt Backwaren, sowie das quetschempfindliche Obst und die Eier.
Wenn ich das alles zu meiner Zufriedenheit erledigt habe, natürlich nicht, ohne mich zu vergewissern, dass der Trennungsstab für meinen Nachfolger richtig platziert ist, habe ich noch genügend Zeit mich ein wenig umzusehen. Genauso, wie heute.

Mit einem kurzen Blick auf das Laufband registriere ich, dass der Kunde vor mir ein Mann sein muss.
Entschuldigung, aber es kann gar nicht anders sein, denn vor meiner ordentlich sortierten Beute drängt sich ein bunt durcheinander gewürfelter Haufen darum, endlich gescant und eingetütet zu werden.
Ein derartiges Gewusel ist zweifelsohne völlig untypisch für Frauen und mein erweiterter Blick auf einen kräftigen Männerrücken bestätigt meinen Verdacht. Groß und breit steht er vor mir, ganz so, als wolle er sagen, „Stopp! Das ist mein Territorium! Kommen Sie mir ja nicht zu nahe!“
Um mich seiner körperlichen Warnung nicht zu widersetzen, bleibe ich abrupt stehen.
Beinahe entschlüpft mir ein, „is` ja schon gut, mach ich ja nich`“, als meinem empfindlichen Riechorgan auffällt, dass ein eigentümlicher Duft von diesem Rücken ausgeht. Hm, was ist das nur für ein Geruch? Irgendwie kommt er mir bekannt vor ...

Einem spontanen Bauchgefühl folgend will ich zurückweichen, doch aus Platzmangel gelingt es mir nicht. Es sei denn, ich gehe das Risiko ein und quetsche mich, unter Protestlauten der Nachfolgenden, auf meinen Ausgangspunkt zurück. Da ich aber keinen Unmut erzeugen will, füge ich mich mit teilweise angehaltenem Atem meinem Schicksal und bleibe gezwungenermaßen stehen. Somit muss ich wohl oder übel meiner Nase diese „Vordermann-Duftfahne“ zumuten.

Aus den Yoga-Übungen kenne ich einige Entspannungs-Atemtechniken, die ich nun anzuwenden versuche. Ich konzentriere mich und schließe für einen kurzen Moment die Augen, doch der Geruch holt mich immer wieder ein. Hm, eigentlich ist er ja gar nicht so übel. Oh nein, ganz und gar nicht übel! Nahezu - lecker!

Nun kennt ja ein jeder, der schon einmal in einer Schlange anstand, zur Genüge das Gemisch aus abgestandenem und frischem Schweiß, gepaart mit diversen Parfümkreationen, die sowohl aus den exklusivsten Parfümerien, als auch aus dem Supermarktregal stammen. Da jagt Jil Sander den Hugo Boss, sowie der Mann, der den Schwanz auf dem Rücken trägt - wie heißt er doch gleich? Ach ja, der Karl Lagerfeld den Wolfgang Joop; ganz abgesehen von den Billigdeodorantien, die Sinnlichkeit und Leidenschaft versprechen ...

Doch dieser Duft ist anders. Ganz anders.
Meine flachen Atemzüge in tiefe verwandelnd nehme ich Witterung auf und gönne meiner Nase eine gehörige Portion Testosteron. Und jetzt, jetzt trifft sie mich unmittelbar: Ahhh, was für eine Sinnesexplosion!

