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Back in Germany

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07.08.2009
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Back in Germany

Ich ging durch die Schwingtür und stand mitten im Warteraum. Stühle rechts, Stühle links an den Wänden. Etliche davon besetzt. Ich grüßte. Kaum einer hob den Kopf. Eine grüßte tonlos zurück.
“Wer war vor mir der Letzte?”, fragte ich. Jemand hob die Hand. Ich setzte mich auch.

Etwas Beklemmendes lag in der Luft.
Es war egal, wie sie aussahen, was sie anhatten. Hinter den Gesichtern, unter den Kleidern: Unsicherheit, Resignation, Angst.
Ich roch es. Ich sah es in ihren Augen.
Egal auch, wie sich jeder auf seine Weise im Lauf der sich wie Kaugummi ziehenden Wartezeit Luft zu machen begann. Stöhnend, schnaufend - aggressiv, gelangweilt, oder wieder einmal die Ungerechtigkeit der Welt an sich und die der deutschen Bürokratie im Speziellen - laut, oder leise im Inneren - beklagend.
Die Beklemmung wuchs.
Dann ging die Tür des Amtszimmers auf. Einer erschien, zog die Tür zu, grüßte nicht, durchquerte eilig den Raum und verschwand durch die Schwingtür nach draußen. Gleichzeitig erhob sich ein anderer Gleicher aus den Stuhlreihen, klopfte an die Tür und trat ein.
Ein neuer Zeitkaugummi begann, sich zu ziehen.

Niemand sprach mit jemandem. Alle starrten ausdruckslos vor sich hin.
Wir saßen wie in der Wartehalle eines längst stillgelegten Bahnhofs und schauten den aus den Winkeln und zwischen den Fugen hervor sprießenden Grashalmen zu. - Unkraut. Wie Unkraut auch wir.
Versteinert - und ich spürte, wie sich erste Ranken aus dem Boden um meine Füße zu schlingen begannen. Ich stand auf und wechselte den Stuhl. Keiner nahm Notiz davon.
Vielleicht lag diese Apathie daran, dass sie offensichtlich schon Bilanz gezogen hatten, noch ehe ihr Leben tatsächlich zu Ende war. Vielleicht war ihnen das Einhalten des “Standards” so wichtig, dass sie sich und ihre noch verbleibenden Jahre aufgaben, nur weil sie aus eigener Anschauung oder aus Sicht der Anderen diesen Standard nicht mehr halten konnten.
Endstation Sehnsucht.
Ich spürte, dass ich hier fehl am Platz war. Aber genau das konnte meine Chance sein. - Ich blieb also sitzen und wartete.
Es vergingen Stunden. Dann war ich an der Reihe.

