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Aufgewacht

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17.10.2006
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Aufgewacht

Aufgewacht. Mit dem bösen Gefühl eines Katers und dem allzu bekannten schlechten Gewissen. Aber nichts scheint wirklich eine ernsthafte Motivation zu sein, den Tag beginnen zu lassen. Außer vielleicht diesem ungestillten Durst, der in meiner bewaldeten Kehle mit zunehmenden Bewußtsein immer deutlicher spürbar wird. Über den Gedanken nachsinnend, ob das vielleicht das Aufstehen rechtfertigen könnte, fiel ich zurück in andauernde Nachbeben verschlafener Träume. Merkwürdige bedeutungsvolle Träume, an die man sich eine halbe Stunde nach dem Wachwerden sowieso nicht erinnern würde. Ist schon ein verdammte Scheiße das Ganze.
Allein dieser Gedankengang könnte mich zum Aufstehen bringen. Könnte. Wenn da nicht der viel stärkere und lang konditionierte Beweggrund wäre, nicht den ganzen Tag im Bett liegen zu können. Diese Konjunktive leisten auch bei mir Überzeugungsarbeit und lassen mich aus dem Bett schälen. Stück für Stück wird in einem Grabenkampf der Flur erobert. An einem Morgen, wie diesem, scheint dies alles Neuland. Sogar Feindesland wird sichtbar beim Ausspähen des Spiegels - verwilderte Hügellandschaften und dunkle Untiefen haben über Nacht Stellung unter meinen Augen bezogen. Rückzug auf das unschuldig weiße Porzellan, was mit dem wohligen Gefühl eines sonnigen Fronturlaubs belohnt wird. Doch jetzt schießen undurchsichtige Erinnerungen zurück in meine gerade erst befreite Wahrnehmung. Erinnerungen an verkackte Dialoge. An nicht genutzte Chancen, die von vorn herein dem Tode geweiht waren. Salve an andauerndes Autistenschweigen und sinnloses Starren, was einem nur im schlingernden Rausch des Alkohols angenehme Empfindungen verspricht. Dunkle Schatten von Idiotie lassen mich zu einem “So ne Scheiße.” hinreißen, was mich augenblicklich wieder zurück in die Gegenwart führt. Kaum angekommen, steckt schon die Zahnbürste mit sich wiederholenden kreisenden Bewegungen in meinem Mund. Ein routinierter Blick in den Spiegel, der aber am Wochenende eine gänzlich andere Geschichte über mein Antlitz zu erzählen weiß, als im normalen Trott der Wochentage. Wo es einem zwar genauso schwer fällt aufzustehen, aber der Blick in den Spiegel eine frische Rasur verspricht. Frischen Atem. Frische Unterwäsche. Ein pures frühlingsfrisches Empfinden selbst im Anus, bei dem man denkt, man könnte die ganze Welt erobern. Leider kommt dieses Gefühl aber nicht an einem solchen Samstag Morgen zustande, an dem man wirklich besser nie aufgestanden wäre. Wieder eine von den Sachen, wo man nicht drin steckt.
Nach dieser erheiternden Analogie zum vorigem Abend steckt auch schon der Frühstückstoast in meinem Mund und die Tristesse dieses Tages nimmt ihren Lauf. Einkaufen. Saubermachen. Essen machen. Und weiter saubermachen. Dann auf andere Weisen die Zeit tot schlagen - nur diesmal ohne aktiv daran teilzunehmen. Passives vor sich hin sinnen auf der Couch, auf dem Stuhl in der Küche, auf dem Spaziergang durch den ach so hippen Kiez, beim Kaffee trinken in dem einzigen passablen Cafe in der Nähe, in dem keine Bruncher ihr