- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
aufräumen
AUFRÄUMEN
16.06.06
Viele Leute beschweren sich über den Zustand meines Zimmers. Sie sagen, das wär’ unaufgeräumt und geben mir dann auch noch die Schuld daran! Seit längerer Zeit habe ich mir deshalb ein bombensicheres System zur Sauberkeits-Selbstkontrolle konzipiert.
Ich habe eine 20 Zentimeter hohe Leiste vom Boden an an einer Wand befestigt. Dort kann ich bequem ablesen, wann es mal wieder Zeit ist, aufzuräumen. Obendrüber trage ich nämlich täglich ein, seit wie vielen Tagen die Messlatte schon unter dem Müllwust begraben liegt. Wenn Stuhl, Tisch und Bett nicht mehr als kleine Hügel sondern als Kuhlen aus dem Durcheinander auffallen, sind meistens so fünf bis zehn Tage vergangen, Zeit für mich, den Aufräumguru schlechthin, zur Tat zu schreiten. Die oberen zehn Zentimeter gilt es, behutsam abzutragen. Der Rest kommt in eine der „Aufräumgut: Klasse II“ Kisten. Ich habe auch eine „Klasse: III“-Kiste, die benutze ich aber nicht – ich komme mir dann so schmuddelig vor.
Das tolle an diesem System ist, dass man viel weniger Stress mit Papierkram hat, man nicht Staubsaugen muss, weil’s nicht geht, man aber trotzdem noch gute drei Prozent der abgelegten Sachen wieder findet – man sollte auch mal das positive an der Sache sehen.
Ich stakse grad entlang einiger gestapelter, ausgelöffelter Yoghurtbecher, vorbei an einem mittelgroßen Kleidungsberg durch eine knietiefe Decke aus mit ‚WICHTIG!!!’ gekennzeichneten Dokumenten.
Ich forsche nach einem Vertrag, den ich vorsichtshalber mit ‚SEHR WICHTIG!!!’ gekennzeichnet hatte. Komisch – der muss doch hier irgendwo sein. Und dabei bin ich mir sicher, dass ich ihn hier abgelegt hab’.
Ich suche meinen Aufräum-Tageszähler. Nachdem ich mich kurz durchgewühlt habe, finde ich ihn. Sieben Tage. Alles in Ordnung. Dass die Tinte zwar schon verblichen war und der letzte Eintrag von Anfang dieses Jahres stammt kann ich zwar nicht für immer ignorieren, aber für heute muss es noch mal reichen.
Ich suche mittlerweile seit vier Stunden, und hey; sieben Tage. Da wird doch wohl niemand behaupten wollen, ich würde nicht für ausreichend Sauberkeit sorgen. Ich wüsste mittlerweile schon ganz gerne, wo der Vertrag ist.
Meine Augen erspähen den ‚ACHTUNG: SOFORT BEARBEITEN’-Stapel. Der liegt da schon seit guten drei Wochen und hat sich schon so in das Landschaftsbild eingepasst, dass er kaum mehr auffällt. Natürlich hat dieser verlotterte Versteckspieler die Rechnung nicht mit mir gemacht.
Und natürlich; da ist er ja auch schon. Direkt unter der sofort zu bearbeitenden Mietminderung und der Steuererklärung des vorletzten Jahres prangt das ‚SEHR WICHTIG!!!’-Schild.
Da sieht man’s mal wieder; Ordnung halten zahlt sich eben doch aus.