- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 15
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens
keine panik!
(douglas adams - per anhalter durch die galaxis)
"Hast du dich schon mal gefragt, was eigentlich der Sinn des Lebens ist?"
"Schätze mal, zweiundvier..."
"Ach, leck mich doch."
"Was denn?"
"Ich komm hier mit wahnsinnig interessanter Philosophie daher und dir fällt nicht mehr dazu ein, als so eine dämliche Schote."
"Ach, du hast das ernst gemeint. Tut mir Leid, konnte ich nicht wissen."
"Vielleicht sollte ich ab jetzt einfach immer so machen, wenn ich was ernst meine." Loko schnitt eine Grimasse und Grub kicherte albern.
"Dann muss ich ja schon lachen, bevor du irgendwas sagst. Woher soll ich dann wissen, ob das, was du sagen willst, wirklich ernst ist oder ob du mich nicht einfach veralberst, weil du gerne lustige Grimassen schneidest?"
"Manchmal bist du richtig anstrengend, weißt du das?"
"Ja, ich weiß. Soll ich dir einen Tee machen?"
"Nein, ich gehe selbst. Programmier du den Computer. Ich will hier weg, die Gegend deprimiert mich."
Grothangar sieben war wohl einer der schäbigsten Planeten, auf denen das Schiff hätte landen können. Hier gab es nichts - abgesehen von ein paar schimmligen Müllhaufen, mulchigen Tümpeln, stapelweise Zeugs, das sich irgendwann in schimmlige Müllhaufen verwandeln würde, ein paar vergammelte Raumschiffwracks und einigen Schafherden, die sich einen Spaß draus machten, in den Tümpeln zu baden, zwischen den schimmligen Müllhaufen verstecken zu spielen und an den Türgriffen der Raumschiffwracks zu knabbern. Schafe gibt es überall.
Grub, der aufgrund seiner hervorragenden Fähigkeiten auf den Gebieten der Astrophysik und Kernbiologie zum ersten Offizier des Schiffes ernannt worden war, marschierte zum großen Computerterminal um das Navigationssystem zu aktivieren. Um genau zu sein, beschränkten sich seine Fähigkeiten in der Kernbiologie auf das Wissen, dass in jeder Pflaume ein hartes Etwas steckt und auch sein Wissen über Astrophysik erschöpfte sich in vagen Vorraussagen über die endlose Weite des Universums. Um ganz genau zu sein, hatte er von überhaupt gar nichts eine Ahnung und seine einzige Qualifikation zum ersten Offizier bestand schlicht und ergreifend darin, dass sonst niemand da war. Und um die Genauigkeit in eine gewisse Exaktheit zu verwandeln, sei abschließend gesagt, dass er noch nie eine Pflaume gesehen hatte.
Dennoch marschierte er nun gehorsam quer über die Brücke und programmierte den Computer. Das war nicht annähernd so schwierig, wie es im ersten Moment vielleicht klingen mag, denn das Terminal war von einer derart atemberaubend schlichten Eleganz, dass sich auf dem abgrundtief weiß gestrichenen Schaltpult nur ein einziger Knopf befand, der verheißungsvoll von Innen heraus flackerte. Und um die Bedienung noch ein wenig mehr zu vereinfachen, hatte einer der Vorbesitzer des Raumschiffes etwas mit wasserfestem Edding daneben geschrieben: Hier drücken (siehe Handbuch). Grub warf einen letzten prüfenden Blick auf die Anleitung, vergewisserte sich, dass der Pfeil neben der Schrift in die richtige Richtung zeigte, visierte den Knopf gründlich an, wobei er zur Sicherheit ein Auge schloss und drückte ihn.
...
