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Auf vier Pfoten durch den Advent

CoK

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24.08.2020
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Anmerkungen zum Text

Diesen Text habe ich schon lange zu Hause, und als Schwabe wollte ich eine einmal gefasste Idee nicht aufgeben. Ich weiß, dass Challenger-Zeit ist, aber vielleicht findet sich doch der ein oder andere, der ihn lesen möchte.

Auf vier Pfoten durch den Advent

Luise war früh aufgestanden. „Heute müssen wir alles schaffen“, murmelte sie. Der Kühlschrank musste ausgeräumt werden, die Blumen gegossen – und Otto musste noch versorgt werden.
Als sie die Terrassentür öffnete, schlug ihr kalte Luft entgegen.
In der Nacht war Schnee gefallen und hatte den Garten in eine glitzernde Winterlandschaft verwandelt. Neben den Blumentöpfen zogen sich kleine Pfotenabdrücke quer durch das Schneekleid.
„Otto?“ Sie sah sich suchend um. „Otto! Ottiii!“
Unter der Gartenbank regte sich etwas. Ein schwarzes Fellknäuel kroch hervor, mauzte und tappte auf sie zu.
Der Kater rieb seinen Kopf an ihrem Bein. Mit seinem dicken Winterfell sah er wie ein kleiner, haariger Fußball aus.
Luise lachte leise. Sie erinnerte sich daran, wie er vor Jahren auf ihrer Terrasse aufgetaucht war. Eigentlich hatte sie nach dem Auszug der Kinder kein Tier mehr gewollt. Doch der kleine Kater war einfach geblieben.
„Wenn er schon hier wohnt, bekommt er auch einen Namen“, hatte Malte damals entschieden. „Der ist fast genauso hoch wie lang. Das ist ein Otto.“
Der Kater schlüpfte an Luise vorbei ins Warme.
Und unbemerkt flog eine winzige Fee durch die offene Tür hinter ihm her: Glitzer, die Weihnachtsfee. Sie setzte sich auf die Fensterbank, schüttelte die Schneeflocken aus ihren weißen Locken und bewegte vorsichtig ihre klammen silbernen Flügel. Neugierig lauschte sie, als Luise sich zu Otto beugte.
„Ab heute musst du im Keller schlafen“, sagte Luise. „Wir fahren wieder auf den Weihnachtsmarkt.“ Sie griff nach dem Katzenkorb neben dem Kachelofen.
Otto verstand sofort, dass das nichts Gutes verhieß. Er rollte sich auf dem Sofa zusammen und tat so, als ginge ihn das überhaupt nichts an.
Luise stellte den Korb im Keller neben die Katzenklappe, füllte die Futtersäule bis zum Rand und ging zurück, um Malte zu wecken.
„Es hat geschneit! Auf dem Weihnachtsmarkt wird heute richtig viel los sein!“
„Mhm“, brummte Malte. „Den Schnee habe ich schon gestern in meinen Knochen gespürt.“ Müde sah er erst zu den Koffern in der Diele, dann zu Otto. Neidisch seufzte er. „So ein Katzenleben hätte ich auch gern: schlafen, fressen, faulenzen …“
Glitzer hob bei diesen Worten den Kopf. „Oh?“, flüsterte sie. „Ein Wunsch.“

Nach dem Frühstück schlurfte Malte ins Bad, Otto schlich ihm nach, und neugierig folgte Glitzer den beiden, huschte hinter einen Zahnputzbecher, duckte sich, lauschte und verfolgte jeden ihrer Schritte
Malte seifte sich ein.
Plötzlich sprang Otto auf den Hocker und direkt auf Maltes Pullover. Seine Augen wurden schmal, sein Schwanz zuckte – und er pinkelte …
„Nein! Nicht das …!“ Malte sprang aus der Dusche, rutschte aus und stürzte auf Otto. In diesem Moment hob Glitzer ihren Zauberstab.

„Winterzauber, flieg herbei,
mach aus einem Herzen zwei.
Winterzauber, es soll gescheh’n:
Der Mensch soll jetzt als Kater geh’n!
Winterzauber – eins, zwei, drei:
Der Kater ein Mensch nun sei!“

