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Anna und die kleine Feder

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30.12.2001
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Anna und die kleine Feder

Ich zählte laut mit: die Kirchenglocke schlug zwölf Mal.
Jetzt reichte es mir, wieder mal fand ich keinen Schlaf. Ich rückte mein Kopfkissen zurecht und drückte meinen Kopf hinein. Augen zu, langsam einatmen - langsam ausatmen, dann wird es schon. Doch der Schlaf wollte nicht kommen.
Diese Nacht wollte ich mich nicht wieder hin und herwälzen. Diesmal würde ich die Zeit besser nutzen. Ich stand auf, zog mir meinen Bademantel über, ging in meine kleine Küche und kochte Kaffee.

Eigentlich idiotisch, wie soll ich nach Coffeingenuss einschlafen können? Egal.
Ich setzte mich ans Fenster, nippte an dem Kaffee und sah hinaus in die Nacht.
Leere Straßen, sonst nichts. Wie immer gab es nichts zu sehen. Und da oben am Himmel:
nur dreckige, grauschwarze Wolken. Gibt es etwas trostloseres als leere Straßen? Ja, eine schlaflose, kaffeesüchtige Frau. Ich lachte still in mich hinein. Verrückt, ja, vielleicht.
Ich löschte das Licht, öffnete das Fenster und setzte mich mit angewinkelten Beinen auf die Fensterbank. Im Glas spiegelte sich das Licht einer Straßenlaterne und mein Gesicht.
Wieso funkelt da was auf meiner Stirn, dachte ich. Meine Hand fuhr unbewußt darüber, aber da war nichts. Vielleicht spiegelte sich von irgendwoher ein kleiner Lichtstrahl darauf. Ich zuckte mit den Schultern und starrte wieder auf den dunklen Asphalt.
Plötzlich fühlte ich einen warmen Flusenhauch auf meiner Stirn. Ihgitt, hoffentlich keine Spinne, ich wischte mit einer schnellen Handbewegung nach diesem Etwas und hielt - ich traute meinen Augen kaum - eine kleine goldschimmernde Feder in der Hand. Das müssen Kaffeehalluzinationen sein. Ich sprang auf und patschte meine Finger auf den Lichtschalter um mir diese Feder genauer anzusehen. Tatsächlich, es war wirklich eine kleine Feder.