Irgendwo gab es einmal einen Dichter, der ein unglaublich tolles Gedicht über singuläre Quantenextrapolation verfasst hatte. Das Werk besaß wirklich alles, was ein gutes Gedicht nach landläufiger Meinung so ausmacht: einen spannenden Titel, vierzehn Strophen, deren innere Schönheit nur noch vom perfekt jambischen Reimschema übertroffen wurde, einen Spannungsbogen, der sich rotfadengleich durch jeden einzelnen Vers zog und sogar eine witzige Pointe am Schluss, die jeden Zuhörer vergnügt die Hände auf die Knie schlagen gelassen hätte.
Dummerweise, und das war wirklich schade, war es niemandem je vergönnt gewesen, in den Genuss dieses Gedichtes zu kommen. Denn kurz nach der Vollendung suchte ein äußerst aggressiver Virus den Computer des Künstlers heim. Er verwandelte nicht nur alle Buchstaben in irgendwelche kryptischen Symbole, die verdächtig nach völligem Blödsinn aussahen, sondern legte zudem auch die inneren Speicherbänke des Systems derart lahm, dass sie fortan bestritten, jemals irgendetwas gespeichert zu haben und zudem steif und fest behaupteten, dass Einsen und Nullen im Prinzip ein und dasselbe wären und nur anders ausgesprochen würden.
Der Dichter verzog keine Miene, hatte er doch beim Kauf seines Computers auf das Vorhandensein eines kausalnegativen Erinnerungsspeichers bestanden. Eine wahnsinnig neue Erfindung, welche die Daten einer Festplatte binnen Sekunden wiederherstellen kann, indem sie mithilfe von unheimlich kompliziert aussehenden Logarithmen, zwei ebenso fiesen wie komplexen Integralfunktionen und einem vertrackt n-dimensionalen Vektorraum irgendwelche grandiosen Berechnungen anstellte. Eine ebenso teure wie exklusive Sache. Der Dichter startete also mit einem erleichterten Lächeln dieses Programm, welches sich auch prompt und ohne zu zögern an die Arbeit machte. Es formatierte die Festplatte und hängte sich danach mit einer mehr als extravaganten Fehlermeldung auf.
...
"Sind wir bald da?"
"Wo?"
"Na, da wo wir hinfliegen."
"Ich weiß nicht, wo wir hinfliegen", sagte Grub mit herzerweichender Ehrlichkeit und zuckte mit den Schultern.
"Du bist mein erster Offizier. Es ist deine Aufgabe, zu wissen, wo wir hinfliegen."
"Ich habe doch nicht die geringste Ahnung, wie dieses Schiff funktioniert."
"Kann doch nicht so schwer sein. Gibt es keine Anleitung?" Grub reichte seinem Kapitän, der sich zwischenzeitlich eine Tasse mit schmackhaftem Grüntee gemacht hatte, die Bedienungsanleitung des Raumschiffes. Sie bestand aus einem ziemlich verknitterten Bogen Papier - an einer Ecke angesengt, mit Kaffeerändern versehen und mehrmals auseinander gerissen und mit Tesafilm notdürftig geflickt worden. Bedruckt war das Papier mit einer maßstabsgetreuen und sehr bunten Zeichnung des Knopfes und der kurzen Anweisung, wie er zu drücken sei, wenn man das Schiff starten wollte.
"Das ist alles?"
"Das ist alles."
"Und was verstehst du daran nicht?"
"Alles."
"Alles?"
"Alles. Ich meine, wie kann so was funktionieren? Woher weiß das Schiff, wo ich hin will, wenn ich einfach nur den Knopf da drücke? Ich weiß es ja nicht mal selbst."
"Ich meine mich erinnern zu können, dir diesbezüglich genaueste Anweisungen gegeben zu haben."
"Ja. Bring uns weg von hier, hast du gesagt. Nicht sehr präzise, wenn du mich fragst."
"Tu ich aber nicht."
"Was?"
"Dich fragen."