Ein eisiger Glitzerstrahl durchzuckte den Raum.
Malte spürte, wie sich alles drehte. Sein Körper wurde leicht. Sein Mund öffnete sich … „Miau.“
Otto wankte. Seine Pfoten streckten sich, sein Rücken wurde länger und länger.
„Was … was ist das?!“ rief er. „Ich kann sprechen! Ich habe … Hände?! Ich bin ein Mensch!“
„Mrrraau! Miauuuu!“ empörte sich Malte. Auf Katzisch hieß das in etwa: „Du bist jetzt ich – und ich bin der Kater!‘”
Glitzer nickte zufrieden, flog davon – nur Maltes neue Katzenohren hörten ihr leises Kichern.
„Schatz! Wir müssen los!“
Erschrocken zuckten beide zusammen.
Otto stellte sich zitternd unter die Dusche, wusch sich ab, zog Maltes Kleidung an und eilte hinaus. Wie von selbst lud er die Koffer ein und setzte sich ans Steuer – sein halbes Herz wusste, wie das ging.
Malte strich derweil um Luises Beine.
„Ach, mein armer Otto“, sagte sie und hob ihn hoch. „Ich werde dich vermissen.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf den Kopf.
„Ich bin doch Malte!“, wollte er rufen. Doch aus seinem Mund kam nur ein schwaches „Miau.“
„Hör nur, wie traurig er ist“, seufzte Luise und setzte ihn ab.
Dann fuhren sie los.
Malte sah ihnen mit glitzernden Augen nach. „Das ist bestimmt nur ein Traum“, dachte er und kroch durch die Katzenklappe zurück in den Keller. Er rollte sich in den Korb und schlief ein.


„Warum bist du so still?“, fragte Luise später und musterte ihren Mann – der keiner war – von der Seite.
„Mhm“, brummte Otto. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Gedanken schossen ihm durch den Kopf: Lachs essen, wann er wollte … den Nachbarshund verjagen … im Bett schlafen …
Luise beobachtete ihn besorgt. Sicher hatte er wieder Schmerzen, dachte sie.
„Weißt du“, begann sie vorsichtig, „vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, unser Häuschen und den Marktstand zu verkaufen. Wir haben doch über das Altenheim gesprochen. Ich sehe, wie dich deine Schmerzen plagen. Aber was machen wir dann mit Otto? Im Heim sind keine Tiere erlaubt. Wir könnten ihn doch nicht ins Tierheim geben … unseren kleinen Kater …“, sie schluchzte und konnte nicht mehr weitersprechen.
Otto spürte einen stechenden Schmerz in der Brust – als würde ihn jemand von innen einen Tritt geben. Der Gedanke, Malte würde hinter Gittern landen, schnürte ihm ebenfalls den Hals zu. „Wir suchen so lange, bis wir ein Heim finden, in das wir Otto mitnehmen dürfen“, sagte er leise.
Luise strich ihm dankbar über den Arm.
Nach einer weiteren Stunde erreichten sie den Marktplatz. Hütten aus Holz, geschmückt mit Tannengrün und Lichterketten, reihten sich dicht aneinander. Ein süßer Duft von Lebkuchen lag in der Luft, als sie ihre Hütte betraten. An den Wänden und von der Decke baumelten bunte Herzen in allen Größen.
Hier hatten sie die letzten Tage verbracht: aufbauen, einräumen, vorbereiten – und Otto war tief beleidigt gewesen, weil keiner Zeit für ihn gehabt hatte.
Sie entriegelten die Holzklappen. Kalte Luft strömte herein. Und die ersten Kunden kamen.
„Bitte das Herz dort“, sagte ein Junge und zeigte auf ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift Beste Mama.
„Soll ich es dir einpacken?“, fragte Luise freundlich.
Schon stand der nächste Kunde bereit. Otto tat es ihr nach, reichte Herzen weiter und kassierte.
„Aber Kleine, mit zwanzig Cent kannst du doch kein Herz kaufen“, hörte er Luise sagen.
Vor der Hütte stand ein Mädchen mit Pudelmütze und Zahnlücke. „Ich möchte so gern ein Lebkuchenherz essen“, flüsterte sie.
Luise holte eines hervor, dessen Zuckerrand gebrochen war. „Hier, das schenke ich dir. Da steht kleine Prinzessin drauf und du bist doch eine.“
Das Mädchen strahlte.
Otto blickte der Kleinen nach, die mit dem Herz um den Hals davonhüpfte, und fühlte sich dabei so behaglich wie auf seinem sonnigen Lieblingsplatz
In ruhigeren Momenten beobachtete er die Menschen. Manche erinnerten ihn an Katzen: Der grauhaarige Mann mit den hängenden Schultern – ganz wie Sam, der schreckhafte Streuner.
Eine Frau im weißen Fellmantel kaufte fünf Herzen. Ihre funkelnden Ohrringe glitzerten wie das Halsband von June, der weißen Nachbarkatze.
„Die hat dir wohl gefallen?“, sagte Luise schmunzelnd.
„Sie erinnert mich an jemanden“, murmelte Otto. Er meinte natürlich June.
Allmählich wurde es dunkel. Zum ersten Mal in seinem Leben taten ihm die Füße weh. Die Kälte biss ihn, und er fror wie ein Kater ohne Fell. Wie gern wäre er in seinem warmen Korb gewesen.
Am Abend fuhren sie in ihre Pension. Während Luise die Koffer auspackte, fiel Otto todmüde ins Bett.


