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Anna

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28.05.2005
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Anna

Es dämmerte bereits, als sie endlich Göhren sehen konnte. Ihre Beine waren so müde und schwer, dass sie schon Angst hatte sie würden ihr ihren Dienst verweigern und ihr Hintern war vollkommen gefühllos, als wäre zwischen Oberkörper und Beinen die Verbindung unterbrochen. Am gestrigen Abend war sie per Zug in Berlin losgefahren. Ihre Reise hatte sie heute am frühen Morgen in Stralsund fortgesetzt.

Angefangen hatte alles mit dieser dummen Wette. Mitten in der Nacht, beseelt von mehreren Gläsern Portwein, hatte Anna in ihrer Lieblingskneipe die Theorie vertreten, dass die Energieprobleme der Welt vor allem durch zuviel Bequemlichkeit entstanden und sich dies relativ leicht abstellen ließe, wenn nur jeder das Problem wichtig nehmen, erkennen und sein Verhalten entsprechend verändern würde. Sie hatte sich in Rage geredet…

Es war der Vorabend zu ihrem ersten Urlaub seit zwei Jahren. Den sie gemeinsam mit Ben auf der Insel Rügen verbringen wollte. Als sie mit strahlenden Augen vor ihm stand um gemeinsame Ausflüge zu planen, gestand er ihr, dass ihm in letzter Minute etwas dazwischen gekommen war. „Etwas dringendes berufliches“, wie er sich gern ausdrückte, „er wolle am Wochenende nachkommen und dann alles wieder gut machen.“ Sie war wütend und frustriert.

Ihren Ärger vertrieb sie am Erfolgreichsten damit, dass sie sich ablenkte. Also hatte sie sich lange in die Badewanne gelegt, all ihre Freunde angerufen und sich zu einem Abschiedsdrink in ihrer Lieblingsbar verabredet. Es war ein sehr ausgelassener und schöner Abend gewesen, bis Ben viel zu spät auftauchte. Ihr Zorn flammte erneut heftig auf und sie fing an die Taktfrequenz ihres Portwein-Konsums bedenklich zu erhöhen. Dann begann diese Energiedebatte, die schließlich damit endete, dass sie vor ihrem versammelten Freundeskreis versprach, sie würde ein Zeichen setzen und per Zug und Fahrrad von Berlin nach Rügen reisen!

Als sie am nächsten Mittag aufwachte, konnte sie sich nur noch dunkel an den vergangenen Abend erinnern. Sie versuchte ihren Kopf zu heben um wach zu werden. Mit einem Stöhnen sank sie wieder zurück in das Kissen. Nein, zunächst war sie viel zu sehr damit beschäftigt zu überleben, als über den vergangenen Abend nachzudenken. Es dauerte allerdings nicht lange bis der Erste anrief, um sie an ihren Schwur zu erinnern. Die dritte Anruferin war ihre Freundin. „Du kannst keinen Rückzieher machen“, sagte ihre Freundin eindringlich, als sie ihr Zögern wahrnahm. Anna ächzte bei dem Gedanken, Gepäck für eine Woche auf dem Fahrrad zu transportieren, war aber zunächst nicht in der Lage sich noch weitere Schwierigkeiten auszumalen. Dafür funktionierte ihr Geist viel zu träge. Sie schlief weitere zwei Stunden und als sie etwas klarer wurde stand eines fest: Ein Rückzieher kam nicht in Frage! Sie würde sich nicht vor Ben und ihrem gesamten Freundeskreis lächerlich machen. Ben würde eine derartige Reise niemals unternehmen. Allein deswegen würde sie es tun. Sie wollte etwas Trennendes schaffen!

Bis zum Abend waren ihre Lebensgeister immerhin soweit geweckt, dass sie ihren kleinen Rucksack gepackt und mit ihrem Fahrrad einen Zug nach Stralsund bestiegen hatte. Dort wohnte eine Bekannte die sie freundlicherweise für eine Nacht aufnahm und ihr noch einen bemitleidenswerten Blick hinterherschickte, als sie um sechs in der Früh auf ihr Fahrrad stieg und mit dem Ziel Göhren auf der Insel Rügen losfuhr.