Der Beamte war sehr jung. Er war nicht unfreundlich, aber er wirkte ebenfalls sehr müde.
Sorgfältig tippte er die Angaben in den Computer ein, die ich zuvor schriftlich auf Bögen gemacht hatte. Manchmal fragte er mich etwas, um besser zu verstehen, in welche der vorgegebenen Sparten er mich einordnen könne.
“Waren Sie schon einmal im Internetportal des Arbeitsamtes?”
“Ja.”
“Und?”
“Es bringt nichts” - er sah mich überrascht an.
“Wie - es bringt nichts?!”
“Ich kann sehr vieles, habe aber für nichts einen Schein. Schon bei der Eingabe des Berufes komme ich nicht weiter. Es ist zu schematisch.”
“Haben Sie es mit Dienstleistungen versucht?”
“Ja.”
“Und?”
“Derartige Angebote finde ich auch in der Zeitung - und da im lokalen Raum.”
“Hm.”
Er tippte weiter. Es verging wiederum viel Zeit.
“Hat so eine alte Schachtel wie ich überhaupt noch eine Chance?”
“Nun, Sie sind bereit, zeitbefristete Arbeiten zu übernehmen - und das bundesweit. Ich denke, es sieht gar nicht so schlecht aus. - Welche Gehaltsvorstellungen haben Sie?”
“Keine. Kost&Logis und ein Handgeld ist auch o.k.”
“Können Sie drei Stunden am Stück arbeiten?”
Ich war mir nicht sicher, ob er das ernst meinte, blieb also vorsichtshalber höflich: “Hören Sie: ich habe jahrelang 65 Stunden die Woche gearbeitet - wollen Sie mir eine Arbeit vermitteln … oder mich in Urlaub schicken?!”
Er sah mich seltsam an. Fast musste ich lachen.
“Wo haben Sie bisher gearbeitet?”
“Ich habe Frondienst geleistet. Erst bei meinem Mann, dann bei einem Lebensgefährten.”
“Gibt es dafür irgendwelche Belege?”
“Keine sichtbaren.”
“Haben Sie irgendeine Rente, Unterhalt, Altersvorsorge, finanzielle Rücklagen?”
“Nein.”
“Kein Unterhalt von ihrem Mann??”
“Nein.”
Ich sah, dass er mir nicht glaubte.
“Schluss ist Schluss”, versuchte ich zu erklären. “Ich habe auf alles verzichtet.”
“Haben Sie eine Rentenversicherung?”
“Nein.”
“Haben Sie eine Lohnsteuerkarte?”
“Nein. Als ich damals nach Italien ging habe ich noch studiert.”
“Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft und Ihre zukünftige Arbeit vor?”
“Ich möchte nicht-sesshaft werden.”
“Wie bitte?!”
“Ich möchte, wenn es irgendwie möglich ist, keine Wohnung beziehen, nicht die nächsten 20 Jahre an ein und demselben Arbeitsplatz bleiben und nie mehr Wurzeln schlagen.”
“Das ist ungewöhnlich.”
Es entstand eine Pause.
“Wie stellen Sie sich das vor?”
“Ich weiß es noch nicht. Vielleicht als Saisonkraft in Tourismusgebieten, einmal am Meer, dann wieder in den Bergen. Vielleicht als Kartoffelschäler auf einem Bananendampfer - oder als Tippelschwester von Ort zu Ort und von Tagarbeit zu Tagarbeit …”
“Das ist nicht Ihr Ernst?!”
“Doch.”
Pause.
“Wieso sind Sie zu uns gekommen?”
“Ich dachte, vielleicht könnten Sie mir helfen, einen Job auf einem Bananendampfer zu finden …?”
„Ich weiß nicht, ob Sie hier an der richtigen Stelle sind.”
“Welche Stelle würden Sie mir empfehlen?”
Er sagte nichts, aber ich wusste, er würde mich an die nächstbeste Neurologie verweisen - wenn er etwas gesagt hätte, außer: “Ihr Profil ist nun in unsere Dateien aufgenommen. Sie haben zwei Betreuer: Herrn Heppmaier für die sozialen Fragen, Herrn Nüßl für die Arbeitssuche. Bitte gehen Sie nun hoch in den zweiten Stock und machen Sie mit Herrn Heppmaier einen Beratungstermin aus. - Ich brauche von Ihnen noch eine Sozialversicherungsnummer und eine Bescheinigung über Ihren momentanen Wohnsitz. Wo und wie sind Sie zur Zeit untergebracht?”
“Meine hier ansässige Cousine gewährt mir derzeit Asyl.”
“Sie sind nicht Mit- oder Untermieter?”
“Nein.”
“Dann bringen Sie mir bitte eine Einverständniserklärung des Vermieters, dass Sie bis auf weiteres dort wohnen bleiben können.”
“O.K.”

Ich sammelte meine Papiere auf dem Tisch zusammen und steckte das Bündel in die Tasche.
Er stand auf, gab mir die Hand und sagte mit einem Ton, als würde er mir sein Beileid zu meinem eigenen Ableben ausdrücken: “Herr Heppmaier kann Ihnen eventuell auch psychologischen Beistand vermitteln …”
Ich bedankte mich und ging.
Als ich das Wartezimmer durchschritt, machte ich auf meinem Weg an der Treppe und am Aufzug vorbei all das aus den Ritzen rankende Unkraut platt, stieß durch die Schwingtür und stand im Freien.
Draußen schien die Sonne.