Ich schnuppere begehrlich. Irgendwie riecht mein Vordermann - animalisch. Ja, zweifelsfrei animalisch! Pure, unverfälschte Männlichkeit hat sich auf diesem Rücken zusammengeballt und ich spüre, wie mein Herz zu klopfen beginnt und mich dieser Duft förmlich zu übermannen droht.
Himmel, wenn mich jetzt meine Freundinnen sehen könnten! Als „chronisch untervögelt“ würden sie mich nicht bezeichnen, da sie wissen, dass ich durchaus Frau genug bin für ein ausgeglichenes Sexualleben zu sorgen. Doch an meinen erweiterten Pupillen und den geblähten Nüstern würden sie erkennen, wie sehr ich auf dieses unbeabsichtigt gesendete Männlichkeitssignal reagiere.
Meine anfängliche Gegenwehr missachtend drängt es meine Nase fortwährend in seine Rückenpartie.
Und ich? Ich kann einfach gar nichts dagegen tun!
Bin gleichermaßen fasziniert, als auch völlig "gaga" und mein nach vorn geneigter Oberkörper touchiert fast den seinen, nur, damit ich mehr davon erhaschen kann. Überdies bin ich, da ich mir meines merkwürdigen Verhaltens bewusst werde, echt peinlich berührt, doch meine Nasenflügel beben und der Inhalt meines Unterkörpers spielt nahezu verrückt.
So, genauso muss es gewesen sein, sich angefühlt haben, als unsere Ur-Ur-Urahninnen in den Höhlen auf ihre männliche Sippschaft lauerte, die zur Jagd in freier Wildbahn unterwegs war. Dabei war es völlig unerheblich wie deren Beute aussah; vom Hunger mal ganz abgesehen. Gleichgültig, ob Mammut oder Gnu, lediglich die Sehnsucht zählte…
Genauso wie jetzt, denn seine durcheinander gewürfelte Beute auf dem Laufband ist mir in diesem Augenblick völlig schnurzegal!

War es vorher ja auch, doch nun verlieren meine anfänglichen Befürchtungen - geboren aus negativen Dufterfahrungen - komplett an nachhaltiger Wirkung. Unkritisch neige ich mich weiter nach vorn und spüre instinktiv, dass es sich um ein Alphamännchen handeln muss – so, wie der riecht!

Meine Nase in Höhe seiner Achseln verharrend stelle ich mir gerade vor, wie ich mit meiner Zunge sanft in deren Vertiefung hineinfahre, um anschließend zärtlich hineinzubeißen, als ich die monotone Stimme der Kassiererin vernehme.
„83 Euro und 27 Cent, bitte. Haben Sie eine Paybackkarte... Sammeln Sie unsere Treuepunkte...“

„Nee“, höre ich meinen Vordermann brummen, der nun einen Schritt nach vorn tut, während ich mit vorgedrängter Nase die Balance verliere, zu stolpern beginne und ihm dabei leicht in die Hacken trete.
„Sorry“, entschuldige ich errötend meinen Fauxpas und versuche mich gleichzeitig zu sammeln und zur Ordnung zu rufen.
Just in diesem Moment dreht er sich um.
Ich starre in sein Gesicht.
Normalerweise weiß ich mich zu benehmen und starre so gut wie nie. Doch jetzt kann ich nicht anders.
Während er seinen Mund öffnet und der Kassiererin ausführlicher antwortet, entdecke ich eine Reihe unregelmäßiger, gelber Zähne, aus denen es herauszischt:
„Hören Se mahl! Isch sammel weder Dreuebunktä, noch hän isch ne Päibäckkahrte. Wat soll isch met däm Driss, hä?!“ Anschließend blickt er sich beifallheischend um und beginnt laut und schallend zu lachen.
Fasziniert glotze ich ihn an. Sein Lachen wird, ganz abgesehen von seinem Kölschdialekt, auch noch von einem röchelnden Husten begleitet, der rasselnd aus den Tiefen seiner Kehle an die Oberfläche dringt und nun in einem nahezu ohrenbetäubenden Crescendo endet.

Irritiert wende ich mich ab. Ich schlucke.
Okay. Alphamännchen hin- oder her. Animalischer Duft? Adé! Das reicht.

Ich befinde mich in Köln. In diesem herrlichen, wunderbaren, leichten Köln! Und ich muss mich wohl daran gewöhnen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt.

Und wissen Sie was? Ich werde es schaffen!

 

Lustig

Hallo,

Mein spontaner Eindruck: die Geschichte fand ich lustig und gut geschrieben. Macht gute Laune und Lust auf mehr!

Grüsse,
leo

 

Hallo Sua Sponte,
nett geschrieben. Du hast Talent. Ein kleiner Hinweis sei mir gestattet: Ein Lachen kann nicht rachitisch sein. Rachitis hat nix mit dem Rachen zu tun, sondern ist eine Mangelerkrankung der Knochen im Kindesalter.
LG - SuSo

 
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Hallo Leo,
danke für Dein positives feedback :) Es motiviert mich, mehr in dieser Richtung zu liefern.

Danke SuSo, guter Hinweis! ;) Ich bin selbst immer wieder über diesen Satz gestolpert und habe ihn aufgrund Deiner Anregung verändert.

 

hallo sua,

Sehr gut geschrieben, und stellenweise wirklich witzig. Die verstreuten Gedankengänge der Prot. finde ich echt und auch wie sie sie beschreibt. Hat mir gut gefallen!

mfg,

JuJu

 

Bin selbst Kölner und kann diese Geschichte wunderbar nachvollziehen.Die kölsche Mentalität neigt dazu beifallsheischend zu sein.Die Situation am Schluss an der Kasse erlebt man hier ab und zu.Toll beschrieben

 
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Hallo JuJu,
es freut mich zu lesen, dass Du die Empfindungen der Prot. witzig findest! ;)


Hallo Achim Seer,
also habe ich es als Imigrantin ganz richtig empfunden. Danke für Deine Bestätigung und das Lob!
Des Öfteren ist es für mich als Neukölnerin nicht so ganz einfach die Kölner zu verstehen, (damit meine ich jetzt nicht den Dialekt), aber ich wurschtele mich irgendwie schon so durch und bin zuversichtlich, es eines Tages zu schaffen! :thumbsup:

 

Hallo Sua,
eine locker geschriebene Geschichte, die nur an manchen Stellen ein bisschen zu dick aufträgt, ich meine die Hugo Boss Passage. Ansonsten gerne gelesen. LG,
Jutta

 

Hallo Sua Sponte,

die Geschichte finde ich klasse!

Die Handlung ist so richtig aus dem Leben gegriffen! Ich glaube, die meisten Leser können das gut nachvollziehen, da man an der Kasse im Supermarkt oft kuriose Situationen beobachten kann oder selbst erlebt!

Außerdem finde ich deine Ausdrucksweise sehr gelungen.

Grüße

Glückskäfer

 
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Das ist eine dieser kolumnenartigen Situationsbetrachtungen, wie sie auch in vielen Frauenzeitschriften zu finden sind. Witzigerweise ist das Denkschema, das zu diesem Frauenblickwinkel führt, unglaublich vorhersehbar, als würden ganze Legionen von Frauen das Leben exakt so betrachten. Ungefähr vergleichbar mit der Vorstellung, Männer hätten nur Autos, Bier und Sport im Kopf.

Da haben wir also eine dynamische, selbstbewusste, humorvolle und blitzgescheite Frau im besten Alter, die in ihren Text - der selbstverständlich äußerst lässig und augenzwinkernd rüberkommt - im Alltag einen erotischen Moment aufspürt, der dann (hihi) doch nur ein Trugschluss ist, weil schlechte Zähne und ein Kölner Dialekt nicht als sexy empfunden werden (dazu kommt, dass die Wahrscheinlichkeit, der Kölner könnte schwul sein, natürlich auch nicht gerade gering ist). Ich möchte wetten, da steckt jede Menge Selbsterlebtes in dieser Story!

Und eine Supermarktkasse eignete sich bestens für solche Geschichten. Ich steh da auch immer in der Schlange und denk nur ans Ficken.

Okay, besonders originell finde ich diese KG nicht, bin aber auch eindeutig nicht die Zielgruppe (ich agiere im Supermarkt im übrigen viel strategischer als die meisten Frauen - konnte mich also mit dem Männerbild in der KG auch nicht identifizieren *g*).

Geschrieben ist der Text grundsätzlich gut, wobei ich mich nicht wirklich des Gefühls erwehren kann, dass sich alle Frauen, die solche Geschichten schreiben, grundsätzlich auf einen bestimmten Stil geeinigt haben. Wie auf einen Code. Und deswegen lesen sich viele Texte in dieser Richtung so, als wären sie eigentlich von ein und derselben Frau geschrieben worden. Ich lass mich da aber gern eines Besseren belehren, denn natürlich bin ich in der Frauenliteratur nicht wirklich zuhause. Nur kommt es mir vor, als wäre dieser schnoddrig-coole Grundton ziemlich abgenutzt.

Auf mich wirken Konzeption und Effekt der Geschichte jedenfalls so, als würde man im Supermarkt eine Tüte Gummibärchen mit Kreditkarte bezahlen.

Hab ich noch was vergessen? Ja: Herzlichen willkommen auf kg.de und viel Spaß weiterhin.

Rick

 
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Hach, bin ich froh darueber, was Rick da schreibt. Immer wenn viele eine Geschichte witzig finden, die mich nur langweilt, denke ich, dass mit mir was falsch ist. Auch ich finde diesen Erzaehlton naemlich sehr abgegriffen und es strengt mich an, wenn aus jeder doofen Alltagssituation Komik gewrungen wird. Wenn der Text den Leser auch noch direkt anspricht, um sich auf schleimige Art mit ihm gemein zu machen, ist bei mir sowieso alles vorbei. Das passt alles ganz wunderbar in die Abteilung "freche Frauen" in der Buchhandlung, die ich meide wie die Pest.

Ich weiss, dass das sehr hart klingt und den Einzeltext nicht die ganze Schuld trifft. Aber bei mir trifft sowas einen wunden Punkt, weil ich immer Angst habe, dass jemand tatsaechlich denken koennte, das sei "Frauenliteratur".

Es tut mir leid.
feirefiz

 

Hallo Rick und feirefez,

möchte Euch hiermit gemeinschaftlich ansprechen, denn da ich von Euch gemeinschaftlich den Stempel der angeblich "kolumneschreibenden, frechen Frauenliteratur" aufgedrückt bekommen habe, erübrigen sich einzelne Stellungnahmen.

Was mir zu Euren Kommentaren einfällt?
Nur das:
Schublade auf - Sua Sponte rein - und zu.

Macht ja nichts. Irren ist menschlich.

Nette Grüße
Sua Sponte

 

Hallo Sua,

ich glaub hier liegt eine Verwechslung vor. Rick und ich haben, irrig oder auch nicht, nicht Dir sondern dem Text diesen Stempel aufgedrueckt.
Dass Dein Talent sich darauf nicht beschraenkt, kannst Du ja mit Deinem naechsten Text zeigen. Mich wuerd's freuen.

lg
feirefiz

 
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Hallo feirefiz,

danke für Deine weitere Rückmeldung.
Anderer Text? Schon längst passiert.
Texte mit anderen Klangfarben findest Du von mir in der Rubrik Gesellschaft und Satire.
Dennoch dankeschön dafür, dass Du Deine Kritik nochmal näher erläutert hast.

Gruß, Sua Sponte

 

Hallo Sua Sponte.

was du sonst noch schreibst, hat für die Beurteilung dieser Geschichte keine Relevanz, da zunächst jeder Text für sich allein sprechen muss und auch nur in diesem Sinne beurteilt werden kann.

Ich habe DICH zweifellos nicht in eine Schublade gesteckt. Warum sollte ich? Ich kenne dich überhaupt nicht. Ich beurteile lediglich (d)einen Text und schreibe dazu meine ehrliche Meinung. Mehr nicht.

Rick

 
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Hallo Rick,

ich stimme Dir zu. Jeder Text muss und kann nur für sich allein sprechen.

Sei unbesorgt, ich fühlte mich durch Deine Worte nicht gekränkt oder ähnliches. Ich war nur ein wenig erstaunt, doch dazu unten mehr.
Mir ist es vor allen Dingen wichtig, Spaß am Schreiben zu haben und meine Beobachtungen und Assoziationen aus dem Alltag einfließen zu lassen. Und das waren nun mal die, die ich beschrieb. Nun gut, der Stil muss nicht jedermanns Sache sein. Völlig in Ordnung.

Dennoch hast Du mich in Deiner ersten Kritik in erster Linie mindestens 3x als Frau angesprochen - und erst in zweiter meinen Text.
Deshalb sei es mir im Nachhinein gestattet, dass ich in adäquater Form reagierte.

Trotzdem danke für Deine zusätzliche Erläuterung und die Mühe, die Du Dir nochmal gemacht hast.

Gruß von
Sua Sponte

 

So, alle Off Topic Streitereien gelöscht.

 

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