Was ist neu

Antonia

Mitglied
Beitritt
24.10.2025
Beiträge
1

Antonia

Es war schon kurz vor halb zwei, und ich hab immer noch nix von ihr gehört.

Genervt drücke ich den Knopf an der Seite meines Handys, um es in den Standby zu schicken.
"Scheißfotze!", denke ich, und stapfe weiter Richtung der aufgestapelten Sturmholzstämme hinter dem Waldstück, abseits der Hauptstraße, gegenüber von den letzten Häusern der Kleinstadt.

Mein Weg führt quer über eine klitschnasse Wiese, dann einmal rechts abbiegen, dem kleinen Waldstück entlang, bis zur Lichtung, wo ich das Holz schon sehen kann. Da kann ich mich in Ruhe hinsetzen, ohne dass mich jemand sieht.

Ich will einfach nur gemütlich einen rauchen.

Eigentlich hab ich gar keine Zeit. Ich müsste schon seit fünfzehn Minuten auf der Arbeit sein. Aber egal – ich sag einfach, ich hab den Zug verpasst oder sowas. Außerdem ist prall alles gleich viel lustiger. Antonia sagt das immer. Von ihr hab ich auch das Bauen gelernt.

Nur ist sie Linkshänderin, und ich check’s nicht so richtig mit meiner schwachen Hand. Meine Tüten sehen dementsprechend bescheuert aus, aber Hauptsache, sie brennen und knallen. Auch das sagt Antonia immer. Ach ja, stimmt.

Ich zieh mit der freien Hand mein Handy aus der Hosentasche, entsperre es und
öffne WhatsApp. Immer noch nix. Genervt schick ich ihr drei Fragezeichen. Die reihen sich unter die anderen Nachrichten, die sie auch nicht gelesen hat, aber angekommen sind.

"Was hat die nur für ein fucking Problem?!", murmel ich halblaut.

"Was treibt sie bloß schon wieder?",schießt es mir im nächsten Moment durch den Kopf," Was soll der Scheiß überhaupt? Gestern Abend haben wir doch noch telefoniert. Sie meinte, ich soll mir keine Sorgen machen, alles sei gut – und jetzt?"

Egal. Erst mal runterkommen. Erst mal einen rauchen.

Der Wind ist scheißkalt, und es dauert ewig, bis ich die Lunte ankriege. Nach ein paar mühsamen Minuten klappt’s endlich. Ich zieh tief, spür den Druck im Hals, halt den Rauch kurz in der Lunge und lass ihn dann langsam raus. Normalerweise liebe ich das – wenn der Rauch so in der Luft hängt, sich auffächert, alles ruhig macht. Aber heute fegt der Wind alles gnadenlos weg.

Nach ein paar Zügen spür ich das Kribbeln, den Druck, der sich langsam löst. Ich nehm mein Handy wieder in die Hand, öffne ihr Profilbild, das ich heute schon hundertmal angestarrt hab.

Antonia. Rote Locken, rundes Gesicht, süßes Lächeln – na ja, sonst süß. Jetzt hasse ich sie einfach. Und nicht nur, weil sie meine Nachrichten ignoriert.

Seit einiger Zeit hängt sie wieder mit ihrem dämlichen Ex ab. Der Typ, der sie geschlagen und fertiggemacht hat, wo’s nur ging. Mit den billigen Knast-Tattoos,
gerade erst wieder draußen. Und obwohl sie mir immer gesagt hat, mit mir wär’s schöner, seh ich auf seiner Facebook-Seite, wie sie zusammen lachen – am Fluss, wie früher.

Sie sieht glücklich aus, aber irgendwie gespielt. Bei ihm reicht ein Blick auf seine Glubschaugen, und ich weiß, dass er wieder was genommen hat.
Widerlicher Bastard, denk ich, und tret den Stummel vom Joint aus.

Langsam mach ich mich auf den Weg. Es ist bald drei, und eigentlich sollte ich mich beeilen, um meine Ausrede wenigstens halb glaubwürdig zu machen. Aber scheiß drauf. Ich hab andere Sorgen. Außerdem bin ich so stoned, dass ich eh langsamer geh, damit der Rausch abklingt.

Bis zur Arbeit sind’s vielleicht fünfzehn Minuten. Bis dahin wird’s schon wieder gehen, rede ich mir ein.

Der Weg führt mich wieder über die nasse Wiese, neben dem Maisfeld. Der Himmel ist grau und hängt tief. Sieht so aus, als würde es gleich wieder anfangen zu regnen.