 
Zuletzt bearbeitet:

Moikka Fritzi,

ich habe nicht nur Deine Beobachtungen am Anfang als sehr unprätentiös-poetisch empfunden, mir hat die Geschichte ganz einfach diebischen Spaß gemacht.

Ob es erdacht oder erlebt ist - es umreißt auf jeden Fall die Problematik "Germany" mehr als deutlich in all ihrer Absurdität (die auch nur lustig ist, wenn man nicht gerade selbst auf diesem Stuhl sitzt, versteht sich). Bevor ich ins Ausland übersiedelte, hatte ich fast eine Ämterphobie - oft hat man ja vage den Eindruck, man mache sich da gar irgendeiner unbekannten Straftat schuldig - und lerne jetzt erst, daß Bürokratie auch ganz leger gehandhabt werden kann.

Super Deine kurzen, schnittigen Sätze, irgendwo zwischen Resignation, Aufsässigkeit und Freiheitsdrang.

Wirklich mit Freude gelesen! :gelb:
Sonnige Grüße aus dem Helsinkier Regen,
Katla

 

Hallo Fritzi,

vielleicht ist es kein Zufall, dass die Anmerkungen in den Details besonders zahlreich den Teil der Geschichte betreffen, den ich, nach der Lektüre vollständig streichen würde. Der Dialog stellt auf pointierte Weise die zuvor behauptete Beklemmung dar, zeigt auf, warum sie zustande kommt und mach die ganzen wertenden Wartezimmerimpressionen überflüssig.
Details:

Etwas Beklemmendes lag in der Luft.
Es war egal, wie sie aussahen, was sie anhatten. Hinter den Gesichtern, unter den Kleidern: Unsicherheit, Resignation, Angst.
Ich roch es. Ich sah es in ihren Augen.
Ich leider nicht, denn du gibst mir keine Möglichkeit dazu. So bleibt es eine leere Behauptung des erzählenden Ichs.
Ein neuer Zeitkaugummi begann, sich zu ziehen.
kein Komma (oder optional, da Infinitiv mit zu).
Niemand sprach mit jemandem. Alle starrten ausdruckslos vor sich hin
steht im Widerspruch zu
oder wieder einmal die Ungerechtigkeit der Welt an sich und die der deutschen Bürokratie im Speziellen - laut
Egal, welche Behörde es ist, manche suchen dort ja tatsächlich in ihrer Frustration so etwas wie Solidarität, die sie mit den Klagen einholen. Selbst, wenn sie keine Antworten erhalten, stimmt also "niemand" so nicht.
Wie Unkraut auch wir.
Versteinert
Bilder nicht koexistent. Unkraut ist ja nicht versteinert, selbst wenn ich mir vorstellen kann, dass die Menschen dort wie versteinert sitzen und sich wie Unkraut fühlen ist die Ausformulierung des Vergleichs auf diese Weise ungenau und trifft nicht.
Vielleicht lag diese Apathie daran, dass sie offensichtlich schon Bilanz gezogen hatten, noch ehe ihr Leben tatsächlich zu Ende war. Vielleicht war ihnen das Einhalten des “Standards” so wichtig, dass sie sich und ihre noch verbleibenden Jahre aufgaben, nur weil sie aus eigener Anschauung oder aus Sicht der Anderen diesen Standard nicht mehr halten konnten
Nicht nur ein sehr abstrakter sondern auch ein sehr spekulativer Gedanke des erzählenden "Ichs". Dem Titel nach könnte es sich um eine Einwanderungsbehörde handeln, auf keinen Fall kann ich diesen Gedanken mit gegenwärtigem Wissensstand über das Erzählte in Zusammenhang mit dem möglichen Ansinnen bei einer Behörde bringen.
“Waren Sie schon einmal im Internetportal des Arbeitsamtes?”
Ah okay, jetzt kann ich die abstrakte Überlegung etwas besser zuordnen. Es geht um Lebensängste, möglicherweise Existenzängste, Versagensängste angesichts gesellschaftlicher Erwartungen aber auch angesichts vielleicht laufender Kredite. Natürlich bleibt es abstrakt, weil ja auch die Standards eher Fantasien jedes Einzelnen sind, die erst einer Überprüfung bedürften.
Aber die Mitarbeiter der Agentur für Arbeit achten inzwischen peinlich darauf, dass niemand, schon gar nicht sie selbst, vom Arbeitsamt spricht. Uns wenn der Mann jung ist, wird er auch leider nicht mehr in den Genuss einer Verbeamtung kommen.
“Ich kann sehr vieles, habe aber für nichts einen Schein. Schon bei der Eingabe des Berufes komme ich nicht weiter. Es ist zu schematisch.”
Das kann ich gut nachvollziehen. Und es ist beim Jobscout, Monster, etc. genauso.
“Herr Heppmaier kann Ihnen eventuell auch psychologischen Beistand vermitteln …”
Der ist kein Seelsorger, meiner Erfahrung nach würde er also ohne zu fragen einen Testtermin beim psychologischen Dienst der Agentur für Arbeit beantragen, der dem erzählenden Ich dann zwei bis vier Wochen später als Vorladung (verzeihung, Einladung) zugestellt wird. Dass er aber vom "psychologischen Beistand" spricht, erscheint mir unwahrscheinlich.