Zu Hause wachte Malte auf – immer noch im Katzenkörper. Hungrig trottete er zur Futtersäule. Das Whiskas schmeckte überraschend gut, und er schleckte sich zufrieden die Krümel aus den Schnurrhaaren. Es zog ihn nach draußen. Die Dunkelheit störte ihn nicht. Seine Augen sahen alles klar. Die Ohren zuckten, als er ein leises Knuspern hörte. Unter dem Komposthaufen knabberte eine Maus. Weil er keine Tiere jagen wollte, kroch er lieber auf das Nachbargrundstück. Ein Knacken im Schnee ließ ihn erstarren. Hasso, die große Dogge, raste auf ihn zu.
Malte stieß ein erschrockenes „Miau“ aus und flitzte los.
Doch Hasso war schneller. Heißer Atem, dann ein stechender Schmerz.
Ein lauter, schriller Schrei entfuhr Maltes Kehle. Seine Krallen schossen hervor. Mit einem blitzschnellen Schlag seiner Vorderpfote traf er Hasso mitten am Auge.
Der Hund jaulte auf, ließ erschrocken los und stürmte winselnd davon.
Humpelnd erreichte Malte die Katzenklappe. Im warmen Korb leckte er das Blut von seinem Bein und wünschte sich, Luise würde ihm ein Pflaster aufkleben.
Von nun an mied er den Nachbarsgarten. Seine Wunde heilte langsam, während er fraß und schlief. Manchmal schlich er durch die Dunkelheit und fühlte sich schrecklich einsam.

Als Otto am nächsten Morgen erwachte und die schlafende Luise neben sich sah, zuckte er erschrocken zusammen. Dann fiel ihm alles wieder ein: Er war ein Mensch. Er konnte tun, was er wollte – nur wohin sollte er gehen? Und was würde aus Luise werden?
Sie konnte doch nicht allein die Lebkuchenherzen verkaufen. Sie hatte ihn immer freundlich behandelt, ihm seine Lieblingsdosen geöffnet und ihm den Bauch gekrault. Sie war seine Familie. Er würde bei ihr bleiben.
Die Tage vergingen, und Otto arbeitete fleißig. Oft beneidete er Malte, der vermutlich im warmen Katzenkorb schlief.

Endlich war der Weihnachtsmarkt vorbei. Sie packten die restlichen Herzen ein und verstauten sie im Transporter.
„Ich freue mich so auf Otto. Ich habe ihn schrecklich vermisst. Du nicht auch?“, fragte Luise.
„Und wie!“, sagte Otto und dachte: Vor allem vermisse ich mein altes Leben.

Als Malte den Transporter hörte, schoss er nach draußen. Mit lautem Schnurren begrüßte er Luise.
Glücklich hob sie ihn hoch, und er schmiegte sich an sie.
Otto und Malte sahen sich nur kurz an – zwei traurige Blicke.
„Jetzt sind wir wieder zusammen und feiern ein wunderschönes Weihnachten“, sagte Luise strahlend.
Am Heiligen Abend stand sie früh auf, um den Christbaum zu schmücken. Als Malte ins Wohnzimmer tappte, hängte sie gerade das letzte Engelchen an den Baum.
„Komm, Katerchen, willst du noch einmal raus?“ Sie öffnete die Terrassentür, und mit der eisigen Winterluft schwebte auch Glitzer ins Zimmer.
Die Weihnachtsfee setzte sich neben das Engelchen und betrachtete Kater Malte aufmerksam. Er wirkte unglücklich … nicht wie jemand, der genau hier sein wollte.
Sie winkte ihm zu.
Malte sprang mit einem Satz zum Christbaum und kletterte ihn hoch.
Ein Klirren ertönte, als die erste Kugel zu Boden fiel. Der Baum schwankte bedrohlich. Erschrocken schrie Luise auf.
Otto stürmte ins Zimmer, doch es war zu spät: Der Weihnachtsbaum kippte und begrub Mensch und Kater unter sich.
Glitzer flatterte zurück zur Terrassentür, drehte sich noch einmal um und hob ihren Zauberstab:

„Winterzauber, komm herbei,
vorbei sei die Tauscherei.
Winterzauber – eins, zwei, drei:
der Mensch wieder Kater sei.“

In Maltes Fell kribbelte es. Sein Bauch zog sich zusammen, als würde er eine Achterbahnfahrt erleben. Auch Otto wurde schwindelig – hätte er nicht ohnehin am Boden gelegen, wäre er umgefallen.
Mit lautem Schimpfen stemmte Luise den Baum wieder auf.
Auf dem Fußboden lag lachend ihr Malte – und auf ihm saß schnurrend Otto.

