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Atman

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14.04.2008
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Atman

Ich werde sterben, diese Worte fressen sich während des ganzen Wegs zum Besprechungszimmer durch meinen Verstand. Ich werde sterben. Ich sterbe ja eigentlich schon seit mehr als zwei Jahren. Im Zimmer angekommen empfängt mich Doktor Steiner mit einem freundlichen Lächeln. Das Lachen erreicht seine Augen nicht. Ich bin ihm wohl zu sehr ans Herz gewachsen, als das er mich jetzt einfach so gehen lassen kann. In den zwei Jahren die ich mit dem Doktor verbracht habe waren die besten meines Lebens. Ich habe mir oft gewünscht die Zeit würde nie vorbei gehen, ich wünsche es mir immer noch. Erst jetzt fällt mir auf, wie sehr der Doktor in den letzten Wochen er wusste, dass er mich bald gehen lassen muss, scheinbar um Jahre gealtert war. Sein, trotz hohem Alter bisher faltenfrei gebliebenes Gesicht, beherbergt nun tiefe Furchen und seine Augen haben aufgehört zu leuchten. Doktor Steiner holt mich mit einem räuspern aus meinen Gedanken, mit einem leichten Nicken deutet er auf die beiden Personen die ihm gegenüber sitzen. Das müssen die Eltern sein, meine neuen Eltern. Die Frau lächelt mich an. Ich lächle nicht zurück. Während dem Gespräch mit den Eltern wird es immer klarer, ich bin die perfekte Wahl für sie. Da ich die beiden Personen jetzt kennengelernt habe und erleben konnte wie zuvorkommend und gut sie mich behandeln, fühle ich eine tiefe innerliche Leere in mir. Der Doktor wird diesmal keine Ausrede mehr finden können, er muss mich gehen lassen.

Ich kam mit sechzehn in die Einrichtung des Projekts, freiwillig. Vorher wurde ich schon in unzähligen Waisenhäusern und Besserungsanstalten untergebracht, in denen es jedem Menschen unmöglich gemacht wird glücklich zu sein. Die Einsamkeit die sich während all der Jahre in den Fängen der Behörden tief in meine Seele gegraben hat, brachte mich zu mehr als einem Suizidversuch. In einer anderen Zeit hätte ich wahrscheinlich unzählige Stunden mit Psychiatern verbringen müssen. Aber diese Zeiten sind vorbei, die Kosten für ein solches Verfahren wären an einem Menschen wie mir verschwendet. Heute machte mich die Schwäche zum perfekten Subjekt für das Projekt Atman. Die zukünftigen Kunden der Forschungsanstalt sind fast ausschliesslich an Menschen in jungen Jahren interessiert. Das Ziel des Projekt Atmans sei, Menschen wieder glücklich zu machen. Doktor Steiner hatte mich damals persönlich besucht, er war von Anfang an offen und ehrlich zu mir, er hat mir nichts über die Vorgehensweise die „zur Verbesserung der Lebensumstände mehrerer Personen“ führen sollte verschwiegen. Ich war einverstanden.

Mir wurde gesagt, dass Steiner einer der führenden Wissenschaftler auf seinem Gebiet sei. Man könnte auch sagen, er sei der einzige auf diesem Gebiet ist. Vielen seiner Kollegen fehlt es schlichtweg an Verstand ein solches Projekt zu realisieren. Denen mit genug Verstand, fehlt wahrscheinlich einfach die Skrupellosigkeit. Mit Achtzehn, nach zwei Jahren in der Institution, hat er mir dann den Vertrag mitgebracht. Ich unterschrieb mein Todesurteil ohne lange nachzudenken. Ich bin ja schliesslich nur deswegen hier.

Mir hat es im Institut nie an etwas gefehlt. Natürlich konnte ich das Atman-Gebäude nie alleine verlassen, die Gefahr dass ich versuchen würde abzuhauen wäre einfach zu gross. Aber warum sollte ich weg von hier? Hier war ich der Mittelpunkt, etwas das ich in meinem früheren Leben überall gesucht habe. Hier haben sich die Leute um mich gekümmert.

