Was ist neu

Arbeit auf Abruf

Mitglied
Beitritt
09.04.2008
Beiträge
7

Arbeit auf Abruf

Genüsslich schiebe ich die Gabel mit der äußerst schmackhaften Spinat-Lachs-Lasagne in den Mund. Es ist Samstag, und wir, das sind Conny, ihr Freund und ich, genießen unseren ersten gemeinsamen Brunch seit Wochen. Sie hat uns eingeladen, denn sie möchte mit uns etwas feiern. Etwas, von dem ich noch nichts weiß. Ich hole mir schnell noch eine Crème brûlée von dem reichlichen Buffet des Restaurants und überlege gerade, wie ich ihre Neuigkeit aus ihr herausbekommen könnte, als plötzlich mein Handy zu summen beginnt.
Ich schaue auf den Display und enttäuscht platze ich heraus: „Das ist jetzt nicht wahr! Schon wieder Lenzig!“
Conny und ihr Freund sehen mich gespannt an, während ich mit dem Disponenten der Zeitarbeitsfirma am anderen Ende rede. Vorsichtig, da er sicher noch in Erinnerung hat, wie er mir gestern ein freies Wochenende versprach, versucht er mich zu überzeugen, heute noch einmal in diese Spülküche zu gehen. Er versucht es mit allen Mitteln, und schließlich gebe ich auf und sage zu. Ich muss mich überstürzt von den Beiden verabschieden. Entnervt schaut mich Conny an und ich begreife plötzlich, dass sie das wohl nicht mehr länger mitmachen wird.
Ich hab keine Lust mehr! Ich will das nicht mehr! Diese ständige Bereitschaft für diese Firma ist mir einfach zuviel. Es ist mir sogar schon passiert, dass ich morgens im Halbschlaf das Handy habe klingeln hören und als ich nachschaute, hatte gar niemand angerufen. Ist das noch normal?
Aber was soll ich machen? Das Geld, das ich dort verdiene, brauche ich. Ich kann nicht darauf verzichten. Wie oft habe ich mich schon gefragt, ob es für mich keine andere Arbeitsmöglichkeit gäbe, doch jedes Mal, wenn ich mir vornehme, etwas anderes zu suchen, kommt irgendetwas dazwischen, meistens ist es sogar der Disponent von Lenzig, der mich dann plötzlich telefonisch in die Arbeitsrealität zurückholt.
Nun bin ich hier in dieser riesigen Spülküche. Ein dreistöckiger Küchenwagen, voll gestellt mit Besteckkörben, die randvoll mit tausenden gespülten Messern, Gabeln, Kaffeelöffeln und Kuchengabeln bestückt sind, wird von Matthias, unserem Vorarbeiter, zu mir in die Ecke geschoben.
„Du musst sie noch einmal nass machen, das weißt du ja, damit sie besser poliert werden können.“
Natürlich weiß ich das. Ich bediene ja schließlich die Poliermaschine. Wie sie genau funktioniert, ist mir nicht so ganz klar, ich weiß nur, dass das Besteck fast perfekt glänzend wieder ausgespuckt wird. Meine beiden vietnamesischen Kollegen kontrollieren anschließend jedes einzelne Teil, ob nicht vielleicht doch noch ein Fleck zu sehen ist und zählen das Besteck zu je 50 Stück in Boxen.
Ich muss alles vorsortieren und in den Schlund dieser mit einem speziellen Granulat befüllten, unangenehm lauten Apparatur werfen. Diese ständige Konzentration, erst nur die Messer, dann nur die Gabeln und zum Schluss die kleinen Teile, Kuchengabeln und Kaffeelöffel, ist auf einen ganzen Arbeitstag verteilt doch sehr anstrengend. Wir schaffen trotzdem die geforderten vier Wagen, der Auftrag muss termingenau fertig gestellt werden. Da hilft es nichts, sich über die Monotonie der Arbeit zu beklagen. Einfach Augen zu und durch.