Der Dialog im zweiten Teil hat mir prima gefallen, der erste Teil setzt mir für meinen Geschmack zu viel spekulative Wertung vor, die ich nicht selbst herstellen kann.

Liebe Grüße
sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Sim

... nun, du machst es mir nicht ganz einfach - aber genau das ist es ja, was "Spass entfacht" ;o)
Aaaalsoooo:

Nimm doch den ersten Teil einfach mal als eine Schilderung der aufgenommenen Vibrationen im Raum hin.
Ich denke nicht, dass es sich hierbei um "(ab)wertende" Impressionen handelt.
Darf ein Mensch sich nichts denken, wenn er einen "neuen Raum" betritt - nur, weil er es (noch) nicht "belegen" kann ... vielleicht sogar irrt ... dennoch die Situation derart erfühlt?
Du schreibst: "Der Dialog stellt auf pointierte Weise die zuvor behauptete Beklemmung dar" - darum geht´s ja: nicht alle, die dort sitzen, sitzen dort zum ersten Mal. - Als "Erstmaliger" denkt man: "Was geht hier ab?! Nee, das is nich mein Ding" - und dann plötzlich versteht man ... warum einige da SO sitzen.

Du schreibst:
>>"Niemand sprach mit jemandem. Alle starrten ausdruckslos vor sich hin" steht im Widerspruch zu "oder wieder einmal die Ungerechtigkeit der Welt an sich und die der deutschen Bürokratie im Speziellen - laut" ...<<
Sim, da ist kein Widerspruch.
Ich denke, du kennst derartige Situationen in Wartezimmern: erst ist alles still, dann steigt der Ungedulds- und Aggressionspegel, einer läßt schließlich den Dampf ab, schaut dabei zustimmungheischend rundum, versucht in den Augen der/eines Anderen Anerkennung zu erhaschen - und wo er es findet, DA "ins Gesicht" läßt er dann seinen ganzen Frust ab ... aber: ist das "miteinander sprechen"???

Zwischen Unkraut und versteinert ist ein Zeilenabsatz.

Im Bezug auf "Apathie/Standard/etc.": das Leben - und Geschichten - bestehen nicht nur aus Fakten.