Meine Schuhe sind durch, alles nass und klebrig. Der Wind haut mir ins Gesicht, als würd er mich ohrfeigen. Endlich komm ich am Fußgängerüberweg an. Noch ein Stück hoch, dann rechts – direkt rein in das mittlere der drei großen Gebäude. Doch so weit komm ich gar nicht.

Franzi ruft an.

Ich lass es erst mal klingeln. Hab keinen Nerv für Tonis Schwester. Aber als sie
nochmal durchklingelt, geh ich ran.

Das Gespräch dauert keine fünf Minuten.

Ich habe bis heute noch deutlich ihren hysterischen Tonfall im Ohr und als ich auflege, steh ich wie angewurzelt da, ohne Atem, ohne Gedanken. Nur Leere. Dann dreh ich mich um und lauf zurück zu den Holzstämmen.

Mein Kopf hämmert. Gedanken flackern ohne Sinn hin und her. Was hab ich da gerade gehört? Kann das sein? Oder hab ich mir das eingebildet? Wie dicht bin ich überhaupt?

Ich setz mich hin, reiß mein Handy raus, checke WhatsApp, Facebook, Instagram. Nichts. Gar nichts.

Tränen steigen mir in die Augen.

„Fuck“, bring ich nur raus, zittrig und halb
wimmernd.

Ich krame den Grinder aus der Tasche, bau mir irgendwas, die Hände beben. Die Tüte sieht scheiße aus, fällt fast auseinander. Scheiß drauf. Jetzt ist eh alles wurscht.

Antonia wird mir nicht mehr schreiben.

Ich zieh den ersten Zug, atme aus – und plötzlich ist da so etwas wie Erleichterung.

 

Hallo @rodja ,
hat mir gefallen. Ich weiß bloß nicht, handelt es sich hier um eine lesbische Liebesgeschichte, oder bist Du ein Mann? Vielleicht geht es auch bloß um eine Frauenfreundschaft.
Aber ohne Hänger super runtergeschrieben. Es macht sich keine Ödnis breit.
Zum Schluss lässt Du Raum für Spekulationen. Wurde Deine Freundin von ihrem Typen erschlagen? Bietet sich ja an, da er gerade aus dem Knast kam. Die sind oft nicht fein. Du greifst auch das Thema auf, dass die Frauen zu ihren Tyrannen merkwürdigerweise immer wieder zurückgehen. Hörigkeit? Schreib fleißig weiter.
Frieda grüßt

 

Moin @rodja,

willkommen bei den Wortkriegern. Ich weiß nicht, in wieweit Du Dich hier schon umgesehen hast, aber ich gehe jetzt einmal davon aus, das Dir klar ist, das es hier um Textarbeit, Verbesserung unsere Geschichten und ganz viel Handwerk geht. Wenn Du da Lust drauf hast - hier bist Du richtig. Dennoch lieber zur Verdeutlichung: dieser Kommentar ist nur meine ganz persönliche Meinung, es ist Deine Geschichte!

Meine Interpretation Deiner Geschichte wäre: ein verlassener Mann ist wütend, verletzt und hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Ein Anruf erklärt ihm, dass er nicht mehr hoffen braucht (ein Unglück, eine Gewalttat oder einfach eine Entscheidung für den alten/neuen Freund). Der Protagonist kommt unglücklich, aber auch eher nicht allzu positiv rüber (ja, nenn mich ruhig alte spießige Frau, das passt dann) .
Meine Frage wäre: was möchtest Du erzählen? Was passiert in Deiner Geschichte? Es ist durchaus vieles vorhanden, aber sehr angedeutet, sehr offen. Geht, aber meinen Lesegeschmack befriedigt es nicht, denn weder komme ich den Protagonisten näher (um mit ihnen fühlen zu können) noch kann ich eine Entwicklung erkennen.
Ich habe mir ein paar Stellen heraus kopiert, und gebe Dir einfach mal meine spontanen Gedanken.

Es war schon kurz vor halb zwei, und ich hab immer noch nix von ihr gehört.
Gefühlt ein guter Einstieg, ich bin sofort neugierig und gespannt. Warum steht der Satz in Kursiv? Weil es gedacht ist, nehme ich an. Warum ziehst Du das dann nicht durch?

