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Autobahnen beobachten

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07.07.2005
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Autobahnen beobachten

"Es lebt in mir. In meinem Herzen und zur Hölle ich kann es nicht töten... darum töte ich mich selbst!", dachte Adrian und starrte in die Tiefe. Er steht auf einer kaum befahrenen Brücke, die von vier roten Stahlträgern über der Autobahn gehalten wird. Es ist Nacht, Wolken verdecken das Firmament und der magere Mond wird nur teils sichtbar. Von hinten bläst ein kühler Wind auf Adrians Rücken und lässt sein Hemd flattern. "Da hin will ich! Zu den rauschenden Motoren, plattgedrückt wie Teigmasse. Da hin, da hin!" wiederholt er leise, sodass Adrian es bei dem starken Wind selbst kaum wahrnimmt. Seine Hände klammern sich um das Brückengeländer, lösen sich jedoch allmählich, bis nur noch die Finger schwach die Stange umgreifen. Er hört das entfernte Rauschen der Autos, die sich in der Dunkelheit einzig durch die zwei leuchtenden Punkte der Scheinwerfer entblößen. Das Geräusch wird zu einem Verlangen. Er will es lauter hören. Er muss näher heran, weiter hinab in die Tiefe. Jetzt gleich!
"SPRING! Nieder in die Erlösung!" Noch einmal atmet er Luft etwa fünfzig Meter über dem Erdgrund. Unter ihm rauschen weiterhin die Autos, wie kleinen Wellen, welche sich sanft entlang des Ufers überschlagen. Sein Hemd flattert im Wind. "Asphalt, ich komme!" Die Finger lösen sich von dem Brückengeländer.

Lisas Handy klingelte. Es war irgendeine bekannte klassische Melodie. Jedoch schaffte es Adrian nicht, sich den Namen des Komponisten wieder in Erinnerung zu rufen. Er griff das Handy und drückte auf den grünen Knopf, während sein Blick durch das Küchenfenster in den Garten wanderte. Es regnete und Wasser sammelte sich auf dem Dach eines kleinen Werkzeugschuppens an.
"Ich warte hier auf dich!", sprach eine warme Männerstimme durch den Hörer. Adrian schrak auf. Viele Frauen hätten den Klang dieser Stimme wohl als erotisch empfunden, dachte er und legte den Hörer wieder an sein Ohr. "Ich bin heiß. Oh ich glühe wie eine Herdplatte." Adrian drehte sich um und starrte entgeistert auf die Platten des Herds, an den er sich die ganze Zeit angelehnt hatte. Irgendwie fühlte er sich jetzt so nah bei dem Herd unwohl. Die Männerstimme redete weiter: "Kommst du mich besuchen? Am besten in dem schicken roten Nichts, das ich dir neulich geschenkt habe!" Adrian erinnerte sich daran, das Lisa gestern Abend rote Unterwäsche getragen hatte. Er griff sich eine Tasse aus dem Schrank und goß sich Cola ein. Währenddessen sprach er kein Wort. Es war still. Dieser Mann weiß anscheinend sehr viel über Lisa, und ihre Wäsche kauft er auch noch, dachte er und trank einen Schluck. "Bist du noch da? Ich weiß, das du da bist." Die Stimme klang jetzt entschlossen, aber weiterhin versehen mit einer gewissen Erotik. "Ich weiß es, Schatz, ich warte. Nur Beeilung. Bei dem Gedanken an dich werde ich richtig heiß. Da könnte ich jetzt schon..." Wenn Adrian eben noch die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, es könnte ein neuer Manager für Lisas große Schauspielerkarriere sein, waren diese schwachen Hoffnungen jetzt verflogen.
"Schatz?" Adrian schaffte es nicht wütend zu sein. In ihm regte sich nichts. Es blieb einfach regungslos, seine Gefühle waren für einen Augenblick gefroren. Einzig eine riesige plötzliche Leere füllte seinen Magen und drückte ihn von innen nach außen, bis er das Gefühl bekam zu platzen. Wieder ertönte die Männerstimme:"Schatz? Noch da! Langsam werde ich hier echt geil."
"Ich auch!" Sein Mund stand offen. Ein Augenblick verging. Der unbekannte Mann schwafelte erschrocken irgendeinen Mist, dessen Inhalt Adrian nicht mehr registrierte. Das Handy knallte auf den Boden. Er griff das Glas und schmetterte es mit aller Kraft gegen die Wand. Cola spritzte. Scherben.

