Baustelle der Gegenwart
Vor langer Zeit wurde aus einem Industriegebiet eine Großbaustelle. Das Industriegebiet war alt, marode und schon lange nicht mehr von einer Menschenseele besucht. Früher wurden dort Bagger und Krane hergestellt. Doch in einem anderen Industriegebiet wurden technisch weit aus raffiniertere Baustellenfahrzeuge produziert. Und genau diese technisch weiterentwickelten Baustellenfahrzeuge sollten das alte Industriegebiet nun abreißen. Drei große Krane mit Abrissbirnen standen im Industriegebiet bereit und warteten darauf, ihre Kraft zu entfesseln und zwischen den Ruinen des Industriegebietes zu tanzen. Eine Lagerhalle nach der anderen rissen sie nieder. Jedesmal wenn die Abrissbirne Schwung holte und mit tosendem Lärm ein Loch in eine Wand schlug regnete es rote Ziegelsteine, die mit tosendem Lärm auf den Boden prasselten. Durch ein Loch das eine Abrissbirne schlug blinzelte ein gelber Arm aus Stahl. Es sah aus als würde er nach etwas greifen wollen. »Mittagspause!« schrie ein Arbeiter. Plötzlich herrschte Stille auf der Baustelle. Kein Herzschlag aus Stahl war mehr zu hören. Nur ein leises, dumpfes Hämmern war noch zu vernehmen. Ein alter, rostiger Kran hämmerte mit seiner alten Abrissbirne aus Beton gegen eine Wand. Doch niemand hörte es. Das dumpfe Hämmern kam aus der letzten noch nicht abgerissenen Lagerhalle. Die neuen gelben Krane, machten sich wieder an Ihre Arbeit. Mauer für Mauer rissen sie ein. Sie holten Schwung, drehten sich wie eine Tänzerin und schlugen ein Loch in die Mauer der letzten Lagerhalle. Trümmer fielen zu Boden und erhellten die alte Lagerhalle. Einsam, voller Angst schwenkte der alte Kran seine graue Abrissbirne hin und her - als würde er warten. »Ihr tut mir doch nichts, oder?« fragte der alte Kran als von zwei Seiten Abrissbirnen die Lagerhalle zu Boden rissen. Seit mehr als 53 Jahren stand der alte Kran nun in seiner Lagerhalle. Öl lief aus seinen Schläuchen, als er die Trümmer seiner Lagerhalle um ihn herum sah. »Was suchst Du hier?« fragten die anderen Krane. Doch sie bekamen keine Antwort. Wieder wurde es still auf der Baustelle. »Feierabend!« riefen die Bauarbeiter und trafen sich auf ein Bier vor den Trümmern. »Morgen bringen wir erstmal diesen Blechhaufen zur Schrottpresse.« war alles was der alte Kran noch hörte und die Bauarbeiter in die Fernen gehen sah. Die anderen Krane kicherten. »Du bist nicht modern genug.« riefen die gelben Krane dem alten Rosthaufen zu, wir werden gebraucht, wir sind neu und haben viel mehr Kraft.« »Erst baut man mich, dann stellt man mich in eine Lagerhalle und dann will man mich verschrotten. Noch nie in meinem Leben habe ich ein Gebäude abgerissen, ich kann das doch auch.« murmelte der alte Kran. Am nächsten Tag stand die Baustelle noch immer still. Die großen, gelben Krane warteten darauf ihre Arbeit endlich zu vollenden. Lautstark sprangen die Motoren an. »Wo sind unsere Abrissbirnen« fragten sich die Krane - und was sollen wir mit diesen Haken? Die Kranführer bewegten Ihre Krane nur sehr langsam und vorsichtig, als wären sie von Glas umgeben. Vorsichtig hakten sich alle drei Krane mit ihren Haken in große schwere Ösen aus Stahl. Zusammen windeten sie den alten Kran in die Luft und setzten ihn auf einen langen LKW. »So! Abtransport.« Wieder kicherten die drei großen Krane vor Schadenfreude. Die Krane hörten zu wie sich ihre Kranführer in der Mittagspause unterhielten. »Das wir mal einen historischen Kran finden. Unsere Krane werden nie in ein Museum kommen.«