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Anne
Was immer passiert, du wirst bei mir sein. Liebes, kleines Kind.
Die vielen Jahre ohne Dich habe ich ertragen, wie mich und die Last des Lebens.
In der langen Zeit habe ich erkannt, daß es keine Schöpfung gibt. Auch keinen Gott.
Es ist einfach Leben.
Die frischen Jahre sind zu Ende, aber ich habe ja Dich, wenn alles vorbei ist.
So freue ich mich.
Die teuflische Mutter hat einen Anderen, ich bin in meiner Zeit.
Mir gefällt das Leben.
Da die Zeit aber auch am Körper nagt, benötige ich oft Hilfe.
Essen, Trinken, auch um auf den Topf zu gehen.
Meine Rente ist stolz, so kann ich mir eine Schwester leisten.
Sie sieht besser aus als Mutter, deine Mutter!
Ohne Absicht berühre ich sie.
Eine wundervolle Haut. Seidig, voller Farbe.
Gesund und jung. Sie riecht immer gut, fast verführerisch.
Ihre Haare, stets streng in den Nacken gekämmt.
Kurz, zu kurz für ein so junges Ding.
Ich hätte sie verführt, in meinen Jahren.
Am morgen kann ich ihr nicht in die Augen schauen, sie sind so voller Leben.
Grüne Augen, voller Lust und Hinterlist.
Augen einer Frau, wie sie waren, sind und ewig bleiben.
Sie spricht die Sprache der neuen Zeit, ich habe keinen Zugang.
Was soll ich erwarten, daß sie meine spricht?
Nicht für diese kurze Zeit. Meine Zeit.
Anne, so nennt sie sich, dieses helle Leben.
Gestern hatte sie einen kurzen Rock, hellgrün, aus einem Stoff, der ihren Körper lebt.
Gewagt, doch die weiße Bluse, mit kurzem, steifen Kragen, ließ alles züchtig scheinen.
Ihr kurz geschnitten, schwarzes Haar, berührte dieses Weiß der Bluse. Dieser Nacken!
„Frühstück bei...“
Mein Versuch, sie abermals zu berühren, schlug fehl.
Die Pfanne! Das ist ihr ebenfalls unangenehm.
Sie ist sehr flink, musst Du wissen. Sie schaute kurz und lächelte.
Ein schöner Mensch. Am Anfang seines Lebens.
Der Führerschein! Endlich, mit Zwanzig, hat sie mir erzählt.
Sie lachte! Nur kurz, dann Räuspern und leichtes Hüsteln, mit vorgehaltener Hand.
Nein, Faust, sie hatte die Hand zur Faust geschlossen.
Ja, als wäre es ihr peinlich, mit einem Toten zu lachen.
„Nur mit einem Automatikwagen fahren, Sie haben weniger Probleme mit dem Fahrlehrer!“.
Ich wollte die Situation aufmöbeln; Es gelang.
Sie brach in Gelächter aus, nannte mich einen Schwerenöter.
Zwinkerte mir zu und ihre langen, zarten Finger wehten im Wind, à bien tôt.
Eine atemberaubende Figur verließ mein Lager. Für schöne Menschen, gibt es ein Paradies?
Ha, bald werde ich nicht mehr mit dem versifften Bus fahren und von jedem angelümmelt.
Führerschein für Anne!
Jan wird stolz sein, und Papa auch.
Zwei Stationen und ich kann mich endlich umziehen.
Jan ist sicher schon ungeduldig. Er ist immer ungeduldig.
Wenn er mich in den Klamotten sieht, flippt der wieder aus.
„Musst du immer solche Sachen anziehen, wenn du arbeitest?“
Bla, bla... Die Alten wollen auch was von der neuen Welt sehen!
Dem „Alten mit Kind“ gefällt mein Outfit.
Mist, die Glühbirne im Treppenhaus ist immer noch kaputt!
Nieselregen im Herbst. Die Straßenlaterne hilft nicht.
Wieder an der Wand lang, bis zum Treppengeländer und ein Lied trällern. "London Town is calling". Wenn schon sterben, dann mit Musik.
Ihre Hand verläßt die feuchtkalte Wand um das alte Holzgeländer zu ertasten,
fauliger Geruch, doch die Hand ist unterwegs, greift das Holz.
Pelzig fühlt es sich an; Das ist kein Holz, nein das sind Haare, das ist ein Arm.