Vom Stralsunder Marktplatz bis zum Rügendamm, der einzigen festen Verbindung zwischen Insel und Festland, waren es nur einige Kilometer. Dennoch merkte sie bereits jetzt an der Schwere in ihren Oberschenkeln, dass die letzte Lebensphase mit regelmäßiger Bewegung, mindestens zwei Jahre zurückliegen musste. Entmutigt fuhr sie über den Ziegelgraben, einer 28 m langen Klappbrücke, die zur Gewährleistung der Schifffahrt gehoben und gesenkt werden kann. Über der Brücke hing ein blaues Schild mit der Aufschrift „Willkommen auf der Insel Rügen“. Anna lächelte als wäre die Begrüßung nur für sie aufgehängt worden. Ab der alten Festungsinsel Dänholm schließt sich die 540 m lange Sundbrücke an. Ingesamt waren es 2540 m die Anna überwand und in beide Richtungen bot sich ein fantastischer Ausblick. Sie blickte in den Himmel, das Wetter war traumhaft. Strahlender Sonnenschein leuchtete ihr entgegen. Sie überquerte auf der Sundbrücke den Strelasund, die Meerenge zwischen der Insel Rügen und dem Festland, dessen Wasser sich funkelnd und glitzernd vor der prachtvollen historischen Hafensilhouette von Stralsund ausdehnte. Das historische Stadtpanorama von Stralsund mit seinen barocken, gotischen und klassizistischen Häusern gehört zum Weltkulturerbe der Unesco. Anna hielt an. Sie lehnte ihre Ellenbogen auf die Brüstung der Brücke, hielt ihr Gesicht in die Sonne und genoss die Schönheit die sie umgab. Es dauerte lange bis sie sich von diesem Anblick lösen konnte und ihr bewusst wurde, dass ihr dieser Moment nur durch die Tatsache geschenkt worden war, dass sie per Fahrrad reiste. Anna empfand Mitleid für die Autofahrer, die nun immer zahlreicher über den Rügendamm fuhren. Keiner nahm sich die Zeit anzuhalten, um diesen Anblick zu genießen.

Ben hätte ihre Ergriffenheit über diesen ersten zarten Kontakt mit der Insel niemals verstanden. „Diese Gefühlsduselei wegen dem bisschen Wasser“ hätte er womöglich gesagt und sie gedrängt weiterzufahren. Er konnte mit Natur wenig anfangen. Nur Urbanität und Schnelligkeit kamen in seiner Welt vor. „Was verband sie eigentlich?“ fragte sie sich. Dieser Gedanke dämpfte ihre Euphorie. Mit grimmiger Mine trat sie in die Pedale und setzte ihren Weg fort.
Beide hatten sich nach dem Studium kennen gelernt und es schien, als hätten sie sich gegensätzlicher nicht entwickeln können. Ben lebte ganz für seine Karriere und stand ständig mit all seinen Kollegen im Wettstreit wer länger und härter arbeiten würde. Wenn er von seiner Firma sprach sagte er WIR, und am Mittag begrüßten er und seine Kollegen sich mit dem Wort Mahlzeit. Sie verabscheute diese Fixiertheit auf die Karriere ohne das sie hätte erklären können wieso. Wenn sie ihn in derartigen Situationen erlebte wurde ihr entweder sofort übel oder sie machte sich über ihn lustig. Dabei wurde ihnen beiden immer bewusster, dass dies keine Basis für eine Beziehung sein konnte.

Sie bog von der Hauptstrasse rechts Richtung Putbus ab. Sie wollte die deutsche Alleenstrasse entlangfahren. Die deutsche Alleenstrasse in Mecklenburg-Vorpommern ist 260 Kilometer lang und führt von Malchow über Grimmen und Stralsund, schließlich nach Putbus und weiter nach Sellin. Die alte Allee erweckte ein Gefühl durch lebende grüne Tunnel zu fahren. Die dicht stehenden Bäume schlucken so viel Tageslicht, dass die Autos selbst im Sommer das Licht anmachen müssen. Rechts und links leuchteten gelbe Rapsfelder und bildeten einen wunderschönen Kontrast zu den alten dunklen Bäumen die die Strasse säumten. Anna liebte Rügen. Inseln haben immer ein besonderes Flair, aber die Vielfalt die Rügen bietet hatte sie schon immer angezogen. Die Autos rasten gefährlich nahe an ihr vorbei, auch hier wieder diese Hast ohne einen Moment innezuhalten. Anna schüttelte verständnislos mit dem Kopf.

