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Aus dem Tagebuch einer Frau

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23.12.2008
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Aus dem Tagebuch einer Frau

Aus dem Tagebuch einer Frau

Ich konnte den ohrenbetäubenden Lärm meines Babys nicht mehr ertragen. Der Lärm der mich, nach noch all so guter Tarnung, verriet.
Nur leicht bekleidet und ganz verschwitzt, saß ich völlig erschöpft auf den kalten Fliesen des Badezimmers meiner Einzimmerwohnung, vor mir, ebenfalls auf den kalten Fliesen, lag mein neugeborener Sohn, blutgebadet, und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Der Lärm macht mir wirklich zu schaffen.
Noch wackelig auf den Beinen schleppte ich mich zu meinem Bett, griff nach meinem Kissen, und kehrte zu meinem Sohn zurück.
Immer noch schrie er, der Lärm drang durch meine Ohren in meinem Kopf ein, mein ganzer Körper zitterte.

Ich erinnerte mich wieder an die Nacht, an der ich den größten Fehler meines Lebens begangen hatte. An die Nacht, an der ich mich abends heimlich, auf Socken, die Schuhe in der Hand, aus dem Haus schlich, und zu meinem Freund ging, der zwei Ecken weiter im Auto auf mich wartete. Ich öffnete hastig die Wagentür, gab ihm einen Kuss auf den Mund, und dann fuhren wir los, die lange, dunkle Straße entlang, gen Ungewissheit.
Vor einem großen Blockhaus hielten wir an. Ich stieg hinter ihm die steile Treppe zu der Wohnung hinauf. Und schließlich stand ich neugierig und aufgeregt vor dem Eintritt in eine mir damals fremden Welt. Mit der ins Schloss fallenden Tür, den Kleidungsstücken, die eins nach dem anderen auf dem Fußboden landeten, und der riesigen Daunendecke, die mich am Rücken kratze, erfüllte sich mein Traum, einen Einblick, in die mir ungewisse Welt zu erlangen.
Als ich am Morgen erwachte, war jede Spur von ihm verschwunden, obwohl es noch recht früh war. Ich kehrte nach Hause zurück, wo alle zum Glück noch schliefen. Als meine Periode ausblieb, wurde mir bewusst, dass ich schwanger war. Seit dem Tag an, lebte ich mit der Last, dieses Geheimnisses.

Ich hielt das Kissen fester in meinen Händen. Immer noch schrie mein Kind. Ich schloss die Augen, drückte ihm das Kissen aufs Gesicht. Es schrie immer noch, jedoch wurde der Lärm gedämpft. Ich öffnete meine Augen, ich konnte den Anblick dieses hilflosen Wesens nicht ertragen, gleichzeitig jedoch auch nicht wegsehen. Mein Kind zappelte. Man hörte sein ersticktes Schreien. Ich wusste nicht wie lange ichdas Kissen schon an sein Gesicht drückte. Er hörte auf zu zappeln, sein Geschrei war kaum noch zu hören, sein Körper fing an sich blau zu färben. Und dann war es endlich still…

Als sie die lauten Schritte ihrer Tochter auf der Holztreppe ihres wunderschönen Einfamilienhauses hörte, schlug sie schnell ihr Tagebuch zu und verstaute es in eine Schublade. Sie ging aus dem Zimmer, nahm ihre kleine Tochter ganz fest in den Arm, und ging zu ihrem Ehemann, der gemütlich auf der Veranda seine Tee genoss und ab und zu ihrem Hund den Ball zuwarf, gab ihm einen Kuss und setzte sich zu ihm. Eine auf dem Fahrrad vorbeifahrende Nachbarin begrüßte sie freundlich und lud sie herzlich zu Abendessen ein. Ihre Tochter spielte inzwischen mit dem Nachbarsjungen, der nur wenige Jahre älter war als sie, im Garten. Sie schaute diesem Jungen in die Augen, Augen, die sie an ein schreckliches Geheimnis erinnerten, weshalb sie schleunigst wegschaute. Sie lächelte ihrem geliebten Ehemann erleichtert zu. Beide saßen wortlos auf den Holzstühlen der Veranda und genossen gemeinsam den sonnigen Vormittag, das Vogelgezwitscher und die friedliche Atmosphäre.