Aber da ist ja noch etwas, das mich zumindest ein wenig ablenkt, natürlich nur am Rande, denn es soll ja kein Kaffeelöffel mit einem Messer zusammen in die Maschine getan werden: Gestern schon bemerkte ich bei Matthias ein gewisses Interesse an mir. Immer wieder wanderten seine Augen in meine Richtung. Während des Frühstücks wollte er viel von mir wissen, sehr bereitwillig gab ich die Antworten. Während dieser paar Minuten waren wir beide, so schien es, gleichzeitig neugierig und verlegen, immer wieder musste er seinen Blick abwenden.
Trotzdem, heute wieder dieses schüchterne Versteckspiel. Wir besprachen morgens die Arbeit, nur wir beide, und er hatte ein Lächeln im Gesicht. Ein Lächeln, das von ganz tief innen kam, so, dass er es wohl nicht unterdrücken konnte. Und später, als ich ihn etwas fragen wollte, bemerkte ich es auch bei mir. Ich strahlte ihn an, und so sehr ich es auch wollte, ich konnte es nicht lassen. Matthias sprach gestern ganz offen von seinen Kindern, auch dass sie ihn ganz schön auf Trab halten. Dann hat er eben eine Familie. Aber das stört mich nicht, denn das hier macht Spaß, die Gedanken wandern, während die Hände Besteck sortieren, zu viel interessanteren und aufregenderen Dingen. Träumen ist ja nicht verboten.
Irgendwie genieße ich die Situation. Matthias´ Aufmerksamkeit tut mir gut. Sie lenkt mich von meinen manchmal quälenden Überlegungen in Bezug auf die Arbeit ab.
Jetzt werfe ich die letzte Handvoll mit Messern in die Maschine, denke gerade darüber nach, ob Matthias und ich, wie gestern, zusammen in der S-Bahn sitzen werden, fantasiere, was er mich heute fragen würde. Ich merke, wie ich beginne, mich darauf zu freuen. Da dringt ein „Tschüß“ an mein Ohr, es ist seine Stimme. Was, er geht jetzt schon? Na klar, er hatte ja heute eine Stunde früher begonnen als wir anderen. Ich drehe mich um und sehe ihm direkt in die Augen. Seine Lippen formen ein weiteres Mal das Abschiedswort und er schlägt langsam und betont die Augen nieder.
Als er weg ist, bin ich traurig, aber auch glücklich, alles durcheinander.
Meine Gedanken wandern wieder in meine Wirklichkeit. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Art zu arbeiten lange durchhalten werde. Ich habe ja sogar schon Angst vor dem Klingeln meines Handys. Daran merke ich nun endlich, ich muss etwas ändern!
Nur wo soll ich anfangen? Kündigen?
Hätte ich nicht auch gute Chancen in einem Restaurant auf eine Festanstellung, damit dieses ständige verfügbar sein müssen endlich aufhört?
Nun habe ich mich umgezogen und bin auf dem Weg zur S-Bahn. Insgeheim hoffe ich, dass Matthias noch irgendwo wartet. Aber er ist weg. In seinen wohlverdienten Feierabend. Ob er mit seiner Frau glücklich ist? Was geht mich das eigentlich an…? Egal, heute habe ich im Augenblick gelebt und morgen sehe ich ihn wieder. Ich freue mich auf sein Lächeln…
Und die Arbeit? Das kann ich nächste Woche auch noch einmal überlegen! So ein wichtiger Entschluss braucht eben Zeit!
Jetzt rufe ich ganz schnell Conny an. Ich muss das von heute Vormittag wieder gutmachen. Und außerdem will ich endlich wissen, was sie mit uns feiern wollte. Da bin ich echt gespannt.

