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Bekämpfung eines Feindes

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12.01.2002
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Bekämpfung eines Feindes

Bekämpfung eines Feindes


Nun hat er tatsächlich Gestalt angenommen. Ihr grösster Widersacher, ihr schlimmster Verfolger, ihr Dämon.

Der Feind hat an ihr Fenster geklopft.

Dieser triste Wintertag - es war der 28. November - hätte denkwürdig genannt werden können, wenn nicht gleichzeitig das untrügliche, befreiende Gefühl einer inneren Bestätigung gewesen wäre: Sie hat ihn erwartet.

Erwartet - wie man einen Gast erwartet. In diesem Fall einen unerwünschten Gast, dessen Besuch aber unumgänglich ist.

So war sie auch nur leidlich überrascht und verängstigt über diese erste, doch sehr dreiste Kontaktaufnahme seinerseits. Sie hatte gelernt, dass man sich die Menschen nicht immer aussuchen kann, die urplötzlich in das eigene Leben treten und es aus den geordneten Bahnen werfen.

Aber sie ist trickreich, hat sich eine sehr eigene Überlebensstrategie angeeignet, wenn das Schicksal wieder einmal an ihre Tür hämmert, um ihr die neuste Überraschung aus seiner Abnormitätensammlung zu präsentieren. Ja, wenn es wieder einmal so weit ist - und ihre feinen Antennen registrieren inzwischen die dumpfen Schritte, mit denen das Unheil naht, lange bevor seine leibhaftigen Abgesandten ihr gegenüber stehen - dann ist sie innerlich gewappnet. Sie kichert beim Gedanken an diese List, fühlt auch einen gewissen Stolz auf ihren Erfindungsreichtum. Dabei ist es doch eigentlich einfach - so einfach, dass sie immer wieder darüber verwundert ist, warum nicht alle Menschen diesen Trick anwenden. Aber halt - vielleicht tun es ja mehr, als sie annimmt und sprechen nur nicht darüber, so wie auch sie nicht gerne darüber spricht. Vielleicht glauben diese wenigen Wissenden, dass dieses Geheimnis zu hüten sei, damit es seine geradezu magische Wirkung nicht verliert.

Ja, so muss es sein. Aber wo sind diese Wissenden? Immer wieder traf sie nur auf Menschen, die sie ungläubig anschauten, wenn sie einmal in der Stimmung war, ihr Geheimnis zu verraten.

Sie meinte sogar eine Spur von Mitleid und Abscheu in den Gesichtern dieser Menschen zu entdecken. Und rückten sie nicht auch ein Stück von ihr ab? So als hätte sie eine ansteckende Krankheit.

Einmal belauschte sie ein Grüppchen von Frauen. Klatschweiber, dumme Menschen, deren Denkhorizonte scheinbar an den Umzäunungen ihrer gepflegten Reihenhausgärtchen enden. Zorn steigt in ihr auf, getuschelte Worte dringen wieder in ihr Bewusstsein, Bilder von zusammengesteckten Köpfen, verschworen in ihrer Ignoranz.

Diese Klara S. ... armes Ding... merkwürdig... irgendwie verrückt...absonderliches Verhalten... vorsichtig sein...

Nach diesem Vorfall hatte sie aufgehört, sich anderen Menschen anzuvertrauen. Seitdem war es ruhiger in ihr.

Sie war erst vor zwei Monaten in diesen Ort gekommen, nicht freiwillig, aber das ist eine andere Geschichte und jetzt nicht wichtig. Wichtig ist jetzt nur ER - der Feind. ER muss jetzt bekämpft werden.

Obgleich sie ihn erwartet hat, macht sie sich etwas Sorgen. Er scheint so mächtig zu sein, so böse, so schlecht. Sie wird zu stärkeren Mitteln greifen müssen als üblich.

Seit diesem Novembertag verfolgt er sie. Ganz deutlich spürt sie seine Anwesenheit. Manchmal - in den Nächten, wenn sie sich noch ein Glas Wasser holt - gibt sich dieser Lump zu erkennen. Hinter ihr steht er dann, grinst sie höhnisch an. Nur für Momente sieht sie ihn... im Spiegel, der über dem Waschbecken hängt.. Sobald sie sich umdreht ist er verschwunden.

Und er klopft weiter an ihr Fenster. Mit seiner bösen, hässlichen Fratze starrt er sie an. Er will ihren Tod.

Diese nächtlichen Störungen ärgern sie. Sein Klopfen, sein plötzliches Auftauchen am Waschbecken lassen sie schlaflos werden. Auflauern will sie ihm. Und wenn er ganz nahe ist... ja, dann ist es Zeit für ihren magischen Trick.

Schon fühlt sie einen Anflug des herrlichen Triumphgefühls, das sie nach all ihren Siegen hat. Nur etwas müde ist sie wegen der vielen durchwachten Nächte.

Vielleicht schon zu müde, um noch aufmerksam genug zu sein. Das darf nicht sein. Kein Vorteil für den Feind.

Nur eine Nacht schlafen, notfalls mit Hilfe des Schlafmittels, das versteckt in der Schublade ihres Nachtschränkchens liegt.
Lange hat sie überlegt, wie sie die Tabletten verstecken kann. Sie sollten immer greifbar und dennoch nicht auffindbar sein. Da kam ihr die Idee mit der halbvollen Pralinenschachtel.

Niemand sucht in einer Pralinenschachtel. Trickreich ist sie.

Noch ein paar Nächte will sie sich zwingen. Schlafen am Tag für ein paar Stunden, zwischendurch, denn am Tag kommt er nicht. Es muss unauffällig sein, sonst stellen sie wieder diese vielen Fragen. Noch ein paar Nächte, nur noch ein paar.

Er kommt, klopft, starrt sie an. Verschwindet. Kommt wieder. Sie wartet.

Noch eine Nacht und noch eine Nacht. Dann...

Diese Nacht wird es geschehen, sie ahnt es. Das ist gut so, denn sie hat keine Kraft mehr, noch länger zu warten. Diese Nacht wird er besiegt. Kein Klopfen mehr, kein Starren, kein Warten. Der Feind wird endgültig besiegt. Er ist der grösste Widersacher. Nach diesem Sieg wird endlich Ruhe herrschen. Er ist der Dämon. Das leibhaftige Böse. Was könnte nach ihm noch kommen?


Sie ist gewappnet in dieser Nacht. Da... das Klopfen! Sie geht zum Fenster - wissend, dass er dieses Mal nicht verschwinden wird. In dem Augenblick, in dem sie das Fenster öffnet, hat er auch schon seine Finger um ihren Hals gelegt. Auf diesen Moment hat sie gewartet. Ganz nahe muss er sein, damit ihr Trick funktioniert. Sie ringt nach Luft, ihr Herz rast - seine Finger drücken fester zu, er starrt in ihre Augen. JETZT... sie sieht seinen siegessicheren Gesichtsausdruck... JETZT. Sie verlässt ihren Körper, spaltet den Teil ab, der dem Tode nahe ist. Er tötet ihre leere Hülle und mit ihrem Tod ist seine Macht über sie erloschen. Welch formidabler Trick! Er tötet eine leere Hülle. Ja, er tut es. Er merkt es nicht. Sie ist so trickreich!

Jetzt kann sie auch wieder atmen. Sie sieht ihre Hülle am Boden liegen, seltsam verrenkt die Glieder, die Augen gross und starr. Sie fühlt sich leicht und befreit. Es ist vollbracht.

Jetzt noch eine Schlaftablette. Oder lieber ein paar mehr - sie hat sich einen tiefen, langen Schlaf verdient.

Nachwort:

Am Morgen des 18. Dezember findet die Nachtwache des psychiatrischen Krankenhauses im Örtchen L. die tote Klara S.
Sie liegt auf ihrem Bett, ihre Glieder sind seltsam verrenkt, als hätte sie einen grausamen Todeskampf durchlitten, die Augen gross und starr.

Am Mittag des gleichen Tages liegt die Bestätigung vor, dass sie an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben ist.

Klara S. war vor zwei Monaten nach einem Zusammenbruch in das Krankenhaus eingeliefert worden. Die Diagnose lautete: paranoide Wahnvorstellungen mit Selbstzerstörungs- und Abspaltungstendenzen.

 

Hallo Klara!

Nach viereinhalb Jahren soll dein Text nun auch endlich einen Kommentar bekommen.

"Diese Klara S. ... armes Ding... merkwürdig..." => Ups, der Text ist autobiografisch? (Selbst wenn er es ist, würde ich doch empfehlen, einen anderen Namen zu nehmen - so denke ich, als Leserin, dass es vielleicht ungünstig ist, dir eine Kritik zu schreiben, weil du vielleicht negatives auf dich beziehst und nicht auf den Text.)

"Jetzt noch eine Schlaftablette." => Äh, die an dieser Stelle nur noch existierende Seele (der Körper ist ja tot, nur noch eine leere Hülle) schluckt Schlaftabletten? Wie funktioniert das? Und braucht die Seele wirklich Schlaf? => Das hier ist das am meisten verwirrende in deinem Text, siehe unten.

"die tote Klara S. " => Dann wohl doch nicht autobiografisch.

Der Text ist ziemlich wirr. Das ist jetzt nicht unbedingt negativ gemeint, denn ich weiß nicht, wie es in dem Kopf einer Paranoiden aussieht.
Das Ende erklärt das Geschehen ja auch.
Interessant zu lesen.

Grüße
Chris

 

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