Was deine SPEKULATIONEN (nicht böse gemeint, aber in Anbetracht der Realität nicht anders zu bezeichnen) in Bezug auf die Abwicklungen psychologischer Fragen durch das Arbeitsamt betrifft: ich habe jetzt lange gesucht, finde aber leider keinen Link, den ich hier einstellen könnte - vielleicht hat jemand anderes mehr Glück.
Monitor/ARD vom 13.8.: Doris Kruse, 41 Jahre alt, langzeitarbeitslos - ohne ärztliche Untersuchung, aufgrund eines Standard-Tests vom Arbeitsamt als "Geistig behindert" eingestuft ... um in einer Behindertenwerkstatt arbeiten zu können und so die Arbeitslosenquote um "minus Eins" zu entlasten.
Ein Joke? Ein Aprilscherz? Ein Einzelfall? - Mitnichten!!

Danke, Sim, für deine Holpersteine - und Dank an Katia für ihr "Sätze, irgendwo zwischen Resignation, Aufsässigkeit und Freiheitsdrang".
That´s it.
Und GuteNacht.

PS.: Ich merke erst jetzt, dass der Titel "Back in Germany" vielleicht miss-fehl-oder-sonstwohin-leitet.
Da ich lange im Ausland lebte, erschien er mir logisch ... ich werde darüber nachdenken.

 

Hi Fritzi,

es war auch nicht mein Ziel, es dir leicht zu machen.

Darf ein Mensch sich nichts denken, wenn er einen "neuen Raum" betritt - nur, weil er es (noch) nicht "belegen" kann ... vielleicht sogar irrt ... dennoch die Situation derart erfühlt?
Natürlich darf er das, uns selbst, wenn er nicht dürfte, er tut es ganz automatisch, egal, ob er zum ersten und xten Mal da ist. Je nach Situation taxiert er, wertet er, rechnet sich vielleicht nach dieser Wertung Chancen aus (wenn es z.B. um eine Bewerberrunde geht). Kein Mensch befindet sich ohne (Vor)Urteile in einer solchen Situation, was deutlich macht, dass wir (die ja leider zumeist negativ konnotierten) Vorurteile brauchen. Aber hier geht es um die Geschichte und damit um die Frage, ob und auf welche Weise davon erzählt wird, ob das erzählende Ich den Leser in seine Erfühlung mitnimmt oder nicht.
Autoren erwarten von Lesern immer gern, dass diese mitdenken, selbst denken, und um das zu erreichen, hilft es, ihnen den Geruch der Angst darzustellen, die Angst in den Augen zu schildern, das Gefühl sinnlich zu schilden, anstatt es zu behaupten.
Die stummen Menschen sind dazu geeignet, einer, der sich Luft macht, anerkennungsheischend in die Runde schaut (so wie du es jetzt in deiner Antwort beschrieben hast), vielleicht einer, der versucht, jemanden in ein Gespräch zu verwickeln, zu erzählen, warum er arbeitslos wurde, aber niemand, der ihm zuhört, Menschen, die demonstrativ in den ausliegenden Broschüren blättern, ohne sie wirklich zu lesen, oder sich hinter der mitgebrachten BILD verschanzen. Ein anderer vielleicht, der sich nicht wehren kann, zu lesen versucht, aber immer wieder bestätigend nickt, sich vielleicht sogar einen Stuhl weitersetzt und trotzdem verwickelt bleibt.
Eben darstellen, was das beklemmende Gefühl in ihm auslöst.
Wenn man es richtig tief haben möchte, kann man darstellen, dass es sich bei diesem Menschen letztlich um eine recht unsolidarische Solidargemeinschaft handelt.
Die Idee der Verzichtbarkeit auf diesen Teil kam ja bei mir nicht von ungefähr und auch nicht, weil ich nicht in der Lage wäre eine Schilderung der aufgenommenen Vibrationen hinzunehmen oder bei guter Ausführung sogar zu goutieren. Sie lag an der Ausführung, die mich nicht miterleben, mitdenken lässt.
Im Bezug auf "Apathie/Standard/etc.": das Leben - und Geschichten - bestehen nicht nur aus Fakten.
Ich wüsste auch nicht, wo ich das behauptet hätte. Nur nimmt es dem Gedanken nicht das Abstrakte, "Standard" ist ein lebloser inhaltsleerer Begriff. Es ist wieder so ein Absatz, der mich nicht teilhaben lässt an den Gedanken des erzählenden Ichs.
Was deine SPEKULATIONEN (nicht böse gemeint, aber in Anbetracht der Realität nicht anders zu bezeichnen) in Bezug auf die Abwicklungen psychologischer Fragen durch das Arbeitsamt betrifft
Diesen Beitrag meinst du sicher.
Er bestätigt aber meine SPEKULATIONEN.
Der Vermittler hat sie (in diesem Fall sogar nach persönlichem Vorschlag, dem sie zugestimmt hat) zu einem psychologischen Test geschickt. Das Ergebnis hat man ihr beim Jobcenter nicht gesagt (auch das Inhalt meiner Aussage).
Meine Kritik an deiner Beschreibung war ja, dass der junge Mann von der Agentur für Arbeit ihr eben nicht, wie bei dir beschrieben in salbungsvollen Worten "pychologischen Beistand" anbieten würde, sondern sie zum Test beim psychologischen Dienst der Agentur schickt. Genau das ist Doris Kruse geschehen.