 

hi jeanne,

klingt schwer nach einer geschichte für den "alltag", aber gut.
hat eigentlich alles, was ein tagebucheintrag so benötigt, etwas gedankenlastig, sprunghaft, auf nichts konkret bezug nehmend und ohne wirkliches ende.
ein sehr braver text.

hast du schon viele kurzgeschichten geschrieben?

ciao
hoover

 

Hi hoover,
schön, mal ein feedback zu bekommen. Freut mich.
Ich hab schon einige Kurzgeschichten geschrieben, aber ich kann die meisten nicht hier reinstellen, da sie ja noch nicht veröffentlicht sein sollten. Und meine sind schon in einem Mini-Verlag, eigentlich fast ein Selbstverlag, veröffentlicht.
Aber man schreibt ja auch weiter, und deshalb werden hier bestimmt noch ein paar folgen.
Jeanne

 

Hallo Jeanne,

ich frage mich so ein wenig, wo der Schwerpunkt der Geschichte liegen soll. Zunächst geht es darum, dass die Erzählerin ihre Freundin in Stich lässt, dann um die stumpfsinnige Arbeit und dann unverständlicherweise um ihre Verliebtheit in den Arbeitskollegen, der verheiratet ist. (Was hat das mit 'Arbeit auf Abruf' zu tun?!) Zum Schluss gibt es noch einen halbherzigen Schlenker zur Freundin zurück.
Die Geschichte liest sich genau so unreflektiert wie die Protagonistin. In dieser Form hinterlässt sie (die Geschichte) leider keinen bleibenden Eindruck! Da es - trotz Titel - keine Aussage gesellschaftliche Themen betreffend gibt, würde ich den Text nach 'Alltag' verschieben, bitte gib mir hierzu bescheid.

Gruß
Kasimir

 

Hallo Jeanne,

lese ich da etwa so etwas wie Kritik aus deiner Geschichte heraus? Ts ts ts, wie kann man nur ;). Nein, im Ernst: deine Geschichte greift das immer aktuellere, weil ausufernde Thema Zeitarbeit kritisch, aber ohne erhobenen Zeigefinger auf, und allein das macht sie mMn schon zu einer guten Geschichte. Ich finde, gerade die Passivität deiner Protagonistin, dieses sich Fügen, gibt der Geschichte einen kritischen Anstrich. Da passt auch ihr Wunschdenken nach einer Veränderung gut ins Bild, besonders, da sie sich sagt, mache ich nächste Woche, so etwas braucht Zeit. Vielleicht ist sie ja durch den Job zu sehr eingespannt, aber mir scheint, es fehlt ihr auch an Entschlossenheit, wirklich etwas zu ändern. So wird ihr Wunsch wahrscheinlich Wunschdenken bleiben.

Fazit: wichtiges Thema, gut umgesetzt. Ich hab an deiner Geschichte nix zu meckern.

@ Kasimir:
Keine Aussage gesellschaftliche Themen betreffend? Das sehe ich etwas anders, auch wenn die Aussage hier vielleicht ein wenig zwischen den Zeilen versteckt ist. Nun ja, vielleicht interpretiere ich auch zu viel in die Geschichte hinein. Aber ich finde, sie zeigt doch das Wesen der modernen Arbeitswelt ganz gut, z.B. dadurch, dass die Protagonistin ständig für den Arbeitgeber verfügbar sein muss – modernes Ausbeutertum eben. Und die Passivität der Protagonistin zeigt doch, dass sie sich im Grunde mit ihrer Situation abgefunden hat, auch wenn sie damit unzufrieden ist.

Gruß, Stefan

 
Zuletzt bearbeitet:

@Stefan S

Ja, die moderne Arbeitswelt zeichnet sich dadurch aus, dass man lieber die stumpfsinnige Arbeit verrichtet, wenn sich am Arbeitsplatz eine Liebesgeschichte spinnt! Demnächst wird jeder gute Unternehmer die Produktivität steigern, indem er jeweils einen männlichen und einen weiblichen Flirtmitarbeiter pro Abteilung einstellt - Dann werden nämlich alle andern das private Leben zugunsten der Arbeit aufgeben! So geschrieben wäre das eine gute Geschichte!