Es war schon kurz vor halb zwei, und ich hab immer noch nix von ihr gehört. Genervt drücke ich den Knopf an der Seite meines Handys, um es in den Standby zu schicken.
"Scheißfotze!"
, denke ich, und stapfe weiter Richtung der aufgestapelten Sturmholzstämme hinter dem Waldstück, abseits der Hauptstraße, gegenüber von den letzten Häusern der Kleinstadt.
Dies ist der erste Absatz, ich habe noch keine Ahnung, wo, wann und wer hier eine Rolle spielt und dann kommst Du mit einer Unmenge an Infos. Eine gute Geschichte erzeugt beim Leser einen Film, Bilder! Das schaffe ich nicht, worauf soll ich mich konzentrieren, welche Infos muss ich mir merken?
Da würde ich hart reduzieren oder entzehren.

Mein Weg führt quer über eine klitschnasse Wiese, dann einmal rechts abbiegen, dem kleinen Waldstück entlang, bis zur Lichtung, wo ich das Holz schon sehen kann. Da kann ich mich in Ruhe hinsetzen, ohne dass mich jemand sieht.
Ja, ich bin durchaus drauf gekommen, dass er eine Rauchen geht, okay, auf einen Joint hätte ich am helllichten Tag nicht getippt. Aber warum diese extrem präzise Beschreibung?

Auch das sagt Antonia immer. Ach ja, stimmt. Ich zieh mit der freien Hand mein Handy aus der Hosentasche, entsperre es und
öffne WhatsApp. Immer noch nix. Genervt schick ich ihr drei Fragezeichen. Die reihen sich unter die anderen Nachrichten, die sie auch nicht gelesen hat, aber angekommen sind.
Auch hier: Im Prinzip machst Du hier viel richtig: Anstatt zu tellen: mir fällt ein, dass ich ich noch einmal Antonia anrufen will ... machst Du Show: ach, stimmt! und er holt sein Handy raus. Aber meinst Du wirklich ein Leser weiß nicht, wie man am Handy eine Whatsapp schreibt? Der letzte Satzteil klingt angehängt, obwohl er so wohl korrekt ist. Ich denke, das reihen, ist für mich ein hinten an reihen, Du verwendest es als darunter. Ich bin unsicher, mag an mir liegen.

Der Wind ist scheißkalt, und es dauert ewig, bis ich die Lunte ankriege. Nach ein paar mühsamen Minuten klappt’s endlich. Ich zieh tief, spür den Druck im Hals, halt den Rauch kurz in der Lunge und lass ihn dann langsam raus. Normalerweise liebe ich das – wenn der Rauch so in der Luft hängt, sich auffächert, alles ruhig macht. Aber heute fegt der Wind alles gnadenlos weg.
Den Absatz mag ich total gerne! Das klingt geschlossen, ein Sound. Wenn es ein Wunschkonzert wäre, würde ich die Verwendung von normaler Umgangssprache (z.B klappt´s, halt(e)) herunter fahren, ich mag es etwas literarischer. Aber wenn genau dieser Sound Dein Ziel war - alles gut!

Der Typ, der sie geschlagen und fertiggemacht hat, wo’s nur ging. Mit den billigen Knast-Tattoos,
gerade erst wieder draußen.
Klingt auch eher Umgangssprachlich.

Antonia. Rote Locken, rundes Gesicht, süßes Lächeln – na ja, sonst süß. Jetzt hasse ich sie einfach. Und nicht nur, weil sie meine Nachrichten ignoriert.
Hier frage ich mich schon, wie alt in Deiner Vorstellung der Protagonist ist? Irgendwie klingt er hier wie 16. Wer weiß, vielleicht liege ich ja richtig :-)

Sie sieht glücklich aus, aber irgendwie gespielt. Bei ihm reicht ein Blick auf seine Glubschaugen, und ich weiß, dass er wieder was genommen hat.
Wahrscheinlich entspringen die Wahrnehmungen seiner Enttäuschung? Dem Kontrahenten Drogen zu unterstellen, wenn man selbst am Joint zieht ist schon frech.

Bis zur Arbeit sind’s vielleicht fünfzehn Minuten. Bis dahin wird’s schon wieder gehen, rede ich mir ein.
Hier ist er mir für high sehr überlegt, sehr überlegt. Aber was weiß ich schon ...