Jetzt steht er regungslos am Rand der Autobahnbrücke. Sein Hemd flattert, während er in den finsteren Nachthimmel starrt; irgendwo fliegt eine Sternschnuppe vorüber, aber er schafft es in diesem Augenblick nicht sich Etwas zu wünschen. Die Unendlichkeit, das weite All. Adrian schwenkt den Blick hinab auf die Autos, die vorüberfliegenden Scheinwerferlichter und das unruhige Treiben auf der Autobahn. Dann hebt er seine Hände in die Luft und spreizt jeden einzelnden Finger weit voneinander ab, sodass der Wind durch die großen Abstände hindurchsaust. "Ich bin heiß. Oh ich glühe wie eine Herdplatte." Er sagt es in normaler Lautstärke, ohne dabei irgendeine Leidenschaft zu empfinden.

"Adrian! Wohin willst du?" Lisa stand in der Tür, einzig ein Handtuch um ihren Körper gewickelt. Ihre Haare hingen nass vom Kopf hinab.
"Es gibt einen Ort, wo Verliebte wie ich hingehören!" Es machte keinen Sinn. Eben noch lagen sie im Bett. Arm in Arm.
"Was meinst du?", fragte sie und näherte sich ihm mit einem besorgten Blick. Adrian lachte gespielt.
"Das weißt du nicht. Du wirst eine großartige Schauspielerin sein. Regisseure werden sich um dich reißen. Hollywood wartet, Lisa, Hollywood wartet. ."
"Was redest du da?", fragte sie mit schüttelndem Kopf.
"Ach, Lisa, wenn ich nicht so krank wäre? Wenn ich nicht so verflixt krank wäre." In seiner Stimme ertönte ernsthafte Verzweiflung und aus seinem Blick sprach Hilflosigkeit.
"Krank?", fragte sie erneut und verstand noch immer nicht, was vor sich ging.
"Ja, krank, infiziert von meiner eigenen Seele. Diese beschissene Seele. Sie hat da irgendwas in mein Herz gelegt. So eine fiese klebrige Masse, die sich an meinen Herzschlag heftet, so ein widerliches eckliges Zeug, das in meinem Blut mitfließt!" Adrian verzog wütend sein Gesicht.
"Ich verstehe nicht?"
"Schon O.K. Brauchst du auch nicht. Die Sache ist vorüber. Nicht in dieser Welt, aber woanders. Jemand hat für dich angerufen. Er soll ziemlich heiß sein, heiß wie eine Herdplatte. Es ist glaube ich Zeit, das du gehst und ihn abkühlst. Aber zieh dir vorher noch Etwas an. Am besten das rote Nichts von gestern Abend!" Sie starrt ihm entsetzt entgegen und Adrian meint in ihren Augen Tränen sehen zu können. Lisa läuft auf ihn zu und umarmt ihn. Das Handtuch gleitet zu Boden.
"Nein, nein, bitte nicht, bitte bleib hier! Ich brauche dich.", schluchzt sie nackt und gleitet auf ihre Knie, während sie verzweifelt seine Hände presst. Adrian stößt sie weg, schüttelt den Kopf und verschwindet.

"Die Luft fünfzig Meter über einer Autobahn lässt sich ganz anders atmen, als die im Wald oder in der Stadt.", denkt Adrian. Er schiebt seine Schuhsohle über den Betonrand der Brücke wie ein Stier, der sich wütend auf einen Angriff vorbereitet. Daraufhin hebt er erneut die Hände in die Höhe und blickt ein letztes Mal hinab. Trotz der späten Zeit sind sehr viele Menschen unterwegs. Grelle Scheinwerfer leuchten sich ihren Weg. Unterschiedliche Stärken von Lichtern, welche auf verschiedene Entfernungen gerichtet sind. Manche fahren schnell, manche langsam, aber alle nähern sich ihrem Ziel und weit entfernt über ihnen wartet Adrian. Für seinen letzten Moment! "Wie viele Autos nachts über die Autobahn fahren! Kaum zu glauben. Wenn man bedenkt, was für ein kleiner Abschnitt der Welt das hier ist." Erneut gleitet eine Sternschnuppe den Himmel entlang. Diese lässt sich wirklich viel Zeit, als ob sie in Zeitlupe vorüber fliegt, damit Adrian sie auch wirklich bemerkt. Jetzt formt sich in Adrians Gedanken ein Wunsch. "Wie viele Lisas!"

 
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Wieder mal Selbstmord

Hallo Tod,

Adrian nimmt einen Anruf für seine Freundin Lisa entgegen, die gerade ein Bad nimmt. Es meldet sich jemand, der nach ihr fragt, um wirwissenschon. Natürlich stürzt für Adrian ein Welt zusammen, da er auf diesem Weg vom Seitensprung oder sagen wir das zweite Eisen im Feuer seiner Freundin erfährt. Er sieht, im Gegensatz zu Millionen, die dasselbe erlebt haben, gerade erleben oder noch erleben werden, und sich trotzdem halten und darüber hinweg kommen, keine andere Möglickeit als sich von einer Autobahnbrücke in den Tod zu stürzen.

