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Besessen

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09.01.2002
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Ein Tag wie jeder andere.
Elektrosmog schwebt unsichtbar durch die Büroräumlichkeiten, während ich völlig übermüdet vor dem Kopierer stehe und meine Augen sich beim Surren jeder einzelnen Kopie ein wenig mehr schließen. Ich weiß gar nicht, warum ich so fertig bin. Ich war gestern um zehn im Bett, fühle mich aber, als hätte ich die ganze Nacht durchgemacht.
Doch die Partyzeiten sind schon lange vorbei. Das Alter fordert seinen Tribut.
Spießer. Warmduscher. Anfang vierzig und im sozialen Abseits.
Der Kopierer verstummt und ich zwinge meine Augenlider sich zu öffnen. Neonlicht, hart und kalt, kratzt an meinen Netzhäuten. Ich schwebe zu meinem Platz. Nehme die Umgebung, die Kollegen, die Telefone, das Leben nur noch durch einen Schleier aus Müdigkeit und Desinteresse wahr. Mein Arbeitsplatz, zwei Quadratmeter Frust und Motivationslosigkeit, umgeben von Trennwänden, umgeben von einem Großraumbüro, umgeben von Desillusion. Zwei Quadratmeter Anonymität in der Masse.
Das Telefon klingelt, schrill. Ich nehme ab, lege auf. Keine Lust auf schönen guten Tag, wie kann ich ihnen helfen?
Ich öffne meinen Aktenkoffer, habe Hunger.
Irgendetwas liegt dort, in einem weißen Tuch eingerollt.
Ich greife danach, hebe es hoch und eine Pistole poltert zu Boden.
Erschrocken, hebe ich sie auf, schmeiße sie hastig in den Koffer zurück und schaue mich um.
Keiner beachtet mich. Wie üblich.
Woher kommt die Waffe?
Dämon
Wer hat sie in meinen Koffer gesteckt?
Erlaubt sich jemand einen schlechten Scherz mit mir?
Wieder schaue ich mich um, in leere und ausdrucklose Gesichter.
Plötzlich steht mein Chef vor mir. Haare nach hinten gegelt, schicker Anzug, ernster Blick.
Was ist jetzt mit der Bachmann Akte?
Immer noch nicht fertig?
Wie sehen sie eigentlich aus?
Haben sie heute Nacht nicht geschlafen?
Sie sollten mal ihren Lebensstil überdenken. Sie sind nicht mehr in dem Alter, in dem man sich, mir nichts, dir nichts, die Nächte um die Ohren haut.
In zwei Stunden will ich die Akte auf meinen Tisch.
Haben sie das verstanden?
Dämon
Haben sie das verstanden?
Ich verstehe und nicke. Resigniert. Wütend.
Anfang vierzig und feige.
Ich schlurfe auf die Toilette, uriniere, wasche mir die Hände und erblicke ein fremdes Gesicht im Spiegel.
Dämon
Rote ledrige Haut. Gelbe stechende Augen. Ein boshaftes Lächeln, das zwei beindruckende Fangzähne offenbart.
Du weißt, was du zu tun hast.
Dämon
Ich weiß es.
Bestimmten Schrittes gehe ich zurück zu meinem Arbeitsplatz und hole das Tuch samt Inhalt aus meinem Koffer.
Mittagszeit. Die tägliche Wanderung beginnt. Aufzugtüren öffnen und schließen sich.
Ich klopfe an der Bürotüre meines Chefs, lasse mich nicht bitten und trete ein.
Er schaut mich verdutzt an, während ich die Tür hinter mir schließe.
Er fängt sich. Haben sie die Akte Bachmann fertig?
Besser noch, sage ich und greife in das Tuch hinein.
Kalter Stahl, schwer und tödlich.
Das Tuch schwebt in Zeitlupe zum Boden und ich entsichere die Waffe, richte sie auf meinen Chef.
Dämon
Entsetzen zeichnet sich in seinem aalglatten Gesicht ab. Er stammelt etwas.
Ich drücke ab.
Die Kugel prallt in seine Schulter.
Mein Chef wird fast vom Stuhl gerissen und stößt einen kreischenden Schmerzensschrei aus.
Es überkommt mich ein wohliger Schauer.
Erneut drücke ich ab und verteile sein Gehirn auf die Panoramascheibe seines Büros.
Die galleartige rosa Masse rutscht langsam zu Boden und trübt die schöne Aussicht auf die Stadt.

