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Auf einem Friedhof bei starkem Regen und Westwind

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22.01.2005
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Auf einem Friedhof bei starkem Regen und Westwind

Nekrolog

Es war ein trüber verregneter Sonntagnachmittag. Das Wasser seilte sich in seemannstaudicken Fäden aus den schwarz-grauen Wolken und von Westen her wehte ein frischer Wind, der die nassen Seile in leichte Pendelbewegungen versetzte. Das Rauschen der Bäume stimmte mit ein in das plätschernde Geräusch, das der auf den feinen Kies des Friedhofsweges prasselnde Regen verursachte. Die Luft war gesättigt vom feucht-moosigen Geruch, wie er auf Friedhöfen, an verregneten Sonntagnachmittagen nun mal so üblich ist.
Kein Klischee hätte diesen Sonntagnachmittag besser zeichnen können, kein Klischee hätte die Umstände für eine Beerdigung besser wiedergeben können, als es hier die Realität vormachte.
Um die rechteckige Grube, die wohl am Tag zuvor irgendjemand ausgehoben hatte, standen fünf, in tiefes Schwarz gekleidete, Menschen. Der Regen nutze ihre dunklen Mäntel als Filter und tropfte unten in den sowieso schon nassen Boden. Schweigend standen sie vor dem Erdloch und blickten still hinein. Niemand bewegte sich, nur der Wind zupfte ab und zu an einem Hut oder einem Kragen.
Als die Stille kurz vor ihren Höchstpunkt stand, trat einer vor, stellte sich an die Stirnseite der Grube und blickte den anderen auf die geneigten Häupter. Erst zögernd, dann fließender begann er zu sprechen. Er sprach von Blumen, die, naturgemäß, verwelken, doch an deren Schönheit man sich auch darüber hinaus erinnern könne. Sprach noch von manch anderen Dingen, erwähnte einmal, in einem Nebensatz, Gott, reihte sich dann wieder zu den anderen Vieren ein, neigte sein Haupt und schwieg.
Ein Weiterer aus der Runde trat, nach einiger vergangener Zeit nun auch nach vorn, sah in das ruhige Quartett und sagte ein paar Worte. Fügte, anders als sein Vorredner, einige Beispiele an, erwähnte, weder in einem Hauptsatz, noch in einem Nebensatz Gott, dafür aber, ohne dass ein Komma hörbar gewesen wäre, Satan, den Leibhaftigen und sprach von Versuchungen, von Prüfungen die man bestehen müsse, wandte sich dann ab, stellte sich zu den anderen und schwieg.
Nun schwiegen wieder alle zusammen und übertönten damit beinahe den Regen und sein unaufhörliches Plätschern und den Wind, dessen Pfeifen das Plätschern trug.
Keiner traute sich etwas zu sagen, keiner wollte die Stille unterbrechen und somit das Gesagte, das noch immer unumstößlich in der Runde stand, stören.
Wer hätte es sich wagen sollen, hier zu stören, die Worte, die wie Felsen waren, auf ihrem Weg in den zerebralen Verdauungstrakt zu behindern? Niemand wagte sich und so schwiegen sie weiter, ließen sich nicht stören, von Wind und Wetter, schwiegen verdauend, vielleicht auch nicht mehr, doch schwiegen trotzdem.
Bis einer aus dem Verbund trat, dadurch das Schweigen störte, anfing zu sprechen und damit das Schweigen unterbrach. Seine Stimme verriet seine Empörung, seinen Unmut und sprengte die Andacht. Er sprach von Heuchelei und Scheinheiligkeit, benutzte Wörter wie "verlogen" und "ekelerregendes Pack", erwähnte Gott in einem Hauptsatz, Satan in einem Nebensatz, hielt kurz inne, blickte in die entsetzte und aufgeschreckte Gemeinde, drehte sich dann wortlos um, ging auf dem aufgeweichten und schwammigen Kiesweg, zu seinem Bedauern, leider nicht geräuschlos in Richtung Tor und verschwand.
Nach einer Weile, die, gefüllt mit Stille, vielleicht eine Minute dauerte, vielleicht länger, bewegte sich die Gruppe der verbliebenen Vier, fast zeitgleich, auch in Richtung Tor. Langsam, eine Kette bildend, liefen sie, alle mit errötetem Gesicht, bei einem von ihnen war das Wetter schuld, den Weg entlang. Auch ihre Schritte wurden begleitet von Geräuschen und ließen die leere Grube hinter sich zurück.

 

Hallo eikscholz,

und herzlich willkommen bei uns.
Deine Geschichte lässt mich gespalten zurück. Vom Plot her und von der möglichen Stimmung her fand ich sie sehr gut. Gerade die leere Grube am Schluss gibt dem ganzen Interpretationsbedarf, wer oder was hier wohl zu Grabe getragen wurde.
Von der Stilistik her habe ich aber einiges zu bemängeln.

Details:

Die Luft war gesättigt vom feucht-moosigen Geruch, wie er auf Friedhöfen, an verregneten Sonntagnachmittagen nun mal so üblich ist.
Das verwässert die Atmosphäre anders als du es beabsichtigst. ;)
Ich würde den ganze Satz an deiner Stelle noch mal überdenken, aber diese drei Wörter auf alle Fälle streichen.
Kein Klischee hätte diesen Sonntagnachmittag besser zeichnen können, kein Klischee hätte die Umstände für eine Beerdigung besser wiedergeben können, als es hier die Realität vormachte.
Da das bei uns absolut unüblich ist, frage ich noch einmal nach. Beerdigung an einem Sonntag?
Um die rechteckige Grube, die wohl am Tag zuvor irgendjemand ausgehoben hatte
Ich denke, jeder kann sich die Grube für einen Sarg vorstellen. Auch, dass das Grab zuvor ausgehoben wird ist so selbstverständlich, dass die Beliebigkeit deiner Zuweiseung für diesen Vorgang eher komisch als der Situation angemessen wirkt.
standen fünf, in tiefes Schwarz gekleidete, Menschen.
auch das eine bei Beerdigungen so typische Bekleidungsfarbe, dass es eher einer Erwähnung bedurft hätte, wenn sie anders gewesen wäre, weiß etwa. Streich vor allem das "tief".
Der Regen nutze ihre dunklen Mäntel als Filter
Du willst damit andeuten, dass die Mäntel nicht davor schützen, nehme ich an. Er durchnässte die Leute also bis auf die Knochen. Allerdings hatte ich dadurch, dass du das "dunkle" erwähnst zunächst an einen Fotofilter gedacht, der die Farbe reduziert (das Licht). Außerdem frage ich mich, ob es für deine Geschichte oder für ihre Atmosphäre eine Bedeutung hat, wenn das Regenwasser in einem sauberen Zustand wieder aus dem Mantel kommt, als es hereingekommen ist, und ob das tatsächlich der Fall ist (was ein Filter ja nahelegt).
Als die Stille kurz vor ihren Höchstpunkt stand
Gibt es eine Steigerung von Stille? Wie kommt der Höchstpunkt zustande?
Wer hätte es sich wagen sollen, hier zu stören,
sich
Niemand wagte sich und so schwiegen sie weiter,
statt "wagte" vielleicht "traute" (um Wiederholungen zu vermeiden)?
Bis einer aus dem Verbund trat, dadurch das Schweigen störte, anfing zu sprechen und damit das Schweigen unterbrach.
Um ehrlich zu sein, habe ich mich an dieser Stelle gefragt, für wie blöd du deine Leser hältst.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo eikscholz,

die Sprache, mit der du die Geschichte auskleidest, gefällt mir gut. Teilweise übertreibst du es jedoch ein bisschen damit... Handlung ist ja kaum gegeben, aber da der Text auch nicht sehr lang ist, kann man damit leben...

Details:


Die Luft war gesättigt vom feucht-moosigen Geruch, wie er auf Friedhöfen, an verregneten Sonntagnachmittagen nun mal so üblich ist.
An verregneten Montagen nicht? Du findest sicher eine elegantere Methode, einzubauen, dass Sonntag ist :) Wie wär's mit: ...Geruch, wie er auf Friedhöfen an Regentagen üblich ist. Oder überleg doch mal, diese weiterführende Beschreibung ganz zu streichen, ist eigentlich überflüssig.


Kein Klischee hätte diesen Sonntagnachmittag besser zeichnen können, kein Klischee hätte die Umstände für eine Beerdigung besser wiedergeben können, als es hier die Realität vormachte.
Hey, das finde ich echt clever, wie du hier dem Klischeekritikpunkt vorbeugst, indem du schon auf der Geschichte darauf eingehst :D ... hast aber recht, die Realität ist oft nun mal Klischee, sonst gäbs ja auch keine.


standen fünf, in tiefes Schwarz gekleidete, Menschen.
zu viele Kommas... tiefes Schwarz? Gibts auch helles?


Als die Stille kurz vor ihren Höchstpunkt stand,
Da traue ich dir eine bessere Formulierung zu, um die Spannung zu steigern.


Nun schwiegen wieder alle zusammen und übertönten damit beinahe den Regen
:lol:


schwiegen verdauend, vielleicht auch nicht mehr,
Aha :rolleyes:
das ist eigentlich unnötig - es sei denn, du baust einen vorhergehenden Besuch bei MacDonalds mit ein :)


Bis einer aus dem Verbund trat, dadurch das Schweigen störte, anfing zu sprechen und damit das Schweigen unterbrach.
:D
Etwas zuviel des Guten.


blickte in die entsetzte und aufgeschreckte Gemeinde,
Gemeinde klingt nach vielen Leuten. Fünf sind eher eine Runde oder eine Gruppe, selbst wenn du den Ausdruck absichtlich gewählt hast, passt er nicht ins Bild.


ging auf dem aufgeweichten und schwammigen Kiesweg, zu seinem Bedauern, leider nicht geräuschlos
:lol:

Schöner Text mit einigen stilistischen Mängeln, sind wahrscheinlich mit voller Absicht und einem sarkastischen Gesichtsausdruck eingearbeitet worden. Ich fands amüsant, würde es um der Geschichte willen aber streichen. Ansonsten gerne gelesen.

Gruß,
Anea.

Ach ja: ich könnte mir vorstellen, dass du gute Satiren zustande bringst.

 

Vielen Dank für die hilfreichen Anmerkungen. Werde sie auf jeden Fall überdenken und auch sicher einsetzen. Allerdings tut mir es leid, dass sim den einen Satz so interpretiert, als würde ich meine Leser für blöd halten. Aber dem ist nicht so. Wollte damit nur deutlich machen, dass nun in der Geschichte die entscheidende Wendung eintritt.

MfG

EikScholz

 

eikscholz schrieb:
Allerdings tut mir es leid, dass sim den einen Satz so interpretiert, als würde ich meine Leser für blöd halten. Aber dem ist nicht so. Wollte damit nur deutlich machen, dass nun in der Geschichte die entscheidende Wendung eintritt.

Genau darum ging es mir bei diesem Satz. Du wiederholst den gleichen Sachverhalt auf zwei Weisen. Das wirkt leider als so deutlicher Fingerzeig, dass man meinen könnte, du hättest Angst, der Leser würde das anders nicht begreifen. :)

Lieben Gruß, sim

 

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