"Wo kommst du denn her?" fragte ich erstaunt.
"Was glaubst du denn wo ich herkomme?" antwortete die Feder mit einer leisen, sanften Stimme.
Ich ließ sie vor Schreck los, doch anstatt einfach nach unten zu segeln, schwebte sie vor meinen Augen. "Gehst du immer so mit deinen Gästen um?"
"Was? Wie bitte? Wer bist du eigentlich?!" mein Mund fühlte sich taub an, ich stand kurz vor einer Ohnmacht.
"Ach ja, du kennst uns ja nicht. Ich vergesse es immer wieder, wenn ich Ungläubige besuche."
"Ungläubige? Was meinst du damit?" Nur die Ruhe, schön locker bleiben. Ich suchte Halt an der Wand und befahl meinen Gummibeinen gerade stehen zu bleiben.
"Ungläubige, das sind Menschen ohne Phantasie. Ohne Phantasie geht die Welt unter. Verstehst du das?"
"Pah! Weltuntergang. So ein Unsinn!" Mir ging es schon viel besser.
"Ohne Phantasie ist die Welt leer, eine einzige leere Straße!"
"Tagsüber ist die Straße nicht leer, im Gegenteil. Viel zu viele Autos und diese Abgase und außerdem....", ich wurde trotzig, "...außerdem kannst du nicht echt sein!"
"Herrje, ich denke du bist ein schwieriger Fall. Ich hatte es schon im Gefühl als ich dich sah."
"Ich will dir mal was sagen, du komische Feder. Ich wette an dir ist irgendwo ein Faden angebracht oder du wirst ferngesteuert - von diesem frechen Jungen, der mit seinen Eltern über mir wohnt." Meine Hände fuhren durch die Luft.
"Heh, paß auf. Ich bin noch nicht unverwundbar, das bin ich erst wenn ich erwachsen bin!" empörte sich die Feder und schwebte bis zur Küchendecke.
"Oh, eine Feder die noch in den Windeln steckt." Bei der Vorstellung mußte ich lachen.
"Du scheinst doch nicht so ein schwieriger Fall zu sein, wie ich zuerst dachte." Die Feder schien mich anzugrinsen.
"Das war nur ein Witz und hat nichts mit Phantasie zu tun! Außerdem heisst das noch lange nicht, daß ich an deine Existenz glaube. Ich sehe eine Feder. Ja, gut. Es gibt viele Federn, warum dann nicht auch eine, die an meiner Küchendecke klebt. Aber du bist auf keinen Fall magisch oder sowas!"
Ich war mir meiner Sache sehr sicher.
"Ach ja? Und weshalb kann ich dann das hier?" Die Feder schwebte langsam auf mich zu.
"Vielleicht ist hier Durchzug und der Wind hat dich heruntergepustet."
"Und weshalb kann ich sprechen?"
Ich dachte angestrengt nach.
Es mußte eine logische Erklärung für eine sprechende Feder geben. Vielleicht sollte ich sie mir mal ganz genau anschauen.
"Darf ich dich nochmal anfassen? Ich bin auch ganz vorsichtig."
"Versprichst du es?"
"Ja, versprochen!" Ich öffnete meine Hand und die Feder legte sich sanft hinein. Sie kitzelte auf meiner Haut. Ich nahm sie vorsichtig zwischen 2 Fingern und hielt sie nah vor meinen Augen. Eindeutig eine ganz normale Feder, nur daß sie goldfarben schimmerte. Da war kein Mund, kein Gehirn - es war unmöglich daß ich hier weit nach Mitternacht in der Küche sitze und mich mit einer Feder unterhalte.
Ich zwickte mich. "Aua! Ich bin ja doch wach!"
"Du glaubst es immer noch nicht, nicht wahr?"
"Ich komme in die Klapsmühle, wenn ich irgendjemandem davon erzählen würde."
"Anna, hör mir mal zu: du glaubst nicht an Dinge die du nicht siehst und du glaubst nicht an Dinge die du siehst. Sag mir - woran glaubst du eigentlich?"
Meine Gedanken drehten sich wie in einer Achterbahn. Die Feder wusste sogar meinen Namen, sie konnte sprechen und womöglich auch ... aber daran wollte ich nicht denken.
"Ich glaube an das, was ich sehe." sagte ich und wußte, es klang nicht sehr überzeugend.
"Du glaubst nun an mich?"
"Jetzt warte mal, nicht so schnell. Vielleicht ist es doch nur ein Traum. Ich muß wissen ob ich wach bin, wenn du dann noch da bist, will ich gern an deine Existenz glauben. Aber Magie? Nein!
Das müsstest du mir anders beweisen!"
"Anna, dann schau her!" die kleine Feder stellte sich auf ihre Spitze, murmelte ein paar Wörter und verwandelte sich in einen Kugelschreiber.
Ich blinzelte verwundert.
Dann nahm ich den goldenen Kuli, setzte mich an meinen Schreibtisch und nahm mir ein leeres Blatt Papier. Das war alles so verrückt, ich konnte nicht anders - und schlafen erst recht nicht. Ich schrieb:
Anna und die kleine Feder.....

[Beitrag editiert von: Alessandra am 03.01.2002 um 13:45]

 

Morschen ...

Eine hübsche kleine Geschichte. Wäre auch was für das Kinderforum - das ist jetzt keine Abwertung - Kinder akzeptieren das eher. So eine schwebende Feder. Ist ja auch schwierig dran zu glauben, selbst wenn man es sehen würde. Mir ist sie leider noch nicht begegnet.

Heiko

 

Hallo Alessandra,

eine locker heruntergeschriebene Geschichte. Sie haut einen nicht vom Hocker, aber sie ist ganz nett. Auch der Zirkelschluss ist nett.

Allerdings ist das "locker heruntergeschrieben" auch das Manko dieser Geschichte. Der Autor hat den Text einer intensiveren Überarbeitung offensichtlich nicht für Wert befunden. Deshalb: Als Amateurwerk ganz nett, als ernsthafter Schreibversuch aber verbesserungsfähig.

Klaus

 

Hallo Klaus,

ich danke dir für deine Kritik.

