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Auf-Bruch!

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19.02.2005
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Auf-Bruch!

Auf-Bruch

Er vermied es, auf seine zerschundenen Hände zu sehen. Sie waren zerschnitten durch den Kampf gegen verschlungene Äste und scharfkantiges Gestein. Er achtete nicht der blutenden Wunden seines Körpers, sondern schleppte sich zeitweise robbend Meter für Meter stöhnend durch das Gestrüpp. Angstschweiß rann über sein Gesicht. Grenzenlose Panik, zitternde Beine, die ihm wegen der extremen Anstrengung kaum noch gehorchten und ein Herz, dessen Pumpen seinen Brustkorb beinahe zu sprengte, ließen ihn fast den Mut verlieren, aufgeben und sich aufgeben. Doch Gott hatte ihm einen starken Willen geschenkt. Ihn trieb die Verzweiflung eines Menschen, der die Hölle kannte und ertragen musste, der ganz unten gewesen war ohne jeglichen Hoffnungsschimmer auf eine noch so minimale Veränderung seines Daseins. die ausschließlich eine Verbesserung seiner Lage hätte bedeuten können.

Damals war Aike alles geraubt worden, sein Haus und sein gesamter Besitz. Aber das hatte diesen Wahnsinnigen nicht genügt. Sie hatten seine ganze Familie niedergemetzelt, ihm seine Ehre und letztendlich sogar noch die Menschenwürde auf brutalste Weise genommen. Gezwungen in die Gemeinschaft von gleich ihm dann rechtloser Leidensgenossen, schien sein Schicksal besiegelt zu sein. Seine Peiniger behandelten ihn schlechter als ein Tier, knechteten und folterten ihn.

Aike beherrschte ein einziger Gedanke: Flucht, solange die körperliche Kraft noch dazu reichte!
Wenige Meter entfernt nur lag das große Waldgebiet, das Versteck und Entkommen versprach. Aber er war Realist. Nie würde er dieser Hölle auf Erden entfliehen können. Die Freiheit bliebe unerreichbare Illusion, eine lebensnotwendige Illusion. Sie allein gab ihm die Energie, in diesem Entsetzen noch ums Überleben zu ringen. Tag für Tag...Nacht für Nacht.
Nach Monaten der Drangsal tat sich eines Tages binnen einer Minute der Himmel der Gelegenheit für ihn auf, dem Horror vielleicht sogar für immer zu entfliehen. Diesem Leben, dass nichts als Dahinvegetieren bedeutete.

Es geschah während der peinigenden Stunden der Feldarbeit, der Schufterei unter den Peitschen der Wärter, die allgegenwärtig waren und unbarmherzig ihre Macht auskosteten. Mit Wonne gegenüber den wehrlosen Menschen ihren Sadismus auslebten ohne jegliche menschliche Regung für jene Gefangenen.
Diese Gefangenen waren Gefangene ohne Schuld. Sie hatten keine Verbrechen begangen. Ihr alleiniger Frevel war es, schwarz zu sein. Schwarz in einem von Weißen eroberten und beherrschten Land. Hass ohne Ende, unermessliches Leid bestimmten ihr Dasein.

Aike hatte einen Moment der Unaufmerksamkeit des Aufsehers genutzt und sich mit dem Mut der Verzweiflung auf allen Vieren kriechend durch das an das Feld angrenzende hohe Buschwerk davon gestohlen. Dieser einzige Augenblick sollte die den Ausschlag gebende Wende in seinem Dasein bringen. Körperlich eigentlich ein Wrack, verlieh ihm aber das Gefühl, all der Marter zu entkommen, fast übermenschliche Stärke. Die Angst hetzte den vor Anstrengung keuchenden Mann vorwärts. Nur schnell fort, nur weiter...Schritt für Schritt der Menschlichkeit entgegen. Mit jedem zusätzlich eroberten Meter Entfernung von dem Ort des Grauens sowie des Abstandes von seinen Peinigern lockerten sich seine Fesseln des Schreckens mehr und mehr, empfand er eine Spur zurückkehrenden Selbstwertgefühls.
Nach Stunden der Flucht und dann endlich in der Gewissheit, dass seine Aktion unbemerkt geblieben war, sank er entkräftet zu Boden, von einem Weinkrampf des unerhörten Glücksgefühls wegen geschüttelt, es geschafft zu haben, frei zu sein. Selbst Hunger und Durst zogen ihn nicht erneut in dies tiefe lichtlose Tal dessen hinab, was für immer hinter ihm lag. Die Tierlaute des Waldes erschienen ihm wie Stimmen aus dem Paradies. Sie und die herrlichen Farben der Natur rings um ihn her, die nie zuvor dermaßen intensiv für ihn geleuchtet hatten, entrissen ihn endgültig dem schrecklichen Elend, waren himmlischer Balsam für seine geschundene Seele. Sein Herz schlug ruhiger. Seine Augen hefteten sich auf das Azurblau des Himmels über ihm. Er atmete tief durch. Es war ein Atmen in Freude.