Ich verlasse das Büro und alle Blicke richten sich auf mich. Die Allgemeinheit sieht meine Waffe. Panik bricht aus. Die Sekretärin des Chefs, mein beliebtester Gedankengast bei einsamen Klositzungen, starrt mich mit offenem Mund an, während sich ihre Augen langsam mit Tränen füllen. Die Kugel durchbohrt ihre Bauchdecke und auf ihrem Blümchenkleid erblüht ein ganzer Strauß roter Rosen.
Dämon
Den schmierigen Typen vom Verkauf erwische ich voll im Lauf und reiße ihm die rechte Gesichtshälfte weg. Ideales Aussehen für Kundebesuche.
Der Geruch von Schwarzpulver liegt in der Luft, beinahe wie an Sylvesterabende.
Schreie übertönen das fortwährende Klingeln der Telefone.
Dämon
Der Vertriebsleiter bricht zu Boden, als ich ihm die Kniescheibe wegschieße.
Blut. Jede menge Blut.
Dämon
Ein Wimmern, hinter einer der Trennwände.
Dort kauert der EDV-Wichser, der meinen Internetzugang gesperrt hat.
Ich
Dämon
lächle
lächelt.
Ein Schuss.
Die Kugel tritt in seinem linken Auge ein und wieder gibt es Hirngulasch.
Gelassen, als wäre ich beim Einkaufbummel, schlendere ich durch die, inzwischen menschenleeren, Büroräume meines Arbeitgebers.
Ich gehe zurück auf die Toilette und blicke in die fremden Augen.
Dämon
Das hast du schön gemacht.
Fühlt sich gut an, oder?
Ich nicke.
Dämon lächelt.
Wir sehen uns, sagt er und verschwindet.
Die Türe wird aufgerissen und zwei Sicherheitsleute zielen mit ihren Pistolen auf mich.
Doch der Lauf meiner Waffe ruht bereits auf meiner Schläfe.
Dämon

 

Zitat von lukas_iskariot:

Deswegen wage ich es zu sagen, dass eine derart schlechte Kopie von guten „Fight Club“ Szenen beinahe schon bestraft gehört.

Dem muss ich mich anschließen.

Hallo grasi!

Leider kann auch ich kein gutes Haar an deiner Geschichte lassen. Der Einstieg mit dem Kopierer, das Leben im Büro, das erinnert alles sehr an Fight Club. Der Unterschied ist allerdings, dass Edward Norton im Film eine Art "geistigen" Amok läuft. Durch die perfekten Schnitte wird dieser zu einem cineastischen Kunstwerk.
Dein Text hingegen ist auf reine Effekthascherei aus. Möglichst viel Gehirnmasse dort, ein paar entstellte Menschen da. Mit so plumpen Actionszenen kannst du den Leser nicht schockieren (zumindest mich nicht).
Die Beweggründe des Manns werden völlig unbefriedigend erklärt. Er ist ein zweidimensionaler Charakter.

Lukas und ich sind nicht oft einer Meinung, aber in diesem Fall muss ich mich seinem Kommentar vollkommen anschließen.

Nichts für ungut.

Grüße

Cerberus

 

Hm. Mir hat sie auch nicht sehr gefallen, was wohl hauptsächlich an der etwas faden Story liegt.
Der Leser wird mit einem Mann konfrontiert, erzählt von der Ich-Perspektive, der das Allatgleben satt hat und irgendwie eine zweite, dämonische Seite entwickelt, die zu ihm spricht.
Er läuft Amok und das ganze wird in brutalen Splatterszenen erzählt.
Kurzgeschichte zu Ende.
Na ja, wo bleibt die Story? Wo bleiben seine Gefühle?
Ich denke, es würde dem Leser viel mehr berühren, wenn du schreiben würdest, was er richtig denkt und fühlt. Was seine Motive sind.

An deinem Schreibstil haben mir die abgehackten Sätze nciht gefallen.
Dieses "Dämon" fande ich auch nicht richtig gesetzt, es störte mich vielmehr.
Das, was der "Dämon" sagt, würde ich in eine Redewendung setzten, oder kursiv machen.

 

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