erfolgreiches und glückliches Leben anderen mitteilen. Ich bin sogar allein in diesem Cafe. Komisch, dass es nicht mehr Leute hierher zieht, ist nun wirklich nicht schlecht hier. Sonne, Kaffee, Zigaretten - selbst die Bedienung passt ins Schema. Scheint wohl doch noch ein guter Tag zu werden. Selbst das alte Zittern spricht jetzt diese Sprache. Ausnahmsweise fällt mir in diesem Moment das Nichtstun so leicht wie das Aschen auf meine Klamotten bei jeder Zigarette. Verdammt, nicht schon wieder.
Zumindest bilde ich mir manchmal ein, dass ich immer etwas zu tun brauche und dass mich der Leerlauf auffrißt. Eine dieser Sachen, die man von sich selbst denkt, die aber nicht im Geringsten der Realität entsprechen. Zuviele Leute reden von den Dingen, die sie angeblich ausmachen und du fragst dich nur, welchen Film sie jetzt fahren. Wie man sich selbst sieht und wie man gern wäre, verschmilzt im Augenblick der Rekapitulation des eigenen lyrischen Ichs vor Anderen. Mal abgesehen davon, dass ich mit mir selbst nicht zufrieden bin oder im Reinen fühle. Zuviele Dinge, die ich längst schon machen wollte und für die das Geld, die Zeit, die Kraft oder eine andere Ausrede fehlt. Kompromisslos sollte das Leben sein. Aber eine Lethargie ohne einen trifftigen Grund hat mein Leben befallen. Und ich versuche nicht der Sache auf den Grund zu gehen, da dies auch nur ein Punkt auf meiner langen Todo-Liste ist.
Aber zumindest gibt es in diesem Moment kein Grund zur Sorge um die eigenen Befindlichkeiten, denn ich sitze in der Herbstsonne und fühle mich unbekannt gut. Aber auch dies schmerzlose Verweilen in diesem Reha-Cafe muss sich irgendwann dem bitteren Ende zuneigen. Spätestens jedoch nachdem ich den allzu akzeptablen Kaffee ausgetrunken habe, aber auch beim Nachdenken darüber, was ich jetzt gottverdammt nochmal machen soll. Als arbeitstätiger Einzelgänger hat man nun wirklich zuviel Freizeit, mit der man nicht viel anfangen kann. Schlicht durchdachte Pläne zum Verwirklichen gibt es wirklich mehr als Gehirnschmalzsand am Ideenmeer. Aber da waren wir ja schon. Mist, der Kaffee ist auch schon alle und ich wünschte ich hätte vorhin noch ein Wasser bestellt. Ist wohl auch noch zu früh für einen kurzen Besuch beim lieben Freund und Kupferstecher Ethanol. Spätestens dann hättest du aber auch bei der Bedienung verkackt. Also im nächst möglichem Moment an der Wandtafel anschlagen, dass du gerne zahlen würdest. Das wird sowieso ein unzufriedenstellender Akt. Nicht, dass ich nicht bezahlen möchte, aber die Tätigkeit des Bezahlens an sich gestaltet sich meiner Meinung nach merkwürdiger, sobald es ums Trinken oder Essen geht. Ich meine die eigentlich Leistung, die vollbracht wurde. Man zahlt für das Gefühl eines vollen Magens. Oder für das eines verschwommenen aber sorgenfreien Kopfes. Für eine positive Emotion. Der Punkt ist, dass eine Nutte für genau den selben Zweck bezahlt wird. Auch wenn mir die Hurenkellnerin nicht ihren Körper verkauft hat, zahle ich trotzdem für eine Befriedigung. Sie nennt mir also den Preis für die unbezahlbare Zeit in diesem Gefühlsbordell und ich gebe ihr Trinkgeld für die geile Nummer. Ich fühle mich in der Rolle des Freiers, der nach einer Woche Enthaltsamkeit eine russische Zwangsprostituierte ordentlich durchgeballert hat und der vor lauter Freude, Glück und Dankbarkeit eine weitere vollgewichste Banknote bei ihrem Luden springen lässt. Sie hat schon Recht mir einen schönen Nachmittag zu wünschen, trotz besserem Wissens tue ich es ihr gleich.