Mein Tag ist gekommen, ich werde ein Teil der Familie. Ihre Tochter ist mit neunzehn bei einem Autounfall gestorben. Es war eigenverschulden. Wieso muss ich eigentlich ihren Fehler ausbaden? Komisch, normalerweise denke ich gar nicht so. Das also, sind also die letzten Gedanken die sich durch mein Gehirn bahnen; meine letzten Gedanken. Aber werde ich später an diesem Tag wirklich tot sein? Mein Körper bleibt weiter bestehen. Bin ich mehr als mein Denken? Steiner verabschiedet sich von mir. Ich sage ihm, dass er mich ja gleich wieder sehen wird. Er lächelt mich an. Diesmal lachen die glänzenden Augen mit, er scheint sich mit meinem Schicksal abgefunden zu haben. Das hat länger gedauert als bei mir, denke ich. War es ein Fehler mein noch so junges Leben einfach so wegzugeben? Nein, wahrscheinlich würde ich den Vertrag noch einmal ohne Bedenken unterschreiben. Die Menschen haben die letzten beiden Jahre zu den besten meines Lebens gemacht.

Ich sitze jetzt alleine in dem Raum. In wenigen Sekunden ist es soweit. Ich höre wie die Maschine mit einem leisen Brummen startet. So hört sich also der Tod an. Ich stelle mir vor wie schön es für die Mutter sein wird, ihre Tochter zum ersten Mal wieder in den Arm nehmen zu können. Ich versuche diesen Gedanken so lange wie möglich festzuhalten, er gibt mir Kraft. Das immer lauter werdende Summen der Maschine flösst mir keine Angst ein. Ich bin frei.

Nichts
.

 

Hallo an7agonist!

Willkommen auf kg.de.

Nachdem ich deine Geschichte gelesen haben, musste ich schon sagen: interessante Idee. Ich denke allerdings, dass du den Text nach "Science fiction" verschieben lassen solltest (dazu eine PN an den Gesellschafts-Moderator senden).

Ich bin sehr schwer in den Text hereingekommen, da ich eben nicht von einem futuristischen Szenario ausgegangen bin, und daher bei "neuen Eltern" erstmal dachte, dass da ein Kind zu Pflege- oder Adoptivelter kommt und dementsprechende Ressentiments hat.

Auch wird mir nicht ganz klar, warum der Protagonist sich freiwillig dem Programm hingibt, wenn ihm klar ist, dass er (also seine Seele, Psyche, wie auch immer) sterben wird. Nur für ein paar warme Mahlzeiten und Streicheleinheiten kann es doch nicht sein. Da solltest du mehr drauf eingehen.

Grüße
Chris

 

Hey an7agonist!

Herzlich willkommen auf kg.de

Natürlich ist die Idee interessant, aber nicht neu. Hat mich sehr an "Die Insel" erinnert, wo die Menschen geklont werden, um dann für die "Echten" irgendein Körperteil ersetzen. Mir war hier nicht ganz klar, was dein Prot. wirklich hergibt. Seinen Körper? Sein Herz? Einen Arm? Was soll die Tochter wieder zum Leben erwecken?

Die Geschichte hat natürlich Potential, das nicht genutzt wird, schade. Sie könnte länger und besser sein, meine ich. :)

Die Zeichensetzung kannst du, glaub ich, auch besser. Einmal rübergehen und die Fehler beheben.

Dann etwas mehr auf die Person eingehen, auf ihre Gefühle und Wünsche. Wie sie zu der Gemeinschaft bei Atman steht, was sie sich alles aufgebaut hat, und das wird nun "zerstört" und sie schaut tatenlos zu. Klar, sie hat einen Vertrag unterschrieben, aber was solls, es ist der natürliche Erhaltungstrieb des Menschen, und das fehlt bei der Figur.
Das könnte natürlich durch das Institut geschwächt worden sein, wird hier aber nicht beschrieben. Wie auch immer, ich sehe da viele Möglichkeiten die Geschichte zu verbessern, realisitscher und nachvollziehbarer zu machen.

Viel Spaß noch!

JoBlack

 

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