Er hatte sein Schicksal besiegt.
Es war der Aufbruch in ein neues Leben, ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit.

 
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Hallo tastifix,

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Sie wirkt abgeschlossen und es geht um etwas. Ich wollte definitiv wissen, wie sie ausgeht. Kritikpunkte gibt es trotzdem: Die Geschichte wirkt etwas farblos und eintönig. Gibt es nichts, worüber man sich freuen kann, keine Anekdote mit anderen Gefangenen? Zudem hätte man die äußeren Umstände näher beschreiben können. Wer sind die Wärter? Wo spielt das Ganze? Wo sind die Gefangenen oder wie sieht ihr Tagesablauf aus? Der Protagonist könnte sich zum Beispiel rückblendenartig an seine Erlebnisse erinnern.
Auch der Ausdruck kann noch verbessert werden. Hier ein paar Punkte:

Er achtete nicht der blutenden Wunden seines Körpers

Antiquierte Formulierung, vielleicht einfach: "achtete nicht auf die blutenden"

der extremen Anstrengung wegen

Stellungsfehler: "wegen der extremen Anstrengung"

Ihn trieb die verzweifelte Sehnsucht eines Menschen, der die Hölle kannte und ertragen musste, der ganz unten gewesen war ohne jeglichen Hoffnungsschimmer auf eine noch so minimale Veränderung seines Daseins, die ausschließlich eine Verbesserung seiner Lage bedeutet hätte.

Musste ich zu oft lesen, um zu verstehen. Kann man sicherlich einfacher formulieren.

Ja, damals war Aike alles geraubt worden

Das "Ja" passt nicht.

knechteten ihn und folterten ihn.

besser: "knechteten und folterten ihn"

Himmel der Gelegenheit

Noch nie von dem gehört.

Diese Gefangenen waren Gefangene ohne Schuld.

doppelt, geht kürzer: "Diese Gefangenen waren ohne Schuld."

Körperlich eigentlich ein Wrack

"eigentlich" sagt hier (zu) wenig aus.

von einem Weinkrampf des unerhörten Glücksgefühls wegen geschüttelt

Stellungsfehler, siehe weiter oben

beinahe zu sprengen schien

schien -> schienen (Plural)

 
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Hi tastifix!

Ich glaube, der Stil deiner Geschichte krankt an einem eigentümlichen Fehler, der auch meine Sprache einmal ausgezeichnet hat, wenn auch nicht so stark.

Ich hatte das Gefühl, als wolltest du jede Aussage noch einmal nachträglich verdeutlichen, damit der Leser auch ja bildhaft vor Augen hat, was du meinst.
So ein Stil wirkt aufdringlich, behandelt den Leser wie ein Kind, dem man alles ganz genau erklären muss. Du lässt ihm zu wenig Raum, sich etwas selbst vorzustellen.
Bei mir hatten deine Ausdrucksweise und deine umständliche Art, Sätze zu bauen, den Effekt, dass ich stellenweise fast grinsen musste, obwohl du doch ein schreckliches Schicksal beschreibst.

Ich gebe dir mal ein paar Beispiele:

Sie waren zerschunden, zerschnitten durch den Kampf gegen verschlungene Äste

Siehst du, was ich meine? Zwei Adjektive, um ein und dieselbe Sache zu beschreiben. Dabei sollte man gerade mit Adjektiven sparsam umgehen, weil sie eben nur beschreiben, nicht wirklich zeigen. Denk mal an den "Show, don't tell"-Grundsatz.
Lebendigkeit entsteht primär durch Verben. Aber von denen finden sich verhältnismäßig wenige im Text.
Das ist auch nicht damit zu entschuldigen, dass du hauptsächlich die Situation eines Menschen beschreibst. Die ließe sich mit wesentlich mehr Aktion und Bewegung beschreiben.

Er achtete nicht der blutenden Wunden seines Körpers, sondern schleppte sich stöhnend, zeitweise robbend Meter für Meter durch das Gestrüpp.