Wie genau das Raumschiff funktionierte, wußte in Wirklichkeit nicht einmal sein Erfinder - ein kauziger Spediteur, der auf einem kleinen Planeten irgendwo zwischen einem nicht näher bestimmten Sternenkopfnebel und dem Rand des Universums lebte. Irgendwann hatte er es einfach satt gehabt, dass seine Kapitäne samt und sonders zu dämlich waren, die Raumschiffe richtig zu bedienen. Also nahm er kurzerhand einen Lötkolben zur Hand und verband alle Kabel unter der Steuerkonsole mit nur einem einzigen Knopf. Die anderen Steuergeräte funktionierte er zu praktischen Bierdosenhaltern und Rückenkratzern um.
Zu seiner eigenen Überraschung funktionierte die neue Steuerung nicht nur, sondern die Schiffe flogen auf einmal auch deutlich schneller und verbrauchten dabei zugleich viel weniger Treibstoff. Außerdem, und das war exakt die Tatsache, die aus der Erfindung einen intergalaktischen Verkaufsschlager sondergleichen hätte machen können, gab sie den Kapitänen aufgrund der Einfachheit genug Gelegenheit, während der langen ereignislosen Fahrten Bier zu trinken und sich am Rücken zu kratzen.
Dummerweise ging diese wahnsinnig schlaue Sache nie in Serie, sondern es wurden lediglich vier Raumschiffe mit dieser einzigartigen Steuervorrichtung gebaut. Kurz, bevor der Spediteur seine Erfindung nämlich zum Patentamt tragen wollte, vernichtete ein heimtückischer Computervirus sein sorgfältig ausgefülltes Anmeldeformular. Nachdem er sein Wiederherstellungsprogramm gestartet hatte, welches sich nach erfolgreicher Formatierung des Datenträgers aufhängte, meinte er, es wäre die Mühe sowieso nicht wert gewesen und widmete sich seiner Kaninchenzucht.
"... Kaninchen", sagte Kapitän Loko gerade und nippte an seinem mittlerweile kalt gewordenen Tee.
"Was?"
"Ach nichts. Ich werde jetzt ein kleines Nickerchen halten, der Tee ist sowieso kalt. Weck mich, wenn wir angekommen sind."
"Wenn wir wo angekommen sind?"
"Wir werden es merken, wenn wir da sind."
"Und woran bitteschön?"
"Vermutlich wird das Schiff irgendwann einfach anhalten. Das tun sie meistens."
...
Wenig später tat das Schiff genau das, was Schiffe meistens irgendwann tun und hielt einfach an. Zuvor meldete der Bordcomputer durch hektisches Blinken irgendeiner gut unter ein paar Versorgungsschläuchen versteckten Kontrolllampe, dass sie angekommen wären und der Landevorgang eingeleitet würde. Klappen öffneten sich, Dinge zischten, quietschten und rumpelten um die Wette und schließlich setzte das Schiff mit einer nicht für möglich gehaltenen Sanftheit auf der Oberfläche auf.
Es handelte sich dabei um den ebenso sagenumwobenen wie unerträglich schönen Planeten Gnurr, dessen Name bewusst im krassen Gegensatz zu seiner Schönheit stand. Benannt wurde der Planet nämlich einst von einem blinden König, dem irgendein Scherzkeks gesagt hatte, ein Gnurr wäre eine Mischung aus einem wunderbar kitschigen Regenbogen und beunruhigend perfekten Tautropfen. In Wirklichkeit handelt es sich bei Gnurr um eine sehr seltene Parasitenart, die sich in Form eitriger Pestbeulen an der Stirn des Befallenen festsaugen und ihn von Innen heraus auslutschen, wobei sie nicht nur die ganze Zeit über nervtötende und unappetitliche Geräusche von sich geben, sondern auch eine ekelerregend grünliche Flüssigkeit absondern, die verdächtig nach Illtis riecht.
Die Bevölkerung nahm die Benennung ihres Planeten mit einem Schulterzucken zur Kenntnis und erfreute sich an der unfassbaren Schönheit Gnurrs, bis sie irgendwann aus einer Laune des Schicksals heraus von ebendiesen befallen wurde und ausstarb.
"Das ist aber schön hier."
