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Arbeitslos: Schultz VII.
Schultze VII., der Direktor der Koraxischen Erfindungsabteilung fiel bei Empfang des schwer wiegenden Telegramms unter seinen Schreibtisch. »Kündigen Sie sofort den zweihundert Genies und Obergenies ihre Stellungen. Sie selbst sind ebenfalls mit dem ablaufenden Quartal entlassen. Übergeben Sie Ihr Amt umgehend Herrn Kasimir Stümmel. Korax.« Und das Personal der Abteilung wurde beinahe wahnsinnig; drei Obergenies mußten wegen gefährlicher Tobsucht sofort einer Heilanstalt überwiesen werden.
Schultze VII. tat so, als ob ihn die Sache nichts anginge. Und dennoch wußte er sehr genau, daß ohne sein Zutun die Katastrophe ganz unmöglich gewesen wäre; aber seine Kameraden wußten das nicht, da ihr Direktor alles Wichtige für sich behielt.
Schultze VII. sah mager aus wie ein Windhund und hatte einen so starken Schnurrbart, daß der mit zwei Fingern nur mühsam zu umspannen war. Kaum hatte sich der Siebente in sein Lederzimmer zurückgezogen, so strich er seinen Schnurrbart mit allen zehn Fingern so heftig auseinander, daß einzelne Haare rausgingen und nur so rumflogen. Und er knirschte mit den Zähnen – zwar melodisch – doch nicht sanft. Und er hielt dabei einige seiner gewöhnlichen Monologe – er war an die Monologe gewöhnt.
»Es ist eigentlich«, sprach er zu seinen braunen Lederwänden, »durchaus sinnlos, mich über diesen Korax zu ärgern, denn ich brauche ihn nicht. Und dennoch ärgere ich mich. Ich war ja ein Wüterich von meiner Geburt an, obgleich ich niemals einen plausiblen Grund für meine Wut hatte. Aus Wut bin ich sogar Humorist geworden – nicht aus Liebenswürdigkeit. Es ist zweifellos mein Schicksal, immerzu im Wutstadium zu leben. Andere Leute leiden an Wassersucht – ich aber leide an Wutsucht. Ich sehne mich ja danach, beleidigt zu werden, damit ich ein Recht bekomme, meinem tückischen Jähzorn freien Lauf zu lassen. Und dabei lach' ich noch.« Schultze VII. sieht wieder seine ledernen Wände und seine ledernen Möbel – fein gepreßte Sachen – an und freut sich, so ganz zwischen alten Tierhäuten zu stecken; ihm sind alle Bestien so recht sympathisch.
»Die einfachen Tiere und die menschlichen Kinder«, fährt Schultze fort, »neigen mehr zur Mordlust als zur Wollust – der entwickelte reife Mensch desgleichen. Das hängt damit zusammen, daß die einfacheren Lebewesen sich ihrer Persönlichkeit nicht bewußt werden und die komplizierteren Lebewesen erst recht nicht an ein individuelles Leben glauben – daher schätzen beide ihr Leben und damit auch das der anderen Wesen nicht hoch ein. Die Geschichte ist gräßlich einfach. Esel verstehen's allerdings nicht. Am Anfange ist die Kreatur grausam und zerstörungssüchtig – am Ende noch mal. Und daher ist Schultze VII. ein Wüterich, denn er ist ein Lebewesen, das die höchste Entwicklungsstufe erreicht hat. Die höchste Genialität ist eben nur dazu da, die Menschenbrut feste zu verhöhnen und zu verhetzen. Blut will ich, verfluchtes Biestpack – Blut! Und darum muß Korax – es läßt sich leider nicht ändern – zerrissen werden – wie die Taube vom Habicht zerrissen wird. Meine Logik ist immer vernichtend.«
Er lacht – was sich wie Storchgeklapper anhört – freilich nicht ganz so. Und er kreischt auf wie ein wildes Tier, schlägt mit beiden Fäusten auf seinen kleinen Kaffeetisch, daß der zusammenknickt wie eine alte Hutschachtel. »Rhinozeros! Rhinozeros!« brüllt er.
Und dann lacht er – wie die Irrsinnigen in der Heilanstalt zu lachen pflegen. Nachdem wird er aber ganz ruhig und kalt, geht zu der Versammlung der entlassenen Genies und Obergenies, überredet sie, mit ihm nach China auszuwandern und dort den Kaiser von China gegen den gemeingefährlichen Korax aufzuhetzen – und tut so affektlos wie ein stiller Waldsee.