Du hast mich ertappt, ich hatte sie tatsächlich relativ schnell heruntergeschrieben (nicht aus Faulheit). Aber "überarbeitet" hatte ich sie - indem ich auf Orthographie und auf "Lese-Holprigkeiten" achtete und einiges gekürzt hatte.

Könntest du mir netterweise ein Beispiel geben, wie ich so eine Geschichte verbessern kann? Liegt es am Schreibstil? Zu wenig Details?

Lieber Gruß
Alessandra

PS: Ich habe mich im Forum angemeldet, weil ich mich ernsthaft verbessern will. Mir ist bewußt, daß ich noch viel lernen muß.
Deshalb bitte ich um gnadenlose, fundierte Kritik!

 

Hallo Heiko,

ich danke auch dir für deinen Kommentar.

Ich war mir tatsächlich unsicher, ob die Geschichte nicht besser in der Rubrik "Kinder" aufgehoben wäre - weiß der Teufel - wieso ich mich dann für "Märchen" entschied.

Lieber Gruß
Alessandra

 

Hallo Alessandra,

ich pick mir mal die Sache raus, die mich bei einer Reihe von Geschichten hier in diesem Forum stört: Die mangelnde Refklektion der Autoren über die Bedeutung der Sätze und Wörter.

Im folgenden ein paar Beispiel. Sie sind zum Teil äußerst pingelig und übertrieben , machen aber hoffentlich deutlich, was ich meine.

Ich rückte mein Kopfkissen zurecht und drückte energisch meinen Kopf hinein. Augen zu, langsam einatmen - langsam ausatmen, dann wird es schon. Doch der Schlaf wollte nicht kommen.

Entweder liegt sie auf dem Rücken. Dann ist "energisch drücken" eine aktive, verkrampfte Handlung, die mit Sicherheit nicht zum Schlaf führt. Oder sie liegt auf dem Bauch oder der Seite. Dann versucht sie vermutlich, sich selbst zu ersticken.

Ich zog die Bettdecke über mein Gesicht, doch auch das half nichts.

Es ist klar, was du meinst, aber ... der Satz schafft einen direkten, kausalen Zusammenhang zwischen "Bettdecke über den Kopf ziehen" und "einschlafen". Dieser Zusammenhang existiert jedoch nicht.

... kochte Kaffee ... nippte an der heissen Brühe

Brühe ist in diesem Gebrauch ein negativ belegter Begriff. Stellt sich die Frage, weshalb die Protagonistin mitten in der Nacht aufsteht, um sich etwas zu kochen, was sie nicht mag. Masochistin?

Wie immer gab es nichts zu sehen. Auch da oben am Himmel: nichts. Nur dreckige, grauschwarze Wolken.

Das heißt: Wolken sind Nichts.

Ich löschte das Licht und setzte mich mit angewinkelten Beinen auf die Fensterbank. Im Glas spiegelte sich das Licht einer Straßenlaterne und mein Gesicht.

Das Spiegeln funktioniert nur, wenn das Fenster geöffnet ist. Davon war aber bisher nicht die Rede.


<lach> Gnadenlos und fundiert genug?

Nebenbei: Du kannst deinen Blick für diese Stellen schärfen, indem du selbst die Geschichten anderer kritisierst.

Klaus

 

Danke für deine Mühe Klaus.
Fundiert ja, gnadenlos....noch nicht. *lach*

Betr. "Beispiele": das "Schlimme" ist, daß ich manchmal diese Fehler bei anderen sehe, leider fast nie bei mir.
Aber ich weiß nun was du meinst und werde verstärkt darauf achten. (Gedankenblase: wie gut, daß ich hier erstmal nur einfache Geschichten reingesetzt habe.)

Betr. "andere kritisieren": Ich habe da noch Hemmungen;....wenn man weiß, daß man es nicht
besser kann - wie kann man dann andere kritisieren?

Alessandra

 

Hallo Alessandra,

das "Schlimme" ist, daß ich manchmal diese Fehler bei anderen sehe, leider fast nie bei mir.

Das wird dich jetzt nicht trösten, aber diesen Tunnelblick wirst du vermutlich nie ganz loswerden. Eigene Erfahrung ... :(

wenn man weiß, daß man es nicht besser kann - wie kann man dann andere kritisieren?