"Ja. Viel besser als dieser Müllhaufen von letztens." Loko und Grub hatten sich in ihre feierlichen Zeremonienumhänge geworfen, die sie nur zu dem Zweck trugen, bei der einheimischen Bevölkerung fremder Planeten Eindruck zu schinden. Grub trug außerdem einen kleinen schwarzen Kasten mit sich herum, der eindrucksvoll blinkte und piepte und damit hektische Aktivität und ungemein wichtige Tätigkeit vortäuschte, die in Wirklichkeit darin bestand, eindrucksvoll zu blinken und piepen.
Sie standen auf einer grünen Wiese, umgeben vom wohl wundervollsten Wald, den man für Geld hätte kaufen können. Rehe ästen, ein glitzernder Gebirgsbach schlängelte sich in beinahe perfekter Sinusform durch die Landschaft - wobei er darauf achtete, den Sinus nicht ganz perfekt nachzubilden, da das künstlich ausgesehen hätte - und irgendwo in der Ferne hörten sie ein Schaf blöken. Schafe gibt es überall.
Nichts hätte diese Idylle stören können, abgesehen vielleicht von einem kleinen Männchen, das mitten im Wald steht und mit angespannter Konzentration ein Seil in der Hand hält. Und wie es der Zufall wollte, stand mitten im Wald ein kleines Männchen und hielt mit angespannter Konzentration das Ende eines Seiles in der Hand.
"Bist du ein Eingeborener?", fragte Loko das Männchen und nahm einen Schluck Tee.
"Hä?"
"Ob du ein Eingeborener bist, Fremdling. Wenn ja, solltest du einen Blick auf unsere beeindruckenden Gewänder werfen. Mein Freund hier hat auch einen kleinen Kasten dabei, der toll blinkt."
"Aha."
"Ja... und... und da hinten, da steht unser Raumschiff. Beeindruckt dich das nicht?"
"Ehrlich gesagt... nein."
"Nicht... nun gut... wir kommen von weit her. Mit... mit unserem Raumschiff. Aus dem Weltraum." Die letzten Worte sprach Loko aus, als würde es sich dabei um irgendwas ungeheuer Wichtiges handeln. Etwas, durch dessen bloße Nennung man normalerweise weiche Knie bekommen sollte.
"Ach. Weltraum also."
"Ja, genau." Langsam gewann der Kapitän seine Selbstsicherheit zurück. "Hast du vermutlich noch nie von gehört. Ich meine, nichts gegen dich, aber so richtig fortschrittlich sieht das hier noch nicht aus. Soll ich dir mal ein Rad zeigen?"
"Ich bin beschäftigt."
"Ja, das... das sehe ich. Was machst du da, wenn ich fragen darf?"
"Ich halte das Seil."
"Aber warum tust du das?" Loko trat einen Schritt zurück, um sich einen besseren Überblick von der Gesamtsituation machen zu können und beobachtete den Fremden interessiert.
"Weil es da ist. Irgendjemand muss es halten."
"Ja, aber das Seil muss doch irgendeinen Sinn haben."
"Ich halte es."
"Und das reicht?"
"Mir schon. Willst du mal?" Der Fremde wandte zum ersten Mal seinen Blick von dem Seil ab und schenkte Loko ein ermutigendes Lächeln.
"Aber... aber das ist doch total sinnlos."
"Nein, ist es nicht. Das Seil muss immer straff gespannt sein. Ich weiß nicht, warum, aber es ist so. Der Sinn besteht darin, das Seil gespannt zu halten."
"Das ist der Sinn?"
"Ja. Hier, gut festhalten." Der Fremde überreichte Loko das Ende des Seiles. Es war erstaunlich leicht. Und mit einem Mal, wo er hier stand, mitten im Wald mit dem Ende eines gespannten Seils in der Hand, das irgendwo zwischen den Bäumen verschwand, erkannte Loko den tieferen Sinn.
Er wusste auf einmal, worum es ging.
Vielleicht ist der Sinn des Lebens auch einfach das, was man daraus macht.