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Autorenkritik

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15.03.2009
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Autorenkritik

„Ich wünschte, dieses Blatt würde leer bleiben. Ok, ich war schon immer ein schlechter Lügner. Wie lange will ich dieses verdammten Bleistift eigentlich noch anspitzen? Die Ehe zwischen meiner Ideenlosigkeit und der erzwungenen Motivation läuft immer besser. Schön, dass sie sich zu gut vertragen. Ich dagegen bin müde geworden. Es langweilt mich mittlerweile selbst, die Missstände der Generationen, das Unvermögen blinder Gesellschaften und all die erdachten, allwissenden Individuen zu Papier zu bringen. Für wen quetsche ich mich eigentlich aus? Für die angesehenen Kritiker, deren Lob oder Beschimpfung der Ungewissheit und Willkürlichkeit eines Münzwurfs entspringen? Oder für die treue Leserschaft, deren Ursprung in der Rebellion der Andersartigkeit lag und heute einen roten VW-Passat fährt? Oder aber schreibe ich tatsächlich nur noch für den Kontostand meiner jungen Verlegerin, die mich damals von meinem Job aus der regionalen Tageszeitung herausholte und mir versprach, ich würde der neue Kafka werden? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht!
Wenn ich meine Scripte bearbeite, kommt mir das große Kotzen. Zu viel Pathos hier, zu viel erhobener Zeigefinger dort. Zu wenig Interpretationsspielräume und zu wenig analytische Auseinandersetzungen. Verdammt, ich war doch mal so gut. Der Kaffee ist kalt, die zweite Zigarettenschachtel ist angebrochen und es ist noch nicht mal elf Uhr morgens. Ich muss raus aus dem Arbeitszimmer, am besten ich fahre in die Stadt und beobachte die Obdachlosen im Park. Sie bieten mir zwar lägst keinen neuen Stoff mehr, aber irgendwie belustigen sie mich immer wieder aufs Neue. Der menschliche Abschaum als Komödie, hab´ zwei Preise für ´ne Story bekommen, die nur von ihnen handelt. Na ja, ist jetzt aber auch ausgelutscht und Bukowski und Boyle sind eh schon lange tot. Nicht, dass ich sie jemals gelesen hätte. Von Rennbahnen und Pferden habe ich genau so wenig Ahnung wie von Whisky oder Maler.
Im Park treffe ich einen Bekannten. Jensen grüßt mich freundlich und wie jedes Mal, wenn ich ihn sehe, fallen mir als erstes seine blau-grauen Augen auf. Gott, ich habe noch nie so einen traurigen, Weltschmerz umfassenden Blick gesehen. Er ist Künstler. Klar, dass bin ich auch, aber er ist einfach ein echter Künstler. Nicht jemand, der es wird, weil ihm Leute sagen, dass er talentiert ist. Nein, er lebt das Künstlerdasein direkt vor. Und das nicht mal mit Absicht. Ich beneide ihn nicht unbedingt darum. Er erzählt mir irgendwas davon, dass seine Tochter an Krebs erkrankt ist, aber ich höre nur mit einem halben Ohr hin und suche die Grünanlage nach den Pennern ab. Es ist allerdings kaum etwas los, nur ab ein paar dicke Mütter, die ihre Kinder in die Lagune und raus aus der Betonschicht entführen wollen. Jensen verabschiedet sich mit den Worten, dass ich ihn doch mal wieder in seinem Atelier besuchen solle. Ich stimme ihm zu, obwohl ich genau weiß, dass ich es garantiert nicht tun werde. Plastische Kunst sagt mir einfach nicht zu, wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann langweilt es mich sogar mehr als meine eigenen Geschichten.
Ich verlasse den Park und laufe auf einen Kiosk zu. Als ich noch getrunken habe, war ich spitzfindiger, frischer. Möglicherweise war ich auch einfach noch jünger. Gott, ich hasse Geburtstage!“

Die Tür von Holtermann geht auf und seine Frau schiebt ihren Kopf durch den Spalt. „Schatz, willst du noch Tee? Oh, ist das die Geschichte, die du für die neue Frauenzeitschrift schreiben solltest? Zeig doch mal her!“ Sie überfliegt kurz die Zeilen, gibt ihm einen Kuss auf die Wange und streicht ihm vorsichtig durchs angegraute Haar: „Das ist gut!“ Leise schließt sie die Tür, als sie den Raum wieder verlässt. Holtermann selbst starrt schweigend auf seine Handflächen, dann zerknüllt er seine Arbeit und schmeißt sie in den Mülleimer. Vielleicht war heute ein guter Tag, um endlich in Rente zu gehen.