Die Strasse war zum Radfahren nicht geeignet. Sie musste sehr konzentriert fahren. Sie bewegte sich kraftvoll. Langsam gewöhnte sich ihr Körper an die gleichmäßige Belastung. Die Gedanken zogen an ihr vorbei, ohne dass sie einen festhielt. Die Stunden vergingen und die Sonne entwickelte immer mehr Kraft. Sie fuhr durch Gustow und Poseritz und kam schließlich nach Garz, der ältesten Stadt Rügens. Sie schmunzelte bei der Bezeichnung Stadt. Garz hatte eine prächtige alte Kirche, ein spätgotischer Backsteinbau aus dem 14. Jahrhundert, die sie jedoch nur von außen besichtigte. Anna spürte plötzlich heftigen Durst und entschied, dass sie etwas essen und trinken sollte, sonst würden die Kräfte bald nachlassen. Sie hielt an einem kleinen Supermarkt. Dort kaufte sie eine Flasche Wasser, etwas Brot und Käse. Sie fuhr aus dem Ort hinaus und suchte sich ein schattiges Plätzchen an einem Baum. Dort machte sie eine kleine Rast und aß. Als sie gegessen hatte lehnte sie sich an den Baum, schloss die Augen und nickte für einen kleinen Moment ein. Ein Geräusch lies sie aufschrecken und zunächst wusste sie nicht wo sie ist. Ihre Glieder waren durch die Rast müde geworden. Auf einmal fühlte sich einsam und sogleich ärgerte sie sich über diese Gefühle.

Anna wusste dass sie etwas ändern musste. Sie war nicht der Typ der Bens Karriere bejubeln und Samstagabend mit ihm in einer Cocktailbar sitzen und Kontakte pflegen würde. Sie empfand die Typen dort als lächerlich. An diesen Abenden vertrat sie automatisch die Gegenposition zu fast jedem Thema, nur um sich abzugrenzen. Sie war in diesen Momenten ebenso wenig sie selbst, als hätte sie ihnen in ihrer Selbstgefälligkeit zugejubelt. Es war grotesk und sie fühlte sich furchtbar leer nach solchen Abenden. Ben merkte nicht wie sehr sie gegen ihre Überzeugungen lebte. Er empfand sie als zickig, besonders deshalb weil er kein Interesse hatte sich Gedanken über die Ursachen ihres Verhaltens zu machen. Beleidigte sie einen seiner Geschäftspartner, tätschelte er beiläufig ihre Hand als wäre sie ein rebellischer Teenager dessen Rebellion eine Phase ist, die vorbeigehen würde.

Anna nahm ihre Rügen-Karte aus ihrem Rucksack, faltete sie auseinander und bestimmte ihre Position. Ein beträchtliches Stück Alleenstrasse lag noch zwischen ihr und Putbus. Sie freute sich auf die weiße Stadt, in der sie vor Jahren einmal einen wunderschönen Nachmittag mit ihrer Mutter verlebt hatte. Sollten sie ihre Kräfte verlassen würde sie einfach dort übernachten. Sie stieg auf ihr Fahrrad, machte sich an die nächste Etappe und hoffte, dass die Anstrengung ihre trüben Gedanken wieder vertreiben würden. Nach einer Dreiviertelstunde erreichte sie ganz atemlos Putbus. Anna hatte sich die ganze Zeit gefreut durch diesen Ort zu fahren, den sie ja bereits etwas kannte.

Putbus verdankt sein Stadtbild Fürst Malte I. Der gebildete und weitgereiste Landesherr hatte Putbus 1810 als sein Residenzstädtchen gegründet, und schuf in den Folgejahren in Putbus die letzte zusammenhängende klassizistische Stadtanlage Europas.

Kurz hinter dem Ortseingang liegt gleich zur Rechten der bekannte Schlosspark.
Anna parkte ihr Fahrrad auf dem Markt und ging in den Park hinein. Der Park war außerordentlich sehenswert. Ein ursprünglich im französischen Stil angelegtes Landschaftsdenkmal, welches später nach dem Vorbild englischer Landschaftsparks umgestaltet wurde. Die Bäume mussten teilweise 200 Jahre alt sein. Anna spazierte ein Stück. Sie bewunderte das Wildgehege mit Damwild und Rotwild und erfreute sich an der Möglichkeit so große und stolze Hirsche aus der Nähe betrachten zu können. Anna betrat die alte Schlosskirche und genoss die Kühle die drinnen herrschte. Im Innern der Kirche war eine kleine Ausstellung die die Geschichte der Stadt Putbus zusammenfasste. Ein prunkvolles Schloss war der ursprüngliche Mittelpunkt des Parks. Das Schloss war auf dem Grund einer erstmals um 1300 erwähnten Burganlage, als Sitz der Familie zu Putbus, über mehrere Epochen erbaut worden. Dieses großartige Gebäude brannte 1865 fast vollständig nieder und wurde in den Jahren 1867-1872 wieder aufgebaut. Unfassbarerweise ließ man das Schloss in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg vollständig verwahrlosen und begann 1957 mit dem Abriss, dessen letzte Reste 1964 gesprengt und abgetragen wurden. Heute erinnert nur noch die Steinmauer, die sich am Schwanenteich bis zur Höhe des Rasens erhebt an den einstigen prunkvollen Bau.

Anna schaute auf ihre Uhr und beschloss, sich in diesem Urlaub mehr Zeit für diese außergewöhnliche Stadt zu nehmen, und mehr über deren Geschichte in Erfahrung zu bringen. Jetzt wollte sie weiterfahren. Sie stieß leise Flüche aus, als sie den leichten Anstieg den die Strasse bis zum „Circus“ machte, bewältigte. Oben angekommen wurde sie sogleich mit dem Anblick des Circus belohnt, der ein wirkliches architektonisches Highlight war. Ein kreisrunder Platz gesäumt von 15 klassizistischen Gebäuden in dessen Mitte sich ein aus schlesischem Sandstein bestehender Obelisk befindet, auf den parkartig angelegte Alleen sternenförmig zulaufen. Der Obelisk trägt die Inschrift „Gründung des Ortes Putbus 1810 von Malte Fürst zu Putbus“ und „Errichtung dieses Denksteines 1845“.

Ein weiteres besonders schönes Detail begeisterte Anna an Putbus: die vielen blühenden Rosenbüsche. Vom „Circus“ fuhr Anna Richtung Bahnhof, um den rasenden Roland zu besichtigen. Der rasende Roland ist eine Schmalspurbahn, die 1895 auf der ersten Teilstrecke zwischen Binz und Putbus ihren Dienst aufgenommen hatte. Die Bahnanlage einschließlich ihrer fünf erhaltenen Lokomotiven und Wagen stehen unter Denkmalschutz. Für die Strecke von Putbus nach Göhren benötigt die Bahn 66 Minuten! Wie verführerisch, dachte Anna, nur 66 Minuten stillsitzen und sie wäre an ihrem Ziel. Sie könnte schummeln und keiner würde es je erfahren. Anna war in großer Versuchung. Ihre Fitness war mit der Strecke bis hierher bereits mehr als gefordert worden. Egal wie sehr sie in Versuchung war, sie fühlte sich schlecht bei dem Gedanken die anderen und sich zu betrügen. Aber sie machte es sich auch ungern schwerer als unbedingt notwendig. Anna quälte sich nicht gern. Aber sie ahnte bereits, dass es bei dieser Reise um mehr ging als um ihren Urlaub. Sie musste etwas verändern und vielleicht gehörte dazu auch, in Zukunft nicht immer den einfachen Weg zu gehen. Anna biss die Zähne zusammen und stieg auf ihr Fahrrad.

Vom Putbuser Bahnhof fuhr Anna Richtung Lauterbach. Ein freundlicher Herr hatte ihr die Strecke auf der Karte gezeigt und gesagt, dass sie etwa 2 Stunden bis Göhren fahren würde. In Lauterbach stieß Anna das letzte Mal auf Fürst Malte, der inspiriert vom Seebad in Heiligendamm, das erste Seebad Rügens anlegen ließ. Im Ort Lauterbach wurde ein Warmbad eingerichtet, in dem die damaligen Gäste in Badewannen aus Marmor das angewärmte Ostseewasser genossen. Das heutige Badehaus Goor wurde 1817 als Friedrich-Wilhelm-Bad im klassizistischen Stil errichtet. Leider war es eine einzige Baustelle als Anna vorbeifuhr.

Als sie am Ufer des Greifswalder Bodden ankam, bot sich ihr ein fantastischer Ausblick auf die Insel Vilm. Vilm galt in früher Zeit als heiliger Ort der Slawen, diente später als christlicher Wallfahrtsort und dann als fürstlicher Sommersitz. Schließlich wurden zwischen 1960 und 1990 die Regierungsgäste der DDR auf Vilm untergebracht. In dieser Zeit war die Insel „normalen“ Leuten nicht zugänglich. Heute ist das 94 ha große Gebiet eine der Kernzonen des Biosphärenreservats Rügen und beherbergt das Bundesamt für Naturschutz sowie die Internationale Naturschutzakademie. Bereits 1936 wurde der einzigartige Naturreichtum der kleinen Insel zum Naturschutzgebiet erklärt. Über Jahre hatte die Insel viele Künstler zu bedeutsamen Werken der Landschaftsmalerei inspiriert. Die Liebe der Künstler zu Vilm konnte Anna in diesem Moment gut nachvollziehen, selbst aus der Entfernung konnte man sich die Unberührtheit vorstellen. Der Bodden glitzerte in der Sonne. Der freundliche Herr hatte recht gehabt, als er ihr versprach, dass sie diesen Weg genießen würde.

Sie fuhr entlang der Stresower Bucht, folgte dann einem kleinen Weg der sie vom Wasser wegführte. Zwei Hügelgräber lagen auf ihrem Weg und zeugten von früh steinzeitlicher Besiedelung. Am Neuensiner See überquerte sie eine kleine Brücke und folgte dann dem Lauf des Sees an Seedorf vorbei zum Ufer der Having. Dem Uferweg folgte sie bis Moritzdorf und erreichte schließlich das Seebad Baabe. Anna durchquerte den Badeort bis sie am weißen Ostseestrand angelangt war. Sie lehnte ihr Fahrrad an die Holzhütte einer kleinen Surfschule und konnte dem glitzernden Wasser nicht länger widerstehen. Sie badete ausgiebig, tauchte ihren Kopf in das kühle Wasser, breitete die Arme aus wie ein toter Mann und legte sich anschließend noch für eine Stunde in die Abendsonne. Wer Anna ansah, sah das breite Strahlen eines Menschen der einen anstrengenden Weg hinter sich gebracht hat und nun unendlich stolz auf sich war. Wie intensiv sie diesen Tag empfunden hatte, dachte Anna, wie schön das Leben doch war.

Den Weg am Meer entlang, von Baabe bis zur Seebrücke in Göhren, schob Anna ihr Fahrrad während sie genüsslich an drei riesigen Kugeln Vanilleeis leckte. Ihr leichtes Gepäck schreckte sie nicht mehr. Was brauchte sie schon. Überraschend fiel ihr auf, wie lange sie schon nicht mehr an ihren Ärger über Ben gedacht hatte. Sie war sich sicher, dass sie die Erlebnisse dieses Tages mit ihm gemeinsam niemals gehabt und genossen hätte. Dieser eine Tag hatte Anna verändert, endlich fühlte sie sich wieder lebendig und endlich hatte sie für sich die Entscheidungen getroffen, denen sie viel zu lange ausgewichen war.

Als sie ihr Fahrrad in Göhren an der Seebrücke festmachte, lächelte Anna.

 

Hallo Aplomp,

und herzlich willkommen hier.
Leider übertreibst du es mit deinem Reisenbericht etwas. Zu sehr wolltest du uns alles wissenswerte auch wissen lassen und hast dabei nicht darauf geachtet, dass es dadurch etwas langweilig werden könnte. Vor allem aber verliert es dadurch an Authenzität von Annas Gefühlen, denn es erweckt den Eindruck, als verkopfte sie all ihre Eindrücke gleich in lexikonhafter Weise. Die Befreiung, die Faszination, die dieser Trip für sie bedeutete wird so zwar beschrieben aber nicht erlebt. Das ist ein bisschen schade, denn so fühle ich mich als Leser nicht ermutigt, diese Strecke einmal mit dem Rad zu fahren, auch wenn ich weiß, dass das Erleben von Landschaft viel intensiver ist, wenn ich sie mir erarbeite (Das gilt für das Bergwandern ebenfalls)
Etwas weniger Theorie und Jahreszahlen, und etwas mehr "Erleben" würde deine Geschichte bestimt lebendiger machen.

