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auddopanne
Es war eine sehr harmonische Beziehung. Geben und Nehmen hielten sich die Waage. Lang kannten wir uns noch nicht. Gerade drei Monate, aber die intensiv. Liebe auf den ersten Blick. Wir dachten, wir seien mit dem ewigen Frühling bedacht. Heute weiß ich, daß nur ich daran geglaubt hatte. Auf einer Autobahnraststätte. Ich komme gerade von der Toilette, möchte weiterfahren. Plötzlich beginnt er zu stottern. Zuerst habe ich nicht verstanden. Was soll das? Ein Scherz, er hat manchmal einen komischen Humor. Also, ich würde jetzt gerne weiterfahren, lass die Faxen. Er bleibt stur. Das ist nicht witzig. Ein anstrengender Tag bisher. In Weimar gestartet. Zähfliessender Verkehr, Baustellen, Stau, Sonnatgsfahrer - die ganze Palette. Meine Hose ist voller Joghurt. War ich selber Schuld, zugegeben. Wer bei 160 Kulturhunger bekommt, muss damit rechnen.
Jetzt kann er mich mal, ich fahre einfach los. Will einfach losfahren. Doch dann, das Kupplungspedal. Keinen Zentimeter rührt es sich. Es ist ein altes Auto. Die Gänge ließen sich immer schwer reinlegen. Mit Gewalt funktioniert es auch nicht. Gefühlvoll? Nein, da kann mein Fuß liebkosen wie er möchte: Herr Fiesta hält Siesta. Was nun? Zurück in die Raststätte. Vorbei an der giftigen Klofrau. War nicht einkalkuliert, daß ich die noch einmal treffe, sonst hätte ich ihr etwas Trinkgeld gegeben. „Entschuldigung, mein Auto...“ „Ihr Auto? Ach was, das haben wir gleich. Eine Frau, die kann das nicht.“ Nein, nein, bitte nicht. Zu spät, der dicke Tankwart hat sich bereits in mein Gefährt gezwängt. „Wieso, das Pedal lässt sich doch drücken.“ Und schon kracht es. Er zuckt mit den Schultern. Tja, da kann selbst ein Mann nichts mehr machen. Hilfe kommt nur noch von oben.
Der gelbe Engel läßt auf sich warten. Außerdem ist er gar nicht gelb, sondern dunkelblau und voller Ölschmiere. „Abschleppdienst Firma Troidl, Grüß Gott. Wo is‘ de Auddo?“ Warum sind Sie nicht gelb? Ich bin ganz mißtrauisch. Unbegründet, das ist jemand vom Fach. Ein flüchtiger Blick in Fiestas Innereien und die Diagnose steht fest: „De Übersedsungsheble is‘ gebroche.“ Ein Stich in mein Herz. Bitte Haltung bewahren. „Wie habbe Sie den das gschaffd‘. Da müssese ganz schöne Wadeln habbe.“ Ich? Wie wär‘s mit dem Fleischklops, der sich inzwischen hinter die Bockwursttheke verkrümelt hat. Gleich und gleich...
Und jetzt? Erstmal abschleppen. „Viiellaichd kan I schweisle.“ Wie bitte, vielleicht kann er schweißeln? „Schwei-ßen.“ Was ist das bloß für ein Dialekt? Ich will nach Hause.
Wir rumpeln zur Werkstatt. „Se müsse sich nicht oschnalle, so schneel farre ma nichd.“ Schnell, das ist soo relativ. Mit Neunzig im LKW, Ford auf der Ladefläche auf einer kurvigen Landstraße ohne Fahrbahnbegrenzung und Mittlestreifen durch den Harz zu mäandern- ich finde das rasant. Wir überleben.
In der Garage. Da steht er, meine große Liebe. So abstrakt, entblößt mit offener Klappe. Ich werde auch eingespannt. „Haldnse a mall de Kupplungsheble und ziihn am Sail.“ Ich verstehe kein Wort. Tapfer greife ich nach dem, was mir entgegengestreckt wird. Und wieder kracht es. Dann sagt er etwas, das wie „Scheiße“ klingt. Ein rostiger Gegenstand wird herausgerupft. Schrauben kullern zwischen die Reifen. Meine Hoffnung heute nach München zu gelangen ist so tief wie das Loch, das mir plötzlich entgegengähnt. „Ziihnse jeetzt a mall krääftig.“ Ich trau mich gar nichts mehr anzurühren. Da schwebt diese Bild in meinen Kopf: am Ende bleibt eine Blechleiche aus der eine Ölträne gluckst und ich friste in Kufladenhausen ein Leben als Kupplungseilzieherin. À propos: mein Arm wird taub. „I habbs glei, nur a bißerle feesde.“ Er läßt den Motor an, das ganze Gehäuse röhrt. Hätte er mich wenigstens warnen können. Meine Nase an den Zylindern, die Ellbogen rußig. Doch hinterher das große Hurra. Es funktioniert. Keine Garantie, wie lange, es könnte sein, daß ich nach fünfzig Kilometern auf dem Standstreifen strande. So etwas hören meine Ohren nicht, nur weg. Ach ja, die Rechnung. Nach dem ganzen Schreck, kann mich die drei mit den beiden häßlichen Nullen auch nicht mehr schocken.
Mein Auto und ich haben uns heute ausgesprochen. Ich behandle ihn ab jetzt respektvoller. Im Gegenzug hat er mir versprochen, immer brav zu kuppeln. Wenn nicht, mache ich Schluß. Da kann ich hart sein...