Die erste Stelle wurde schon kritisiert, ich kann es nur bekräftigen. Solch antiquierte Formulierungen sollen poetisch wirken, machen aber nur den Eindruck, dass da jemand den Poeten "markieren" will. Diesen unangenehmen Eindruck von "Pseudopoesie" hatte ich den ganzen Text hindurch.
Die zweite Stelle ist ein Beispiel für das, was ich eingangs sagte: Dass der Prot zeitweise robben muss, kann ich mir doch selber denken. Und "Meter für Meter"? Gut, das verdeutlicht die Mühsamkeit. Aber es überfrachtet den Satz, hemmt den Lesefluss, hält die Handlung auf. Deshalb solltest du diese Art von Zusätzen weglassen.

Grenzenlose Panik, zitternde Beine, die ihm der extremen Anstrengung wegen kaum noch gehorchten und ein Herz, dessen Pumpen seinen Brustkorb beinahe zu sprengen schienen, ließen ihn fast den Mut verlieren, aufgeben und sich aufgeben.

Schon wieder überflüssiges Beiwerk. Weswegen sollten die Beine ihm denn sonst nicht mehr gehorchen? :confused:
Und warum schreibst du nicht einfach: "Ein Herz, das in seinem Brustkorb fast zerspringen wollte"? Deine Formulierung ist ein weiteres Beispiel für Pseudopoesie. Oder Originalitätszwang, was keineswegs besser ist.
Und das Herz lässt ihn den Mut verlieren? Das ist Unsinn. Die Situation kann ihn den Mut verlieren lassen, das Herz kann höchstens keine Kraft mehr haben, den Mut aufzubringen. Schließlich ist das Herz ein Teil von ihm, kein Aggressor.
Du hast zweimal die Zuordnung von Singular und Plural verwechselt ( schienen, ließ ).
Aufgeben und sich aufgeben? Schon wieder diese falsche Ausführlichkeit.

Ihn trieb die verzweifelte Sehnsucht eines Menschen, der die Hölle kannte und ertragen musste, der ganz unten gewesen war ohne jeglichen Hoffnungsschimmer auf eine noch so minimale Veränderung seines Daseins, die ausschließlich eine Verbesserung seiner Lage bedeutet hätte.

Wieder zu ausführlich und pseudopoetisch.

Sie hatten seine ganze Familie niedergemetzelt, ihm seine Ehre und letztendlich sogar noch die Menschenwürde auf brutalste Weise genommen.

Wiederum eine Menge Wortgeklingel, das den Text künstlich aufbläht. Das kann ersatzlos gestrichen werden.

Gezwungen in die Gemeinschaft von gleich ihm dann rechtlosen Leidensgenossen, schien sein Lebensweg vorgezeichnet zu sein.

Das Gleiche wie eben.

Und so geht es den ganzen Text über weiter.
Worin du dich jetzt zunächst üben musst, ist die "Kunst des Weglassens". Packe nie mehr in einen Satz als unbedingt nötig. Lasse der Phantasie des Lesers Spielraum, auch wenn er den Text dann nicht exakt so liest, wie du es willst.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich in Sprachökonomie zu üben. Zum Beispiel kannst du in Magazinen Artikel mit dem Rotstift bearbeiten und alle Sätze auf überflüssiges Beiwerk untersuchen. Du wirst dich wundern, wie viel Tinte du verbrauchst. ;)

Vielleicht hilft es schon, wenn du diesen Text eine Woche liegen lässt und dann noch mal liest. Dann wirst du eine Ahnung davon bekommen, um wie viel kürzer er wäre, wenn du die Kunst des Weglassens anwenden würdest.
Und dann kommt der Hauptkritikpunkt von HienTau zum Tragen: Dass er nämlich zu wenige Informationen enthält, auf die man als Leser neugierig ist.

Du wirst wahrscheinlich erkennen, dass du hier nicht viel mehr als ein Fragment abgeliefert hast und die eigentliche Geschichte noch drumherum gebaut werden muss.

Nicht entmutigen lassen. Der Anspruch ist hoch, aber zu bewältigen. ;)

Ciao, Megabjörnie

 

Nicht schlecht, aber!

Also ich habe die Geschichte sehr gerne gelesen, allerdings habe ich nicht ganz verstanden, warum Aike (so hieß derjenige doch?? :confused: ) so depriemiert war. Das nächste mal würde ich dir empfehlen, eine kurze "Vorgeschichte" zu schreiben. Aber sonst war die Geschichte ziemlich gut!! :)

 

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