Der Himmel ist grau und hängt tief. Sieht so aus, als würde es gleich wieder anfangen zu regnen.
Der Himmel ist doch irgendwie immer gleichhoch, die Wolken hängen tief. Generell würde ich an Deiner Stelle noch mal auf die Formatierung schauen. Hattest Du in Deinem Word? Dokument auch so viele Absätze? Die Software hier reagiert etwas sensibel auf falsch gesetzte Umbrüche, dann zerfleddert die Formatierung. Es liest sich auf alle Fälle unschön, zerrupft. Unten rechts ist ein Bearbeitungsbutton, dort kannst Du alles hier direkt im Forum korrigieren oder eine überarbeitete Version aus Deinem Textprogramm hineinkopieren.

Meine Schuhe sind durch, alles nass und klebrig. Der Wind haut mir ins Gesicht, als würd er mich ohrfeigen. Endlich komm ich am Fußgängerüberweg an.
Generell verwendest Du einen interessanten und umfangreichen Wortschatz. Aber manche Verwendungen würde ich noch einmal prüfen: Sind nasse Schuhe wirklich klebrig? Haut Wind?

Was hab ich da gerade gehört? Kann das sein? Oder hab ich mir das eingebildet? Wie dicht bin ich überhaupt?
Denkt das jemand wirklich in diesen Sätzen? Du hast hier Gedanken, oder? Die kaufe ich zwar vom Inhalt, aber nicht von den Wörtern her.

Antonia wird mir nicht mehr schreiben. Ich zieh den ersten Zug, atme aus – und plötzlich ist da so etwas wie Erleichterung.
Generell geht ein offenes Ende für mich in Ordnung. Allerdings kann ich die Erleichterung nur schwer interpretieren, da ich außer seiner Wut nichts über seine Beziehung zu Antonia oder ihn erfahren habe. Mein Tipp: Er ist erleichtert, weil er jetzt Bescheid weiß?

Liebe/Lieber Rodja, ein interessanter Einstieg hier! Vielleicht bringen Dich meine Kommentare ja zu Ideen, Einsichten oder einfach Verstärkung Deiner Idee. Vielleicht lesen wir uns ja mal wieder ...
Viel Spaß hier
greenwitch

 

Es mag kleinlich sein, aber mich irritiert der Zeitenwechsel am Anfang sehr.

Es war schon kurz vor halb zwei

Dann geht es in der Gegenwart weiter. Später wird klar, dass es eine Rückblende ist:

Ich habe bis heute noch deutlich ihren hysterischen Tonfall im Ohr

Aber es geht wieder in der Gegenwart weiter. Tragen die zwei Hinweise darauf, dass es eine Rückblende ist, irgendwie zur Handlung bei? Finde ich nicht. Wenn sie das tun sollen, dann braucht es mehr.

Jetzt hasse ich sie einfach.

Das ist eine tolle Stelle und viel zu schnell vorbei.

Hass? Vielleicht, aber glaube ich nicht. Es sind negative Emotionen, aber Hass kommt mir nicht richtig vor. Es ist zwar englisch, aber bei solchen Fragen manchmal hilfreich:

https://feelingswheel.com/

Wütend? Eifersüchtig? Enttäuscht? Verletzt? Verzweifelt? Wenn der Protagonist nicht reflektiv denkt, sondern sich eher von Emotionen treiben läßt, ist er vielleicht genervt oder angepisst. Die Stelle bietet die Chance für mehr! Das süße Gesicht, bei dem er sich vermutlich an ihre gemeinsame Zeit erinnert, und dann einfach Stille, machtlos ignoriert zu werden. Da könnten noch ein oder zwei Gedanken oder Handlungen kommen, die die starken Emotionen ausdrücken. Vielleicht tritt er genervt gegen das Holz und tut sich dabei mit den kalten Füßen weh, oder sowas, und der Schmerz wäre ein Synonym zu seinen Gefühlen.

Das Gefühl der Erleichterung am Schluss verwirrt mich. Irgendwas Finales ist passiert, und wenn die Bekanntschaft hysterisch ist, dann vermutlich ein Todesfall. Trauer hat ein paar Phasen und Akzeptanz kommt erst ganz am Schluss. Typisch wäre Leugnung, wie sie mit der Frage, wie dicht er ist, eingeleitet wird. Leugnung hat sicher Momente der Erleichterung, das ist ihr Zweck, aber die sind nicht das primäre Gefühl. Aber was ist es dann, was vom Rausch verstärkt wird? Genugtuung, dass der Bastard jetzt keine Fotos gemeinsamen Lachens mehr postet? Auch das wäre direkt gefolgt von der Einsicht, dass sie nicht mehr antworten wird.

Michael

 

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom