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Auf nach Zygorien!
"hat gar keine richtige Pointe."
"Ich will Sie ja nicht unterbrechen, Sir, aber..."
"Also, ich verlange ja nicht viel von einem Buch, aber irgendeine Idee am Schluss wäre schon nett gewesen."
"Sir, ich finde wirklich, das sollten Sie sich anse..."
"Das ganze Ding war ja nun schon nicht sonderlich originell, aber das Ende war echt mies."
"Es wäre wirklich sehr wichtig, wenn Sie..."
"Insgesamt eine riesige Enttäuschung. Lass verdammt noch mal meinen Ärmel los! Was gibt es denn so Wichtiges?"
"Die Küche ist explodiert."
Von all den Dingen, die einen überaus wichtigen und angesehenen Raumschiffkapitän am ehesten aus dem Konzept bringen können, war eine explodierte Küche wohl in etwa das Viertschlimmste. Lukon Trux, seines Zeichens erster Befehlshaber und alleiniger Kommandant des vordersten Stoßtrupps des obersten Angriffsregiments im zehntwichtigsten Bataillon der siebtbedeutendsten Flotte der königlich imperialen Armee Ihrer überaus heiligen Majestät Zarkon des Vierten von Ikarien, hob verärgert seine linke Augenbraue.
"Hat der Koch etwa wieder versucht, Schnaps zu brennen?"
"Nein, Sir... Doch, Sir. Aber das war nicht der Grund für die Explosion. Um genau zu sein, war der Koch gar nicht in der Küche, als es passierte."
"Willst du damit sagen, er ist unschuldig?" Der Kapitän mochte es gar nicht, wenn es für einen Vorfall keinen klar auszumachenden Schuldigen gab, den man vor versammelter Mannschaft imagewirksam zur Sau machen konnte. Seiner Meinung nach wären Vorfälle generell komplett sinnlos, wenn man niemanden dafür verantwortlich machen könnte. Er zog die zweite Augenbraue empor, für seinen ersten Offizier ein untrügliches Zeichen äußerster Verärgerung.
"Es hat ganz den Anschein, Sir. Zumindest... zumindest sprechen alle Indizien dafür."
"Zum Beispiel?"
"Naja, ich nehme an, die Küche wird explodiert sein, als das zygorische Kriegsschiff ein Loch in unsere Außenwand geschossen hat... Sir."
...
Ungefähr zur selben Zeit etwa hundertausend Quadrons von der Front entfernt auf Ikarien
"Euer Majestät, unsere Schiffe melden Feindkontakt. Wir haben soeben Zygorien erreicht und können mit der Eroberung beginnen."
"Fein... Lakai! Ich habe Hunger, also bringe er mir einen Gwürm! Aber hurtig." Der angesprochene Diener verbeugte sich tief und huschte von dannen.
"Majestät, ich habe die Sterne in dieser Sache befragt und... naja, sie... sie..." Der oberste Großwesir und königliche Hofastronom Hrung schluckte schwer. Er hatte seinen Dienst erst vor zwei Tagen angetreten und diese vergleichsweise lange Amtsperiode nur deshalb überstanden, weil er wusste, wann man Zarkon den Vierten besser nicht mit der frustrierenden Wahrheit konfrontierte. "Also... um genau zu sein, die Sterne..."
"Ja? Was tun die Sterne?" Zarkon der Vierte blickte neugierig auf seinen Untergebenen herab und deutete seinen Leibwächtern heimlich, schon mal ihre Hellebarden bereitzuhalten.
"Sie... sie hüllen sich in Schweigen."
"Soll das heißen, du kannst mir nicht sagen, ob wir die Zygorier wegputzen?" Eine der Wachen, ein grobschlächtiger Kerl mit Namen D, schlechtem Atem und nur noch sieben Fingern an der linken Hand, grinste voller Vorfreude und ließ seinen Blick über den Hals des Astronomen schweifen - auf der Suche nach einer besonders widerstandsfähigen Stelle. Er liebte Herausforderungen.
"Nein... ich meine, ja. Aber... aber nicht sofort..."
"Was nützt mir ein Astronom, der nicht einmal die Sterne befragen kann? Sag es mir."
Das Schicksal wollte es, dass Hrung noch ein wenig Zeit zum Überlegen blieb, denn in diesem Moment betrat der Lakai den Thronsaal, in der Hand ein Tablett mit überaus erlesenem Gwürm.
"Oh, Frühstück. Fein. Augenblick, Hrung, das hier geht vor." Zarkon der Vierte packte den Gwürm an der hinteren Schwanzflosse und führte das Tier an seinen Mund. "Moment, hast du das vorgekostet?"
"A'ü'ich", brachte der zungenlose Lakai mühevoll hervor.
"Was? Du wagst es, mir das Essen anzuknabbern? Hier, am Kiemen fehlt ein Stück! Mach dem Kerl mal einer den Kopf weg." D packte den Diener am Arm und führte ihn aus dem Thronsaal. Zarkon der Vierte lächelte gütig und schluckte den Gwürm bei lebendigem Leibe und an einem Stück herunter.
Der Gwürm ist eine Art Fisch, der lediglich an den östlichen Steilküsten Ikariens vorkommt, und selbst dort nur in überschaubaren Mengen. Das Männchen verbringt die erste Woche seines Lebens damit, ein geeignetes Weibchen zur Fortpflanzung zu finden und explodiert zwei Minuten nach dem Geschlechtsakt.
Die Weibchen sind danach derart traurig über den Verlust ihres Gatten, dass sie nach dem Ablaichen ihre Nachkommen - eigentlich nur eines pro Wurf - sich selbst überlassen und ein Leben voller Einsamkeit in den weiten Meeren des Ostens verbringen, wo sie sich gegenseitig erschreckend traurige Lieder über Liebe und Schmerz vorsingen - immer in der Hoffnung, irgendjemand würde zuhören. Es hört aber niemand zu.
"Nun sprich, Astronom! Was ist jetzt mit dem Krieg? Gewinnen wir oder nicht?"
"Hängt von der Antwort mein Leben ab?"
"Das liegt an dir. Wenn dein Kopf ohne den Rest leben kann, dann nicht."
"Dann bitte ich Euer Majestät um etwas Zeit. Ich... ich möchte sicher sein." Diese Sicherheit bezog sich weniger auf die Richtigkeit seiner Weißsagung, als mehr auf den Umstand, bei der Verkündung außerhalb der Reichweite der Hellebarden zu stehen. Vierzigtausend Quadrons sollten reichen.
"Okay. Du hast drei Stunden."
Aufgrund seines verschwenderischen Umgangs mit dem eigenen Leben ist der Gwürm derart wertvoll, dass der Legende nach ein Fischer nur einen einzigen fangen muss, um vom Erlös seinen kompletten Lebensunterhalt bestreiten zu können. Natürlich genügt es nicht, einfach nur eine Schnur ins Wasser zu halten und zu warten, für einen solchen Fisch muss man sich schon besonders anstrengen. Sie lassen sich nur fangen, indem man ausgestopfte Weibchen ins Wasser wirft und hofft, dass das Männchen nach dem Geschlechtsakt andere Artgenossen ausreichend schwer verletzt.
...
Es war ganz bestimmt keine Bitte. Mehr eine Aufforderung. Kapitän Trux war sich allerdings nicht sicher, ob es nicht doch eher eine Weisung war. Oder eine Order. Eventuell handelte es sich sogar um einen Befehl. In diesem letzten Fall wäre die Kacke allerdings ordentlich am Dampfen, dachte er. Und während Lukon Trux noch überlegte, hallte die blecherne Stimme erneut über die Brücke.
Dies ist eine automatische Botschaft der zygorischen Kriegsflotte. Drehen Sie umgehend bei, schalten Sie Ihre Waffensysteme ab und lassen Sie uns an Bord. Damit wir entern können und so. Den Teil kannte der Kapitän schon. Die folgende Ergänzung noch nicht. Das ist ein Befehl.
"Verdammt... Computer, Schadensbericht!"
"Jetzt?"
"Jetzt."
"Leck mich."
"Wie bitte?"
"Ich hab Pause." Etwas sirrte und wenige Augenblicke später kam ein Ausdruck aus einem kleinen Schlitz unterhalb des Computerterminals, aus dem klar hervorging, dass der Maschine tatsächlich jeden Tag zwei Stunden Pause zu festgelegten Zeiten zustanden.
"Das ist ein Notfall!"
"Pause. Soll ich's noch mal ausdrucken?"
"Wenn du nicht sofort anfängst, mit deinen kleinen Lämpchen zu blinken, dann stopf ich das Buch hier in deinen Scanner." Angriffslustig wedelte Trux mit seinem Roman in der Luft herum. Es war das Buch, mit dem er sich die Zeit bis zu ihrer Ankunft an die Front vertrieben hatte und das ihn so dermaßen enttäuscht hatte. "Und ich warne dich, es ist todlangweilig."
"Ich bin nicht gezwungen, gescannte Dokumente auch zu lesen", antwortete der Computer gleichgültig. "Jedenfalls nicht in meiner Pause."
"Ey, wir sind im Krieg! In einer Minute ist das Schiff nicht viel mehr als ein Haufen Kometenscheiße."
"Augenblick." Der Computer wartete exakt eine Minute, in der rein gar nichts geschah. "Damit ist alles klar." Er schaltete sich ab. Unwiderruflich.
Kapitän Trux hob sein drittes Augenlid. Ein untrügliches Zeichen absoluter und schier unsteigerbarer Verärgerung.
"Brücke an Maschinenraum! Brücke an Maschinenraum!", bellte er in den schiffsinternen Kommunikator. "Larulp, seid ihr da?"
"Hier Maschinenraum", sagte Larulp. Seit der oberste Chefwissenschaftler des Schiffes in einem spektakulären Selbstversuch das erste erfolgreiche Klonexperiment an einem Ikarianer durchgeführt hatte, wusste man nie so recht, mit welchem von beiden man es gerade zu tun hatte. Sie selbst wussten es wohl am wenigsten.
"Lagebericht. Aber zackig!"
"Die Küche brennt, Käptn."
"Weiter."
"Nichts weiter. Das ist alles. Sie haben auf uns geschossen, aber lediglich die Küche getroffen. Vielleicht wollen sie, dass wir verhungern."
"Oder aber", meldete sich eine zweite Stimme, die genauso klang wie die erste und ein Kichern nur schwer unterdrücken konnte, "oder aber, sie hatten Mitleid mit unseren Mägen."
"Halt die Klappe", zischte die erste Stimme. "Das hier ist wichtig."
"Du hast mir gar nichts zu sagen, Klon. Wenn ich einen Witz machen will, dann mache ich einen Witz."
"Erstens bin nicht ich nicht der Klon, sondern du, und zweitens war dein Witz nicht komisch."
"Wenn du das Original sein willst, dann sag mir doch mal, was du mit der kleinen Rütly an ihrem zwanzigsten Geburtstag auf ihrer Couch getrieben hast. Weißt du nämlich nicht, weil es dich da noch gar nicht gab. Ha!"
"Wir haben die Couch frisch bezogen, wegen der Saftflecken."
"Larulp, ich will euch ja nur ungern stören", unterbrach Trux die beiden deutlich ungehalten, "aber wir sind mitten im Krieg."
"Ja, Sir. Entschuldigung."
"Jetzt sag deinem Klon, wer auch immer von euch beiden das sein mag, dass er Kälteschlaf halten soll oder so. Und dann schotte das Küchendeck ab."
"Wird erledigt, Sir."
Das ist eine automatische Botschaft der zygorischen Kriegsflotte. Drehen Sie umgehend bei, schalten Sie Ihre Waffensysteme ab und lassen Sie uns an Bord. Damit wir entern können und so.
"Ich hasse Stress..." Der Kapitän unterbrach die Verbindung zum Maschinenraum und winkte seinen ersten Offizier zu sich heran. "Haben wir..." Dies ist ein Befehl. "Ja, verdammt! Haben wir irgendwo Waffen an Bord?"
"Wir sind hier auf einem Kriegsschiff, Sir."
...
Krieg ist eine feine Sache, wenn man nicht selbst dabei ist.
Hätte man es nicht besser gewusst, hätte man beinahe glauben können, Ihre überaus heilige Majestät Zarkon der Vierte von Ikarien hätte diesen Satz als Leitspruch für seine Amtsperiode gewählt. Wenn man es hingegen besser wusste, und die wenigsten Bewohner Ikariens taten dies, gelangte man schnell zu der Gewissheit, dass tatsächlich genau das der Fall war.
Bereits die Krönungszeremonie des Königs war nicht ohne Blutvergießen vonstatten gegangen, als nämlich eine Gruppe schäbiger Revolutionäre, wie Zarkon sie später nannte, die unermessliche Frechheit besessen hatten, die Rechtmäßigkeit seiner Machtergreifung anzuzweifeln, nur weil er der Tradition gemäß seinen Vorgänger durch einen wohlplatzierten Dolchstoß von dessen Amt enthoben hatte. Dass Zarkon der Vierte diese Tradition kurz zuvor selbst eingeführt hatte, bedeutete ihm selbst dabei nicht viel mehr, als eine kleine unbedeutende Fußnote im immerwährenden Buch der Geschichte.
Nachdem also seine zweite Amtshandlung darin bestanden hatte, die Revolutionäre den dreizähnigen Jaglatiden zum Fraß vorzuwerfen, machte er es sich auf dem Thron bequem und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Keine leichte Entscheidung für jemanden, der aufgrund einer immensen Rechtschreibschwäche außerstande war, neue Gesetze zu erlassen, über einen Planeten regierte, der aufgrund des hohen Militärbudgets zu arm war, um weitere Steuererhöhungen zu ertragen und dessen Bewohnerinnen schlicht zu hässlich waren, um mit ihnen einen Stammfolger zu zeugen.
"Krieg", sagte er also. "Krieg ist immer eine Option." Und so wurden in Windeseile ein paar Kriegsschiffe mit Rekruten beladen, mit den ebenso berüchtigten wie schwer zu bedienenden Zrut-Kanonen bestückt und in den Krieg gegen irgendeinen Nachbarplaneten geschickt. Ohne besonderen Grund, einfach nur, weil Ihre überaus heilige Majestät Zarkon der Vierte von Ikarien es konnte.
Zygorien, ein Planet, dessen Mangel an Rohstoffen nur noch von seiner absoluten strategischen Unbedeutsamkeit übertroffen wurde, war nur das bislang letzte Glied in einer langen Kette militärischer Kantersiege.
...
"Okay, noch mal von vorn. Wo muss ich drücken, damit die in die Luft fliegen?" Kapitän Lukon Trux stand ein wenig ratlos vor dem gigantischen Bedienpanel der Zrut-Kanone.
"Das ist eine sehr gute Frage, Sir", antwortete sein erster Offizier. "Um genau zu sein... ich weiß es nicht. Niemand hier an Bord weiß das."
"Nee, jetzt mal im Ernst..."
"Das war mein Ernst, Sir. Wenn Sie sich erinnern, haben Sie mich damals mit der Zusammenstellung der Besatzung beauftragt. Und... naja, als ich vor die Wahl gestellt war, entweder einen Waffeningenieur oder einen Koch einzustellen, da habe ich..."
"Soll das bedeuten, wir haben die mächtigste Waffe von allen, aber niemanden, der damit umgehen kann?" Der Kapitän wollte seine vierte Augenbraue heben, um seiner immensen Verärgerung angemessen Tribut zu zollen, scheiterte aber an der mangelhaften Anzahl Augen.
"Ich fürchte, so sieht es aus. Ich dachte damals, dass wir im Falle eines Falles immer noch das Handbuch haben würden."
"Wir haben ein Handbuch?"
"Im Computer."
"Sehr schön. Computer!"
"Leck mich."
"Ja, ich weiß du hast Pause. Aber du sollst jetzt auch nichts rechnen, sondern nur was ausdru..."
"Paragraph siebzehn Absatz vier aus dem Gesetz der außerordentlich wichtigen Verordnung zum Schutz überaus schützenswerter Elektronik steht klar geschrieben, dass die zuvor erwähnte Elektronik während ihrer Pause keinesfalls mit wie auch immer gearteter Arbeit belästigt werden darf. Zuwiderhandlung wird mit Strafe geahndet", schnurrte die Computerstimme gleichgültig. "Ich glaube, die hat etwas mit dreizähnigen Jaglatiden zu tun", fügte sie vergnügt hinzu.
"Okay, immer mit der Ruhe. So schwer kann das schon nicht sein. Ich meine, das Ding war schweineteuer, da wird die Kanone schon wissen, was sie zu tun hat... oder?"
"Sir, ich weiß nicht. Aber ich wäre ehrlich gesagt gerne woanders, wenn Sie es ausprobieren."
"Hier, der Knopf sieht doch verheißungsvoll aus."
"Was ist mit diesem dort?"
"Hmm... Auch nicht schlecht, aber ich glaube, der hier ist besser."
"Sir, bei allem Respekt, aber..."
"Wer von uns beiden ist hier der Kapitän? Eben. Und jetzt lass mich mal machen hier."
...
"Deine Bedenkzeit ist um, Astronom."
"Ja, ich fürchte, Ihr habt Recht, Euer Majestät." Hrung glaubte, das freudige Grinsen auf D's Gesicht sehen zu können, obwohl der bullige Leibwächter hinter ihm stand und im Geiste vermutlich schon mal das Blut von der Klinge wischte. Hrung hatte wirklich alles in seiner Macht stehende versucht, das Unheil von sich abzuwenden. Er hatte die Sterne angefleht, sie angebrüllt und sogar einen nackten Tanz probiert, aber die Antwort, die er erhielt, war stets die gleiche geblieben.
"Jetzt sag schon! Machen wir diese... diese..."
"Zygorier, Herr."
"Danke. Machen wir also diese räudigen Zygorier fertig oder nicht?"
"Euer Majestät, die Antwort lautet... also, es wäre wirklich besser, wenn Ihr mir noch ein wenig Zeit..."
"Sprich!"
"Die Antwort lautet also..."
Und während Hrung seinen Kopf verlor, betätigte Lukon Trux etwa hunderttausend Quadrons entfernt den Auslöser.