(Darüber musste ich nicht spekulieren, sondern brauchte nur auf meine Erfahrung von 1992 zurückgreifen.
Bei diesen Tests sieht man übrigens tatsächlich keine Ärzte, jedenfalls nicht, wenn man sie in weißen Kitteln erwartet, sondern Psychologen. Irgendwer wird Frau Kruse den Test gegeben, erklärt und in soweit mit ihr durchgeführt haben, dass er die Zeiten für die Aufgaben gestoppt hat. Normalerweise wird der Test dann zum Abschluss des langen Testtages (bei mir hat er acht Stunden gedauert) noch einmal besprochen, allerdings tatsächlich, ohne ein abschließendes Ergebnis oder Fazit zu nennen. Die folgende Einladung zum psychologischen Dienst zur Ergebnisbesprechung fand bei mir über ein Jahr später statt. Spannend dabei war, dass die Ärztin (diesmal in weißem Kittel) mir bei dieser Untersuchung die mir bis dahin unbekannten Ergebnisse eines Gutachten vorlegte, das für die BfA erstellt worden war.)

Lieben Gruß
sim

 

Hallo Fritzi,

ich finde, Du hast die bürokratische Situation in Deutschland gut eingefangen. Ich habe schon oft von Betroffenen gehört, dass sie sich wie Unkraut fühlen, wie der Abschaum der Gesellschaft, der sich stundenlang in Wartesälen herumdrückt und am Ende kommt doch nichts dabei raus, kein Job und erst recht keine Perspektive, vor allem seit Hartz IV.

Am Anfang war ich unsicher, um welche Art von "Amt" es sich handelt.
Dafür finde ich den Dialog im Mittelteil echt super, vor allem die doch sehr unkonventionellen Ansichten und Vorstellungen der Ich-Erzählerin.
So ist das eben in Good Old Germany, wenn man nicht der Norm entspricht, sondern - wie furchtbar - andere Vorstellungen, ja ein Eigenleben, hat. Da kommt die Bürokratie nicht mit zurecht, stößt an Grenzen, weiß nicht weiter. Solche Menschen fallen hier durch's Raster.

Übrigens finde ich den Titel "Back in Germany" nicht so passend, ich hatte jedenfalls bei diesem Titel nicht diese Geschichte erwartet. Aber ein anderer fällt mit auf die Schnelle auch nicht ein, sorry, aber Du wolltest Dir ja sowieso noch Gedanken machen. Bin gespannt, was dabei herauskommt.

Hat mir jedenfalls gefallen, gerne gelesen.

Liebe Grüße
Giraffe :)

 

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