Beim Spießrutenlauf zurück nach Haus wird mir langsam klar, dass ich nicht weiss, was ich jetzt ich machen soll. Der Weg ist das Ziel - nach 5 Minuten ist mein Ziel erreicht. Kein Bit klüger durch den heutigen Nachmittag hocke ich mich mit einer guten Gitanes auf den Boden im Flur. Kein direkter Sonnenstrahl hat sich je in diesen Flur gewagt und auch ich werde mir nicht die Mühe machen, ihn anzustrahlen. Vergebens bleibt er dafür wie er ist - als ob das etwas an seiner Situation ändern würde. Seine Teilnahmslosigkeit ist heute nicht auszuhalten und so verbringe ich den Rest das Nachmittags im Wohnzimmer, wobei ich die auflammende eifersüchtige Stumpfheit des Korridors hinter der Tür langsam verdursten lasse. Soll er doch bleiben, wo der Pfeffer wächst.
Anstatt nun etwas gegen den Welthunger oder das Waldsterben zu unternehmen, nutze ich meine kostbare Zeit, um für O. G. Loc ein Rhymebook zu stehlen. Der Junge ist eine Nervensäge und kann nicht rappen, aber er ist wohl irgendwie auch mein Kumpel. Warum ich das mache, weiss ich auch nicht - ich möchte einfach nur weiter kommen. Wenigsten wird einem hier die Wahl abgenommen, wie es in der wunderbaren Geschichte des Lebens weitergeht. Normalerweise macht einem die freie Wahl das Leben nur schwerer, aber nie leichter. C.J.’s vorherbestimmtes 24 Stunden Dasein ist wirklich zu beneiden. Was bringt es schon, viele Möglichkeiten zu haben? Am Ende entscheidet man sich nach langem Wringen und das Abwägen momentaner Gründe endlich für Eine. Oder man tut garnichts, was einer Entscheidung gleich kommt. Jedenfalls bleiben immer Zweifel, ob es die Richtige war und was passiert wäre wenn...wenn Schweine fliegen können. Und mit dem Alter fällt es auch nicht leichter. Überhaupt glaube ich nicht, dass mit dem Alter irgendetwas leichter wird. Es ist höchstens der Alltag, der uns die kleinen Mühen verdrängen läßt.
Mein Feind hat also endlich einen Namen! Nein, nicht der Alltag (diesmal nicht), sondern die Entscheidung. Ich stelle mir vor, dass der Boden sich spaltet und sie darin tosend versinkt, wie Rumpelstilzchen. Dort unten würde sie Todesqualen leiden. Brennend und schreiend am Spieß der Vergeltung verdient durch unzählige Opfer unsicherer Alternativen. Mich soll sie nicht mehr Einschließen mit brüderlicher Umarmung in der Löffelchenstellung des bestimmten Lebens. Eine Unschärferrelation soll ab nun mein Leben prägen. Eine Unschärfe zum Job, zu den Frauen und zur Hausarbeit - die entscheidenden Dinge meines Lebens.
Mhh, Samstag Abend ich sitze allein zu haus und glaube die letzte Entscheidung meines Lebens getroffen zu haben. Alle Möglichkeiten des Abends sind verblichen und niemand trauert an ihrem verlassenem Grab. Ich sitze einfach nur da. Ungewohnt frei von der alten Last. Sitzen, träumen, nichts tun. Ohne schlechtes Gewissen. Ein Entscheidungsträger im Ruhestand. Dieses angenehm warme Gefühl läßt mich langsam und gesättigt auf dem besudelten Sofa einschlummern.