Soweit nur eine der Abertausenden von Selbstmordgeschichten auf diesem Board. Verglichen mit denen, die ich schon davon gelesen habe, gehört deine zum besseren Durchschnitt, aber eigentlich ist sie nix Besonderes. Vor allem gibt es zwei große Probleme in der Konzeption:

  1. Es ist in unserem Kulturkreis üblich - ich gehe in Anbetracht der Namen einfach mal davon aus, dass deine Geschichte darin spielt - dass sich der Angerufene zuerst meldet, mindestens mit einem "Hallo?". Dadurch, dass du das umgangen bist, konntest du zwar diesen Plot verzapfen, musst dir dafür jetzt aber auch den Vorwurf der Unglaubwürdigkeit anhören und dass du hier etwas an den Haaren herbeigezogen hast.
  2. Oh, das zweite habe ich prompt vergessen, entschuldige. Ich finde es aber wirklich lächerlich, nur weil die Freundin einen Seitensprung macht, gleich alle Stricke zu kappen. Aber wenigstens hat Lisa, die sicherlich etwas besseres als so ein empfindliches, schwächliches Männiken verdient hat, jetzt die Chance etwas Richtiges zu suchen. Adrian weint der Leser (ich) keine Träne nach.
    (Moment mal, eigentlich ist das Ende ja offen, Adrians Tod steht für mich noch gar nicht fest. Aber ist halt nicht deutlich genug, so gehe ich trotzdem davon aus. Wenn das nicht sein soll, kannst du das Ende ja bearbeiten.)

Anmerkungen zu einigen Textstellen:
Alles nur Vorschläge!

und der magere Mond wird nur teils sichtbar.
  • Du beschreibst einen Zustand >> der magere Mond ist
  • teils kenne ich nur als Bijunktion (äh, du verstehst? :shy: ) kontrastierend verwandter Adjektive, etwa "teils groß, teils klein" >> nur zum Teil sichtbar.

Noch einmal atmet er Luft etwa fünfzig Meter über dem Erdgrund.
  • Zum Vergleich: Die Golden Gate Bridge erhebt sich - von mir aus den gegebenen Werten geschätzt - etwa 80m über den Wasserspiegel. Sind da fünf bis acht Meter nicht ein Stück realistischer für eine normale Autobahnbrücke? ;)

Sein Hemd flattert im Wind.
  • Das weiß der Leser schon von einem früheren Satz.

"Schatz?" Adrian schaffte es nicht wütend zu sein.
  • "Schatz?": Sagt das Adrian, oder denkt er das nur? Ist letzteres der Fall, dann keine Anführungszeichen.
  • Ja, Kommas vor zu-Infinitiven kann man weglassen, ich weiß. Dies gilt aber nur, wenn Missverständnisse durch Syntax oder Sinn ausgeschlossen sind >> Adrian schaffte es, nicht wütend zu sein (dies ließe sich besser ausdrücken) ? Adrian schaffte es nicht, wütend zu sein.

Sein Hemd flattert,
  • Schon wieder, ja wie oft denn noch? ;) Du könntest zur Abwechselung mal schreiben, dass der Wind ihm durch die Haare fährt, sie nach vorne streicht, oder so.

sich Etwas zu wünschen.
  • etwas ist hier pronominal, wird also klein geschrieben. Nur wenn es als Hauptwort in der Bedeutung von "ein nicht näher bestimmtes Ding" verwendet wird, schreibt man es groß: ein Etwas.

Schon O.K.
  • Nein, nichts ist O.K. in der Prosa, sondern >> okay | in Ordnung

FLoH.

 

Hi Tod!

Noch eine Selbstmordgeschichte? Meine Güte, da muss die Mehrheit der Autoren hier ja aus echt labilen Typen bestehen, wenn ständig sowas in das Forum geschmissen wird. :rolleyes:

Aber was rede ich. Angeblich soll ja jeder von uns mal seine Selbstmordphase durchmachen, und meine steht mir wohl noch bevor.

Auch mir fällt es schwer, mit Adrian zu fühlen. Vor allem wenn die Frau, die er verlässt, so eine theatralisch-manipulative Schlampe ist, wie du sie hier zeigst. Okay, er ist ohnehin schon depressiv, aber wenn ich sein Problem nicht etwas mehr verstehe, dann nimmt mich die Geschichte einfach nicht mit. Wer identifiziert sich schon mit Captain Selbstmitleid?

Eine Stelle habe ich auch nicht ganz verstanden:

Jetzt formt sich in Adrians Gedanken ein Wunsch. "Wie viele Lisas!"

Was soll sein mit den vielen Lisas? Sollen viele Lisas Selbstmord begehen wie er? Hofft er darauf, im Jenseits zweiundsiebzig Lisas zu kriegen? Oder in diesem Leben, weil er jetzt doch nicht springen will? Was meinst du damit? :confused:

Ciao, Megabjörnie

 

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