Nadine Hassan

 

hallo Nadu, ein immer wieder packendes Thema was du dir für deine Geschichte ausgesucht hast. Insgesamt hast du einen schönen Schreibstil aber inhaltlich gesehen, fehlt mir da einfach was. Vieleicht bin ich auch gerade deswegen nicht so begeistert von der Geschichte, weil ich erst vor einigen Wochen "Ballast" von Kyra hier in der Rubrik gelesen habe. Da geht es ebenfalls um ein ungewolltes Kind, was eine Frau heimlich und leise zuhause zur Welt bringt. Kyra ist da wirklich phänomenal packend mit dem Thema umgegangen, so dass ich jetzt nicht drum herum komme die beiden Geschichten zu vergleichen. Bei dir fehlen mir einfach die Emotionen, die mich dazu bringen mit mehr mit deiner Prot zu befassen.Ich sehe die Frau einfach nur als entfernter Zuschauer und ihr Charakter bleibt mir verborgen. Die Geschichte ist mir persönlich zu knapp geraten. lg Engelchen

 

Hallo Nadu,

in einem nuechternen Stil schilderst du ein Drama, ein Tragoedie. Ohne Emotionen ausfuehrlich zu beschreiben, kommen sie bei mir an. Auch die Gegenueberstellung "vorher - nachher" unterstreicht das, was du aussagen willst.

Eine interessante Version.

Gruss

Kurtchen

 

Hallo Nadu!

Finde die Idee nicht schlecht, dass die Frau in einer scheinbar perfekten Welt lebt, und ein solch schreckliches Geheimnis mit sich trägt.
Ich frage mich aber, ob man so ein Erlebnis wirklich in ein Tagebuch, das man einfach in einer Schublade aufbewahrt, schreibt. Oder will sie vielleicht, dass jemand erfährt, was damals passiert ist?
Mir fehlen auch die Emotionen. Vielleicht würde es anders rüberkommen, wenn du zuerst die Situation auf der Veranda beschreibst, und die Frau dann das Tagebuch lesen läßt.

LG Katze

 

Hallo Nadu,

ein schwieriges Thema, dass du dir gewählt hast, aber mir gefällt deine Idee gut. Allerdings muss ich mich meinen Vorredner anschließen.
Mir fehlen da einfach Emotionen und noch mehr Inhalt.

Ich schließe mich Katze an:
Ich denke, dass es deiner Geschichte gut tun würde, wenn du sie auf der Veranda anfangen lassen würdest. Auch wegen dem Verständnis:

Als sie die lauten Schritte ihrer Tochter auf der Holztreppe ihres wunderschönen Einfamilienhauses hörte, schlug sie schnell ihr Tagebuch zu und verstaute es in eine Schublade.

So dachte ich zum Beispiel, dass es das Tagebuch der heran nahenden Tochter wäre und nicht der Mutter.

 

dankeschön fuer deine kritik ersteinmal! =)

eigentlich ist es nicht mein ziel gefühle darzustellen. Mein Ziel ist es darzustellen, dass jede frau ihr gehemnis hat und, dass nicht jede ach so perfekt erscheinende welt wirklich perfekt ist... ausserdem, wer zu so einer tat faehig ist, der ist nicht mehr ganz klar im kopf, und dessen gefuehle sind in diesem augenblick zumindest wie betäubt... deshalb ist der stil auch so nüchtern, gefühlslos, alles gleitet so an ihr vorbei.. hoffe ihr versteht was ich meine..
nadine

 

Hallo NADU,

nur kurz, denn ich bin in Eile. ;) Auf Deine freundliche Bitte hin habe ich den Text durchgelesen. Verbesserungsvorschläge: etwas sparsamer mit den Adjektiven umgehen!
Das Baby macht "ohrenbetäubenden" Lärm, die Heldin wohnt in einem "wunderschönen" Haus usw.

Zum Aufbau: Meiner Meinung nach tut es so kurzen Geschichten nicht gut, so große Sprünge zu machen. Die Frau bringt ihr eigenes Kind um. Es muss doch erstmal unheimlich weh tun, selbst und ohne Hilfe zu gebähren und da muss sich irrrsinnig viel im Inneren abspielen, dass sie das eigene Kind umbringt. Ist das eine Situation, die Du nachvollziehen kannst? Was fürchtet sie, was passieren könnte, wenn sie es nicht tut? Das ist schon eine Extremsituation und nicht Alltag.

Was Du gut machst: Beim Schreiben alle Sinne einbeziehen.

