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Begrüßungsrituale
Ritual, dieses Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie, feierlicher Brauch oder kultische Handlung. Ich schlage das Fremdwörterlexikon zu.
Ja, Ritual so könnte man es nennen. Es muss ein Ritual sein, wie der Mr. Honney seine Freunde und Bekannte begrüßt. Ich habe das mal nachgeschlagen, weil ich am letzen Montag meine Studie zur Bedeutung von Begrüßungsritualen beendet habe. Ich habe dazu diesen Bekannten gewählt, weil er hinsichtlich dieses Themas ganz besondere Eigenheiten hat.
Ich kenne diesen Menschen nicht sehr gut, aber man kennt ihn halt. Jeder kennt ihn. Er ist jung, sieht gut aus und ist charmant. Sich mit ihm zu unterhalten, ja ihn nur zu begrüßen, lässt Frauenherzen höher schlagen. Tatsächlich, eine einfache Begrüßung reicht aus… Er ist einfach ein Mann bei dem die Frauen schwach werden, denn er hat diese seltene Fähigkeit einer Frau das Gefühl zu geben sie sei die einzige, schönste und wunderbarste Frau der Welt. Zumindest für Sekunden. Für die Sekunden der Begrüßung. Doch wie heißt sie noch gleich? Ja wie war doch gleicher der Name dieser schönen Frau? Ich glaube, dass fragt er sich oft. Aber egal… er überspielt diese Peinlichkeit mit einer überschwänglichen Begrüßung!
Es war mal wieder Schützenfeste in unserem Dorf, das beliebteste Volksfest bei uns. Am Montagabend geht hier tierisch die Wutz ab, denn es ist der dritte und letzte Tag des Festes und natürlich ist auch Mr. Honney da. Er ist der Star. Wenn er im Anmarsch ist herrscht Ausnahmezustand. Die Frauen bekommen feuchte Hände und werden ganz nervös. Sie stehen dicht gedrängt, alle wollen in der ersten Reihe stehen. Die Security hat Mühe, den Weg frei zu machen. Da betritt er die Halle. Laute Aufschreie und wilde Begeisterung ereilen ihn. Er schreitet langsam durch die Menschenmasse, sein blondes Harr leuchtet im Hallenlicht. Er strahlt und fuchtelt wild mit den Händen. Das ist es womit er es immer wieder schafft die Frauen zu beeindrucken. Er begrüßt einige der Damen der Reihe nach. Ich stehe am Rand, schaue dem Treiben zu, bin beeindruckt. Er scheint so etwas wie eine Rangordnung im Kopf zu haben, die er blitzschnell (zumindest so schnell, wie die Folgen des Alkohols es noch zu lassen) abruft und das angemessene Begrüßungsritual mit dem Bekanntheitsgrad des zu Begrüßenden verbindet, denn nicht jeder wird gleich herzlich begrüßt. Wie gesagt, kann dieser Vorgang schon mal etwas dauern, aber ich bin mir sicher, er findet statt!
An welcher Stelle ich in dieser Rangordnung stehe, weiß ich nicht so genau, aber ich könnte mir vorstellen irgendwo in der Kategorie: He, ja dich kenn ich. Dich hab ich doch schon öfter gesehen, ja du bist… mist, wie hieß sie denn noch gleich? Ich finde mich folglich wahrscheinlich irgendwo hinter der Mama, der Frau mit dem eheähnlichen Verhältnis zwischen ihm und ihr und der schönen Blonden aus Brockhausen im letzten Sommer wieder.
Bei der ersten Studie habe ich bei ihm verschiedene Rituale der Begrüßung kennen gelernt, doch eins war immer gleich: Die Überschwänglichkeit mit der er ist tut. Mal mehr oder weniger, aber immer da.
Nun kommt er schließlich zur Ersten, sie steht zwischen den anderen, in der zweiten Reihe. Er beugt sich vor zu ihr und reicht ihr seine Hand. Sie ist außer sich vor Freude, scheint jedoch eine weniger gute Bekannte zu sein, denn er schüttelt ihr nur kurz die Hand, fragt sie wie es ihr geht und schreitet weiter. Fanfaren spielen, Leute feiern und Frauen schmelzen fast dahin vor Freude. Er geht zur Theke, trinkt erstmal mit seinen Kameraden auf das schöne Fest. Man trinkt und feiert und trinkt und tanzt und trinkt und singt! Es ist jetzt schon einige Zeit vergangen, doch die Frauen können sich noch immer kaum beruhigen. Wenn er jetzt noch eine Bekannte entdeckt, winkt er heftig und gestikuliert ganz hervorragend. Kommt man sich näher, schüttelt man sich die Hand und nimmt sich kurz in den Arm. Doch hier ist Vorsichtig geboten. Natürlich ist er ein richtiger Mann und trinkt und raucht ohne große Pausen. Man achte also auf seine Kleidung, denn bei dem wilden Gefuchtel mit der brennenden Zigarette in der Hand, besteht in der Tat Brandgefahr. Ergreift man in dieser Phase allerdings selbst die Initiative und beschließt ihn zu begrüßen, kann es zu Verwirrungen bei ihm führen und Mr. Honney ist etwas überfordert. Er würde einem sicherlich gerne die Hand geben –natürlich-, er muss sich allerdings erst sortieren. Etwas Geduld bitte! Die Zigarette, das Glas Bier und wahrscheinlich auch noch das Handy, mit dem er gerade versucht die eingeschnappte Blondine von eben zu besänftigen, weil er sie wohl irrtümlicher Weise mit dem falschen Namen angesprochen hat und ihm jetzt urplötzlich einfällt, wer sie wirklich war, muss schließlich erstmal irgendwie in einer Hand untergebracht werden. Ja und wenn er es dann auch noch geschafft hat einen mit Namen zu begrüßen –dem richtigen natürlich- … Glückwunsch! Aber rede jetzt bloß nicht zu viel, du hast schließlich alles was du wolltest. Überfordere ihn nicht, denn bedenke: er ist ein Mann und nicht besonders multitaskingfähig!!
Jetzt kann es eigentlich nur noch schöner werden, also für die Frauen. Mr. Honney feiert ausgelassen mit all den anderen Kameraden. Trifft man ihn jetzt und wird von ihm begrüßt, ist der Begrüßungsspaß ganz klar am Größten! Wenn der Vielbegrüßer im Endstadium der Betrunkenheit angekommen ist, wie jetzt, das kann man ganz zweifelsfrei sagen, dann braucht er einen Assistenten um alle ritenmäßig korrekt zu begrüßen. Ich glaube ich bekomme für diesen Job irgendwann einmal ein Diplom. Ich könnte mich dann ,,persönlicher Begrüßungsassistent von Mr. Honney“ nennen oder so. Denn jetzt wird’s spannend. Sieht er mich, fällt er mir um den Hals und… Sekunden verstreichen. Jetzt ist die Frau selig, zugegeben, ich auch –klar-. Für Sekunden dem Star ganz nah, die Freude darüber, dass er mich erkannt hat… oder auch nicht, egal. Ein tolles Gefühl. Doch schnell ist alles wieder vorbei. Ich höre wieder die laute Musik, die feiernden Menschen und die kreischenden Frauen, die immer noch nicht aufgegeben haben, ihm Nahe zu kommen. Er ist schon wieder von Sicherheitsbeamten umzingelt, doch ich habe es geschafft in seine Nähe vorzudringen.
Ich habe nun die Chance mich mit ihm zu unterhalten. Ich frage ihn: „Alles klar?“ Und er antwortet: „Ich habe Durst.“ Natürlich hat er Durst, er hat immer Durst. „Komm wir gehen was trinken!“ Wir kämpfen uns durch die Menschenmassen. An der Theke angekommen, stoßen wir an, auf das Fest. Wir unterhalten uns weiter, mehr oder weniger sinnvoll und dann plötzlich nähert sich eine Frau. Ich sage zu ihm:“ Guck mal da kommt jemand zu dir.“ – „Zu mir? Wo?“ – „Hinter dir, dreh dich doch mal um, ich glaube die kennt dich!“ Keine Reaktion, der Lärm ist unerträglich laut und er hat mich nicht verstanden, doch dann kloppt sie ihm auf die Schulter. Ich weiß schon jetzt, jetzt komme ich zum Zug, der Assistent. Mein großer Auftritt. Mr. Honney dreht sich zaghaft um und dann… ein Schrei der Begeisterung. Jetzt geht alles wie von selbst. Ein kurzer Wortwechsel: Er: ,,Halt mal bitte!“, Ich: ,,Ja klar.“
1000 mal geprobt und einfach immer perfekt. Halt ein eingespieltes Team wir beide. Dann folgt heftiges in den Arm nehmen. Ich glaube sie ist die Frau mit dem eheähnlichen Verhältnis zu ihm, erkennbar an der Dauer der Umarmung! Dann unterhalten sie sich.
Hab ich meinen Job gut gemacht? Klar, ich habe ihm sein Glas Bier gehalten, ihm die Hände für die Zeremonie frei gemacht! Das wars dann… ich trinke sein Bier aus und wende mich wieder meinen Freunden zu.
Also dann bis zum nächsten Mal. Ich stehe ihnen gerne zu Diensten Mr. Honney!