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beraubter Räuber
Schon als er einstieg war mir klar dass mit diesem zu kurzgeratenen Walross etwas nicht stimmen konnte. Er wirkte völlig verstört. Mit starrem Blick und zittriger Stimme versuchte er mir sein Fahrtziel zu erklären. Es liess sich nur erahnen, ob die aus seinen Gestotter zu entnehmenden Worte, Flughafen-West, lauteten. Er war ja nicht der erste komische Kauz, der meine Dienste als Taxifahrer in Anspruch nahm. Zu dieser frühen Stunde, waren meine Kunden normalerweise Betrunkene oder Workaholiks. Übles Gesindel.
Trotzdem schätze ich diese Arbeit. Vor allem ihre kleine, aber genugtuende Entgeltung, die mir das Gefühl von sozialer Integration verlieh und mich Teil einer ehrlich arbeitenden Gesellschaft werden liess. Nun ist es etwa ein halbes Jahr her, seitdem ich aus meiner 10 jährigen Haft entlassen wurde. Ich hatte immer noch Mühe, mich in dem Leben ohne Gitterstäbe und geregelten Essenszeiten, zurechtzufinden. Ich wurde wegen versuchtem Bankraub festgenommen. Damals war ich Anfang 30 und blickte auf ein Leben voller Mühsal und Pechsträhnen zurück. Ein Nervenzusammenbruch war prädestiniert. Aus absoluter Perspektivlosigkeit und finanziellen Sorgen entschied ich mich auf kriminelle Art einen Ausweg zu finden. Da der Coup nicht gelang, stand meinem Schicksal, als absoluten Trottel und Pechvogel, nichts mehr im Wege. Zehn Jahre Strafvollzug prägten die Einstellung gegenüber meiner Existenz sehr. Mir ist nun klar, welche Pläne das Leben mit mir hat und ich keine grossen Erwartungen mehr zu stellen habe.
Bevor ich losfuhr, erkundigte ich mich zur Sicherheit nochmals, das Fahrtziel verstanden zu haben. Sein Gesicht war blass und der Schweiss tropfte ihm von Nase und Kinn. Er nickte nervös zu und klammerte sich an seiner Tasche fest. Ich liess den Wagen an und fuhr los. Die Scheinwerfer erhellten die noch feuchte Strasse. Mein Fahrgast verhielt sich immer auffälliger, er konnte kaum ruhig dasitzen. Ich verkniff es mir, ihn nach seinem Wohlbefinden zu Fragen. Er hatte eindeutig Probleme, an denen ich keineswegs teilhaben wollte. Ich schaltete das Radio an um mich abzulenken. Wir fuhren durch die schlafende Stadt.Um diese Urzeit herrschte noch kein Verkehr. Der Herr neben mir, starrte suchend aus dem Fenster und schlotterte am ganzen Leib. "Anhalten," schrie er plötzlich. Ich reagierte erschrocken und bremste abrupt ab, kaum dass der Wagen am Strassenrand zum stehen kam, sprang er aus dem Auto um Geld in den Zeitungsautomaten zu werfen. Ich konnte mir nicht erklären aus welchem Grund jemand so dringend eine Zeitung brauchte. Er rannte über die Strasse zu dem Automaten. Die zwei Sporttaschen die ich ihm beim Einsteigen förmlich aus den Händen zerren musste, liess er gedankenlos auf dem Rücksitz liegen. Ich stellte das Radio etwas lauter um die ersten Tagesnachrichten zu hören."Vor Ladenschluss wurde die Volksbank überfallen. Beim Täter handle es sich um einen kleinen, fettleibigen Mann. Die Fahndungsmassnahmen der Polizei seien bis anhin erfolglos, der Räuber sei noch immer auf freiem Fusse".
Ich blickte auf die zwei schwarzen Sporttaschen, und der Fall war klar. Ich sah es als Wiedergutmachung der letzten zehn Jahre und drückte aufs Gas.
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