 

Liebe @CoK ,

was für eine bezaubernde Weihnachtsgeschichte. Die hast du bestimmt für deine Enkel geschrieben, nicht wahr? Sie hat mir sehr gut gefallen, sie erscheint mir auch sehr kindgerecht zu sein.
Vielleicht solltest du noch ein glitzekleines bisschen mehr zu den Fähigkeiten und Eigenschaften von "Glitzer" schreiben. Ich könnte mir vorstellen, dass Kinder eindeutig mehr über sie wissen wollen. Weshalb ist sie ausgerechnet dorthin geflogen? Was hat sie denn noch so zu tun? Was sind ihre Aufgaben? Und weshalb kommt sie wieder? Klar, kommt sie wieder, um die ganze Sache wieder in Ordnung zu bringen. Aber vielleicht gibt es ja noch einen grundsätzlichen Grund?
Dir fällt bestimmt noch etwas mehr ein, um ihr mehr Gewicht zu geben in der Geschichte.

Etwas an der Schilderung muss ich aber leider doch bemängeln, weil ich da laufend durcheinander kam. Und das ist deine Beschreibung, wo der Katzenkorb steht. Ja, im Keller, aber zunächst dachte ich, dass Otto dorthin verfrachtet werden sollte, wenn Luise und Malte wegfahren. Aber dazu gleich anhand deiner Aussagen:

Der Kater rieb seinen Kopf an ihrem Bein. Mit seinem dicken Winterfell sah er wie ein kleiner, haariger Fußball aus.
Mir fehlen hier die kurzen Beinchen, oder stämmigen Beinchen, weil er ja eher wohl eine Kugelform hat. Insoweit dürfte er ungewöhnlich kurzbeinig gewesen sein, wenn er wie ein Fussball aussieht.

Luise stellte den Korb im Keller neben die Katzenklappe, füllte die Futtersäule bis zum Rand und ging zurück, um Malte zu wecken.
Und ich dachte, Otto ist da schon drin. Mich hat das irritiert, weil es für mich so klang als müsste er während der Abwesenheit von Luise und Malte die Zeit im Keller verbringen.
Mir würde es verständlicher erscheinen, wenn die nix mit dem Korb macht, denn Otto darf sich ja offensichtlich im Haus weiter aufhalten. Mir würde reichen, wenn man liest, dass sie ihm natürlich eine Menge Futtervorrat hinstellt durch Auffüllen der Futtersäule, so wie du es ja schon korrekt beschrieben hast. Die Sache mit dem Korb ist überflüssig.

dachte er und kroch durch die Katzenklappe zurück in den Keller. Er rollte sich in den Korb und schlief ein.
Hier erst begriff ich, dass Korb und Katzenklappe im Keller waren. Für die Geschichte ist es aber gar nicht so wichtig, wo die Katzenklappe und der Korb sind, sondern nur, dass es sie gibt.
Wir könnten ihn doch nicht ins Tierheim geben … unseren kleinen Kater …“, sie schluchzte und konnte nicht mehr weitersprechen.
Nee, hier an dieser Stelle schon schluchzen? Das empfinde ich ein wenig als too much an Dramatik. Sie unterhalten sich ja nur darüber, ist ja noch nichts passiert. Sie ist vielleicht besorgt, bedrückt oder so.
als würde ihn jemand von innen einen Tritt
ihm
Seine Wunde heilte langsam, während er fraß und schlief.
Das klingt seltsam, weil man nicht so genau verstehen kann, was da vor sich geht in Kombination. Willst du sagen, dass die Wunde langsam, aber sicher heilte, während er fraß und schlief? Mir würde reichen, wenn du nur schreibst. "Er fraß und schlief und langsam heilte seine Wunde."
Malte sprang mit einem Satz zum Christbaum und kletterte ihn hoch.
Mein Sprachgefühl verlangt nach einem anderen Klang. Also so, wie du den Satz geschrieben hast, ist er nicht falsch. Ich würde ihn nur so schreiben: "Malte sprang mit einem Satz zum Christbaum und kletterte an ihm hoch."

Ich wünsche dir viel Vergnügen beim Vorlesen und leuchtende fröhliche Kinderaugen, wenn sie deiner bezaubernden weihnachtlichen Geschichte folgen.

Lieben Gruß

lakita

 

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