 
Zuletzt bearbeitet:

hi mdxyz

herzlich willkommen bei kg.de

Merkwürdige bedeutungsvolle Träume, an die man sich eine halbe Stunde nach dem Wachwerden sowieso nicht erinnern würde. Ist schon ein verdammte Scheiße das Ganze.
halbe stunde? wow, ich kann mich nach 5 mins nicht mal mehr daran erinnern, was ich geträumt habe. es sei denn, sie sind bedeutungsvoll, wie hier beschrieben, dann erinner ich mich immer wieder dadran. ach drauf geschis... bin nicht sigmunda freud, kann dir also nichts über das verhalten anderer leute gegenüber ihren träumen sagen.
und nach schon, da muss 'eine'
Allein dieser Gedankengang könnte mich zum Aufstehen bringen.
hä, warum das denn?
Cafe in der Nähe,
gehts auch ohne apostroph?(Café)
Todo-Liste ist.
was ist eine todo-liste?
bitte sag nicht, dass es vom englischen to do kommt und dass die deutschen es so übernommen haben und dass es jetzt wirklich ein wort ist.
nein, so ist es bestimmt nicht oder? oder?
Aber auch dies schmerzlose Verweilen in diesem Reha-Cafe
dieses :lol: lustig
die eigentlich Leistung, die vollbracht
eigentliche
Oder für das eines verschwommenen aber sorgenfreien Kopfes. Für eine positive Emotion. Der Punkt ist, dass eine Nutte für genau den selben Zweck bezahlt wird. Auch wenn mir die Hurenkellnerin nicht ihren Körper verkauft hat, zahle ich trotzdem für eine Befriedigung.
was für ein geiler vergleich!:dozey:
dass ich nicht weiss, was ich jetzt ich machen soll. Der Weg ist das Ziel - nach 5 Minuten ist
weiß/fünf
was ist an dieser thematik so spannend. du beschreibst jetzt ernsthaft den ganzen tag, dieses mannes ohne jedlichen grund? was soll das? was habe ich davon, wenn ich das lesen, was er im nächsten moment nicht macht?
Mhh, Samstag Abend ich sitze allein zu haus und glaube die letzte
ist dein prot ein schaf? hahahah. mähhähähähä;)
zuhaus oder nicht?

ich finde den inhalt/plot nicht besonders. ein ganz normaler alltag von herrn xy, der sich wie einen russischen pimp fühlt, als er der kellnerin das trinkgeld gibt. er tut den ganzen lieben tag nichts, außer darüber nachzudenken, was er nicht machen soll.
hat mir leider nicht soo gefallen. vllt beim nächsten mal, mdxyz.

cu J:baddevil:

 

hallo jo,

danke erstmal fürs lesen. und natürlich fürs korrigieren der rechtschreibfehler ;)
bisher biste ja der einzige, der sich erbarmt hat, einen kommentar zu schreiben.

JoBlack87 schrieb:
hä, warum das denn?
wegen des gedanken "Ist schon ein verdammte Scheiße das Ganze. "

JoBlack87 schrieb:
was ist eine todo-liste?
bitte sag nicht, dass es vom englischen to do kommt und dass die deutschen es so übernommen haben und dass es jetzt wirklich ein wort ist.
nein, so ist es bestimmt nicht oder? oder?
also in meinem sprachschatz kommt es vor, ob es nun im duden steht, oder nicht. bin aber eigentlich auch kein freund des denglischen...

JoBlack87 schrieb:
was ist an dieser thematik so spannend. du beschreibst jetzt ernsthaft den ganzen tag, dieses mannes ohne jedlichen grund? was soll das? was habe ich davon, wenn ich das lesen, was er im nächsten moment nicht macht?
da haste recht. aber unnötig von mir jetzt zu erwähnen, dass es sich hier um die rubrik alltag handelt. andererseits hätte die beinahe-pointe, mit dem sich den entscheidungen zu entziehen, besser ausfallen können. gerade auch, da vorher gesagt wird: "Oder man tut garnichts, was einer Entscheidung gleich kommt."
ist mir aber auch erst eben aufgefallen.
das mit dem "was er im nächsten moment nicht macht?" ist gut, ich werd mir mal den kopf darüber zebrechen.

JoBlack87 schrieb:
ist dein prot ein schaf? hahahah. mähhähähähä;)
:hmm: :hmm: :hmm: also ich find, schafe hören sich anders an :thdown:

JoBlack87 schrieb:
ich finde den inhalt/plot nicht besonders. ein ganz normaler alltag von herrn xy, der sich wie einen russischen pimp fühlt, als er der kellnerin das trinkgeld gibt.
er ist nicht der pimp, sondern der freier. die hure ist russin. und soweit ich weiss, ist ein lude ein pimp. ich kann mich aber auch irren. vielleicht aber auch nicht.

JoBlack87 schrieb:
hat mir leider nicht soo gefallen. vllt beim nächsten mal,
ich tue mein bestes, dass es dir beim nächsten mal gefällt :)

md

 

aufgewacht? - ich würd die geschichte "wüstenwanderung" nennen - deine "schluddrige" sprache, dein schreibstil bringt den typen gut rüber - aussagekräftig - auf seine von dir kreierte art -
krissy

 

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