Unwichtig. Denk auch mal ein wenig egoistisch. Wenn du einen Text liest, wirst du zu einem Gesamturteil kommen "gefällt mir", "gefällt mir nicht". Versuche dann herauszufinden, welche Worte, welche Sätze warum für deine Einschätzung verantwortlich sind. Formuliere das Ergebnis deines Nachdenkens und schon hast du eine Kritik. Und: du hast vielleicht etwas gelernt, das du bei deinen eigenen Geschichten berücksichtigen kannst.

Klaus

 

Hallo Klaus,

Das wird dich jetzt nicht trösten, aber diesen Tunnelblick wirst du vermutlich nie ganz loswerden. Eigene Erfahrung...
Doch, das tröstet mich.


Wenn du einen Text liest, wirst du zu einem Gesamturteil kommen "gefällt mir", "gefällt mir nicht". Versuche dann...

Stimmt, bisher habe ich nur aus dem Bauch heraus entschieden - ob mir ein Text gefällt oder nicht. Werde nun analytischer an die Sache herangehen und habe mir schon seeeeehr vieles hier im Forum durchgelesen. Problemchen ist, daß mich das in dem Moment für mein eigenes Schreiben noch unsicherer macht - Ergebnis: ich habe viele Kurzgeschichten die ich seit Tagen ändere, umschreibe, kürze oder ausbaue, wieder verwerfe (obwohl ich meine Ideen gut finde), evtl. lösche und neu schreibe. Aber ich sehe es mal positiv; kann ja nur davon lernen :-)

Gruß
Alessandra

[Beitrag editiert von: Alessandra am 02.01.2002 um 14:23]

 

Hallo Alessandra,

vielleicht hilft dir das:

"Concus avec volupté, menés á terme avec fatigue, enfantés avec douleur. (Gezeugt mit Wollust, ausgetragen in Müdigkeit, geboren unter Schmerzen.)" - Beaumarchais (übers Bücherschreiben)

Klaus

 

Wie wahr, obwohl ich noch auf "ausgetragen in blinder Müdigkeit" erweitern würde.

Natürlich hilft mir das. Danke!

Alessandra

[Beitrag editiert von: Alessandra am 02.01.2002 um 22:55]

 

Die Geschichte beweist allen ungläubigen das Dinge auch existieren, wenn wir sie uns ausdenken können. Eine Geschichte wie Fantasie beim schreiben mit uns spielt.

StarScratcher bist du nicht froh, dass es Geschichten mit kleinen Mankos gibt? Nur dadurch entfaltet sich beim Lesen unsere Vorstellungskraft und wir können für neue Geschichten daraus lernen.

MfG Benny

 

Hallo Benjamin P,

StarScratcher bist du nicht froh, dass es Geschichten mit kleinen Mankos gibt?

Klar. Gäb's die nicht, hätte ich nichts zu meckern - äh: kritisieren, mein ich.

Du wirst dich jetzt vielleicht wundern, aber: ich beneide Alessandra. Ihr Text ist locker heruntergeschrieben. - Und das ist etwas, was ich nicht kann. Wenn sie es jetzt noch schafft, sich von ihrem Text so weit zu lösen, dass sie ihn "herunterbrechen" kann auf eine saubere stilistische Ebene, dann werden wir, denke ich, noch viel Gutes von ihr zu lesen bekommen.,

Klaus
(der hin und wieder durchaus ehrlich sein kann)

 

Hallo Benny,

danke für deinen Kommentar.

Eine Geschichte wie Fantasie beim schreiben mit uns spielt.
Schön gesagt. :-)


Hallo Klaus,

Klar. Gäb's die nicht, hätte ich nichts zu meckern - äh: kritisieren, mein ich.
Ich bin froh über Meckerer, äh: Kritiker.
:-)
Du wirst dich jetzt vielleicht wundern, aber: ich beneide Alessandra. Ihr Text ist locker heruntergeschrieben. - Und das ist etwas, was ich nicht kann.
Dann müßte ich mich manchmal selbst beneiden. Das klappt nicht bei jedem Text. Je komplexer das Drumherum - umso länger brauche ich dafür. Ich habe hier Texte, deren Inhalt ich genau vor Augen habe, leider liegen sie seit Monaten herum, weil ich sie nicht "packen" kann, weil ich es "richtig" machen will.