„Tata! Hallo Schätzchen!
Ich entsorge den Müll. Wie war dein Tag?“
„Jan, du arbeitsscheuer Mistkerl. Gib mir die verdammte Taschenlampe.“
„Und wie soll ich dann aus dem bösen, dunklen Wald hinaus ins Licht finden? Ich leuchte dir, meine Holde.“
„Mach also, ich habe keine Zeit mehr, über das hier reden wir später, mit S-e-x ist heute nix!“
Als sie die Wohnungstür schloß, hörte sie vom Hof ihren Jan singen: "Heut hat mein kleiner Has, den rechten Puls fürs Gas."
Meine erste Fahrstunde fängt gleich an.
Seit Jahren warte ich auf meinen Fahrlehrer.
Keiner zu sehen und draußen ist es pechschwarz.
Endlich!
„Guten Abend, sind Sie Frau Briet? Steffen Klein.“
„Hallo, Anne Briet.“
„Entschuldigen sie die Verspätung. Immer kann man, bei dem Verkehr, nicht pünktlich sein. Die Straßen sind nass, also Gemach. Ihre erste Stunde? Das wird die Erste, kann ich Ihnen versprechen!“
Was ein Witzbold, hoffentlich bewegt sich sein schmieriges Außen nicht ins Innere des Autos. Ich habe Glück einen Wagen mit Automatik gebucht zu haben! Guter, alter Mann mit Kind.
Dieser Fahrlehrer hört sich gern reden! Vom Rennfahrer zum Fahrlehrer! Das nenne ich eine Karriere, die sich lohnt zu erzählen.
Wann sitze ich endlich im Auto und lerne? Dafür habe ich bezahlt.
Sie verlassen das Büro der Fahrschule und laufen auf das Auto zu.
„Hier, dieser Golf ist unser Panzer!“
Toller Panzer, wenigstens nicht nato-grün. Dunkelblau, meine Farbe.
Wird mein erstes Auto, dunkelblau.
Gut, dass der mir nicht erklärt, wie man die Tür aufschließt. Spiegel, Lenkrad, Gangschaltung. Was? Wieso?
„Ich hatte mit Ihrem Büro die ersten Stunden mit Automatik vereinbart.“
„Ja, richtig, ehm, wir fangen mit Schaltung an und dann weiter auf Automatik.
Der Wagen ist in der Werkstatt, also, fahren wir nun, oder was?“
Was soll ich auf „Oder was?“ sagen?
Schlüssel umdrehen und der Motor läuft.
Was aufregend!
Das Ausparken ist seltsam, wie alles, was gerade passiert.
Dieser kleine Raum, der sich bewegt, durch mich. Ich bin unsicher...
Kann den „alten Mann mit Kind“ jetzt verstehen.
Jemand ist da, wenn man sich fühlt, wie ich mich jetzt.
Kupplung, Gas, am Lenkrad drehen, Blinker, Scheibenwischer, es blendet. Links abbiegen.
„Der grüne Pfeil zeigt: Zeit zum abbiegen. Frau Briet! Fahren sie schon!
Kupplung... Gas und...los geht es. Dirnen beim Frisör, habe ich auch noch nicht gesehen.
Was ist? Also, dann zeige ich es Ihnen...“
„Aber, der Transporter.......“
Das Grün ihrer Augen dreht langsam ins Weiß und ihre langen, zarten Finger fangen den Wind, als sie Aufwiedersehen sagt.
Anne Briet ist tot.
Hallo liebes, kleines Kind, du hast geweint, in meinem Traum. Wirst nicht lang mehr einsam sein...
„Guten morgen Schwester Edeltraud, sie sehen ja schlimm aus. Zu viel gefeiert, was?
Schwester Anne ist heute krank?“
„Nein, sie ist gestern verunglückt. Sie ist tot!“
Die geschwollenen Augen glänzen, dann springen Tränen...
Er nimmt sie in den Arm, spendet Trost, so es ihm möglich ist.
„Es ist einfach Leben!“
Die Schwester wischt die Tränen und geht zur Tür.
„Schwester Edeltraud, könnten Sie die Überweisung weiterleiten, Bitte?“
„Sicher! Gern.“
Sie liest das Formular.
„Sie wollen noch einmal umziehen?
Donnerwetter, für 5000€ habe Sie einen riesigen Transporter gebucht.“
„Ja, ja, das Leben ist teuer, wie der Tod.“