Aufblick
Maximilian rückte unbewusst näher an seine Mutter heran. Sie legte ihren Arm um ihn und zog ihn zu sich hin. Doch er fühlte ihre Wärme kaum. Seine Aufmerksamkeit war auf den Fernseher gerichtet.
„Diese dreckigen Ariker!“, lallte sein Vater und Maximilian zuckte zusammen. „Alles dasselbe, fanatische Pack! Sollen sie sich doch selbst wegbomben. Kann uns nur Recht sein.“
Maximilians Augen waren weit aufgerissen. Sein Blick wanderte nun zwischen Fernseher und seinem wild gestikulierenden Vater hin und her.
„Dann kommen sie wenigstens nicht auf die Idee, sich hier bei uns breit zu machen!“
„Alexander, bitte!“
„Was ist? Wieso hab ich denn keinen Job? Alles ihre Schuld!“ Seine geröteten Augen drehten sich zur Seite und Maximilian zuckte kurzzeitig zusammen. „All dieses Ausländerpack sollte raus, das braucht unser Land!“
Irritiert starrte Maximilian seinen Papa an, der sich langsam wieder beruhigte. Der Nachrichtensprecher verkündete nun die neuesten Entwicklungen an der Börse, aber weder Sohn noch Vater schenkten ihm Beachtung.
„So, jetzt ist es aber wirklich Zeit fürs Bett, Max.“, sagte die Mutter und strich ihrem Sohn durch die Haare. Sie stand auf, nahm ihn an die Hand und führte ihn ins Kinderzimmer. Als sich Maximilian ins Bett gelegt hatte, gab sie ihm noch einen kurzen Kuss auf die Stirn, wünschte ihm eine gute Nacht und schaltete das Licht aus. Maximilian lag noch einige Minuten mit offenen Augen wach, dann schlief er ein.
Am nächsten Tag auf dem Schulhof hielt ihm ein Junge von hinten ein Ruprechtskraut unter die Nase. „Schnupper Gas, Bösewicht!“, lachte dieser und nahm die Pflanze wieder weg.
Maximilian drehte sich um und zuckte zusammen.
„Was ist mit dir?“, lächelte ihm der Junge zu.
Die Augen von Maximilian vergrößerten sich.
Der Junge wurde nervös. „Das war nur ein Spaß! Du bist doch sonst nicht so schnell eingeschnappt, Maxi.“
„Geh weg!“
„Was hab ich denn falsch gemacht?“
„Geh weg!“
„Warum denn?“
„Darum!“
Dem Jungen kullerten Tränen die Wangen herunter. Eine Lehrerin sah die beiden und kam herbeigelaufen. „Was ist denn los mit euch beiden? Mehmet, warum weinst du?“