 

hallo,

du schreibst für den Anfang viele Geschichten. Ich muss aber zugeben, dass du mich nicht erreichst und auch nicht inspirierst zu irgend etwas.

Ich wünschte, dieses Blatt würde leer bleiben. Ok, ich war schon immer ein schlechter Lügner.

Eine Frage: Warum sagt er so etwas überhaupt. Das gibt für mich keinen Sinn.
Er wünscht sich, dass sein Blatt leer bleiben würde. Kein Schriftsteller hat solche Gedanken.

Oder für die treue Leserschaft, deren Ursprung in der Rebellion der Andersartigkeit lag und heute einen roten VW-Passat fährt?

im Mittelalter gab es wenige, die lesen konnten. Heute hat Bildung einen gesellschaftspolitischen Hintergrund. Leider gibt es noch welche, die das nicht können. Den roten VW-Passat für den durchschnittlichen Leser finde ich etwas missglückt, da es wie gesagt auch Analphabeten gibt.

Der menschliche Abschaum als Komödie, hab´ zwei Preise für ´ne Story bekommen, die nur von ihnen handelt. Na ja, ist jetzt aber auch ausgelutscht und Bukowski und Boyle sind eh schon lange tot.

ich versteh den Zusammenhang nicht. Buk. und Boyle haben doch nichts mit deinen zwei Preisen zu tun

Von Rennbahnen und Pferden habe ich genau so wenig Ahnung wie von Whisky oder Maler.

also liegt´s an der Recherche!?!

Klar, dass bin ich auch, aber er ist einfach ein echter Künstler. Nicht jemand, der es wird, weil ihm Leute sagen, dass er talentiert ist. Nein, er lebt das Künstlerdasein direkt vor. Und das nicht mal mit Absicht. Ich beneide ihn nicht unbedingt darum. Er erzählt mir irgendwas davon, dass seine Tochter an Krebs erkrankt ist, aber ich höre nur mit einem halben Ohr hin und suche die Grünanlage nach den Pennern ab.

warum sagen die Leute nicht, dass er Talent hat?
Nicht mit Absicht, als Künstler weiß man doch, dass man Künstler ist, sogar jemand, der sich für einen hält, sagt er sei einer, aber so ist es zu wenig begründet

und dann hat die Tochter noch Krebs, du wechselt viel zu schnell, führe ein Gespräch mit ihm oder ...

Plastische Kunst sagt mir einfach nicht zu, wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann langweilt es mich sogar mehr als meine eigenen Geschichten.

warum? er ist doch sein Freund, er kann es sich doch anschauen, Interesse, jeder hat eine Meinung

Holtermann selbst starrt schweigend auf seine Handflächen, dann zerknüllt er seine Arbeit und schmeißt sie in den Mülleimer. Vielleicht war heute ein guter Tag, um endlich in Rente zu gehen.

der Schluss ist zu banal.

Insgesamt finde ich wie gesagt die Geschichte nicht gut, die Formulierungen unpassend und oft zu weit her geholt. Zu banal und die "Geschichte" als solches ist nicht gut durchdacht. Leider nicht mein Geschmack. Vll. gibt es andere, die anderes schreiben.

mfg mantox

 

Hallo Flashko,

Sinnkrisen sind durchaus ein dankbares Thema. Deine Figur befindet sich in einer solchen, nur leider wird man derer nicht habhaft. Vielleicht ein Problem der Perspektive, wenn ein Icherzähler der eigenen Krise genauso wenig habhaft wird. Es muss dann zwangsläufig beim Lamento bleiben. Die Frage, wozu überhaupt noch schreiben, die Überlegung wie sehr er vom gesellschaftlichen Anpassungsdruck infiziert ist, wie sehr dies Schreiben und Kreativität beeinflusst, wird nicht deutlich, weil die Reflexion immer bei anderen landet (der jungen Verlegerin zB.).
Details:

„Ich wünschte, dieses Blatt würde leer bleiben.
"dieses Blatt bliebe leer" läse sich mE besser.
Wie lange will ich dieses verdammten Bleistift
Vertippt.
Für die angesehenen Kritiker, deren Lob oder Beschimpfung der Ungewissheit und Willkürlichkeit eines Münzwurfs entspringen?
Ich verstehe schon, was du willst, nur passt "Ungewissheit" nicht, denn ungewiss ist das Ergebnis des Münzwurfs, nicht der Münzwurf selbst. Und statt "Willkürlichkeit" reicht "Willkür" völlig aus.
Oder für die treue Leserschaft, deren Ursprung in der Rebellion der Andersartigkeit lag und heute einen roten VW-Passat fährt?
Bezug. So fährt der Ursprung den roten Passat (Ich hätte ja noch einen Kombi daraus gemacht), es müsste "die" vor "heute" stehen.
Oder aber schreibe ich tatsächlich nur noch für den Kontostand meiner jungen Verlegerin, die mich damals von meinem Job aus der regionalen Tageszeitung herausholte und mir versprach, ich würde der neue Kafka werden?
Zum einen: Es stünde deiner Figur gut, wenigstens genügend Reflexion an den Tag zu legen, seinen eigenen Kontosstand mit zu bedenken und vielleicht auch das eigene Auto anzuschauen, gerade in solchen Midlifekrisen betrachtet man durchaus auch sich selbst und fragt, ob man da ist, wo man hinwollte.
Zum anderen: die mich damals aus meinem Job ... holte und mir versprach, ich würde der neue Kafka werden.
Der menschliche Abschaum als Komödie, hab´ zwei Preise für ´ne Story bekommen, die nur von ihnen handelt.
von ihm (der Bezug liegt auf "der menschliche Abschaum"
und Bukowski und Boyle sind eh schon lange tot.
Irritierend, weil es zumindest körperlich nur für einen von Beiden gilt. Boyle erfreut sich noch ausgezeichneter Gesundheit und war gerade im März zur Lesereise in Deutschland.
Nicht, dass ich sie jemals gelesen hätte.
Ein Satz der sich inhaltlich sogleich selbst bestätigt, denn die Auseinandersetzung mit anderen zeitgenössischen Autoren ist von Boyle elementare Notwendigkeit beim Schreiben. ;)
Er ist Künstler. Klar, dass bin ich auch
das
aber er ist einfach ein echter Künstler. Nicht jemand, der es wird, weil ihm Leute sagen, dass er talentiert ist. Nein, er lebt das Künstlerdasein direkt vor.
Abspecken: aber er ist einfach ein echter Künstler. Nicht jemand, der es wird, weil ihm Leute sagen, dass er sei talentiert ist. Nein, er lebt das Künstlerdasein direkt vor.
Er erzählt mir irgendwas davon, dass seine Tochter an Krebs erkrankt ist,
Zum einen: Eine Krebserkrankung ist recht konkret für "irgendwas davon"
zum anderen. Indirekte Rede im Konjunktiv erspart manches "dass" und liest sich besser: Er erzählt mir, seine Tochter sei an Krebs erkrankt. oder Er erzählt mir von der Krebserkrankung seiner Tochter.
nur ab ein paar dicke Mütter
Jensen verabschiedet sich mit den Worten, dass ich ihn doch mal wieder in seinem Atelier besuchen solle. Ich stimme ihm zu, obwohl ich genau weiß, dass ich es garantiert nicht tun werde.
Beide "dass" überflüssig. Jenschen verabschiedet sich mit den Worten, ich solle ihn doch mal wieder in seinem Atelier besuchen. Ich stimme ihm zu, obwohl ich genau weiß, ich werde es nicht tun.
Plastische Kunst sagt mir einfach nicht zu, wenn ich ganz ehrlich sein soll, dann langweilt es mich sogar mehr als meine eigenen Geschichten.
langweilt sie mich sogar ... (Bezug auf Kunst)

Liebe Grüße
sim

 

Hallo Flashko,

Zitat: Von Rennbahnen und Pferden habe ich genau so wenig Ahnung wie von Whisky oder Maler.

Wenn's als Anspielung auf Bukowski gemeint ist, meinst du doch sicherlich Mahler, stimmt's?

Ansonsten verspüre ich keine Lust, eine weitere Kritik unter eine deiner KGs ins Nirwana zu versenden.

Rick

 

Danke, Danke, Danke!!!
Euch allen dreien!! Und wenn ich es hervorheben darf: DANKE SIM!!
Ich muss leider zur Arbeit, aber wenn ich wieder da bin, werd ich es verbessern!!

Ich nehme mir eure Kritiken immer sehr, sehr zu Herzen und werde weiter an mir arbeiten. Diese Seite ist einfach nur phänomel, wenn man sich als junger Autor verbessern will!!

Also nochmals Danke an EUCH!!

Grüße, Fabian

@Rick: Klar meinte ich Mahler, sorry :)

 

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