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Bassena Freundinnen
Bassena - Freundschaft
Bassena – Freundschaft
Heinz Körber
Kategorie : Alltag
Es gibt sie also doch noch.
Gott sei Dank – noch sind sie nicht allesamt von der Moderne geschluckt und umgemodelt worden.
Es sind die Kopftuch-Schürzen-Frauen, die mit ihren Blecheimern am Gang Wasser
holen gehen – über die hofseitig rundum laufenden Eisenroste zu den gußeisernen Wandbecken
und wieder retour.
Mit viel hohlem Lärm und voll der gemischtesten Gedanken unter dem Kopftuch, den geheimsten
Gefühlen um den Schürzenbund.
So lebten auch diese zwei Exemplare dahin, Nachbarinnen nicht bloß im Haus, sondern tief in
ihren Seelenwinkeln.
Blaschke war eine Straßenbahnerwitwe und guten 80 Kilo bei einer Größe von ein Meter
fünfundfünfzig, Nehuda wog um eine Spur weniger und war um einen Haarschopf größer.
Ihr Mann hatte sie vor Jahren verlassen – angeblich um in der Einsamkeit zu seinem wahren Ich
vorzudringen.
Die Wohnungen der beiden Frauen lagen nebeneinander und waren vom Eisenrost aus zu betreten.
Hören konnten sie alle Geräusche von „drüben“ - und sie machten auch ausgiebig davon Gebrauch.
„Müssen´S denn immer nach dem Zähneputzen so entsetzlich laut husten - - - !“
„Solang Ihr Kanari den ganzen Tag über so winselt - - -.“
Gelangweilt, aber doch mit einer kleinen Erwartungsfreude begaben sich mehrere Hausbewohner
auf die Eisenroste, um das Duell Blaschke contra Nehuda zu verfolgen. In letzter Zeit war leider
nicht viel Neues vorgefallen : Schimpfkanonaden, Erwähnen von erlauschten Intimitäten,
Entrüstung, ab und zu ein kurzer Spuckwechsel – und danach schon das versöhnliche Knurren
beim Auseinandergehen.
Jede schnappte ihren Kübel und setzte die Hausarbeit fort.
So ging es eine Weile und nichts geschah.
Eines schönen Apriltages fragte die Blaschke die Nehuda, warum sie denn schon zwei Tage nicht
mehr ferngesehen habe, sei vielleicht gar der Apparat kaputt...
Darauf die Nehuda kurz angebunden :
„Das Bild flimmert“, dreht sich um und will gehen.
Damit gibt sich eine Blaschke aber nicht zufrieden. Mit der seltsamen Wendigkeit eines Hippos
springt sie um die Nachbarin herum, schneidet ihr den Weg ab, ist schon in deren Wohnung und
schaltet den Fernseher ein.
„Auf allen Programmen ?“
„Auf allen Programmen. Aber jetzt raus da !“ treibt sie die Nehuda mit Puffen vor sich her, noch bevor diese sich von den technischen Mängeln genauer überzeugen kann.
Die Blaschke vermutet nämlich, dass die Nachbarin wieder einmal auf Bräutigam-Schau ist. Und diese Fernseh-Reparateure sind in der Mehrzahl recht fesche, junge Männer, meist gar nicht
abgeneigt, für ein knappes Stündchen bei einer erfahrenen Frau die Hände in den Schoß zu legen.
Dieser dringende Verdacht verstärkt den soeben erlittenen Schmerz an beiden Hüften noch um
einiges, und so läßt die Blaschke ihrem bissigen Temperament freien Lauf, als sie den in der
Nachbarwohnung zurück gelassenen Kübel holen geht.
„Ob´s den Apparat net selber verstellt hat, weil´s an Mann suacht. No, wir werdn ja sehn - - -“,
nimmt den Eimer und zieht sich zurück.
Die Nehuda konnte zwar sehr leise telefonieren, und durch Einschalten von Elektrogeräten war es
ihr bisweilen auch möglich, ein Minimum an Information durch die dünne Wand zur neugierigen
Nachbarin gelangen zu lassen, aber...
Aber in dieser entscheidenden Situation hat die Blaschke ständig ihr Hörrohr – sprich leeres
Wasserglas – an die Wand gepreßt, um solchermaßen die Akustik zu perfektionieren.
Somit weiß sie nun, dass der Reparatur-Dienst am Donnerstag um 11 Uhr kommt.
Donnerstag 10 Uhr : Blaschkes Tür öffnet sich, in einem zartrosa Pepita-Kleid tritt sie auf den
Eisenrost, eine gelbe Rose im geordneten Haar. Den Kübel trägt sie gleich einer Standarte vor sich her.
Bei ihrer Rückkehr von der Wasserleitung öffnet sich Nehudas Tür – und eine Dame von Welt
schreitet auf den Eisenrost : Graues Kostüm, Seidenhalstuch, dezenter Schmuck, ein Hauch Eau-de-
Cologne.