Wenn sie es jetzt noch schafft, sich von ihrem Text so weit zu lösen, dass sie ihn "herunterbrechen" kann auf eine saubere stilistische Ebene...
Ja, diese Ebene suche ich, bzw. versuche sie zu lernen. Meinst du damit, ich soll nach dem Herunterschreiben eines Textes - den Inhalt vergessen und nur die Buchstaben/Wörter sehen? Diese dann in entsprechende Sätze packen? Wie ein Maler, der ein Postkartenmotiv abmalt, indem er die Karte in Quadrate teilt und nur diese Quadratfragmente Strich für Strich auf die Leinwand überträgt?
Sätze malen? Oder meinst du auch, mit den Satzelementen "spielen"...sie hin und her schieben? Hm....probiere ich gleich mal aus.

Nochmals: vielen Dank für Eure Kommentare.

Gruß
Alessandra

 

Ich weiß - die Geschichte wird langweilig, wenn man sie so oft lesen muß. Aber jetzt mußte ich doch experimentieren.

Ist diese Version nun besser? Ist sie nun zu "flapsig" geschrieben?
Wäre nett, wenn noch jemand was dazu sagen könnte, damit ich weiß - ob ich ungefähr auf dem richtigen Weg bin.

Anna und die kleine Feder

Eintausendachthundert - eintausenachthundertundeins - ... Ich zählte Schafe.
Natürlich ist das eine saublöde Methode, den Schlaf anlocken zu wollen. Aber was besseres fiel mir nicht ein. Seit Wochen geht das nun jede Nacht so:
die Kirchenglocke weckt mich pünktlich um Mitternacht und ab da kann ich einfach nicht mehr einschlafen. Dabei habe ich schon alles versucht, Lesen, Spazierengehen, Kreuzworträtsel lösen, Stricken, ja sogar Schattenboxen.
Naja, ich gebe zu, daß ich auch mit dem Gedanken gespielt habe, die Kirchenglocke in die Luft zu jagen.

Und nun war ich dabei, meinen Rekord von letzter Woche
- eintausendachthundertunddrei Schafe - zu brechen. "Schluß jetzt!", rief ich und schob die blökende Herde mit meiner Bettdecke zur Seite.

Auf dem Weg zur Küche überlegte ich mir eine neue Taktik. Wie wäre es mit Großmutters Hausmittelchen; Kräutertee, Macki Hühnerbrühe, oder .... ach ja, Milch mit Honig soll auch helfen. Ich verzog mein Gesicht. Erinnert mich an
Wadenwickel und Zwieback. Vielleicht was Stärkeres? Eine Flasche Eierlikör steht noch unbenutzt im Schrank (wer hat mir die eigentlich geschenkt?).
Dann lieber gleich zwei oder drei Gläschen Wein trinken?
Sicher, und anschließend steppe ich barfuss durchs Treppenhaus und rufe "Pyjamaparty!".
Schlafentzug macht mutig: ich mischte einfach alles zusammen und kippte es in einen Topf. Ich legte all meine Hoffnung dazu und rührte um. Pfui Deibel, wenn das Zeug so schmeckt wie es riecht, rufe ich schon mal den Notarzt an. Stattdessen kippte ich es in die Spüle und öffnete das Fenster.

Frustriert setzte ich mich auf die Fensterbank und starrte hinaus in die Nacht. Ich seufzte kurz, weil mich die leere Straße angähnte. Verdammt ungerecht, murrte ich. Aber da ich kein Jammerlappen bin ... - apropos Lappen;
ich könnte das Fenster putzen. Ich untersuchte das Glas, fand es aber nicht besonders schmutzig. Erleichtert betrachtete ich mein Spiegelbild: wieso funkelt da was auf meiner Stirn? Meine Hand fuhr unbewußt darüber, aber da war nichts. Ich zuckte mit den Schultern und starrte wieder hinaus auf die leere Straße.

Plötzlich fühlte ich einen warmen Flusenhauch auf meiner Stirn. Ihgitt, hoffentlich keine Spinne, ich wischte mit einer schnellen Handbewegung nach diesem Etwas und hielt - ich traute meinen Augen kaum - eine kleine goldschimmernde Feder in der Hand.

"Wo kommst du denn her?" rutschte es aus mir heraus.

"Was glaubst du denn wo ich herkomme?" fragte eine Singsang-Stimme.

Ich ließ die Feder vor Schreck los, doch anstatt einfach nach unten zu segeln, schwebte sie vor meinen Augen. "Gehst du immer so mit deinen Gästen um?"

"Was? Wie bitte? Wer bist du eigentlich?!"
Ich hatte Mühe zu sprechen, meine Lippen fühlten sich taub an. Ich stand kurz vor einer Ohnmacht.

"Ach ja, du kennst uns ja nicht. Ich vergesse es immer wieder, wenn ich Ungläubige besuche."

"Ungläubige? Was meinst du damit?" Nur die Ruhe, schön locker bleiben.
Ich suchte Halt an der Wand und befahl meinen Gummibeinen gerade stehen zu bleiben.

"Ungläubige, das sind Menschen ohne Phantasie. Ohne Phantasie geht die Welt unter. Verstehst du das?"

"Pah! Weltuntergang. So ein Unsinn!"
Mir ging es schon viel besser.

"Ohne Phantasie ist die Welt leer, eine einzige leere Straße!"

"Tagsüber ist die Straße nicht leer, im Gegenteil. Viel zu viele Autos und diese Abgase und außerdem....", ich wurde trotzig,
"...außerdem kannst du nicht echt sein!"

"Herrje, ich denke du bist ein schwieriger Fall. Ich hatte es schon im Gefühl als ich dich sah."

"Ich will dir mal was sagen, du komische Feder. Ich wette an dir ist irgendwo
ein Faden angebracht oder du wirst ferngesteuert - von diesem frechen Jungen, der mit seinen Eltern über mir wohnt."
Meine Hände fuhren durch die Luft.

"Heh, paß auf. Ich bin noch nicht unverwundbar, das bin ich erst wenn ich erwachsen bin!"
empörte sich die Feder und schwebte bis zur Küchendecke.

"Ahja, eine Feder die noch in den Windeln steckt."
Klar, sicher. Ich sehe schon den neuesten Pampers-Werbespot vor mir.

"Du scheinst doch nicht so ein schwieriger Fall zu sein, wie ich zuerst dachte!"

"Das war nur ein Witz und hat nichts mit Phantasie zu tun! Außerdem heisst das noch lange nicht, daß ich an deine Existenz glaube. Ich sehe eine Feder. Ja, gut. Es gibt viele Federn, warum dann nicht auch eine, die an meiner Küchendecke klebt. Aber du bist auf keinen Fall magisch oder sowas!" erklärte ich.

"Ach ja? Und weshalb kann ich dann das hier?" Die Feder schwebte langsam auf mich zu.

"Das war bestimmt der Wind!"

"Und weshalb kann ich sprechen?"

Ich dachte nach.
Es mußte eine logische Erklärung für eine sprechende Feder geben.
Vielleicht sollte ich sie mir mal ganz genau anschauen.
"Darf ich dich nochmal anfassen? Ich bin auch ganz vorsichtig."

"Versprichst du es?"

"Ja, versprochen!"

Ich öffnete meine Hand und die Feder legte sich sanft hinein.
Sie kitzelte auf meiner Haut. Ich nahm sie vorsichtig zwischen 2 Fingern und hielt sie nah vor meinen Augen: eindeutig eine ganz normale Feder, nur daß sie goldfarben schimmerte. Da war kein Mund, kein Gehirn - es war einfach unmöglich, daß ich mich mit einer Feder unterhalte.

Ich zwickte mich. "Aua! Ich bin ja doch wach!"

"Du glaubst es immer noch nicht, nicht wahr?"

"Ich komme in die Klapsmühle, wenn ich irgendjemandem davon erzählen würde."

"Anna, hör mir mal zu! Du glaubst nicht an Dinge die du nicht siehst und du glaubst nicht an Dinge die du siehst. Sag mir - woran glaubst du eigentlich?"

Meine Gedanken drehten sich wie in einer Achterbahn. Die Feder wusste meinen Namen, sie konnte sprechen und womöglich auch .... aber daran wollte ich nicht denken.

"Ich glaube an das, was ich sehe." sagte ich und wußte, es klang nicht sehr überzeugend.

"Du glaubst nun an mich?"

"Jetzt warte mal, nicht so schnell.
Vielleicht ist es doch nur ein Traum. Ich muß wissen ob ich wach bin. Wenn du dann noch da bist, will ich gern an deine Existenz glauben. Aber Magie? Nein. Das müsstest du mir anders beweisen!"

"Anna, dann schau her!" befahl die Feder. Sie stellte sich auf ihre Spitze, murmelte ein paar Wörter und verwandelte sich in einen Kugelschreiber.

Ich blinzelte verwundert. Dann nahm ich den goldenen Kuli, setzte mich an meinen Schreibtisch und nahm mir ein leeres Blatt Papier.
Das war alles so verrückt, ich konnte nicht anders - und schlafen erst recht nicht.

Ich schrieb:
Anna und die kleine Feder.....

[Beitrag editiert von: Alessandra am 05.01.2002 um 18:08]

 

Hallo Alessandra,

deine neue Version ist in meinen Augen eine - entschuldige - Verschlimmbesserung. Da mich das etwas geärgert hat und ich deine Geschichte grundsätzlich mag, habe ich sie mal StarScratcher-mäßig überarbeitet. Folgende Arbeitsschritte habe ich vorgenommen:

- Ersetzen der Ich-Form durch 3. Person Sing.
- Stauchung des Textes auf das Wesentliche
-"Herunterbrechen" der Nicht-Dialogsätze auf Subjekt-Prädikat-Objekt-Sätze, Entfernung von Füllwörtern, Prüfen von Konjungtionen, Wortwiederholungen, ...
- Umwandlung der SPO-Sätze in stilistische gefälligere Sätze (wenn möglich und sinnvoll)
- Überprüfung der Dialoge
- Überprüfung des Inhalts auf erwähnte und dann vergessene Details (Kaffeetasse!)
- Übersendung des Textes an einen Bekannten zwecks Gegenlesen (er hat den Text übrigens verrissen ;)
- Berücksichtigung der Kritik, soweit es mir richtig erschien

Das Ergebnis sieht so aus:

Bitte beachte: Meine Version ist anders, aber allein deshalb nicht besser! Und es ist mit Sciherheit nicht die Version, die deinem Stil entspricht!

Anna und die kleine Feder

Anna fand wieder einmal keinen Schlaf. Sie schüttelte das Kopfkissen auf, legte es sorgfältig zurecht und bettete ihren Kopf darauf. Sie schloss die Augen und entspannte sich. Langsam atmete sie ein und aus. Doch der Schlaf kam nicht. Sie zog die Bettdecke über ihr Gesicht und versuchte es erneut.

Mit einem kleinen Seufzer gab sie schließlich auf. Sie erhob sich, schlüpfte in den Bademantel und tapste in die Küche. Sie kochte sich einen Kaffee. Den Gedanken, dass ihr Lieblingsgetränk etwas mit ihren Einschlafschwierigkeiten zu tun haben könnte, verdrängte sie vorsichtshalber. Sie trug den heißen Becher in das Arbeitszimmer. Am halb geöffneten Fenster blieb sie stehen, pustete, nippte und sah hinaus in die Nacht.

Die Straßen waren leer. Der Laternen waren gelöscht, die Fenster der Häuser bis auf wenige Ausnahmen dunkel. Grauschwarze Wolken verdeckten den Mond.

Ein Funkeln schwebte an Anna vorbei. Sie griff danach. Es war eine kleine Feder.

"Wo kommst du denn her?", fragte Anna.

"Was glaubst du?", antwortete die Feder.

Anna ließ sie vor Schreck los. Die Feder stieg hoch vor ihre Augen.

"Gehst du immer so mit deinen Gästen um?", spöttelte sie.

"Was?" machte Anna. Sie weigerte mich sich ganz entschieden, eine sprechende Feder als real anzuerkennen. Einen Koffeinrausch hielt sie für viel wahrscheinlicher.

"Ach ja", seufzte die Feder, "du kennst uns ja nicht. Das vergesse ich immer wieder, wenn ich Ungläubige besuche."

"Ungläubige?", wiederholte Anna. Sie lehnte sich zurück und suchte Halt an der Wand.

"Menschen ohne Fantasie", erläuterte die Feder. "Ohne Fantasie geht die Welt unter. Verstehst du das?"

"Weltuntergang - so ein Unsinn!", entfuhr es der Frau.

"Ohne Fantasie ist die Welt leer", sagte die Feder bestimmt, "leer wie eine Straße in der Nacht."

"Tagsüber ist die Straße nicht leer", erwiderte Anna trotzig. "Im Gegenteil! Viel zu viele Autos und diese Abgase und außerdem ..." Sie machte eine Kunstpause und setzte triumphierend hinzu: "Und außerdem kannst du nicht echt sein!"

"Herrje", stöhnte die Feder, "ich sehe schon, du bist ein schwieriger Fall!"

"Ich will dir mal was sagen, du komische Feder", sagte Anna. "Ich wette, an dir ist irgendwo ein Faden angebracht oder du wirst ferngesteuert." Ihre freie Hand fuchtelte durch die Luft.

"He! Pass auf! Ich bin noch nicht unverwundbar!", empörte sich die Feder. "Das bin ich erst, wenn ich erwachsen bin!" Sie schwebte bis zur Zimmerdecke.

"Eine Feder, die noch in den Windeln steckt?" Anna prustete in ihren Kaffee.

"Du scheinst doch nicht so ein schwieriger Fall zu sein, wie ich zuerst dachte."

"Das war nur ein Witz", berichtigte Anna. "Das hat nichts mit Fantasie zu tun. Außerdem heißt das noch lange nicht, dass ich an deine Existenz glaube. Ich sehe eine Feder. Ja, gut. Es gibt viele Federn, warum nicht auch eine, die an meiner Decke klebt?"

"Ach ja? Und weshalb kann ich dann das hier?" Sie schwebte auf die Frau zu.

"Durchzug! Der Wind hat dich herunter gepustet!"

"Und weshalb kann ich sprechen?"

Das kleine Ding gab einfach nicht auf. Anna dachte nach. Es musste eine logische Erklärung für eine sprechende Feder geben.

"Darf ich dich anfassen? Ich bin auch ganz vorsichtig."

"Versprichst du es?"

"Ja, versprochen!" Anna streckte die Handfläche aus und die Feder schwebte hinein. Sie kitzelte auf der Haut. Anna stellte den Becher auf den Tisch. Vorsichtig fasste sie die Feder mit zwei Fingern und hielt sie nah vor ihre Augen. Es war eine ganz normale Feder, nur dass sie goldfarben schimmerte.

Anna zuckte mit den Schultern, legte die Feder zurück und zwickte sich. "Au!", machte sie.

"Du glaubst es immer noch nicht, hm?", fragte die Feder.

"Ich komme in die Klapsmühle, wenn ich irgend jemandem davon erzähle", murrte Anna.

"Anna", mahnte die Feder, "du glaubst nicht an Dinge, die du siehst, und du glaubst nicht an Dinge, die du nicht siehst. Sag mir - woran glaubst du?"

"Ich glaube an das, was ich sehe", antwortete Anna zögernd.

"Dann glaubst du also doch an mich?"

"Warte mal, nicht so schnell. Vielleicht ist es nur ein verrückter Traum. Beweis du mir, dass du echt bist!"

"Gut", stimmte die Feder zu. "Schau her!" Sie murmelte ein paar unverständliche Wörter und verwandelte sich in einen Kugelschreiber.

Anna blinzelte.

Dann nahm sie den goldenen Kugelschreiber, setzte sich an den Schreibtisch und griff nach einem leeren Blatt Papier.

Sie schrieb eine Geschichte, die mit den Worten begann: "Anna und die kleine Feder".


Klaus

[Beitrag editiert von: StarScratcher am 06.01.2002 um 12:24]

 

Hallo Klaus,

du meine Güte hast du dir eine Arbeit gemacht - vielen Dank!

Verschlimmbesserung: ja, du hast Recht. Ich hatte auch kein gutes Gefühl dabei.

Gestern schrieb ich noch eine Version in der 3. Person Sing. und hatte sie dann wieder verworfen. Ich war dann völlig durcheinander.

Aber jetzt sehe ich (vorher - nachher) was du meinst und werde deine Arbeitsschritte beherzigen.
Ich hab` sie mir an die Pinnwand genagelt. :-)

Nochmals vielen Dank!

Gruß
Alessandra

 

So viel Arbeit war es gar nicht. Zum einen ist es eine reine Übungssache, zum anderen genügte es ja, eine bereits vorhandene Vorlage einfach nur zu überarbeiten.

Aber ich warne dich: Die nächste Geschichte, die du bringst, wird von mir gnadenlos verrissen.

Klaus

 

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