 

Hallo Kasimir,
die Geschichte ist in erster Linie schon eine Kritik an der Zeitarbeit, vielleicht passt der kleine Flirt da nicht so ganz hinein, aber es ist ja in diesem Falle ein Weg der Protagonistin, um mit dem Ganzen fertig zu werden, also auch einfach diese stumpfsinnige Arbeit zu ertragen.
Ich kann nicht beurteilen, ob die Abweichung vom Thema der Rubrik "Gesellschaft" so stark ist, dass die Geschichte in die Rubrik "Alltag" verschoben werden muss.
Wenn es Deiner Meinung nach nicht anders geht, musst Du es halt tun.
Jeanne

 

Hallo Jeanne,
wollte nicht so voreilig sein und habe mir noch die Meinung meines Kollegen geholt. Fazit: Ja, Kritik an Zeitarbeit ist enthalten, leider kommen die Folgen dieser Art der Beschäftigung zu kurz, sprich, das sich auflösende Privatleben ist angedeutet und nicht viel mehr. Dann gibt es die starke Gewichtung des Textes auf die 'Liebesbeziehung' - vom Umfang her fast eine Hälfte und dann auch noch die zweite des Textes: Was man zuletzt liest, bleibt haften und gewinnt somit an Bedeutung. Das meinte ich anfänglich auch mit 'Schwerpunkt'.
Also "Alltag".:)

Gruß
Kasimir

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jeanne!

Ich finde Deine Geschichte leider auch nicht gelungen.
Einen winzigen Hauch von Kritik finde ich in der Rahmenhandlung zu Beginn, wo die Protagonistin ihre privaten Pläne über den Haufen werfen muß, weil sie dringend beim Abwaschen gebraucht wird.
Leider wirkt schon diese Rahmenhandlung etwas seltsam:

Sie hat uns eingeladen, denn sie möchte mit uns etwas feiern. Etwas, von dem ich noch nichts weiß. Ich hole mir schnell noch eine Crème brûlée von dem reichlichen Buffet des Restaurants und überlege gerade, wie ich ihre Neuigkeit aus ihr herausbekommen könnte
Wenn die Freundin etwas feiern will, würde sie es doch wohl auch verraten und die Protagonistin müßte nicht grübeln, wie sie es aus ihr herausbekommt.

Zudem habe ich das Gefühl, daß Du hier zwei Dinge vermischst, nämlich Leiharbeit (Zeitarbeit) und "Arbeit auf Abruf", wobei das klingelnde Handy eher den Eindruck eines Bereitschaftsdienstes macht.
Es geht leider überhaupt nicht klar hervor, welche Arbeitsform Du hier eigentlich meinst und kritisieren willst.
Bei "Zeitarbeit", was ein veralteter Begriff für Leiharbeit, Personalleasing oder Arbeitnehmerüberlassung ist, werden die Dienstnehmer normalerweise für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit an einen anderen Dienstgeber verliehen, Arbeitsbeginn und -ende richtet sich nach der Firma, an die sie verliehen sind. Diese ständigen Anrufe passen hier also nicht. Erst, wenn eine Firma den Arbeiter "zurückgibt", wird er woanders hingeschickt.

Arbeit auf Abruf hingegen ist nur eine stundenweise Beschäftigung, bei der die Dienstnehmer direkt bei einer Firma beschäftigt (also nicht verliehen) sind, die sie anruft, wenn sie gebraucht werden.
Und man muß nur auf Wikipedia schauen, um zu erfahren:

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer die konkreten Arbeitszeiten mindestens vier Tage im voraus mitzuteilen.

Somit ist der einzige Punkt, den Du kritisierst, hinfällig, und was es an solchen Arbeitsformen tatsächlich zu kritisieren gäbe, kommt in Deiner Geschichte nicht vor, da hast Du Dich lieber auf einen Herz-Schmerz-Flirt konzentriert. Bestenfalls wäre das in meinen Augen noch Romantik, aber sicher keine Gesellschaftskritik. Dafür hättest Du zumindest recherchieren müssen, worüber Du überhaupt schreibst. Einfach so auf "so stell ich mir das vor" schreibt man keine Gesellschaftskritik.

Liebe Grüße,
Susi :)


PS.: Ich sehe gerade, daß die Geschichte inzwischen in Alltag steht, aber auch da sollte man nicht das Blaue vom Himmel erzählen.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom