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Anscheinend – Scheinbar
Bei meiner ersten Wanderung durch dieses Forum, bin ich über einen Thread gestolpert, der sich mit den verschiedenen Variationen des Scheins befasst.
Das regelmäßige verwechseln von Anscheinend und Scheinbar solle den dortigen Beiträgen nach, von sehr vielen praktiziert werden. Neugierig auf den Wahrheitsgehalt dieser Aussage, aktivierte ich die Suchmaschine in meinem Kopf und durchstöberte meine Erinnerungen nach meinem bisher geschriebenen Zeugs und wurde schnell fündig. Ja, auch ich scheine zu den „Verwechslern“ zu gehören.
Aber, wie sieht es bei anderen Leuten aus? Scheinbar … nein, anscheinend war meine Neugier noch immer recht aktiv.
Schließlich ging ich in ein Cafe, ein Ort, an dem sich viele unterschiedliche Menschen treffen und sich oftmals auch scheinbar kennen. Manche von ihnen kennen sich sogar wirklich.
Ich setzte mich an einen Tisch inmitten einiger besetzter und beschäftigte mich scheinbar mit der Tageszeitung. In Wirklichkeit lauschte ich den Gesprächen um mich herum. Doch anscheinend hatten sich die Leute nichts Scheinbares zu erzählen. Also änderte ich meine Taktik und begann die Leute nun zusätzlich zu beobachten. Dabei fiel mir ein Pärchen auf, beide schätzungsweise Ende dreißig, Anfang Vierzig, die scheinbar sehr verliebt ineinander waren. Sie war es anscheinend wirklich, er hingegen schien den Schein zu wahren. Sein Blick klammerte sich immer wieder an die junge Frau ihnen gegenüber. Der Mann neben ihr war anscheinend ein Kollege, der der ihr scheinbar ein guter Zuhörer war. Doch umso mehr sie von ihren Problemen am Arbeitsplatz berichtete, umso häufiger setzte er sein hinterhältiges Grinsen auf.
Nach einiger Zeit betraten drei weitere Personen das Cafe – zwei Frauen und ein Mann. Eine der Frauen war offensichtlich mit dem Mann glücklich liiert, woran sich die andere Frau scheinbar überhaupt nicht störte. Im Gegenteil, scheinbar gönnte sie den beiden gar ihr Glück. Und jedes Mal, wenn die erste Frau etwas sagte, stimmte ihr die zweite lächelnd zu, während ihre Augen ihren Hass nicht verbergen konnten. Die andere merkte dies scheinbar nicht und der Mann anscheinend auch nicht.
Mir hingegen erschien es, als hätte ich genug gesehen und als ich ging, tat ich scheinbar so, als hätte ich nichts mitbekommen. Doch anscheinend hat mich diese ganze Scheinbarkeit nicht mehr losgelassen und es schien mir, als müsse ich mir den Anschein der Scheinbarkeit, die scheinbar den Anschein der Realität besitzt, von der Seele schreiben.
W.H.C