Details:

Ihren Ärger vertrieb sie am Erfolgreichsten damit
erfolgreichsten (klein)
Sie überquerte auf der Sundbrücke den Strelasund, die Meerenge zwischen der Insel Rügen und dem Festland, dessen Wasser sich funkelnd und glitzernd vor der prachtvollen historischen Hafensilhouette von Stralsund ausdehnte.
Irgendwas verwirrt an dem Satz. Ich denke jedesmal das Wasser des Festlands würde funkeln und glitzern.
„Diese Gefühlsduselei wegen dem bisschen Wasser“ hätte er womöglich gesagt
Auch wenn es wörtliche Rede ist möchte ich dich zumindestens darauf aufmerksam machen, dass es "wegen des bisschen Wassers" heißt.
Anna wusste dass sie etwas ändern musste.
wusste, dass (allgemein fehlen bei dir viele Kommas)
Für die Strecke von Putbus nach Göhren benötigt die Bahn 66 Minuten! Wie verführerisch, dachte Anna, nur 66 Minuten stillsitzen und sie wäre an ihrem Ziel. Sie könnte schummeln und keiner würde es je erfahren.
Das wäre doch gar kein schummeln. Züge waren doch ausdrücklich erlaubt.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo sim,

zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dich mit meiner kleinen Geschichte beschäftigt hast.

Ich habe mit dieser Geschichte meinen ersten Literaturwettbewerb gewonnen und sie eingestellt um mal ein paar direkte Meinungen einzufangen. Hier zeigt sich doch wieder wie Subjektiv derlei Eindrücke sind. :confused:

Deine Kritik hinsichtlich meiner spärlichen Kommasetzung ist mir nicht neu und ich fürchte, dieses Thema wird mich noch länger beschäftigen als mir lieb ist.

Gruß Aplomp

 

Bonjour Kollege,
Ich muss jetzt gerade mal was Unerfreuliches sagen, fällt mir auch nicht leicht: ich musste beim Lesen der Story eben zum Kühlschrank, um mir eine neue Cola zu holen, bin beim Zurückkommen an die Tastatur angeeckt - Taste "Page-Down", habe weitergelesen und es nicht gemerkt, dass ein Teil der Handlung fehlen könnte, sondern mich nur gewundert, warum sie so schnell am Strand ankommt.
Erst einmal ist die Idee sehr gut, den Trip als Reise zu sich selbst und Abgrenzungsversuch gegenüber dem Freund zu konstruieren. Ich würde aber die Zahl der wissenschaftlichen Fakten zurückdrehen und mich auf die Gefühle der Hauptperson konzentrieren.

Gruß, ImmigrantSun
PS: Darf ich fragen, welcher Preis? Ist nicht böse gemeint, würde mich nur interessieren.

 

Hallo,

auch Dir vielen Dank für das Lesen und Deine Meinung.

Der Preis ist von der Ostseezeitung und dem Nationalparkzentrum Jasmund und natürlich ging es bei diesem "Wettbewerb" auch darum, Eindrücke und Fakten bezüglich der Insel Rügen in eine KG einzuarbeiten.

Ich habe das mit dem Preis besonders deshalb angemerkt, da mir die Kritik doch sehr pauschal vorkam und ich hinsichtlich dieser Geschichte eben auch ausgesprochen positive Reaktionen hatte.

Ich habe dieses Forum erst kürzlich entdeckt und mir hat die Form konstruktiver Kritik unheimlich gut gefallen. Das hatte ich an dieser Stelle vermisst.

Gruß Aplomp

 

Die Kritik war auch konstruktiv gemeint, wenn sie auch etwas eigenwillig verpackt war, was ich durchaus zugeben muss. Natürlich spielt die Landschaft eine große Rolle bei deiner Geschichte, aber die Schilderungen sollten nicht zum Selbstzweck werden. Es war allerdings damit zu rechnen, dass ein Internet-Forum andere Maßstäbe ansetzt als das Gremium, das aus Mitarbeitern von Zeitung und Nationalpark besteht. Ein Gewinn ist immerhin die breite Vielfalt des Feedbacks, das du anscheinend bekommen hast.

MFG, ImmigrantSun

 

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