Die guten Geschichten kommen von selbst und nicht auf Kommando, weil man sie für Wettbewerbe braucht. ;)

Liebe Grüße,

Berg

 

Hallo NADU,

im Gegensatz zu deiner KG "Dunkelheit" gefällt mir dieser Text besser. Das liegt vor allem an der mehrdimensionalen Schilderung deiner Hauptfigur. Wir bekommen hier zwar keinen Seelenstriptease der jungen Frau, doch das ist auch nicht unbedingt nötig. Der nüchterne Stil und die kühle Schilderungen passen zum Thema.
Allerdings sind mir einige sprachliche Stolperer aufgefallen. Da wäre zuerst einmal ein Tempusfehler.

Der Lärm macht mir wirklich zu schaffen.
Du hast überall anders das Präteritum gewählt, also solltest du das hier auch: Der Lärm machte mir wirklich zu schaffen.
Dann hast du einige seltsame Satzstellungen. Die Regel sollte sein: Subjekt, Verb, Objekt. Das ist nicht immer nötig, denn es passt an einigen Stellen, wie z.B. hier:
Vor einem großen Blockhaus hielten wir an.
Hier klingt es gut, wenn erst Verb und dann Subjekt kommen. Anders ist es bei zwei weiteren Passagen:
Immer noch schrie er, der Lärm drang durch meine Ohren in meinem Kopf ein, mein ganzer Körper zitterte.
und
Immer noch schrie mein Kind.
Daraus würde ich "Er schrie immer noch..." und "Mein Kind schrie immer noch." machen.
Gut gefallen hat mir die zeitübergreifende Erzählform.
1. Wir sehen erst die Frau in ihrer schlimmen Lage.
2. Wir kommen dann zu einer Schilderung des leichtsinnigen Verhaltens, das zur Tat geführt hat.
3. Wir kehren dann wieder zu der Frau zurück und beobachten ihre schreckliche Verzweiflungstat.
4. Nun wird klar, dass wir es nicht mit einer gegenwärtigen Tat zu tun haben, sondern mit einem lang gehüteten Geheimnis.
Leider wird mir auch nicht ganz klar, warum sie es in ein Tagebuch schreibt. Ich denke, ein solches Geheimnis ist so anklagend, dass jeder Mensch Angst hätte, es auf irgendeine Weise auszudrücken, weil jemand dahinter kommen könnte. Deshalb würde ich da noch ein wenig anflicken und einen oder zwei Sätze dazu schreiben, warum sie es nieder geschrieben hat. Und wenn es nur eine kurze Erklärung ist, wie: "Angstvoll legte sie das Tagebuch zurück ins Versteck. Sie hoffte von ganzem Herzen, dass ihr Geheimnis niemals in andere Hände fällt, doch sie hatte sich damals jemanden anvertrauen müssen, selbst wenn es nur ein paar blanke Seiten waren." Eben irgendwas, das die Situation erklärt. Ansonsten finde ich die KG aber sehr ansprechend.

Liebe Grüße,
Seelenschmied

 

Hallo NADU,

eine interessante Geschichte, finde ich, mit einem sehr packenden Thema.
Aber ich würde Dir ebenfalls raten, die Geschichte umzustellen, also erst die Frau mit dem Familienidyll auf der Terrasse zu zeigen und dann den Rückblick auf die "Sünden der Vergangenheit".

Auch die Sache mit dem Tagebuch ist für mich nicht ganz schlüssig. Wenn sie das Geheimnis unbedingt bewahren will, ist es nicht besonders clever, es einem Tagebuch zu beichten. Es könnte schließlich entdeckt werden und sie würde als Mörderin verurteilt. Seelenschmied hat Dir da aber einen guten Vorschlag gemacht. Suche ein sicheres Versteck für ihr Tagebuch, einen Ort, den nur Deine Protagonistin kennt.

Was mir gleich aufgefallen ist: Dein Text ist sehr adjektiv-lastig. Da heißt die Devise: Weniger ist mehr!
Schau Dir den Text nochmal in Ruhe auf Adjektive hin durch und streiche so viele raus wie Du entbehren kannst. Besonders solche Sachen wie "wunderschön" o.ä. bedeuten für den Leser gar nichts, denn die Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters, deshalb beschreibe das, was an dem Haus für die Bewohner "wunderschön" sein soll. Nur so kann der Leser es auch als schön oder gar wunderschön empfinden.

Liebe Grüße
Giraffe :gelb:

 

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