So sieht sie die Blaschke und knurrt :
„Kommt er zu ihnen oder zu mir, Karrrrr-naille ?“
„Hab keinen Fernseher, und wenn ich einen hätt´, wär der intakt“, kommt der Pfeil zurück.
„Warum dann diese Aufmachung ?“, will die Nehuda der Rivalin eins auswischen.
„Frühling, Modebewußtsein“ kontert diese mit kokettem Schulter-Hochziehen.
Die beiden Damen begeben sich wieder aus dem Ring, und bloß der liebe Gott sieht, wie jede
hinter ihrer Wohnungstür postiert ist, um nur ja nicht die Schritte des erwarteten Fernseh-
Reparateurs zu überhören. Zeitweise steigen sie sogar auf Stühle, damit sie den Heißersehnten
durch die Oberlichten bereits beim Betreten des Hofes erspähen können.
Um zirka halb zwölf betritt ein fröhlich aussehender End-Vierziger mit Glatze und einem längeren,
schnürlförmig um das Hinterhaupt wehenden Haarkranz den Hof und fragt einen ballspielenden Buben nach der Frau Nehuda. Dann springt er flink die Treppen herauf.
Als er bei Blaschkes Tür vorbeikommt, wird diese aufgerissen, und die Pepita-Dame schwebt mit einem Kuchentablett auf den verdutzten Mann zu.
„Jöh, ein junger Mann, welch ein Zufall ! Sie möchten sicher ein Stück von meinem selbst gemachten Kuchen kosten. Nein, wasfür ein Zufall.“
Er faßt sich schnell, hat ein Stück Kuchen in der Hand und auch schon im Mund.
„Dankeschön“, bröselt es ihm aus dem Gesicht, und der Flattervorhang im Nacken zuckt dazu.
„Frau Nehuda ?“ fragt er und läßt dabei einen Kirschkern auf die nahe an ihm dranstehende
Blaschke fallen.
„Macht nichts. Schmeckt gut, was ! Noch ein Stück ?“
„Hausgemacht ist eben hausgemacht“, meint er und schaut die Blaschke dabei lieb an. Daraufhin
manövrieren seine geschickten Finger noch ein weiteres Stück in den Mund. Wie ihn die Blaschke dabei so vertraut am Arm berührt, geht die Nachbarstüre auf.
In gelassener Haltung tritt die Nehuda auf den Kerne um sich sprühenden Mechaniker zu und verkündet mit lauter Stimme :
„ I c h heiße Nehuda und hab Streifen auf meinem Bildschirm“, womit sie sich gleich bei ihm unterhakt und beide in ihrer Wohnung verschwinden.
Zurück bleibt eine versteinerte Blaschke mit dem Restkuchen auf dem Tablett.
Erst als die Türen und Fenster ihre kleinwinzigen Spalte schließen, stampft sie zornentbrannt mit dem Fuß auf, und zwar so heftig, dass der Stöckel nur noch schwach weghängt. Das Bein nachziehend, verläßt sie den Eisenrost.
Eine Weile nachdem ein etwas verstörter Monteur die Wohnung Nehudas verlassen hat, treffen sich
die beiden Frauen auf dem Hofbalkon, um Wasser zu holen. Beide in ihrer alltäglichen Kleidung -
ungeschminkt, ungeschmückt, nur mit den Eimern ausgerüstet.
Fenster und Türen öffnen sich wieder spaltweit. Wer wird jetzt was sagen....?
„Was hat ihm wohl mehr getaugt : Meinen Kuchen essen oder ihneren Apparat - - - reparieren ?“,
ist der rein rhetorische Auftakt einer überlegen wirkenden Blaschke.
„Kaufn´s ihnan a an, dann werdn sas wissn“, meint die Nehuda mit zorngeröteten Wangen.
„So a Kistn brauch iii für mei Liebeslebn net“.
Das ist zuviel – die Kübel krachen auf den Boden, es wird gekratzt, gebissen, geschrien.
Die Türspalte rundum gehen jetzt weit auf, man kommt näher, um nur ja kein Detail zu versäumen.
Der Kanarilärm wird dem Morgenhusten entgegengehalten, ansatzlose gemeine Puffer treffen immer wieder die gepolsterten Lenden, festes Zerren an den Haaren, dazwischen einige beiläufige Morddrohungen.
Danach gehen sie, eine nach der anderen, Wasser holen.
Der dünne Alte vom dritten Eisenrost meint noch gelangweilt :
„Wenigst ein neuer Anfang, das Ende ist eh immer dasselbe“.
Die Blaschke und die Nehuda funkeln sich noch einmal kurz an, bevor sie beide das schon sattsam bekannte Versöhnungsknurren hören lassen und mitsamt ihren Kübeln wieder abmarschieren.